TELEFONIEREN KOSTET DOPPELT Dass das Velo bei der Planung von Verkehrswegen oft vergessen geht, ist ein grosses Ärgernis. Dass der Staat das Velo auch bei manchen Ordnungsbussen vergessen hat, bedeutet aber nicht eine Art ausgleichende Gerechtigkeit. Ganz im Gegenteil. Ganz klar: Im Strassenverkehr braucht es Regeln, genauso wie überall, wo Menschen aufeinander treffen. Unbestritten ist auch, dass es Sanktionen braucht, wenn diese Regeln nicht eingehalten werden. Gerade im Strassenverkehr ist dies wichtig, schliesslich sollten Regeln dafür da sein, andere vor einem möglichen Schaden zu schützen. Unserem juristischen Verständnis gemäss sind die Strafen so ausgelegt, dass sie nach dem Prinzip der Verhältnismässigkeit abgestuft werden. Wer mit einem Auto vorsätzlich rast, erhält zu Recht eine ungleich höhere Strafe als jemand, der versehentlich über einen Stopp fährt. Im Strassenverkehr sind eine ganze Reihe solcher Verhaltensfehler aufgelistet, und weil es ein Verhältnisblödsinn wäre, wegen all dieser kleinen Vergehen ein Gericht zu konsultieren, macht es sich der Strafvollzug einfach und spricht Ordnungsbussen aus, die unkompliziert und auf der Stelle erledigt werden können. EINE SINNLOSE DISKUSSION Wir Velofahrenden können uns derweil nicht beklagen. Zwar kommt es hie und da vor, dass auch wir eine Ordnungsbusse einfangen können. Ob diese gerechtfertigt sind, steht auf einem anderen Blatt geschrieben. In vielen Fällen dürfte dies eher eine moralische als sicherheitstechnische Frage sein. Sicher ist aber, dass bei einer Regelwidrigkeit beim Velofahren das Gefährdungspotenzial für unbeteiligte Dritte eher marginal ist. Entsprechend und nach dem Prinzip der Verhältnismässigkeit sind die Ordnungsbussen für Vergehen auf dem Velo ungleich kleiner als mit dem Auto. Während ein Automobilist 250 Franken hinblättern muss, wenn er bei Rot trotzdem fährt, bleibt es beim Velofahrenden bei 60 Franken. Zudem ist die Wahrscheinlichkeit, erwischt zu werden, doch um einiges tiefer. Dafür kriegen die Velofahrenden bei den Diskussionen über Velorowdys ihr Fett ab. Eine sinnlose Diskussion übrigens, wie die Stadtpolizei Luzern bei gezielten Kontrollen im letzten Herbst feststellte: Die Anzahl der gemessenen Übertretungen war beim Veloverkehr gleich hoch wie beim Autoverkehr, nämlich 12 Prozent. 15 REGIONAL 5/2015 Nicht zu empfehlen: Telefonieren beim Velofahren lenkt ab und kostet doppelt. Manche Kontrollen mussten gar «mangels Erfolg» abgebrochen werden. Wie hoch dieser Wert im Thurgau ausfallen würde, darüber kann nur spekuliert werden. Gezielte Kontrollen, ausser bei Schülern, die leicht zu piesacken sind, finden unseres Wissens nicht statt. KEINE ORDNUNGSBUSSE MÖGLICH Und dennoch kann es passieren, dass man erwischt wird. Sogar beim Telefonieren ohne Freisprechanlage, wie die Sirnacherin E. S. zu berichten weiss. Dumm gelaufen, wenn gerade die Polizei hinterherfährt. Als besonders tragisch empfand sie das nicht – so was lässt sich schliesslich mit einer Ordnungsbusse erledigen. Natürlich ist das Telefonieren und Einhändigfahren auf der Freie Strasse in Weinfelden morgens im Stossverkehr auch nicht empfehlenswert, ganz abgesehen davon, dass dies eine ziemlich mühsame und umständliche Angelegenheit ist. Doch seis drum. Nicht schlecht staunte die junge Dame jedenfalls, als von der Staatsanwaltschaft ein Strafbefehl ins Haus flatterte, Kostenpunkt: 200 Franken, je zur Hälfte bestehend aus Busse und Verfahrensgebühr. Was dabei auffällt: Wäre sie Auto gefahren, hätte sie sich die Gebühr sparen können! Dort ist als Sanktion für das Telefonieren beim Fahren eine Ordnungsbusse in der Höhe von 100 Franken vorgesehen. Bei den Ordnungsbussen für den Veloverkehr fehlt dieser Eintrag, weshalb diese Übertretung so auch nicht geregelt werden kann. Dafür gibt es keinen plausiblen Grund. Weder geht von einer telefonierenden Velofahrerin – im Gegensatz zum Autofahrer – eine besondere Gefahr aus, noch entspricht dies dem Prinzip der Verhältnismässigkeit. Das Ganze lässt uns vermuten, dass die Velofahrenden selbst hier wieder einmal vergessen gingen – wie gewöhnlich zu deren Nachteil und irgendwie typisch für die Schweiz. Eddie Kessler, Vera Zahner
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