ﲆ Zeit zum Träumen Ich wünsch’ dir Wie wirkt sich unser Leben auf unsere Träume aus und wie unsere Träume auf unseren Alltag? Wovon träumen wir und wozu dient das nächtliche Kino? Was passiert im Körper beim Träumen und was können wir aus unseren Träumen lernen? In der Traumdeutung werden tiefere Zusammenhänge klar. 142 Winter 2012/13 W enn wir schlafen, dann träumen wir – drei- bis viermal pro Nacht insgesamt circa zwei Stunden lang. Und auch wer sich nicht daran erinnert, träumt jede Nacht. Der Traum ist sogar überlebenswichtig – sowohl für den Körper als auch für die Psyche. Manch einer träumt schlecht und möchte sich am nächsten Tag am liebsten gar nicht daran erinnern. Angenehme und schöne Träume hingegen bleiben uns lange in Erinnerung. Andere wiederum wissen am nächsten Morgen nicht mehr, ob und was sie überhaupt geträumt haben. Dabei ist es lohnenswert, sich einmal genauer mit den eigenen Träumen zu beschäftigen und sie als Geschenk zu betrachten. Sie geben uns wertvolle Hinweise über uns selbst, über unser Unterbewusstsein und können uns als Quelle für neue Ideen nutzen. Mit enormer Kreativität entsteht über Nacht ein phantasievoller Film, eine Geschichte, die sich nie ereignet hat. Wenn wir träumen, begegnen uns Bilder. Vor unserem inneren Auge läuft ein Film: geistreich, witzig, temperamentvoll, leidenschaftlich, leicht und schwer zugleich. Im nächtlichen Kopfkino werden Zeit und Raum außer Acht gelassen. Wir reisen in Sekundenschnelle an einen fernen Ort, fliegen über fremde Länder, kämpfen gegen Ungeheuer oder tauchen in den Tiefen unbekannter Meere – im Traum ist nichts unmöglich. Dagegen erscheinen im Wachsein die Möglichkeiten begrenzt. Unsere Welt bei Tage, so wie wir sie sehen, besteht aus äußeren und inneren Bildern, die mit unserem Fühlen, Handeln und Denken verknüpft sind. Was bedeuten unsere Traumbilder? Die Traumbotschaften bleiben erst einmal verwirrend und rätselhaft, die tiefere Bedeutung oft verwehrt. Das, was wir klar zu sehen meinen, vermischt sich in der Nacht in unseren Träumen auf eine uns Träume sind flüchtig: Schreiben Sie sofort, wenn Sie aufwachen (auch mitten in der Nacht) auf, an was Sie sich erinnern können. Bereits Stichwörter helfen, den Traum bis zum Morgen nicht zu vergessen. Meine Träume sind Leuchtkäfer, Funken lebendigen Lichts, schimmernd im Dunkel. Rabindranath Tagore Petra Eyssel Atem & Traum www.petra-eyssel.de eigene Weise, ohne dass wir darauf willentlich Einfluss nehmen können. Träume galten lange Zeit als Botschaften der Götter, die es richtig zu deuten galt. Die Traumbotschaften der Geister und Götter enthielten demnach oft Ratschläge für Verhandlungen, Warnungen vor Gefahren oder Aufforderungen zum Opferbringen. In vielen primitiven Kulturen vertrat man an die Meinung, dass die Seele den Körper im Traum verlässt und auf ferne Reisen geht. Auch in der Bibel findet man Traumschilderungen, die oft als Prophezeiung künftigen Geschehens (Josefs Traum) gedeutet wurden. Die Weisheit der Träume erleben Eugene Gendlin entwickelte in den sechziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts die Focusing-Technik. Für ihn lassen sich Träume mithilfe dieser Technik – eine Form nach innen gerichteter körperlicher Aufmerksamkeit – erschließen. Der Ausgangspunkt seines Entwurfs ist ein ernüchterndes Eingeständnis: »Kein Fachmann kann unsere 144 Probleme lösen oder uns vorschreiben, wie wir leben sollen. Deshalb habe ich mich immer mehr damit begnügt, den Leuten beizubringen, wie sie sich selbst und anderen helfen können.« Jeder träumt – individuell, mit eigenen Farben und Gefühlsqualitäten. Deshalb – so Gendlin – verweigern sich Träume auch einer allgemein verbindlichen Symboldeutung. Träume wollen individuell erschlossen werden. Dabei hilft die Technik des Focusing. Beim Nachhängen, Spüren, Erzählen und Aufschreiben lichtet sich manches. So träumt Uli, dass er sich auf einem gepflasterten Hof ein Bett herrichtet. Es steht ganz vorne, direkt am Eingang. Beim Nachspüren wird ihm klar: Er hat sich auf eine für ihn wichtige Stelle beworben. Diese ist zwar ein hartes Pflaster, doch eine gute Position. Dieses Bild war für ihn Anlass, seine berufliche Situation neu zu überdenken. Träume können demnach so befragt werden, dass Antworten aus dem körperlich gespürten Erleben entstehen: frische Energie, Visionen und Lösungen für konkrete Lebensthemen. Diese spezifischen Sich an Träume erinnern Traumbilder verflüchtigen sich oft schnell. Doch durch ein bisschen Training kann es gelingen, sich an seine Träume zu erinnern: • Dehnen Sie den Zustand zwischen dem Traum- und Wachzustand am Morgen aus, um noch ein wenig darin verweilen zu können. Stellen Sie den Wecker ein paar Minuten früher und schon ist genug Zeit, ihrem Traum noch eine Weile nachzuhängen. • Träume sind flüchtig: Legen Sie Stift und Papier neben das Bett und schreiben Sie sofort, wenn Sie aufwachen (auch mitten in der Nacht) auf, an was Sie sich erinnern können. Bereits einige kurz hingekritzelte Stichwörter helfen, den Traum bis zum Morgen nicht zu vergessen. • Sehr wertvoll: Ein geduldiger Zuhörer(in), dem(r) wir unsere Träume anvertrauen können. ﲆ Viele Traumbotschaften bleiben erst einmal verwirrend und rätselhaft, die tiefere Bedeutung oft verwehrt. Traumfragen öffnen die märchenhafte und mythologische Logik der Träume. Der Experte bleibt der Träumende selbst. Er versteht, was seine Träume ihm sagen. Zu ausgewählten Symbolen aus den Träumen wird mit Assoziationen, Gedanken, Gefühlen, Erfahrungen und Erlebnissen der Tage zuvor gearbeitet. Sie erfahren Wesentliches über die Bedeutung und Sprache der Symbole. Wichtig ist es, körperliche Empfindungen zuzulassen, um mehr über sich selbst zu erfahren. Ein Traum spiegelt dabei nicht nur einen unbewussten Inhalt bzw. ein Problem, sondern enthält meist auch die Lösung selbst. Text: Johanna Strodl; Petra Eyssel/ Fotos: privat (1); photos.com (3) f Winter 2012/13
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