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„Hoffnungslos“
von Michael Zehender
Vorspruch
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
„Not lehrt beten“, so sagt es der Volksmund. In dieser Andacht heute geht es darum, dass
Menschen ihre Hoffnungslosigkeit vor Gott bringen und manchmal auch mit letzter Kraft
darauf vertrauen, dass Gott ihnen Hoffnung und Zuversicht schenkt.
Lied
EG 361 Befiehl du deine Wege
oder:
EG 166 Tut mir auf die schöne Pforte
Psalm
Psalm 125
Die auf den HERRN hoffen, werden nicht fallen,
sondern ewig bleiben wie der Berg Zion.
Wie um Jerusalem Berge sind,
so ist der HERR um sein Volk her von nun an bis in Ewigkeit.
Denn der Gottlosen Zepter wird nicht bleiben
über dem Erbteil der Gerechten,
damit die Gerechten ihre Hand nicht ausstrecken zur Ungerechtigkeit.
HERR, tu wohl den Guten
und denen, die frommen Herzens sind.
Die aber abweichen auf ihre krummen Wege,
wird der HERR dahinfahren lassen mit den Übeltätern.
Friede sei über Israel!
oder:
Psalm 71 (EG 732)
Ehr sei dem Vater und dem Sohn
Gebet
Gott, unser Vater, immer wieder kommen wir Menschen an den Rand unserer Kräfte, fragen
uns: Wie wird es weitergehen im Leben?
Wir bitten dich: Halte schützend deine Hand über uns und stärke unsere Hoffnung und
Zuversicht.
Das bitten wir dich durch Jesus Christus, unseren Bruder und Herrn, der mit dir und dem
Heiligen Geist lebt und Leben schenkt von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Amen.
Lied
EG 584 Meine engen Grenzen
oder:
EG 232 Allein zu dir, Herr Jesu Christ
Hinführung
„Not lehrt beten“, so sagt es der Volksmund. Und so ist es: Menschen haben seit jeher ihre
Not und Hoffnungslosigkeit vor Gott gebracht. Selbst oder gerade in Zeiten, in denen sie
nicht mehr weiter wussten, keine Perspektive mehr für sich sahen, wandten sie sich im
Gebet an Gott, klagten ihr Leid und flehten ihn an, ihnen zu helfen. So auch ein Teil des
Volkes Israel, das vor gut 2500 Jahren in Babylon im Exil lebte:
Lesung
9 Wach auf, wach auf, zieh Macht an, du Arm des HERRN! Wach auf, wie vor alters zu
Anbeginn der Welt! Warst du es nicht, der Rahab zerhauen und den Drachen durchbohrt
hat?
10 Warst du es nicht, der das Meer austrocknete, die Wasser der großen Tiefe, der den
Grund des Meeres zum Wege machte, dass die Erlösten hindurchgingen?
11 So werden die Erlösten des HERRN heimkehren und nach Zion kommen mit Jauchzen, und
ewige Freude wird auf ihrem Haupte sein. Wonne und Freude werden sie ergreifen, aber
Trauern und Seufzen wird von ihnen fliehen.
12 Ich, ich bin euer Tröster! Wer bist du denn, dass du dich vor Menschen gefürchtet hast,
die doch sterben, und vor Menschenkindern, die wie Gras vergehen,
13 und hast des HERRN vergessen, der dich gemacht hat, der den Himmel ausgebreitet und
die Erde gegründet hat, und hast dich ständig gefürchtet den ganzen Tag vor dem Grimm des
Bedrängers, als er sich vornahm, dich zu verderben? Wo ist nun der Grimm des Bedrängers?
14 Der Gefangene wird eilends losgegeben, dass er nicht sterbe und begraben werde und
dass er keinen Mangel an Brot habe.
15 Denn ich bin der HERR, dein Gott, der das Meer erregt, dass seine Wellen wüten – sein
Name heißt HERR Zebaoth –;
16 ich habe mein Wort in deinen Mund gelegt und habe dich unter dem Schatten meiner
Hände geborgen, auf dass ich den Himmel von neuem ausbreite und die Erde gründe und zu
Zion spreche: Du bist mein Volk.
(Jesaja 51,9-16)
STILLE
Besinnung
Mit einem Lächeln im Gesicht sitzt er da in einem Sessel, der mehr als doppelt so alt ist wie
er selbst: Usman. Der junge Mann ist Anfang Zwanzig, Christ und in Syrien aufgewachsen. Er
erzählt vom Leben in seiner Heimat: Er war begeisterter und guter Fußballspieler – schon
von Kindesbeinen an. Er gehörte zu den besten in seiner Schulklasse. Er hatte Träume, wollte
studieren und Arzt werden, den Menschen helfen. Doch dann kam der Bürgerkrieg. Der sog.
„Islamische Staat“ mit seinen radikalen Forderungen so zu leben und zu glauben, wie es die
Machthaber vorgeben, ließ nicht nur die Träume in weite Ferne rücken. Usman war
gezwungen, seine Heimat zu verlassen. Das war ihm klar: „Wenn ich jetzt nicht fliehe, dann
gibt es keine Zukunft.“
Der junge Mann erzählt von einer langen Reise: „Voller Hoffnung setzte ich mich mit vielen,
vielen anderen jungen und alten Menschen in ein Boot, das uns nach Griechenland brachte.
Dort angekommen war ich davon überzeugt, dass ich es bald geschafft haben würde. Ich
nahm mir vor, nach Deutschland zu kommen – in der Hoffnung, dort in Frieden leben und
glauben zu können. Und mein Traum war plötzlich wieder da: Ich will Arzt werden und den
Menschen helfen. Doch was wir dann erleben mussten, raubte mir das ein und andere Mal
meine letzte Hoffnung. Und manchmal wusste ich auch nicht, was ich beten sollte. Zu Fuß
machte ich mit einigen anderen auf den Weg über die Balkanstaaten Richtung Österreich
und Deutschland. Immer wieder wurden wir von der Polizei festgenommen – teils sehr
rabiat, ohne dass wir den Anschein gemacht hätten, uns zu wehren. In den Gefängnissen
lernte ich von Mitgefangenen ein paar Worte Ungarisch und auch Russisch. Vielleicht würde
es mir nützen auf meinem Weg. Und jeden Tag und jede Nacht die Bitte: „Gott sei mit mir.
Verlass mich nicht.“ Mal konnte ich es leichter beten, oft jedoch kamen mir die Worte nur
schwer über die Lippen. Auch wenn die Hoffnung auf Frieden und ein besseres Leben nie
ganz verschwunden ist, manchmal war sie nur noch ein kleiner Funke.“
In seiner Not, in seiner Hoffnungslosigkeit hat sich Usman im Gebet immer wieder an Gott
gewandt – so wie es Menschen schon seit Jahrtausenden tun. „Wach auf, wach auf, zieh
Macht an, du Arm des HERRN! Wach auf, wie vor alters zu Anbeginn der Welt!“ So haben wir
es in der Bibelgeschichte aus dem Buch des Propheten Jesaja in der Lesung gehört.
Menschen aus dem Volk Israel, die als Verbannte im Exil in Babylon lebten, wenden sich an
Gott. In ihrer Verzweiflung beten sie, dass er doch seinen mächtigen Arm wieder erheben
möge, um ihnen Freiheit und Frieden zu schenken. Die Worte wirken wie ein Notschrei aus
dem letzten Gefühl einer Gottverlassenheit. „Wo bist du, Gott? Warum hilfst du uns nicht
aus unserer Not und Hoffnungslosigkeit heraus?“ Vielleicht ist es ein letzter Funke Hoffnung
auf Gottes Hilfe, der in den Israeliten glimmt, der sie beten lässt. Sie wenden sich an Gott,
weil sie doch wissen, sich daran erinnern, was er alles für die Menschen getan hat und wie er
Menschen einen neuen Weg gezeigt hat. Sie erinnern sich daran, dass Gott schon seit jeher
Licht in die Finsternis gebracht hat: Gott hat die Mächte der Empörung und der Finsternis
besiegt. Gott hat das Volk Israel aus der Sklaverei in Ägypten befreit. Er hat das Meer geteilt,
so dass die Israeliten unbeschadet fliehen konnten. Dann hat Gott sein Volk auf dem Weg
durch die Wüste nicht verhungern lassen. Er hat ihnen Wachteln und Manna zur Speise
gegeben.
Ja, die verbannten Israeliten in Babylon legen ihre letzte Hoffnung in ihr Gebet. Sie glauben
und hoffen: Wenn Gott handelt, wendet sich das Blatt. Gott schenkt Zukunft und Leben. „So
werden die Erlösten des HERRN heimkehren und nach Zion kommen mit Jauchzen, und
ewige Freude wird auf ihrem Haupte sein. Wonne und Freude werden sie ergreifen, aber
Trauern und Seufzen wird von ihnen fliehen.“ Die Antwort Gottes auf das Flehen, Klagen, auf
das Gebet der Menschen ist: „Ich bin euer Tröster!“ Gott ist gegenwärtig – gerade und
besonders in hoffnungslos scheinenden Situationen. Gott begleitet uns auf unserem
Lebensweg – auch wenn wir es nicht immer direkt spüren. Aber im Rückblick ist dies die
Erfahrung der Glaubenden seit jeher – bis heute.
Usman ist nach vier Monaten Flucht aus seiner Heimat Syrien hier in Deutschland
angekommen. Nach kurzer Zeit in einer Erstaufnahmeeinrichtung wohnt er nun mit fünf
anderen Männern in einem vom Landkreis angemieteten Haus in einem kleinen Dorf. Die
Menschen in der Nachbarschaft haben ihn und die anderen Männer herzlich aufgenommen,
helfen und unterstützen, wo sie können. Usman spielt wieder Fußball und ist ein Gewinn für
den Fußballverein vor Ort.
Er sitzt dankbar in dem alten Sessel aus den 60er Jahren und nicht nur sein Lächeln zeugt von
der Hoffnung in seinem Herzen. „Ich will Arzt werden und den Menschen helfen.“
Sicher wird es noch ein weiter Weg sein, bis vielleicht sein Traum in Erfüllung geht. Aber
Usman trägt die Hoffnung in sich und bringt sie im Gebet vor Gott, denn er hat die Erfahrung
gemacht: Gott ist mit mir.
Lied
EG 638 Ich lobe meinen Gott, der aus der Tiefe mich holt
oder:
EG 613 Freunde, dass der Mandelzweig
oder:
EG 352 Alles ist an Gottes Segen
Fürbitten
Lasst uns beten für alle, die Gott suchen,
dass sie ihn finden.
Für die, die meinen, Gott schon zu haben,
dass sie ihn erneut suchen.
Lasst uns beten für alle, die die Zukunft fürchten,
dass sie Vertrauen lernen.
Für alle, die gescheitert sind,
dass sie noch einmal anfangen dürfen.
Für die, die zweifeln,
dass sie nicht verzweifeln.
Lasst uns beten für alle, die sich verloren fühlen,
dass sie ein Zuhause finden.
Für die Einsamen,
dass sie einem Menschen begegnen.
Lasst uns beten für alle, die hungern,
dass sie gesättigt werden.
Für die, die satt sind,
dass sie ihre Hände öffnen.
Lasst uns beten für alle, die auf der Flucht sind,
dass sie Menschen finden, die sie herzlich empfangen,
ihnen ein offenes Ohr und eine helfende Hand schenken.
Lasst uns beten für alle, die in dieser Welt leben
zwischen Hoffnung und Furcht.
Und für uns selbst:
Gott, befreie uns von Angst und falscher Sicherheit.
Gib das, was gut ist für uns und alle anderen,
durch Jesus Christus, dem wir vertrauen.
(bearb. Agende I.2 , Nr. 1271)
In der Stille bringen wir vor allem die uns lieben Menschen vor dich, Gott, die hoffnungslos
sind und deine Kraft brauchen:
Stilles Gebet
Vater unser
Lied
EG 629 Liebe ist nicht nur ein Wort
oder:
EG 356 Es ist in keinem andern Heil
oder:
EG 358,6 So hilf uns, Herr, zum Glauben
oder:
EG 416 Mach mich zu einem Werkzeug deines Friedens
oder:
EG 247,1 Herr, unser Gott, lass nicht zuschanden
oder:
EG 331,11 Herrr, erbarm, erbarme dich
Segen