Alle mitnehmen – jede Schülerin und jeder Schüler ist wichtig

Astrid Wasmann
Alle mitnehmen – jede Schülerin und jeder Schüler ist wichtig
Förderliche Lernbedingungen am Elsensee-Gymnasium
Zusammenfassung:
In diesem Artikel werden Fördermaßnahmen eines Gymnasiums vorgestellt, die der
individuellen Entwicklung besonders Begabter dienen. Extra-Angebote wie Projekt
Übergang, selbstgesteuerte Lernprojekte, Vorträge und Exkursionen, Sprachlerntandem
und das Überspringen einer Klasse sowie schulübergreifende Enrichment-Kurse fordern
besonders Begabte kognitiv über Schulniveau hinaus. Das breite Spektrum an ZusatzAngeboten berücksichtigt die Heterogenität der besonders Begabten. Diese entscheiden
selbst, welche Angebote sie annehmen. Auf diese Weise findet eine passgenaue
Förderung besonders Begabter sowie aller anderen Schüler statt.
Schlüsselworte: Begabungsförderung, individualisiertes Lernen, Schulentwicklung, Enrichment,
Akzeleration
Education for Each and Everyone – Each Pupil is Important.
Supporting Learning Situation at a Grammar School
Abstract:
This article presents the integrated concept of fostering gifted and talented children at a
quite average grammar school. A wide range of special offers for talented pupils such as a
project of transition, extra-talks and excursions, the learning of two instead of one foreign
language, the skipping of a class, the self-guided learning on own projects and an
enrichment-program are described. These measures contribute to an individualizing of the
learning as they may choose on their own the measures they participate in. The fostering
concept supports the development of talented children above school level.
Keywords: promotion of gifted and talented children, individualized learning, school
development, enrichment, acceleration
1
Einführung
Die Qualität einer Schule ist unter anderem daran ablesbar, inwieweit sie individuelles
Lernen ermöglicht, denn im Schulgesetz ist festgeschrieben, dass Schülerinnen und Schüler
ihren Begabungen entsprechend gefördert werden sollen. Dies ist bei der Heterogenität in
deutschen Schulklassen schwer einlösbar. In diesem Aufsatz möchte ich aufzeigen, wie ein
kleines Gymnasium dem Grundsatz der individuell angepassten Förderung aller
Schülerinnen und Schüler mit dem Ausgangspunkt der Begabtenförderung nachkommt und
umsetzt.
1
Das Elsensee-Gymnasium1 mit ca. 650 Schülerinnen und Schüler ist seit 2009
Kompetenzzentrum für Begabten- und Begabungsförderung. Seitdem werden durch eine
Steuerungsgruppe an der Schule Konzepte der individuellen Förderung besonders Begabter
entwickelt, umgesetzt und kontinuierlich erweitert. Unter besonderer Begabung wird das
Potenzial zu hohen kognitiven Leistungen gefasst. Besonders begabte Kinder und
Jugendliche zeichnen sich durch große Schnelligkeit beim Lernen, Tiefe und Komplexität des
Verständnisses, intelligente Organisation des Wissens, hohe metakognitive Fähigkeit und
hohe Kreativität aus (Weinert, 2000). Sie bilden keineswegs eine homogene Gruppe
(Rohrmann & Rohrmann, 2010; Rost, 2009; Stumpf, 2010). Unter ihnen befinden sich
sprachlich, künstlerisch oder naturwissenschaftlich Interessierte. Auch Underachiever, die
schulisch weit unter ihren Möglichkeiten bleiben, befinden sich darunter, zudem Lernende,
die sich durch eine besonders schnelle Auffassungsgabe auszeichnen (Stapf, 2008; Vock,
Preckel, & Holling, 2007). Hochbegabte sind ebenfalls eingeschlossen, welche als Lernende
mit einem hohem Intelligenzquotienten (IQ >130) definiert sind (Rost, 2000). Damit ist das
Potenzial zu hohen kognitiven Leistungen gemeint, das sich nicht immer in entsprechende
Leistungen niederschlägt (Preckel & Vock, 2013; Trautmann, 2010). Als individuelle
Förderung hat sich das Gymnasium vorgenommen, diese Schülergruppe auf dem Weg zur
Ausbildung hoher Leistungen schulisch angemessen zu begleiten, wie von Fischer,
Rohrmann & Rohmann und anderen gefordert (Fischer, 2006; Rohrmann & Rohrmann,
2010).
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Diagnose
Am Anfang steht das Erkennen ‚besonderer Begabungen‘. Die Diagnose von Begabung
wurde früher nur Schulpsychologen überlassen, die genaue Tests durchführen. Heute weiß
man, dass jeder Lehrer als Teil seiner Lehrerprofessionalität Kompetenzen in der Diagnose
von Schülerpotenzial und -leistungen haben muss (Helmke, 2012). An dieser Schule wird
nicht zwischen besonders Begabten, überdurchschnittlich Begabten, besonders
Interessierten und Lernwilligen oder Hochbegabten unterschieden. Um einen Weg zur
Förderung dieser Schülergruppe zu finden, steht die Identifizierung dieser Lernenden – das
sind etwa die oberen 15 Prozent der Schülerschaft – an erster Stelle des Förderprogramms.
Der Lehrkörper der Schule wurde auf einer Fortbildung für die Diagnose besonders Begabter
sensibilisiert.
Auf jeder Zeugniskonferenz wird nach Aussprache aller unterrichtenden Kolleginnen und
Kollegen eine Entscheidung über die Aufnahme in das schulinterne Förderprogramm für
gefällt. Wenn 8 – 12 Lehrer darüber entscheiden, wer in das Förderprogramm fällt, wird die
Diagnose besonders Begabter schulisch auf eine breite Basis gestellt und hängt nicht von
dem sehr subjektiven Urteil einer einzelnen Lehrkraft ab. Auf der schulinternen Liste der
Nominierten stehen etwa 150 Schülerinnen und Schüler. Über einen E-Mail-Verteiler können
schnell alle ‚besonders Begabten‘ oder deren Eltern erreicht werden.
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www.elsensee-gymnasium.de
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Schulinterne Förderungen
3.1 Übergänge gestalten
Das Projekt Übergang zieht die ‚besonders Begabten‘ aus allen fünften Klassen zusammen,
um sie im Drehtürmodell an selbstständiges Lernen heranzuführen. Drehtür bedeutet, dass
Schülerinnen und Schüler für einen bestimmten Kurs oder ein eigenständiges Projekt aus
dem regulären Unterricht gehen und nach Beendigung der Stunde wie durch eine Drehtür
wieder zurückkehren (Trautmann, 2010; Wasmann, 2013). Die Schülerinnen und Schüler
des Projekts Übergang kommen eine Stunde pro Woche zusammen, um an eigenständiges
Lernen herangeführt zu werden. Die Wochenstunde rotiert Woche um Woche, damit nicht
immer dasselbe Fach bei den Teilnehmern ausfällt. Am Ende des Schuljahres sind sie in der
Lage ein selbst gewähltes Thema eigenständig zu strukturieren sowie vertiefend zu
bearbeiten und in einer ansprechenden Form zu präsentieren. Oftmals geht die Qualität
dieser Arbeiten weit über das Niveau eines Fünftklässlers hinaus.
Abb. 1 Schülerinnen im Projekt Übergang im Lernatelier
3.2 Eigenständige Projektarbeit
Durch das Projekt Übergang sind die besonders Begabten vorbereitet, während der
Sekundarstufe I im Drehtür-Verfahren aus ihrem eigentlichen Unterricht herauszugehen und
selbstgesteuert an einem eigenen Thema zu arbeiten, wenn sie sich langweiligen,
beispielsweise beim Üben von mathematische Problemen oder bei häufiger Wiederholung
von Grammatik, die sie vielleicht längst verstanden haben. Sie entscheiden selbst, welchen
regulären Unterricht sie verlassen und wann sie zurückkehren. Dies geschieht immer in
Absprache mit dem jeweiligen Fachlehrer. Für die individuelle Arbeit an ihrem eigenen
Projekt begeben sie sich ins Lernatelier. Dort finden sie Materialien, Computer und Ruhe.
Am Ende stellen sie ihre Ergebnisse der Klasse oder auch einem breiteren Publikum vor.
Das Anfertigen der Hausaufgaben und Mitschreiben der Klassenarbeiten wird von ihnen
selbstverständlich erwartet.
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3.3 Schüler-Wettbewerbe
Das Elsensee-Gymnasium unterstützt seine Schülerinnen und Schüler bei der Vorbereitung
auf Schüler-Wettbewerbe, denn diese werden als Enrichment für Schülerinnen und Schüler
der oberen Begabungsskala angesehen (Wasmann, 2015). Das kognitive Anspruchsniveau
etwa des Fremdsprachen- und des Jugend forscht Wettbewerbs oder auch der MathematikOlympiade geht über Schulniveau hinaus. Auch diese Schülergruppe kann in der Endphase
der Vorbereitung auf ihren Wettbewerb aus dem regulären Unterricht gehen und ihrer
Vorbereitung den letzten Schliff geben. Während der Wettbewerbsvorbereitungen werden sie
von einer Lehrkraft unterstützt. Diese hat die Anmelde- und Abgabezeiten im Blick und weiß,
welche formalen Kriterien bei dem Wettbewerb erwartet werden. Im AG-Bereich werden die
Wettbewerbs-Teilnehmer zusätzlich begleitet.
3.4 Vorträge und Exkursionen
Das breite Spektrum an Angeboten für die besonders Begabten erstreckt sich auch auf
Vorträge und Exkursionen, die während des normalen Unterrichts angeboten werden. Diese
Veranstaltungen finden klassenübergreifend statt, mal eher für Sekundarstufen I-Schüler,
mal für die der Oberstufe. Sie werden über den E-Mail-Verteiler der Nominierten
angeschrieben, melden sich an und sind für ihren eigentlichen Unterricht entschuldigt. Dazu
liegt eine Liste der Teilnehmer im Lehrerzimmer aus. Diesen Schülern fällt es nicht schwer
den versäumten Unterrichtsstoff selbstständig nachzuholen.
3.5 Fremdsprachentandem
Besonders sprachbegabte Schüler/innen erhalten am Elsensee-Gymnasium die Möglichkeit
zwei neue Fremdsprachen gleichzeitig zu lernen, während die Klassenkameraden im
gleichen Zeitraum eine weitere Fremdsprache erwerben. Für diese Fördermaßnahme
kommen nur wenige Schülerinnen und Schüler in Frage, denn es werden sehr gute
Fähigkeiten im Fremdsprachenlernen vorausgesetzt. Diese Lerner benötigen im
Fremdsprachenlernen weniger Zeit zum Üben. Sie müssen dem Englischlehrer der 5. Klasse
schon aufgefallen sein. Das Tandem setzt ab Klasse 6 bzw. 7, wenn die zweite
Fremdsprache im G 8 bzw. G 92 Zweig beginnt, ein. Am Elsensee-Gymnasium kann
zwischen Französisch und Latein gewählt werden. Zwei Schülerinnen oder Schüler bilden
ein Tandem. Während in dem vierstündigen Fremdsprachenunterricht der eine Partner in
Französisch sitzt, geht der andere in den Lateinunterricht. Das bedeutet für die
Stundenplanung, dass der Unterricht von Französisch und Latein parallel gelegt werden
muss. Zweimal pro Woche geht der erste Partner zu Latein, der zweite zu Französisch, die
anderen beiden Stunden wird getauscht. So nimmt jeder der beiden an zwei
Unterrichtsstunden pro Woche selbst teil, die anderen beiden Stunden erarbeitet er
eigenständig. Materialien und Hausaufgaben werden ausgetauscht. Beide Tandempartner
schreiben alle Klassenarbeiten beider Fächer mit. Auf diese Weise haben besonders
Sprachbegabte am Ende der Sekundarstufe I vier Jahre lang zwei statt einer zweiten
Fremdsprache gelernt.
3.6 Akzeleration
Das Überspringen einer Klasse ist ein Akzelerations-Angebot für die Schnelllerner, das den
Lernenden ermöglicht, den vorgesehenen Lernstoff schneller zu passieren, als es üblich
2
Abitur nach 8 beziehungsweise nach 9 Schuljahren
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beziehungsweise gesetzlich vorgesehen ist (Heinbokel, 2010). Das Elsensee-Gymnasium
erleichtert das Überspringen von Klassen, indem Gruppenspringen angeboten wird. Eine
Lehrkraft begleitet eine Kleingruppe dabei. Sie unterstützt sie schon vor der eigentlichen
Hochstufung und danach ebenso. Wenn eine Schülerin oder ein Schüler selbst den Wunsch
äußert eine Klasse zu überspringen, wird viel flexibler reagiert als früher. So sagte kürzlich
eine Schülerin, die bereits vier Jahre das Fremdsprachentandem durchlaufen hatte, zu ihrer
Freundin im Einführungsjahr der Sekundarstufe II. „Das ist ja alles Wiederholung hier. Ich
langweile mich. Dann springen wir mal!“ Eine der beiden hat dies durchgeführt und lernt
inzwischen sehr zufrieden in der Qualifizierungsphase (13. Jahrgang).
Am Elsensee-Gymnasium können die Schülerinnen und Schüler die Gymnasialzeit
entweder in acht oder in neun Jahren durchlaufen. Das heißt in Schleswig-Holstein das YModell. Ihre Schullaufbahn verläuft in der Sekundarstufe I in unterschiedlicher
Geschwindigkeit mehr oder weniger parallel, während sie in der Sekundarstufe II
zusammengeführt werden. Eine Schrägversetzung von G 9 in G 8 wird in Einzelfällen von
schulischer Seite angeboten, wenn die Fachlehrer der Meinung sind, dass der Lernende in
dem verkürzten Zug besser gefördert wird.
3.7 Beratung
Ein wichtiger Baustein der individuellen Begabungsförderung bildet die Beratungsstunde, bei
der einmal pro Woche eine Beratungslehrkraft während der Unterrichtszeit für die
Lernbegleitung Einzelner zur Verfügung steht. Zwei Gruppen stehen hier im Fokus. Zum
einen sind es Underachiever, die bei hohem IQ weit unter ihren schulischen Möglichkeiten
bleiben, siehe Definition bei Greiten (2013, p. 38f). Mit ihnen werden konkrete Möglichkeiten
der Verbesserung ihrer schulischen Leistungen abgesprochen. Von der Schülerin oder dem
Schüler werden kleine Schritte mit erreichbaren Zielen formuliert. Sie werden engmaschig
begleitet, indem sie ihre Zielerreichung nach einigen Wochen rückmelden und vielleicht neue
Ziele formulieren. Eine solch persönliche Begleitung hilft vielen sich neu zu strukturieren und
vielleicht mehr Eigeninitiative und mehr Lernlust zu gewinnen. Die andere Gruppe besteht
aus Hochbegabten, die aus Sicht der unterrichtenden Lehrer dringend mehr Angebote
benötigen als der reguläre Unterricht bieten kann. Mit ihnen gemeinsam wird geklärt, welche
Fördermaßnahmen für sie spezifisch geeignet sind. Eine sehr begabte Sechstklässlerin
beispielsweise, die in einer G 9-Klasse lernt, wollte nicht in G-8 Schiene, die die Schulzeit
um ein Jahr verkürzt, gesetzt werden. Ihr wurde das Fremdsprachentandem angeboten, da
sie dort große Stärken hat. Sie ist aber damit noch nicht ausgelastet. Sie wird zu eigenen
Projekten in das Lernatelier gehen und dort selbstgesteuert arbeiten. In Begleitung der
Beratungslehrkraft findet sie heraus, welche Aufgaben am besten zu ihr passen und auf
welchem Niveau sie sie bearbeiten kann. Sie nimmt bereits an schulübergreifenden
Enrichment-Kursen des Schleswig-Holstein weiten Programms3 teil. Ab Klasse 7 wird die
Schule sie für die Junior-Akademie vorschlagen.
3.8 Schülerpaten
Besonders begabte Schülerinnen und Schüler können ab Klasse 8 als Schülerpaten
ausgebildet werden. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, zwischen besonders Begabten und
ihren Mitschülern oder Lehrern zu vermitteln, wenn Probleme auftauchen. Außerdem
beteiligen sie sich an der konzeptionellen Planung der Begabungsförderung und betreuen
3
www.enrichment-sh.de
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zusammen mit Lehrkräften die Exkursionen und Vorträge. Sie beraten manchmal auch
jüngere Schülerinnen und Schüler oder organisieren gemeinsame Nachmittage für die
besonders Begabten.
3.9 Förderung bei Teilleistungsschwächen
Natürlich werden auch Schülerinnen und Schüler mit Teilleistungsschwächen gefördert. So
findet für Legastheniker ein einstündiger Kurs einmal pro Woche statt, was ja zum gesetzlich
vorgeschriebenen Pflichtangebot gehört. Außerdem finden Intensivierungsstunden in
Deutsch, Mathematik und Fremdsprachen statt, indem eine Extrastunde pro Woche für die
Lernschwächeren in diesen Fächern angeboten wird. Auch diese Maßnahme ist
landesgesetzlich vorgeschrieben. Darüber hinaus werden Schülerinnen oder Schüler mit
Autismus-Merkmalen individuell betreut, falls notwendig. In die Förderschiene fällt auch die
Hausaufgabenbetreuung, die von Fachlehrern und zum Teil von Schülern der Sekundarstufe
II mit betreut wird. Die Heterogenität der Schülerinnen und Schüler mit besonderen
Begabungen erkennt man unter anderem daran, dass sich unter ihnen Legastheniker
beziehungsweise Autisten befinden, die auch die Extra-Förderung in Anspruch nehmen.
3.10 Auszeichnungssystem
Die Wertschätzung aller Schülerinnen und Schüler findet ihren Ausdruck im Toleranzkonzept
der Schule, wonach Schülerinnen und Schüler für besondere Leistungen ausgezeichnet
werden, egal ob auf Grund einer intellektuellen Leistung, einer sozialen, sportlichen oder
musischen. Auch dieses Konzept wurde in einer kleinen Steuerungsgruppe unter Mitwirkung
von Eltern und Schülerpaten erarbeitet. Mittlerweile ist es im Schulkonzept verankert. Eine
breite Abfrage etwa vier Wochen vor Schuljahresende bei den Klassenlehrern ermöglicht die
Erfassung auch von vielleicht nicht so auffälligen besonderen Leistungen für eine
Würdigung. Die Steuerungsgruppe organisiert kleine Preise, die mit den Zeugnissen
ausgegeben werden.
4
Außerschulische Förderangebote
Auch die außerschulischen Begabungsförderungen nimmt das Elsensee-Gymnasium
systematisch in den Blick. So ermöglicht es Schülerinnen und Schüler an dem
schulübergreifenden Enrichment-Programm4 von Schleswig-Holstein teilzunehmen, welches
eng mit der Schule verknüpft ist. Unter Enrichment erfasst man Maßnahmen der
Begabtenförderung, die darauf abzielen, den regulären Schulunterricht durch zusätzliche
inhaltliche Angebote und alternative Lernformen zu vertiefen und zu ergänzen (Ullrich, 2008).
Die Kurse finden am Samstagvormittag oder freitags nachmittags statt. Dort lernen die
Teilnehmer mit Begabten anderer Schulen zusammen an spannenden Themen. Das
Elsensee-Gymnasium selbst ist Stützpunktschule dieses landesweiten Förderprogramms,
was bedeutet, dass auch hier begabungsfördernde Kurse am Samstagvormittag stattfinden
(Wasmann-Frahm, 2012).
Schüler mit Migrationshintergrund werden regelmäßig für die START-Förderung5
vorgeschlagen. Darüber erhalten diese eine langfristige finanzielle und ideelle
4
Siehe auch http://www.enrichment.lernnetz.de/content/dateien/ENRICHMENT-EVALUATION-2007-2012FIN.pdf
5
https://www.start-stiftung.de/stipendium.html
6
Begabungsförderung. In jedem Schuljahr werden je eine Schülerin beziehungsweise ein
Schüler für die Juniorakademie (für Jüngere) und die Schülerakademie (für Ältere)
vorgeschlagen. Die Auswahlkriterien hierfür sind hoch angelegt. Sind sie nominiert, können
sie an einem zweiwöchigen Kurs in den Sommerferien mit anderen Begabten teilnehmen.
Ein Frühstudium wird Schülerinnen und Schülern der Sekundarstufe II ermöglicht.
Hochmotivierte und in einem Fach ausgezeichnete Lernende können bereits Kurse im
Bachelor-Studiengang belegen, wobei sie nicht verpflichtet sind, dieses Fach nach dem
Abitur weiter zu studieren. Eine andere Möglichkeit der Zusammenarbeit zwischen
Universität und Schule besteht darin, ein Praktikum in einem universitären Labor
durchzuführen, dort Forschungsmethoden kennen zu lernen und ein eigenes Projekt
durchzuführen. Hierfür kommen nur wenige Schülerinnen und Schüler in Frage. Sie sind
dann meist einen ganzen Tag abwesend und nutzen diese Praktikumsmöglichkeit unter
anderem für eine Jugend forscht Arbeit oder als Besondere Lernleistung, die in das Abitur
mit eingeht.
5
Zusammenfassung und Ausblick
Zusammenfassend zeigen die Maßnahmen an der hier dargestellten Schule, dass
Schulentwicklung in Richtung individueller Förderung auch am Gymnasium möglich ist. Der
Weg wird über die Begabungsförderung mit Öffnung für alle beschritten. Als
Rahmenbedingung erweist sich eine Steuerungsgruppe als unabdingbar, die neue Konzepte
vorbereitet und den entsprechenden Schulgremien vorstellt. Die Schule erhält Unterstützung
durch ein landesweites Netzwerk der Begabtenförderung, welche sich Kompetenzzentren
oder SH i B-Schulen (=Schleswig-Holstein inklusive Begabtenförderung) nennen. Für die
integrative Begabungsförderung aller mit Ausgangspunkt der besonders Begabten erscheint
mir besonders wichtig, dass ein breites Spektrum an Angeboten mit hohem
Anforderungsniveau bereitsteht, gleichzeitig aber auch Schülerinnen und Schüler auf der
anderen Seite der Begabungsskala und solche mit Teilleistungsschwächen über den
Unterricht hinausgehend gefördert werden.
An dem hier vorgestellten Gymnasium wurde deutlich, dass Schülerinnen und Schüler die
fördernden Maßnahmen aus dem schulinternen Angebot auch kumulativ nutzen, das heißt
sie werden vielleicht als Legastheniker zusätzlich unterrichtet. Aber sie nehmen auch an
Wettbewerben teil, sind Teilnehmer der schulübergreifenden Enrichment-Kurse und
engagieren sich als Schülerpaten (Wasmann, 2013). Manche nehmen regelmäßig über
sechs Jahre hinweg am Enrichment-Programm von Schleswig-Holstein6 teil oder machen bis
zu siebenmal den Jugend forscht Wettbewerb mit. Andere wiederum sehen ihren
Schwerpunkt im Sprachenlernen. Diese lernen zwei Fremdsprachen parallel und beteiligen
sich vielleicht am Fremdsprachenwettbewerb. Durch Angebot und Nachfrage kommt eine
sehr gute Passung von Begabungstyp und Förderungsmaßnahmen zustande. Dann können
an einem ganz normalen Gymnasium ‚besonders Begabte‘ weit über den normalen
Unterricht hinaus gefördert werden, insbesondere wenn sie bereits ab Klasse 5 in das
Förderangebot aufgenommen werden. Als Konsequenz einer kontinuierlichen Förderung
erspart man einigen Schülerinnen und Schülern die weite Anfahrt zu einem Gymnasium für
Hochbegabte und die damit einhergehende Separierung von ihrem ganz normalen Umfeld.
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www.enrichment-sh.de
7
Literatur
Fischer, C. (2006): Grundlagen und Konzepte der Begabtenförderung. In C. Fischer & H. Ludwig
(Eds.), Begabtenförderung als Aufgabe und Herausforderung für die Pädagogik (S. 66-67).
Münster: Aschendorff Verlag.
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Kontext (Vol. 16). Münster: LIT-Verlag.
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Vergleich der Bundesländer. Labyrinth, 105, S. 18-20, 29.
Helmke, A. (2012). Unterrichtsqualität und Lehrerprofessionalität. Seelze-Velber: Kallmeyer.
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Reinhard Verlag.
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hochleistende Jugendliche (pp. 1-93). Münster / New York / München / Berlin: Waxmann.
Rost, D. (Ed.). (2009). Hochbegabte und hochleistende Jugendliche (2. Auflage ed.). Münster.
Stapf, A. (2008): Hochbegabte Kinder (4. ed.). München.
Stumpf, E. (2010): Fähigkeitsgruppierung in der Sekundarstufe I und die Leistungsentwicklung
der
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Schüler.
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http://download.bildung.hessen.de/schule/allgemeines/begabung/begabung_hochbegabung/P
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Trautmann, T. (2010): Einführung in die Hochbegabtenpädagogik (Vol. 53). Hohengehren:
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Ullrich, H.; Strunck, S. (2008): Begabtenförderung am Gymnasium (Vol. 41). Wiesbaden: VS
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Wasmann, A. (2015): Vorbereitung von Schüler-Wettbewerben am Beispiel von Jugend forscht
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Weinert, F.E. (2000): Lehren und Lernen für die Zukunft - Ansprüche an das LErnen in der
Schule. Pädagogische Nachrichten Rheinland-Pfalz(2), 1-16.
Dr. Astrid Wasmann
Studienleiterin für Pädagogik in Schleswig-Holstein und
Oberstudienrätin am Elsensee-Gymnasium.
Von 2012-2014 Vertretungsprofessorin für Didaktik der Biologie an
der Universität Vechta
Forschungsschwerpunkte: Begabungsförderung und
Projektunterricht
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