Neue Zuercher Zeitung 17. September 2015 BUNDESSTRAFGERICHT Krumme Touren beim Beschaffungsrecht Die Bundesanwaltschaft setzt sich im Insieme-Prozess in den Hauptpunkten weitgehend durch Das Bundesstrafgericht spricht im Insieme-Prozess den ehemaligen IT-Einkäufer der Steuerverwaltung schuldig. Das Urteil macht deutlich, dass Verstösse gegen das Beschaffungsrecht kein Kavaliersdelikt sind. KATHARINA FONTANA, BELLINZONA Zwei Wochen nach der Hauptverhandlung im sogenannten Insieme-Prozess hat das Bundesstrafgericht in Bellinzona am Mittwoch das Urteil verkündet. Es spricht den ehemaligen Chef für IT-Beschaffungen in der Eidgenössischen Steuerverwaltung (EStV) der mehrfachen ungetreuen Amtsführung und der mehrfachen Vorteilsannahme schuldig. Der Ex-Beamte erhält eine bedingte Freiheitsstrafe von 16 Monaten und eine bedingte Geldstrafe, seine zwei Kollegen werden wegen Vorteilsgewährung zu bedingten Geldstrafen verurteilt. Das Bundesstrafgericht schliesst sich damit über weite Strecken der Bundesanwaltschaft an. Diese hatte den drei Männern vorgeworfen, sich zwischen 2008 und 2012 bei der Vergabe einzelner externer PersonalvermittlungsAufträge zum Informatikprojekt Insieme strafbar gemacht zu haben. Der frühere Kaderbeamte habe seinen zwei Freunden im Gegenzug zu EssensEinladungen lukrative Mandate der EStV zugehalten, statt diese öffentlich auszuschreiben. Bundesstrafrichter Daniel Kipfer führte in der Urteilsbegründung aus, dass die Fehlleistungen des Hauptbeschuldigten symptomatisch gewesen seien für die zahlreichen personellen und organisatorischen Mängel, die letztlich zum Scheitern des Insieme-Projekts geführt hätten. Der Ex-Chefbeamte habe die Mandate in Verletzung des öffentlichen Beschaffungsrechts vergeben und könne sich nicht mit Verweis auf Fehler in der Amtsleitung der Verantwortung entziehen. Dass der Mann sich während eines Zeitraums von mehreren Jahren von seinen Kollegen zu rund 40 Essen hat einladen lassen, beurteilt das Gericht nicht als eigentliche Bestechung, sondern als strafbare Vorteilsannahme. Laut Kipfer pflegten die Beschuldigten eine mehrjährige Praxis, bei der Berufliches und Privates nicht mehr unterscheidbar war. Die Einladungen sprengten den Rahmen dessen, was für einen im Beschaffungsrecht tätigen Beamten noch zulässig sei. Dem Bund sei durch die Machenschaften der drei Männer ein beträchtlicher immaterieller Schaden entstanden, so Kipfer. Der Schuldspruch wegen ungetreuer Amtsführung macht deutlich, dass man sich im Bund, aber auch in den Kantonen und Gemeinden konsequent an das (ungeliebte) Beschaffungsrecht zu halten hat und Verstösse und Umgehungen kein Kavaliersdelikt darstellen. Nicht unbedingt zu erwarten war, dass das Gericht das Gebaren der drei Freunde mit ihren gemeinsamen Essen als strafbar und nicht bloss als ungebührlich (und disziplinarisch relevant) ansehen würde. Im öffentlichen Dienst wird dies sicher zu Fragen führen, mit wem und wann sich Angestellte fortan noch zum Essen treffen dürfen. - Das Urteil kann ans Bundesgericht weitergezogen werden. Diesen Artikel finden Sie im NZZ E-Paper unter: http://epaper.nzz.ch Neue Zürcher Zeitung: http://www.nzz.ch Copyright (c) Neue Zürcher Zeitung AG
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