5 15 Auszug aus Ausgabe 5 Oktober 2015 Energie. Markt. Wettbewerb. Special Stadtwerke 2020 Personalmanagement statt Fachkräftemangel ISSN: 1611-2997 Von Alexander Brocksieper Special Stadtwerke 2020 Personal Die deutsche management Energiewende statt Fachkräfte findet in den mangel Verteilnetzen statt on Alexander Brocksieper, V Leiter Kompetenzzentrum Human Capital Management, BTC AG Quelle: kasto - Fotolia.com Von Autor, Position, Unternehmen 2 Auszug aus e|m|w Heft 05|2015 Stadtwerke 2020 A ufgrund des erhöhten Wettbewerbdrucks seit der Liberalisierung besetzten viele Energieunternehmen Stellen nicht nach, um Kosten zu sparen. Heute kämpfen sie mit einer Überalterung der Belegschaft. Zugleich fordert die Freigabe des Energiemarkts aber die Beschäftigung mit neuen Themenfeldern. Zusätzliche Qualifikationen werden benötigt. Auch die Energiewende zieht immer mehr neue Aufgaben und Arbeit nach sich. Viele Personalabteilungen haben verstanden, dass sie nicht mehr „nur“ verwalten können, sondern den Wandel managen und Bewerber sowie Mitarbeiter begeistern müssen. So schön es ist, dass die Energiewende in Deutschland als eine Antwort auf den Klimawandel vorankommt – den Geschäftsführern und Personalverantwortlichen von Stadtwerken treibt sie zuerst einmal Sorgenfalten auf die Stirn. Wer soll die vielen dezentralen Energieanlagen wie BHKW, Windkrafträder, Photovoltaik- oder Biogasanlagen in das Versorgungsnetz und in die Administration einbinden? Oder auch: Wie lässt sich der Mentalitätswandel vom ehemaligen Versorger zum kundenorientierten Dienstleister bewältigen, der durch die Liberalisierung notwendig wird? Und auch der Dauerläufer „Smart Meter“ erfordert schon eine ganze Weile die Aufmerksamkeit der Verantwortlichen. Erst Anfang August 2015 wurde die Gesetzesvorlage zur „Digitalisierung der Energiewende“ veröffentlicht, mit der jetzt das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) die Voraussetzungen für den Smart Meter-Rollout schaffen will. Drängende Frage nach qualifiziertem Personal Angesichts dieser Fülle von Aufgaben heißt eine drängende Frage der Energie versorgungsunternehmen (EVU), mit welchem Personalstand und mit welchen Fähigkeiten sie die vielen Aufgaben von heute und morgen meistern können. Die Energiewende und die damit verbundenen Umbrüche verlangen somit von den Energieunternehmen große Kraftanstrengungen. Im Titel der neuen Gesetzesvorlage zur „Digitalisierung der Energiewende“ steckt eine Teilantwort auf die Fragen, mit denen sich Stadtwerke heute konfrontiert sehen: Viele Aufgaben lassen sich mit Hilfe von informationstechnischen Lösungen vereinfachen oder automatisieren (Abb. 1) – gerade auch 01 Special die in Bezug auf den Fachkräftemangel so wichtige Thematik der Mitarbeitergewinnung und Mitarbeiterbindung. Allerdings können Software-Programme nur Konzepte und Prozesse unterstützen. Sie ersetzen nicht das Entwickeln sinnvoller Maßnahmen und die persönliche Führung von Mitarbeitern. Optimiertes Personalmanagement Die Freiheit, Personal zu suchen, haben viele Personalleiter heute nicht mehr. Sie müssen mit Einstellungsstopps zurechtkommen oder mit der Vorgabe leben, dass sie nur wenige, ausgesuchte Stellen neu besetzen dürfen. Ein weiteres Problem steht ihnen aber noch bevor: die Knappheit auf dem Arbeitsmarkt, der prognostizierte Fachkräftemangel in Deutschland. In dieser Notlage besinnen sich viele Führungskräfte von Stadtwerken auf ihre eigenen Stärken: Ihr Ziel ist es, die Mitarbeiter zu halten und sie so weiterzuentwickeln, dass sie in der Lage sind, neue Tätigkeiten zu erledigen oder auch Führungsaufga- Die IT kann Prozesse sinnvoll unterstützen. Sie ersetzt aber nicht die persönliche Führung von Mitarbeitern. ben zu übernehmen. Auch die Ausbildung von Jugendlichen wird als Gegenmaßnahme und Investition in die Zukunft begriffen. Die folgenden sieben Thesen eines optimierten Personalmanagements zeigen die wichtigsten Instrumente, die Energieversorger einsetzen können, um ihre Personalsituation zu verbessern und den Fachkräftemangel zu adressieren: 1. Zum attraktiven Arbeitgeber werden Die Arbeitgeber-Marke, neudeutsch „Employer Branding“, ist heute auch in Unternehmen der Energieversorgung ein Mittel der Wahl. Gemeint ist damit, ein Unternehmen so aufzustellen, dass es nach außen und innen strahlt – und somit sowohl Kandidaten anzieht, als sie auch im Unternehmen hält. Dafür wird als erstes ein Blick auf die Ist-Situation notwendig. Das heißt, man muss sich einen Überblick über Rollen, Gehälter, Unter- IT-Lösungen für das Personalmanagement Rekrutieren Nachfolgeplanung Personaladministration Lernen Performance Qualifikationskataloge Karriereplanung Vergüten Organisationsmanagement HCM-Kernprozesse Zeitwirtschaft Portal Collaboration Search Engine Solution Manager Personalabrechnung Berechtigungen/Security Auszug aus e|m|w Heft 05|2015 3 Special Stadtwerke 2020 nehmenskultur und -werte sowie Strukturen, aber auch über die Arbeitsausstattung und die Prozesse verschaffen. Von einer solchen Analyse lässt sich ableiten, wo Korrekturen oder zusätzliche Anstrengungen im Unternehmen notwendig werden. Zum Employer Branding gehört auch das Instrument „Diversity“. Diese Unternehmensphilosophie hat das Ziel, niemanden auszugrenzen und Vielfalt in jeder Hinsicht – Geschlecht, Religion, internationale Kultur, sexuelle Orientierung etc. – zu fördern und zu leben. Unternehmen, die Diversity verinnerlicht haben, steigern ihre Attraktivität für Bewerberinnen und Bewerber und erschließen sich somit ein neues Potenzial auf dem knappen Arbeitsmarkt. Unterstützt werden die Unternehmen hierbei durch moderne Analyse-Tools wie SAP Analytics, deren Möglichkeiten weit über die oft noch genutzten Excel-Auswertungen hinausgehen. 2. Neue Wege beim Recruiting Hat ein EVU ein gutes Image in seiner Region, heißt dies noch nicht, dass alle interessanten Nachwuchskräfte und Bewerber auch darauf aufmerksam werden. Ein Grund liegt darin, dass die bisher üblichen Kanäle über die Anzeigen geschaltet werden, oft nicht mehr die ganze Zielgruppe treffen. Aktuell werden 87 Prozent der offenen Stellen auf der eigenen Unternehmens-Webseite und 61,2 Prozent in Internet-Stellenbörsen ausgeschrieben im Vergleich zu 20,2 Prozent in Printmedien. Personaler sind deshalb gut beraten, sich mit dem elektronischen Recruiting (E-Recruiting) auseinanderzusetzen und verschiedene Plattformen im „Social Media“-Umfeld wie Xing, LinkedIn und Facebook zu nutzen. Von sehr positiven Erfahrungen berichten Führungskräfte aus Stadtwerken, die nicht nur Printanzeigen schalten, sondern auch auf Online-Jobbörsen und neuen Bewerbermärkten suchen, die sie bisher nicht im Visier hatten. Dazu gehören zum Beispiel Monster, StepStone, Experteer und JobLeads. Software-Lösungen für EVU, die bei der internen Verwaltung der Personalsuche helfen und mit fast allen neuen Medien vernetzbar sind, sind Bewerbermanagementsysteme wie die SAP-Lösung E-Recruiting oder SuccessFactors Recruiting. Hier können Stellenanzeigen direkt publiziert oder eingegangene Bewerbungen ohne Medienbrüche im EVU qualifiziert und zur Bearbeitung weitergeleitet werden. 3. Interne Weiterbildung Als Personaler noch aus dem Vollen schöpfen konnten, herrschte in vielen Branchen die Ansicht, ein „Umlernen“ sei schwierig und zeitaufwendig, daher seien Mitarbeiter mit den notwendi- 02 Dieser Anspruch, jedem Mitarbeiter die Chance zu geben weiterzukommen – und damit gleichzeitig die Stadtwerketeams zu stärken –, macht deutlich, dass es nicht mehr mit einer manuellen Verwaltung getan ist. Bei 100 oder mehr Mitarbeitern würde eine rein händische Erledigung der Aufgabe eine Expansion der Personalabteilung erfordern. Eine Alternative zur zeitaufwendigen „Handarbeit“ für Führungskräfte und Personaler sind dagegen Werkzeuge, die IT-gestützt und automatisiert den Qualifizierungsbedarf managen. „Learning-Solutions“ mit Vor-Ort-Kurs-Angeboten, Online-Trainings, virtuellen Klassenräumen bis hin zum Verwalten und Abrechnen der Bildungsveranstaltung ergänzen das Instrumentarium der Mitarbeiterqualifikation. 4. Ziele statt Stundenplan Auch Stadtwerke kämpfen ähnlich wie Kommunen mit dem Vorurteil, dass die Arbeit dort noch von der Stechuhr bestimmt wird und nicht von inhaltlichen Zielen. So leicht solche Vorurteile zu entkräften sind – schließlich erfüllen viele Stadtwerke ihre Aufgaben zur Zufriedenheit ihrer Kunden, was sich allein schon an der sicheren Energieversorgung ablesen lässt – so wichtig ist es, moderne Führungsmethoden einzuführen oder auszubauen. Dazu gehört etwa das Führen über Zielvereinbarungen, die etwa mittels Boni bei den Mitarbeitern Anreize schaffen, über das Ziel hinauszuschießen (Abb. 2). Mitarbeiter erfahren darüber hinaus durch den Zielvereinbarungsprozess viel mehr Aufmerksamkeit und Wertschätzung, was wiederum die Mitarbeiterbindung stärkt. 5. Wertschätzung fußt nicht allein auf Gehalt Von erfahrenen Führungskräften ist immer wieder zu hören, dass zwar die Gehaltshöhe einen Ausschlag bei der Einstellung geben kann, sie jedoch nicht die einzige Größe ist, die zur Mitarbeiterzufriedenheit führt. Arbeitgebern stehen eine ganze Reihe von Möglichkeiten zur Verfügung, ihre Mitarbeiter an das Unterneh- Prozessphasen einer Zielvereinbarung & -messung 2 1 Planungsphase Teamzielvereinbarung durch Manager 4 gen Kompetenzen möglichst „einzukaufen“. Doch diese Zeiten sind vorbei. Inzwischen sagen viele Stadtwerke: „In der Not machen wir es selbst“ – und fahren damit sogar besser als vorher. Der Grund dafür ist ganz einfach: Sie können genau die Qualifikationen ausbilden, die das Anforderungsprofil erfordert. Um hier nachhaltig zum Ziel zu kommen, gilt es im ersten Schritt, eine Ist-Soll-Matrix aufzustellen und permanent die Anforderungen der Stellen und Aufgaben mit den Fähigkeiten und Kompetenzen der Mitarbeiter abzugleichen. Und zwar für jeden Mitarbeiter! Vereinbarung der individuellen Ziele durch Manager und Mitarbeiter Auszug aus e|m|w Heft 05|2015 3 Reviewphase Review der individuellen Ziele durch Manager und Mitarbeiter Beurteilungsphase Selbstbeurteilung durch Mitarbeiter Beurteilung durch Manager Teamkalibrierung durch Manager Dokumentabschluss durch Manager Stadtwerke 2020 03 Mitarbeitergewinnung und -bindung Mitarbeiter anziehen Mitarbeiter halten Mitarbeiter zurückgewinnen ??? Special beiterstammdaten und Unternehmenshierarchien stützt, gibt einen Überblick, wann wie und durch wen Mitarbeiter zu ersetzen sind, die in den nächsten Jahren in Ruhestand gehen. So wird eine ad-hocPersonalführung vermieden und der Plan hilft dabei, das Unternehmen zukunftsfähig zu erhalten. Fazit Mit diesen sieben Punkten sind wichtige Inhalte des Personalmanagements Arbeitsmarkt skizziert. Es geht also primär um Mitarbeitergewinnung und -bindung (Abb. 3), um einem Fachkräftemangel frühzeitig andere und wirksam entgegenzuwirken. Was hier Unternehmen Unternehmen nicht Gegenstand der Ausführungen ist, ist der Aspekt, dass auch jede Optimierung eines Prozesses Einfluss auf den Personalbedarf hat. Wenn zum Beispiel heute dezentrale Energieanlagen mit entIT-Lösungen Instrumente sprechender Software-Unterstützung fast • Bewerbermanagement/eRecruiting • Arbeitgebermarke/Recruiting automatisiert in das Enterprise-Resource• Learning Solutions/Veranstaltungs• Weiterbildung/Qualifikation Planning-System (ERP) eingebunden management • Mitarbeiterentwicklung werden können, sorgt die Automatisierung • Vergütungsmanagement • Social Benefits dafür, dass mit knappen Ressourcen mehr • Kompetenzmanagement • Flexible Arbeitszeitmodelle erreicht wird. Auch der Gerätewechsel • Zielvereinbarungen • Gesundheitsmanagement mithilfe von Smartphones, die den Wech• Zeitwirtschaft/Lebensarbeitskonto selprozess beschleunigen, erlaubt, die Arbeit von Technikern effizienter zu machen bzw. das Arbeitsaufkommen für den men zu binden. Diese sogenannten „Social Benefits“ fangen beim Einzelnen zu reduzieren. Und last but not least: Auch IT-Werkzeuge zum Personalmanagement, mit denen Mitarbeiter z. B. verbilligten Strom-, Wasser- oder Telefontarif an – je nach Leisauf einfachste Art über Webservices ihre Urlaube beantragen tungsportfolio des Stadtwerks – und reichen bis zur Monatskarte können, entlasten die Personalabteilung und sorgen zugleich als für den öffentlichen Nahverkehr oder zum Firmenauto. Dabei innovatives Arbeitsmittel für die Attraktivität des Arbeitgebers. ist der Vorteil für das Unternehmen größer als die Steuer, die für das Deputat zu bezahlen ist. Ein solches „Umsorgen“ drückt Womit sich der Kreis schließt: Die Arbeitgebermarke wird auch Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitern aus und fördert das durch moderne Arbeitsmittel wie Smartphones und Tablets, Zugehörigkeitsgefühl. Leistungsstarke Betriebe können auch verWebservices und Apps gestärkt und erzeugt Wirkung nach mögenswirksame Leistungen, Lebensarbeitszeitkonten oder eine außen – zumindest dann, wenn man auf ein weiteres wichtiges betriebliche Altersvorsorge in Erwägung ziehen. Werbemittel für Nachwuchskräfte setzt: „Mitarbeiter werben Mitarbeiter“. 6.Gesundheitsvorsorge Handlungsbedarf besteht außerdem im Ausbau des Gesundheitsmanagements, da die Mitarbeiter zunehmend unter Stress stehen. Zu den Antworten darauf gehören Strategien zur Stressbewältigung und Entschleunigung, aber auch flexible Arbeits ALEXANDER BROCKSIEPER zeitmodelle, die es ermöglichen, arbeitsintensive Zeitstrecken etwa durch mehrmonatige „Sabbaticals“ auszugleichen. Beim Jahrgang 1971 Gesundheitsmanagement sind auch die Betriebskrankenkassen wertvolle Ratgeber. 1993-1998 Studium BWL in Siegen und Münster 7. Langfristig Personal planen und entwickeln 1998-2001 ERP-Beratung, Baan Deutschland GmbH Angesichts des demografischen Trends, dass Deutschland auf 2002-2011 Prüfungsnahe Beratung, PricewaterhouseCoopers grund sinkender Geburten- und steigender Sterberaten langsam AG WPG aber sicher auf eine Bevölkerungsgröße von mittelfristig 67 Mio. seit 2012 Bereichsleiter Consulting, BTC Business Technology schrumpft (von gegenwärtig ca. 80 Mio.), ist für Energieversorger Consulting AG ein stichfester Plan für die nächste Dekade überlebensnotwendig. Ein computerunterstützter Stellenplan, der sich auf die Mitar- [email protected] Auszug aus e|m|w Heft 05|2015 5 Energie. Markt. Wettbewerb. energate gmbh Norbertstraße 5 D-45131 Essen Tel.: +49 (0) 201.1022.500 Fax: +49 (0) 201.1022.555 www.energate.de www.emw-online.com Bestellen Sie jetzt Ihre persönliche Ausgabe! www.emw-online.com/bestellen
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