Predigt „Entscheidungen“ Hirnforscher gehen davon aus, dass wir heutzutage bis zu 20.000 Mal pro Tag – mehr oder weniger bewusst – die Wahl haben und uns entscheiden können bzw. müssen. Es gibt sogar manche, die sagen: So viele Entscheidungen, wie wir heute pro Tag treffen müssen, so viele Entscheidungen hatte ein Mensch früher (also vor einigen Jahrhunderten) in seinem ganzen Leben zu treffen. Wir leben in einer ausgesprochen multioptionalen Welt. Sie brauchen bloß einmal in den Supermarkt zu gehen, um zu merken, dass das stimmt. Schon bei einem einzigen Einkauf entscheiden Sie sich für eine ganze Reihe ganz bestimmter Produkte und gegen tausende anderer Artikel. Das Gleiche gilt für den Kauf von Kleidung, von Elektronikartikeln, aber auch für die eigene Berufswahl oder das Fernsehprogramm. Und dann sind da natürlich noch so Entscheidungen wie: mit jemand Anstrengendem reden, oder nicht; in eine Beziehung oder Freundschaft investieren oder die Dinge schleifen lassen; die Wahrheit sagen oder in eine Lüge fliehen; den Gedanken des Neides weiterdenken oder nicht; usw. Die meisten Entscheidungen treffen wir spontan, fast automatisch. Wir lassen uns – meist unterbewusst – leiten von bestimmten Faustregeln, von früheren Erfahrungen und unserer Intuition. Andere Entscheidungen folgen einfachen sozialen Strategien: „Wähle, was Du kennst!“ „Vermeide Konflikte!“ „Folge dem Rat anderer!“ „Entscheide Dich für das, was Dir den meisten Nutzen bringt!“ Wie verhalten sich all diese Entscheidungen nun zu dem zentralen Gebet der Christenheit, das auch wir hier Woche für Woche beten – zum Vaterunser, wo es gleich in Zeile vier heißt: „Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden“? Wir als Christen zeichnen uns ja gerade dadurch aus, dass wir nicht mehr einfach nur das tun wollen, was uns so in den Kopf kommt, sondern dass wir bewusst nach Gottes Willen fragen und diesen Willen anschließend auch tun wollen. Und tatsächlich: Je länger wir Christ sind und je mehr wir uns darin üben, auf Gottes – meist leise – Stimme zu hören, desto häufiger bekommen wir eine Ahnung, welche unserer Entscheidungen im Sinne Gottes sind. Welche Richtung wir einschlagen, was wir tun und was wir lassen sollen. Manchmal kriegen wir sogar eine klare Weisung vom Himmel. Das sichere Gefühl: Dies oder jenes ist es, was Gott jetzt gerade von mir möchte. Leider sind solche klaren Momente, in denen wir Gott deutlich und unmissverständlich „reden“ hören, eher selten. Selbst gestandene und wunderbare Christen erleben solche Momente relativ selten. Und so möchte ich heute einfach mal behaupten: Es geht bei all unseren täglichen Entscheidungen weniger um die Frage, welche Wahl die einzig richtige wäre. Es geht vor allem um die Frage, wer wir durch unsere Entscheidungen werden. Ich möchte erklären, was ich damit meine. Nehmen wir an, ich stehe vor einer etwas bedeutenderen Wahl (z.B. einer Weichenstellung im Beruf) und bete: „Herr, zeig mir doch, was ich tun soll! Ich mach’s, egal was, aber sag mir, was ich tun soll!“ Aber was passiert? Nichts. Schweigen. Keine Postkarte und auch keine SMS vom Himmel. Nichts zu hören, auch im Gebet nicht. Was nun? Was soll ich tun? So lange nichts entscheiden, bis ich von Gott her Weisung empfange? Aber was, wenn keine Weisung kommt? Oder wenn ich die Entscheidung schnell treffen muss? Was dann? Gibt es nur die Möglichkeit „richtig“ oder „falsch“? Hat Gott nur einen, einen einzigen Plan, was ich in jeder Lebenslage entscheiden soll? Dieser Lebenspartner, diese Ausbildung, dieser Beruf, diese Entscheidung für oder gegen ein Auto, für oder gegen eine Lebensversicherung? Und wenn ich da nicht richtig höre und falsch wähle, habe ich es dann verbockt, für immer? Ich glaube nicht, dass das so funktioniert. Gott nimmt uns bestimmte Entscheidungen nicht ab. Es gibt auch nicht für alles die eine richtige Entscheidung. Gott lässt uns in vielem die Wahl. Aber er möchte, dass wir so entscheiden, dass dadurch unser Wesen, unser Charakter, unsere Ausstrahlung von Jesus geformt werden. Dass wir ein Mensch werden, der von Jesus durchdrungen ist. Mit diesem Ziel und auf diese Richtung hin sollen wir uns entscheiden – und dürfen dann wissen: ER geht mit, egal welche Entscheidung wir getroffen haben. Was also tun, wenn Entscheidungen anstehen? Das Erste bleibt: Gott fragen, auf Jesus schauen und wach sein für das, was von ihm her kommt. Es ist und bleibt eine unserer wichtigsten christlichen Grundübungen, auf Gottes Stimme zu hören und unseren inneren Empfänger auf seine Frequenz einzustellen. Uns von Gottes Heiligem Geist leiten zu lassen. Wenn da allerdings nichts kommt, wenn wir nichts hören oder wahrnehmen: kein leises Wehen, kein sanftes Ziehen oder Schieben in eine bestimmte Richtung, keine leise innere Stimme oder eine unmissverständliche Klarheit; wenn das alles ausbleibt, dann glaube ich, dass Jesus damit zu uns sagt: „Entscheide Du! Triff eine gute Wahl! Ich werde mit dir sein! Und denke bei all dem daran, wer du werden willst und sollst!“ Und werden wollen und sollen wir zu Menschen, die von Gottes gutem Geist und seinen Früchten durchdrungen sind. Wir wollen und sollen zu Menschen werden, in deren Charakter, in deren Herz immer mehr die Früchte des Heiligen Geistes wachsen, die da sind (laut Gal 5,22): Liebe, Freude, Frieden, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung. Wenn wir Entscheidungen zu treffen haben und von Gott her nichts Konkretes hören, dann sollten wir die Entscheidung treffen, die sowohl in uns wie auch nach außen hin voraussichtlich zu mehr Liebe, Freude, Frieden, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung führt. Das mag am Anfang etwas mühsam sein, sich diese Frage wieder und wieder zu stellen, aber mit der Zeit werden sich unsere inneren Werte ändern, ein bestimmtes Gefühl, eine bestimmte Intuition wird sich formen und unser Herz wird mitfühlender, freundlicher und beweglicher werden. So. Das mal in aller Kürze zum Thema „Entscheidungen treffen“. Ich möchte das jetzt aber noch an einer ganz bestimmten Stelle vertiefen. Es gibt nämlich Entscheidungen, die wir treffen, bevor wir dann ganz konkret und täglich neu Entscheidungen im Einzelfall treffen. Diese Entscheidungen nenne ich „Grundentscheidungen“ oder auch „VorEntscheidungen“: Bei diesen Vor-Entscheidungen geht es um einige wenige Dinge, die immer gelten sollen. Diese Vor-Entscheidungen sollten wir treffen, bevor es ernst wird. Bevor die Krise kommt. Bevor die super Gelegenheit sich einstellt. Bevor die Versuchung nach uns greift. Bevor uns die Entmutigung zu Boden drückt. Damit das nicht so abstrakt klingt, mache ich es konkret. Die erste und wichtigste VorEntscheidung hat vor mehreren tausend Jahren ein Mann namens Josua vorbuchstabiert. Er war der Nachfolger von Moses, der Israel aus der ägyptischen Sklaverei befreit hatte. Sie waren lange in der Wüste umhergezogen, Mose, Josua und das Volk Israel, und nun – nach dem Tod von Moses – sollten sie das gelobte Land einnehmen. Vor dieser entscheidenden Phase versammelte Josua seine Leute noch einmal und sprach: Jetzt müsst Ihr eine Vorentscheidung treffen. Und diese Vorentscheidung wird sich auswirken auf alles, auf jeden Tag und jede Nacht, jede Beziehung und jede Entscheidung, jedes Ja und jedes Nein. Ihr müsst vor allem entscheiden, wem ihr Euer Vertrauen schenken und auf wen Ihr hören, ja wem Ihr gehorchen wollt. Die Originalworte aus Josua 24,14f. lauten: „So fürchtet nun den HERRN und dient ihm treulich und rechtschaffen und lasst fahren die Götter, denen eure Väter gedient haben jenseits des Euphratstroms und in Ägypten, und dient dem HERRN. Gefällt es euch aber nicht, dem HERRN zu dienen, so wählt euch heute, wem ihr dienen wollt. (…) Ich aber und mein Haus wollen dem HERRN dienen.“ Das ist die erste Vorentscheidung, vor allen anderen Entscheidungen. Und Josua macht deutlich: Das umschließt dann alles. Ich kann nicht sagen: ich hätte gerne Gott, das schöne Gefühl von Geborgenheit und Sinn, aber über dieses und jenes in meinem Leben möchte ich die Kontrolle auf keinen Fall aufgeben. Ich möchte Gott, aber ich möchte auch meinen Dickkopf, wenn es um meine Zeit oder meine Prioritäten geht. Josua sagt: Das funktioniert nicht. Denn aus der einen ersten Vor-Entscheidung wachsen andere. Ich will nur ein Beispiel erzählen: John Ortberg (amerikanischer Prediger) berichtete einmal von seinem Vater („Big John“). Big John hatte selbst einen sehr abwesenden und distanzierten Vater erlebt. Er war nie in den Arm genommen worden und hatte nie gehört: Ich hab Dich lieb! Also fragte er sich: Was für ein Mensch will ich werden? Und weil Gott ihm wichtig war, beschloss er: Ich will ein guter, liebevoller Vater werden. Ich will meinem Kind eine Ahnung davon vermitteln, wie gut und zuverlässig und liebevoll Gott ist. Aus diesem Grund entscheide ich jetzt, dass ich abends mit den Kindern spiele. Ich entscheide jetzt, dass ich wertvolle Zeit mit ihnen verbringen will. Ich entscheide jetzt, eine Grenze für Arbeit, Karriere, Geldverdienen zu ziehen, die ich nicht überschreite. Später kam dann ein tolles Jobangebot, mehr Verantwortung, auch mehr Geld. Big John nahm es erst an, merkte dann aber, was der neue Job mit ihm machte und gab ihn wieder auf. Es hätte ja bedeutet, kaum noch Zeit für seine drei Kinder zu haben. Der Filter funktionierte, die Vorentscheidung griff. Was sind Ihre Werte und Ihre Grenzen? Welche Vorentscheidungen treffen Sie deshalb? Manches müssen Sie dann nämlich nicht mehr jedes einzelne Mal mühsam abwägen und entscheiden. Es wird zur Haltung, zu einer guten selbstverständlichen Gewohnheit. Zum Beispiel: „Sonntags gehe ich dahin, wo ich meine Brüder und Schwestern im Glauben treffe und mit ihnen gemeinsam auf Gott höre. Immer.“ Oder: „Wenn es um Geld geht, will ich integer und großzügig sein. Immer.“ Oder: „Wenn ich einen Fehler gemacht habe, stehe ich dazu und entschuldige mich dafür. Immer.“ Oder: „Wenn ich mein wertvollstes Gut vergebe, meine Zeit, dann achte ich darauf, dass meine Liebsten genug von meiner Aufmerksamkeit und Zuwendung bekommen. Immer.“ Oder: „Wenn ich in einer Beziehung oder Ehe bin, dann werde ich jeder Gelegenheit zu Untreue aus dem Weg gehen und mit meinen Augen und Gedanken vorsichtig sein. Immer.“ Und weil solche Grundentscheidungen schwer durchzuhalten sind und unsere menschliche Willenskraft schnell überfordern, deshalb brauchen wir für das Durchhalten Gott. Deshalb brauchen wir für das Durchhalten zuallererst Jesus und seine Nähe. Die zentrale Vorentscheidung muss also lauten: Ich will Gottes Nähe suchen, täglich, nicht zufällig, sondern immer wieder: Gottesdienst, Gebet, Bibellesen, Stille, Gemeinschaft mit anderen Christen. Ich will bereit sein, Jesus immer wieder zu fragen: Zu was für einem Menschen willst Du mich machen? Ich will immer wieder, täglich, meine Schuld bekennen, umkehren, nachjustieren. Ich will mich zur Verfügung stellen, im Dienst für Jesus. Ich will meine Prioritäten überprüfen. Ich will in allen meinen Entscheidungen auf Jesus hören und um Weisheit bitten. Ich möchte mein Christsein nicht nur glauben, ich möchte mein Christsein leben. Amen.
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