2. Kinderbrandbrief an Frau Dr. Merkel

KinderBrandBrief an die liebe Frau Merkel, unsere Bundeskanzlerin
Von Michel aus Waase von der Insel Ummanz / Rügen
Hallo Frau Merkel
Nach meinem ersten Brief an dich, der nun schon so lange her ist, dass ich mich kaum noch daran
erinnern kann, habe ich mich oft gefragt, warum denn nichts passiert. Ich höre meine beiden älteren
Geschwister, wenn sie mitten in der Nacht, im Dunkeln aus dem einen großen Bett huschen in dem
wir vier Kinder schlafen um uns gegenseitig gegen die grimmige Kälte zu wärmen und ich bin dann
immer ganz froh, dass ich noch nicht in die Schule muss und noch ein wenig Kuscheln darf. Meine
Geschwister sind richtig komisch geworden, seit sie jeden Morgen so früh raus müssen, weil der olle
Schulbus nun mal sagt, dass er nicht anders fahren kann. Du musst dir jetzt keine Sorgen machen
gute Frau Merkel, ich weiß natürlich, dass der Bus das nicht sagt und auch der der den Bus lenkt
redet sowas nicht. Ich bin mir inzwischen sicher, die die sowas sagen, dass sind die grauen Männer,
die dieser Momo die Zeit oder die Schildkröte klauen wollen. Du kennst die bestimmt ziemlich gut,
denn du siehst auch schon manchmal ganz schön grau aus. Das meine ich wirklich nicht böse oder so,
aber jetzt vor kurzem, als da so ein junger Grieche bei dir zu Besuch war, da kam es mir wirklich so
vor, als wärest du ein bisschen farbloser als sonst. Mutter sagt, das liegt nur an unserem alten
Fernseher, den unser Vater vom Sperrmüll geholt hat aber ich weiß es besser. Der junge Grieche hat
bestimmt versucht dir zu erklären, dass die Renten in Griechenland jetzt viel dringender steigen
müssen als bei uns und dass wir hier dafür Geld spenden sollen… ganz richtig viel Geld. Also so an die
tausendzwanzig Sparbüchsen sagt meine große Schwester immer. Soviel nämlich wäre nötig, damit
die griechischen Renten größer sind als die deutschen obwohl sie, wenn man so rechnet wie meine
Schwester, nur etwa ein Drittel so hoch sein dürften. Was ich dabei nicht verstehe ist, dass die
Renten der Griechen jetzt schon so hoch sind wie die von meinem Großvater. Der hat über 45 Jahre
lange gearbeitet und kriegt 1290€. Oh Mann, so alt werde ich bestimmt nie, wie der gearbeitet hat…
und so viel Geld kriege ich bestimmt auch nie. Was geben sie dir eigentlich, damit du so gut auf uns
aufpasst und uns so toll regierst?
Meine Schwester geht in die erste Klasse musst du wissen und rechnen ist voll ihre Sache, aber
richtig gut ist sie da nur in den Ferien, wenn sie endlich mal ausschlafen kann und nicht 2 volle
Stunden vor ihrer natürlichen Zeit aus unserem Bett muss. Und das alles wegen den doofen grauen
Männern, die die Busse kontrollieren.
Kannst Du denn da nichts tun?
Du bist doch unsere große liebe Kanzlerin, oder? Versuche es doch wenigstens mal, bitte!
Aber wenn ich so richtig drüber nachdenke, dann hast womöglich auch du keine Lösung, denn die
großen Menschen sind hier alle irgendwie wie beschränkt.
Dabei ist das doch wirklich ganz einfach.
Ich habe da vor einigen Tagen ein paar Ameisen entdeckt. Aus lauter Spaß habe ich denen Zucker
hingestreut, einfach so, überall. Und überall waren dann auch Ameisen. Als der Zucker alle war, da
habe ich nur an ein paar wenigen Stellen Zuckerhäufchen hingemacht und du wirst es nicht glauben,
die Ameisen waren alle nur noch an den Stellen, wo es die kleinen Zuckerhaufen gab mit ein paar
Trampelpfaden dazwischen. Das fand ich sehr interessant und habe nun aus den vielen kleinen
Haufen immer weniger Große gemacht. Ich will ehrlich sein, ich war einfach zu faul diese dauernde
Kleinkrümelverteilung weiter zu machen und dachte es sei egal, aber das war es irgendwie nicht.
Nach und nach wurden es immer weniger Ameisen und eines Tages waren sie ganz verschwunden.
Wenn man überall die Schulen zumacht, die Polizei abzieht, die Gerichte schließt, die Läden und
Poststellen wegnimmt, wenn man nur noch ein paar Busse für die Touristen fahren lässt und jede
Aussicht auf Unternehmertum durch graue Männer (Bürokraten, die Mama) abwürgt, dann laufen
halt immer mehr Menschen davon. Und für noch weniger Menschen braucht man dann noch
weniger Schulen, Poststellen, Polizisten, Busse und so weiter. Dann stirb das Land, so wie meine
Ameisen gestorben sind. Verstehst Du das, liebe Frau Bundeskanzlerin? Bitte lass uns nicht im Stich!
Ok, vielleicht war aber auch einfach nur der Zucker schlecht geworden.
Sicher bekommst du ganz viele solcher Jamerbriefe, gute Frau Merkel und bestimmt kannst du sowas
auch schon nicht mehr sehen. Darum will ich nicht nur jammern, sondern auch ein paar Vorschläge
machen.
Also als erstes ist mal klar, dass du das Landgesterbe nur stoppen kannst, wenn du Zucker hast,
schönen feinen Zucker, damit man den auch gut verteilen kann. Mein Papa meint mit überall Internet
wäre schon richtig was erreicht, denn das sei wie Zucker. Dann sind da noch kleinteilige Schulen, so
wie in Finnland. Weißt du, wir hatte gerade Besuch von ein paar Finnen und die haben sich richtig
erschreckt, als sie von unserem Schulsystem hier erfahren haben. Deren Gesichter hättest du mal
sehen sollen. Ich dachte schon die fangen bestimmt gleich an zu schimpfen über unsere Insel, doch
dann haben die sich bei Papa ein Bier geholt und sind in die Sauna gegangen. Sind halt sehr friedlich
die Finnen… und schlau, denn das EINE Bier war ein ganzes Fass.
Ach so, ich wollte dir ja noch ein paar mehr Tipps geben. Ok, da war da noch die Gurken-Maut, d.h.,
jeder der hier nur rumgurkt sollte Maut zahlen und zwar an die, die das Gegurke ertragen müssen.
Und je mehr man gurkt, umso mehr muss man bezahlen. Das ist viel besser als die Dob-Rind-Maut,
die ihr da heute beschlossen habt, wobei mir auch Mama nicht erklären konnte, warum man eine
Maut für gedopte Rinder beschließen sollte.
Einer von den Bürgermeistern hier hat auch gemeint, dass man in den wenigen großen Ämtern ganz
viel sparen könne, denn da würde sowieso nur höchstens 5 Leute was tun. Ich habe dann Papa
gefragt wie viele da noch sind und nichts tun, aber der sagte nur „der Rest“. Also hier ist meine Idee:
Tu den Rest doch einfach in kleine Kisten (Container, die Mama) und verteile die ein bisschen auf
dem Land – hier einen und da und dort vielleicht mal zwei oder einen halben. Wenn die näher bei
uns dran wären, dann würden wir denen schon zeigen, was sie alles für uns tun könnten. Und sonst
können wir ja auch viel über das Internet machen, dass wir oben schon mal hatten und das uns noch
fehlt.
Ganz schwierig wird es immer beim Thema Transport von Menschen oder auch Nahverkehr, wie die
grauen Herren das nennen, aber hier bin ich mir sicher, dass die nur nicht richtig denken wollen. Die
müssen ja auch nicht denken, wozu denn. Ich kenne das, wenn ich z.B. alleine bei den Großeltern bin,
dann kriege ich alles was ich will und muss mich gar nicht anstrengen. Sind meine drei Geschwister
mit dabei, dann muss ich mir schon richtig Mühe geben. Genauso ist das mit den grauen Männern.
Die können es sich leisten so denkfaul zu sein, weil sie keine Geschwister (Konkurrenz, die Mama)
nicht haben und darum brauchen die sich halt auch nicht anstrengen.
Ich hätte da jetzt noch eine ganze Menge mehr Vorschläge, aber draußen lacht die Sonne, auf der
Wiese liegt mein alter löchriger Fußball und zwinkert mir einladend zu, vom Fischteich her rauscht
das Schilf im Wind und ich denke es wird Zeit, dass ich ein bisschen toben gehe. Das solltest du auch
mal tun, macht echt Spaß und hilft beim Denken. Ich lade dich auch gerne mal zu mir ein. Da könnten
wir zusammen toben und ich berichte dir, was mir noch so eingefallen ist. Ich verspreche dir auch,
dass ich dich nicht um Geld anbetteln werde. Nee, sowas mach ich nicht.
Obwohl, vielleicht könnte ich ja Griechisch lernen…