Dokumentation „Geschäftsmodell Energiewende“ 4. EnEff:Stadt Praxis-Workshop 21./22. Oktober 2015, Oberhausen Inhalt Programm ................................................................................................................................................ 4 Hintergrund ............................................................................................................................................. 6 Erwartungen der Teilnehmer .................................................................................................................. 7 Themenblock 1 – künftige Energiemärkte – Trends erkennen, Risiken abmildern, Chancen ergreifen. 9 Zusammenfassung des Impulses von Carsten Beier (Fraunhofer UMSICHT)...................................... 9 Bedeutung des Quartiers und technischer Innovationen für die Energiewende.............................. 11 Rolle der Stadtwerke ......................................................................................................................... 12 Rolle, Möglichkeiten & Wünsche der Verbraucher und Bürger ........................................................ 13 Bedeutung für das Geschäftsmodell Energiewende ......................................................................... 14 Themenblock 2 – Geschäftsmodell Energiewende – erfolgreiche Umsetzung auf Quartiersebene .... 15 Zusammenfassung des Impulses von Prof. Jörg Probst (GERTEC) .................................................... 15 Unternehmerschaft ist die Kraft........................................................................................................ 16 Überzeugen und nicht Überreden..................................................................................................... 17 Leben von der Nähe vor Ort .............................................................................................................. 17 Gesucht: Ingenieure mit dem besonderen Etwas ............................................................................. 18 In welche Richtung wachsen Projekte? ............................................................................................. 18 Frische Geister zeigen, dass es geht .................................................................................................. 18 Themenblock 3 – wie lassen sich komplexe Projekte handhabbar machen? ....................................... 19 Zusammenfassung des Impulses von Simon Hamperl (WISTA MANAGEMENT GmbH) ................... 19 Quartiersmanager, Person… ............................................................................................................. 22 …oder Software? ............................................................................................................................... 22 Standards für die Datenhaltung ........................................................................................................ 23 Zusammenfassung des Impulses von Jan Schiefelbein (RWTH Aachen, E.ON ERC).......................... 24 Den Algorithmus übersetzen? ........................................................................................................... 26 Toolkette - Akteurskette ................................................................................................................... 27 Erfolgsfaktoren für den Tool-Einsatz ................................................................................................. 27 Impulse aus den Kommunen ................................................................................................................. 28 2 3 Programm 1.Tag - 21. Oktober 2015 12:30 Begrüßungsimbiss TOP 1 13:00 Begrüßung durch den Gastgeber, das BMWi und den Projektträger Jülich TOP 2 13:30 Anmoderation & Vorstellung der Teilnehmer TOP 3 14:00 Diskurs 1: künftige Energiemärkte – Trends erkennen, Risiken abmildern, Chancen ergreifen Wie werden sich die Energiemärkte verändern? Welche Auswirkungen haben Energie- und Wärmebedarfssenkungen auf künftige Versorgungsstrukturen? Kurzimpuls durch Carsten Beier (Fraunhofer UMSICHT) Anschließend: Diskussion mit allen Teilnehmern TOP 4 16:00 Pause 16:30 Diskurs 2: Geschäftsmodell Energiewende – erfolgreiche Umsetzung auf Quartiersebene Welche Rolle nimmt das Quartier im künftigen Energiemarkt ein? Welche Potenziale und Hemmnisse bestehen auf dieser Maßstabsebene? Kurzimpuls durch Prof. Jörg Probst (GERTEC) Anschließend: Diskussion mit allen Teilnehmern 18:30 Ende Tag 1 4 2.Tag - 22. Oktober 2015 TOP 5 9:00 Thematischer Einstieg: Energiewende – Quartier - Geschäftsmodell Diskurs 3: Wie lassen sich komplexe Projekte handhabbar machen? Bei welchen Fragestellungen können Tools eine Entscheidungshilfe darstellen? Welche Möglichkeiten und Grenzen bieten Tools? Welche Rolle spielt ein Kümmerer vor Ort? Kurzimpulse von Jan Schiefelbein (RWTH Aachen, E.ON ERC) und Simon Hamperl (WISTA MANAGEMENT GmbH) Anschließend: Diskussion mit allen Teilnehmern TOP 6 11:00 Pause 11:30 Impulse aus den Kommunen und Stadtwerke Feedback & Fazit 13:00 Mittagsimbiss 14:00 Ende der Veranstaltung 5 Hintergrund Das Energiekonzept der Bundesregierung sieht eine Transformation des Energiesystems vor. Die Umstellung von einer zentralen Energieversorgung auf Basis fossiler und nuklearer Energieträger hin zu einer dezentralen, flexiblen und regenerativen Energieversorgung wird auch zu einer tiefgreifenden Änderung der Energiemärkte führen. Welche Trends der künftigen Ausgestaltung dieser Energiemärkte lassen sich bereits heute erkennen? Welche Risiken bringen diese mit sich – welche Chancen weisen Sie auf? Der Frage nach dem „Geschäftsmodell Energiewende“ sollte im Rahmen des 4. EnEff:Stadt PraxisWorkshops insbesondere vor dem Hintergrund zu entwickelnder energieeffizienter Quartiere nachgegangen werden. Welche Vorteile können sich aus dem Quartiersansatz heraus ergeben? Welche Akteure werden den Transformationsprozess maßgeblich gestalten? Durch immer komplexer werdende Vorhaben nehmen Modelle und Planungshilfsmittel eine Schlüsselrolle ein. Wie effektiv wirken die verschiedenen Technologien und Komponenten zusammen? Wie wirken sich verändernde Rahmenbedingungen auf das System aus? Neben diesen Fragen sollte auch die Kluft zwischen den verfügbaren, in Forschungsvorhaben entwickelten Planungstools und den in der Praxis tatsächlich verwendeten Hilfsmitteln aufgezeigt und praxisorientierte Entwicklungsbedarfe abgeleitet werden. 6 Erwartungen der Teilnehmer Mit welcher Erwartungshaltung sind die Teilnehmer angereist? Was erwarten Sie sich von der Diskussion? Welche akuten Fragestellungen treiben sie in ihren Projekten um und wofür erhoffen sie sich konkrete Hilfestellungen? Im Rahmen der Vorstellungsrunde wurden folgende Punkte genannt: - Wie können neue Geschäftsmodelle für die Umsetzung von Energiewendevorhaben aussehen? Wie kann der Brückenschlag von der Forschung zum Endkunden aussehen? Ist es womöglich eine „Flatrate Strom?“ Welche dezentralen Strategien können wir vor Ort umsetzen? Wie kann die notwendige Akzeptanz der Bürger für Umsetzungsprojekte gewonnen werden? Wie können neue Kommunikationslösungen aussehen? Wie gehen wir in Vorhaben mit weiteren relevanten Akteuren und Stakeholdern um? Wie sieht das Marktmodell im Quartier aus, wie kann die Finanzierung erfolgen, welche rechtlichen Ansätze sind zu beachten? Wie verhält es sich mit der Zeitskala von Forschungsprojekten? Was ist heute bereits wirtschaftlich? Welche Weichenstellung wird sich in Zukunft auszahlen? Wie lassen sich Konzepte und Planungen im Bereich der Kraft-Wärme-Kopplung unter den derzeit schwierigen ökonomischen Rahmenbedingungen erfolgreich steuern? Welche Rolle spielen die Stadtwerke – heute und in Zukunft? 7 - Wie wird aus dem „zähen Geschäft mit der Energieeffizienz“ ein florierendes? Welche Lösungsansätze bieten sich für kleine und/oder finanzschwache Kommunen? Was sind energietechnisch und wirtschaftlich vertretbare Lösungen? Wie können Entscheidungen durch die Nutzung digitaler Daten vereinfacht werden? Welche Impulse für Schwerpunkte künftiger Forschungsbereiche gibt es? 8 Themenblock 1 – künftige Energiemärkte – Trends erkennen, Risiken abmildern, Chancen ergreifen Zusammenfassung des Impulses von Carsten Beier (Fraunhofer UMSICHT) Im Hinblick auf den Titel des Praxisworkshops „Geschäftsmodell Energiewende“ stellt sich die Frage, wie die Energiewende wirtschaftlich umgesetzt werden kann und welche Geschäftsmodelle zukünftig wirtschaftlich sein werden. Der Impulsvortrag „Energiewende & Energiemärkte“ zeigt aktuelle Tendenzen auf, die sich aus der Umsetzung der Energiewende ergeben und die für die Entwicklung von energieeffizienten, wirtschaftlichen und umsetzbaren Quartierslösungen von Bedeutung sind. Die auf dem Praxisworkshop vorgestellten Impulse stellen eine zur Anregung der Diskussion bewusst plakativ und ggf. verkürzte Darstellung von Thesen dar, die aktuell in der Fachöffentlichkeit diskutiert werden. In einem ersten Schritt werden im Folgenden die diskutierten Impulse zusammengefasst erläutert, um daran anschließend die wesentlichen Argumente der Diskussion wieder zu geben. Das Energiekonzept der Bundesregierung sieht eine Transformation des Energiesystems vor. Die Umstellung von einer zentralen Energieversorgung auf Basis von fossilen und nuklearen Energieträgern hin zu einer dezentralen, flexiblen und regenerativen Energieversorgung wird auch zu einer tiefgreifenden Änderung der Energiemärkte führen. Hinsichtlich der Steigerung der Energieeffizienz, der Umsetzung von wirtschaftlichen Sanierungskonzepten sowie der verbesserten Integration von erneuerbaren Energien können Stadtquartiere einen wichtigen Beitrag zur Energiewende leisten. Doch welche Auswirkungen hat die Energiewende auf die energietechnischen und energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen und welche Rolle können Stadtquartiere vor diesem Hintergrund übernehmen? Ein wesentlicher Bestandteil der Energiewende ist die Reduzierung des Energiebedarfes: nur bei deutlich reduziertem Energiebedarf kann eine wirtschaftliche Energieversorgung mit einem hohen Anteil an erneuerbaren Energien gelingen. Dabei hat die Reduzierung des Energiebedarfes auf der einen Seite für die Energieverbraucher eine Reduzierung der Energiekosten zur Folge. Auf der anderen Seite bedeutet dies aber auch, dass Energieversorger geringere Energiemenge verkaufen können und 9 damit deutliche Umsatzeinbußen zu erwarten sind. Ein sinkender Wärmebedarf hat darüber hinaus zur Folge, dass sich die wirtschaftliche Situation von Wärmenetzen deutlich verschlechtert. Daraus resultiert ein Zielkonflikt, da Wärmenetze in bisherigen Demonstrationsprojekten die Grundlage für wirtschaftliche Sanierungskonzepte im Gebäudebestand darstellen und gleichzeitig die Basis für eine verbesserte Integration von Strom und Wärme aus erneuerbaren Energien sind. Eine zweite Säule der Energiewende ist der wachsende Anteil erneuerbarer Energien an der Energieversorgung. Im Jahr 2014 hatten die erneuerbaren Energien einen Anteil von 26 % an der Bruttostromerzeugung. Dieser Anteil wird laut Energiekonzept der Bundesregierung auf 50 % im Jahr 2030 und 80 % im Jahr 2050 anwachsen. Im Hinblick auf die Energiemärkte hat dies gravierende Folgen, da damit ein Großteil der Marktteilnehmer Strom ohne Erzeugungskosten anbietet. Eine Ermittlung der Marktpreise über eine Merit-Order wird folglich nicht mehr sinnvoll sein. Eine weitere Folge wird ein deutliches Stromüberangebot sein. Schon heute reagiert der Markt mit negativen Strompreisen – wer dennoch Strom einspeist, erzielt keine Erlöse, sondern verursacht Einspeisekosten. Es stellt sich daher die Frage, wie sich der Energiemarkt entwickelt, wenn an weit mehr als 1000 Stunden im Jahr ein Stromüberangebot den Markt bestimmt? Ein Szenario, das schon in naher Zukunft mit dem Abschalten der letzten Atomkraftwerke im Jahr 2022 Realität werden könnte. Vor diesem Hintergrund ist daher zu erwarten, dass allein mit dem Verkauf von Kilowattstunden zukünftig kein Geschäft mehr zu machen sein wird. Vielmehr werden andere Produkte wie der Verkauf von Regelenergie, Reservekapazitäten und anderen Systemdienstleistungen die Grundlage für den wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen darstellen. Weiterhin ist zu erwarten, dass es aufgrund der hohen Fluktuation der Stromerzeugung zu großen Preisschwankungen an den Märkten kommen wird. Wer flexibel und präzise auf diese Schwankungen reagieren kann, wird die größten Erlöse erzielen können. Gleichfalls ist absehbar, dass der heute übliche starre durchgehende Betrieb von Anlagen wie zum Beispiel von Blockheizkraftwerken mit hohen Vollbenutzungsstundenzahlen nicht mehr wirtschaftlich sein wird. Durch die Verbindung verschiedener Energieeffizienz- und Energieversorgungsoptionen besitzen Stadtquartiere große Potenziale. Diese zu heben, stellt eine komplexe Planungsaufgabe dar: eine Vielzahl an Gebäuden und Effizienzmaßnahmen müssen miteinander kombiniert und anhand der lokalen Randbedingungen sowie der wirtschaftlich-rechtlichen Rahmenbedingungen beurteilt werden. Dabei müssen die erforderlichen Investitionsentscheidungen für Nutzungsdauern von 10…50 Jahren vor dem Hintergrund getroffen werden, dass die zukünftige Entwicklung der Energiewende und der 10 Energiemärkte nicht absehbar ist. Die Berücksichtigung der zeitlichen Entwicklung der Märkte sowie die Durchführung von Sensitivitätsanalysen sind daher von elementarer Bedeutung, um Quartierslösungen umzusetzen, die trotz sich ändernder Rahmenbedingungen wirtschaftlich erfolgreich sind. Diese Aufgabe ist nur mit Hilfe von komplexen Modellen und Simulationen zu bewerkstelligen. Aufgrund der genannten Marktentwicklungen spielt die Flexibilität sowohl im Hinblick auf eine dynamische Betriebsweise als auch auf das Anbieten unterschiedlicher Produkte eine wesentliche Rolle für den wirtschaftlichen Erfolg von Energiesystemen. Aufgrund der technischen Gegebenheiten bieten Quartierslösungen durch den Einsatz von Strom- und Wärmespeichern in Kombination mit flexiblen Energieversorgungsanlagen und Energieverbrauchern eine Vielzahl an Flexibilitätsoptionen und haben daher im Vergleich zu isolierten Einzellösungen ein großes Potenzial für wirtschaftlich robuste Systeme. Allerdings stellt sich die Frage, welche Potenziale Plusenergiehäuser und –quartiere bieten und wie diese wirtschaftlich erschlossen werden können. Diese Frage muss auch im Hinblick auf die aktuelle Tendenz beantwortet werden, dass Neubauquartiere über Wärmepumpen mit Wärme versorgt werden und daher zukünftig nur noch mit einem elektrischen Anschluss ausgestattet werden. Im Hinblick auf die Entwicklung und Umsetzung energieeffizienter Stadtquartiere und den anstehenden Herausforderungen der Energiewende zeigt die aktuelle Situation ein weiteres, gravierendes Problem: es fehlt derzeit an wirtschaftlichen Anreizen. Zum einen wird die Entwicklung neuer Quartierslösungen durch die aktuell niedrigen Energiepreise ausgebremst. Zum anderen ist der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromproduktion noch nicht ausreichend, um gravierende Änderungen der Energiemärkte zu bewirken: Regelenergiemärkte liefern noch nicht die erforderlichen Erlöse, neue Märkte (z.B. Kapazitätsmärkte) und Erlösquellen (z.B. Systemdienstleistungen) werden sich erst in der Zukunft ausbilden. Da jedoch bereits in 5 bis 10 Jahren marktfähige Lösungen zur Verfügung stehen und in die breite Umsetzung gebracht werden müssen, besteht derzeit ein großer Handlungsbedarf in der Entwicklung von energieeffizienten Stadtquartieren und in der Demonstration der erfolgreichen Umsetzung. Energiemodelle spielen dabei eine wichtige Rolle, um im Hinblick auf zukünftige Marktsituationen wirtschaftlich robuste Lösungen zu entwickeln und die Potenziale von Stadtquartieren zu erschließen. Bedeutung des Quartiers und technischer Innovationen für die Energiewende Um die Teilnehmer „auf Temperatur“ zu bringen, formulierte Carsten Beier in seinem Impulsvortrag zum Teil recht provokante Thesen, die anschließend rege diskutiert wurden. So bestanden beispielsweise über die Netzdienlichkeit von Plusenergiegebäuden mit Blick auf effiziente und flexible Quartierskonzepte kontroverse Ansichten. Konsens bestand darin, dass es in jedem Fall intelligenter Steuerungen und Regelungstechnik bedarf, um eine gewisse Flexibilität – z. B. durch die Vermeidung von Lastspitzen im Netz bei hohen Energieerträgen – zu erzielen. Vorhersagemethoden können den Prozess zusätzlich unterstützen. Auch die Kopplung von mehreren Gebäuden zu einem „Schwarm“ ist grundsätzlich möglich, um letztlich auch die Wirtschaftlichkeit solcher Konzepte zu erhöhen. Aufgrund der geringen Bedarfe von Plusenergiegebäuden sind die Ausgleichskapazitäten 11 von Überschussenergien im Quartier, die nicht unmittelbar mit dem Plusenergiegebäude im Zusammenhang stehen, jedoch begrenzt und damit auch die Flexibilität im Sinne eines Hin- und Herschieben von Energien im Quartier eingeschränkt. Trotzdem – so die nicht widerlegte Aussage – werden sich solche Gebäudestandards mit zunehmender Wirtschaftlichkeit in Zukunft durchsetzen. Nach wie vor liegen die größten Probleme ohnehin im Bestand. Gemeint ist damit nicht nur die Gebäudesubstanz sondern auch die vorhandene Infrastruktur, die mitunter in den letzten 100 Jahren vornehmlich durch Stadtwerke aufgebaut wurde und nicht über Nacht neuen flexiblen Systemen weichen kann. Die Frage nach der Skalierbarkeit (von z.B. energetischen Maßnahmen) wurde aufgeworfen, wobei der Quartiersansatz (trotz unklarer Definitionsgrenzen) von den Diskutanten als der sinnvollste Ansatz eingestuft wurde, auch wenn letztlich für die gesamte Stadt Lösungen gefunden werden müssen. Diese können beispielsweise in der sinnvollen Erweiterung von bereits vorhandenen Wärmenetzen bestehen um vorhandene industrielle Abwärme nutzen zu können. Es bestehen jedoch weiterhin Unsicherheiten bei der Technologiefindung für Nahwärmeinseln. Das Quartier biete die Möglichkeit, „freier“ zu denken und neue Lösungen zu entwickeln, die wirtschaftlich, ökologisch-sozial und zugleich flexibel angelegt sind. Damit ist das Quartier die Plattform für Umsetzungs- und Optimierungsprozesse. Um diese Aufgabe zu meistern und Wege zu finden, wie eine Diversifizierung und Flexibilität zu vertretbaren Preisen auf absehbare Zeit realisiert werden kann, sind jedoch zunächst Konzepte und Modellierungen unabdingbar. Modellierungen dienen als Werkzeug für Konzepte und Planungen und können somit den Planungsaufwand sowie die Kosten reduzieren. Die Modellierungsergebnisse geben eine gewisse Sicherheit – auf dieser Basis können Maßnahmen kommuniziert und dargestellt sowie visualisiert werden, was wiederum zur Akzeptanzschaffung beitragen und förderlich für die Umsetzung von Projekten sein kann. Eine Herausforderung liegt jedoch in der Zeitskala. Die Rahmenbedingungen müssen für Modellierungen sinnvoll gewählt werden, so dass die Ergebnisse über den gesamten Betrachtungszeitraum energetisch und wirtschaftlich den Anforderungen entsprechen. Auch die Forschung muss hier einen wesentlichen Beitrag leisten - nicht nur in der Entwicklung, sondern insbesondere auch in der Anwendungserprobung in Form von Fallstudien. Rolle der Stadtwerke Den Stadtwerken wird vielerorts eine Schlüsselrolle bei der Umsetzung der Energiewende zugesprochen. Nicht nur, dass sie oftmals der Netzbetreiber vor Ort sind – sie besitzen als kompetenter Energiedienstleiter auch den direkten Draht zum Endkunden. Trotz aller Bereitschaft fehlt es jedoch auch den Stadtwerken aufgrund der ständig wechselnden Rahmenbedingungen an verlässlichen Optionen und kalkulierbaren Geschäftsgrundlagen, die über einen 5-Jahreszeitraum hinausgehen und eine solide Planung (z.B. Amortisationsrechnung) ermöglichen würden. Einzelne Projekte werden bereits durch die Stadtwerke umgesetzt für experimentelle Geschäftsmodelle fehlt ihnen jedoch oft die Zeit. Relativ klar scheint, dass der Endenergieabsatz mittelfristig zurückgehen wird. Die Zukunft der Stadtwerke steht auf dem Spiel, wenn nicht neue Märkte erschlossen, neue Dienstleistungen und Geschäftsmodelle entwickelt werden. Der notwendige Wandel vom Energieversorger zum Energiedienstleister, der anstelle von Erdgas eine warme Wohnung anbietet, ist unaufhaltsam. Viele Stadtwerke haben das bereits erkannt und profilieren sich heute als Allroundenergieexperte auf allen Gebieten. Neue Marketing- und Vertriebsstrategien, wie z. B. Bürgerkraftwerke mit Genossenschaften als Betreiber können Bürger, Bauherren oder Verbraucher 12 einbeziehen. Stadtwerke können hier beratend unterstützen – im Rahmen eines neuen Geschäftsfelds „Betrieb“. Zu weiteren Angeboten gehört mittlerweile ebenso das HeizungsanlagenContracting für Privatkunden als auch „Beratungen am Küchentisch“. Durch diese Nähe könnten sich aber auch exklusive Chancen für Stadtwerke ergeben. Nach Einschätzung eines Stadtwerkevertreters und unter Berücksichtigung der vorhandenen, langfristig aufgebauten Infrastruktur sollte auch in Zukunft ein gesunder Energiemix gefahren werden. Der Dialog mit dem Kunden ist dafür aber entscheidend, denn nur so kann der Bedarf des Kunden überhaupt in Erfahrung gebracht werden. Stadtwerke könnten auf diese Weise mit ihren Kunden gemeinsam überlegen, wie die Energieversorgung der Zukunft aussehen könnte. Dies wäre eine Möglichkeit um die Energiewende als Gemeinschaftsaufgabe zu verstehen. Größere Player könnten z. B. in Infrastrukturmaßnahmen investieren, während die Bürger abgestimmte Einzelprojekte realisieren. Die Frage ist, wie man beide Seiten zusammenbringt ohne eine Konkurrenzsituation zu schaffen. Hier sind u. U. auch ein Umdenken bei Stadtwerken und die Bereitschaft zum Schulterschluss mit Bürgerenergiegenossenschaften o. ä. erforderlich. Gegen einen Wettbewerb um die besten Geschäftsmodelle hat grundsätzlich niemand etwas, vorausgesetzt, die Rahmenbedingungen stimmen. Neue Kooperationsansätze können hier eine Perspektive bieten; z.B. eine Kopplung modell-basierter Optimierung (Forschung), lokalem Berater (Stadtwerke) und Vor-Ort-Betreiber (Genossenschaften). Dieser Dialogprozess erfordert jedoch Zeit, die zumindest die Stadtwerke schon auch aufgrund der vorgenannten instabilen Rahmenbedingungen nicht haben. Rolle, Möglichkeiten & Wünsche der Verbraucher und Bürger Einigkeit bestand in der Diskussion darin, dass der (End-)Kunde eine wesentliche Rolle bei der Umsetzung der Energiewende besitzt. Zur Mobilisierung ist jedoch eine intensive Kommunikation notwendig. Die Zielgruppenansprache fällt allerdings aufgrund der unterschiedlichen Motivlagen der Bürger und Kunden der Stadtwerke sehr komplex aus und reicht von dem einfachsten Bedürfnis nach warm und günstig über (Versorgungs-)Sicherheit, Technikbegeisterung, Preisbewusstsein, Komfortanspruch bis hin zum Ausdruck des Lifestyles. Im Quartier ist grundsätzlich mit einer Mischung aus allen Gruppen zu rechnen. Auf die Frage, wie hier eine breite Ansprache der Zielgruppen erfolgen kann, wurden verschiedene Lösungsvorschläge diskutiert. Dazu gehörte sowohl die Entwicklung von einfachen und weitestgehend selbsterklärenden (Standard-)Lösungen als auch die gute Erfahrung aus konkreten Projekten, die Kunden und Bürger vor Ort als Multiplikatoren einzusetzen. Gerade im Quartier sollte die Mund-zu-Mund-Propaganda sehr gut funktionieren. Auch der Blick in andere Branchen (IKT, Einzelhandel) sei erlaubt, auch wenn eine Übertragbarkeit nicht immer 1:1 gegeben ist. Zudem kam der Vorschlag auf Markforschung für diesen sehr kleinteiligen Bereich zu betreiben, um die zielgruppenspezifische Ansprache zu verbessern. Entscheidend ist es, sich mit den Menschen vor Ort auseinander zu setzen. Die Erfahrung zeigt, dass sie so auch aktiv in die Lösungsentwicklung eingebunden werden können. Bei der Investitionsbereitschaft sind jedoch Grenzen gesetzt. Der Genossenschaftsgedanke als Geschäftsmodell bildet eine nicht zu unterschätzende Marketing- und Vertriebsstrategie. Über dieses 13 Modell kann sich eine Triple-Win-Situation einstellen, von der auch der Endverbraucher etwas hat, denn die Genossenschaftsidee macht Lösungen für private Akteure bezahlbar. Bedeutung für das Geschäftsmodell Energiewende Die Situation ist derzeit kaum überschaubar. Die stetig wechselnden Rahmenbedingungen lassen keine validen Annahmen und damit Langzeitperspektiven zu - eine solide Planung ist demnach kaum möglich. Aktuell ist das Netz zu stark reguliert, was die Entwicklung von Geschäftsmodellen und von Projekten verhindert, welche einen Beitrag zur Energiewende leisten können. Entsprechende Geschäftsmodelle und Projekte sind nur in einem liberalisierten Markt möglich. Im Fall von stabilen Rahmenbedingungen kann sich ein Wettbewerb im Bereich der Produkte entwickeln. Unter den derzeitig instabilen Rahmenbedingungen mindern Stadtwerke, im Vergleich zu Genossenschaftsmodellen, durch eine Mischkalkulation das Risiko für ihre Wärmeabnehmer. Die äußere Wahrnehmung der Energiewende und deren Wirtschaftlichkeit beschränken sich derzeit eher auf die ständig steigenden Kosten für die Bürger durch diverse Umlagen. Es fehlt an übertragbaren und skalierbaren Lösungen. Hier muss die Forschung wesentliche Impulse durch weitere Projekte liefern. Letztlich müssen die Forschungsergebnisse jedoch in Standards überführt werden, um Märkte zu generieren. Andererseits gibt es weiterhin einen großen Bedarf an beratungsbewährten, individuellen Lösungen, die u. a. von Stadtwerken oder TechnologieNetzwerken angeboten werden können. Eine Förderung ist in allen Fällen zielführend. Dies gilt auch für Planungstools für Energieberater, um beispielsweise Anlagen im Quartier zu bemessen. Vor dem Hintergrund der Unsicherheit künftiger Rahmenbedingungen wurde eine Bürgschaft für Quartiersprojekte angeregt (vergleichbar den Hermes-Krediten). Sie sollen Projekte absichern, falls trotz größter Sorgfalt aller Beteiligten dennoch das Projektziel nicht erreicht wird. Um eine breite Umsetzung zu erzielen, sind neben den viel diskutierten Stadtwerken und deren Kunden sowie der Forschung und Entwicklung auch weitere Akteure wie die Stadtverwaltungen, die Wohnungsbaugesellschaften und die Wirtschaftsunternehmen relevant. Hier gilt: „Optimierung durch Kommunikation“: Die Player vor Ort – bis hin zum motivierten Kunden – sollten miteinander das Gespräch suchen. Auch das Handwerk muss eingebunden werden. Wichtig hierbei ist es, die innovativen Konzepte entsprechend zu vermitteln, damit auch das Handwerk als Multiplikator funktioniert. Allrounder sind derzeit gefragter denn je. 14 Themenblock 2 – Geschäftsmodell Energiewende erfolgreiche Umsetzung auf Quartiersebene – Zusammenfassung des Impulses von Prof. Jörg Probst (GERTEC) Geschäftsmodell Nachhaltigkeit: Erfolgreiche Umsetzung auf der Ebene des Quartiers Relevanz des Quartiers Die Quartiersebene, das zeigen Projekte wie Innovation City in Bottrop, aber auch aktuelle Untersuchungen in Eutin und an vielen anderen Stellen der Bundesrepublik, ist eine geeignete Bezugsebene zur Initiierung und Umsetzung von Energieeffizienz- und Nachhaltigkeitsprojekten. In kleinteiligen Strukturen lassen sich Klimaschutzziele strukturiert umsetzen und eine nachhaltige Verankerung in der Bevölkerung erzielen. Ausgehend von einer Bestandsaufnahme die GIS-basiert mit vorhandenen Daten erfolgen kann, lassen sich dann Projektkataster und Akteurs-Analysen erstellen und in Maßnahmenentwicklungen und Maßnahmenkataloge überführen. Durch die konkrete Umsetzung und Begleitung der Akteure entsteht dann eine erfolgreiche Umsetzung im Quartier. So kann ausgehend von der Kenntnis des Gebäudebestandes und der sich hieraus ableitenden Energiesparkonzepte ein Gesamtkonzept entstehen. Unter Einbeziehung der Milieugruppen und der vorhandenen Daten entstehen Solarkataster in direkter Korrelation mit den Gebäudenutzerstrukturen und deren Eigentümern. Erfolgsfaktoren im Quartier Die Vernetzung der lokalen Akteure ist die Quelle der erfolgreichen Umsetzung im Quartier. Geschäftsmodelle sind nur dann möglich und denkbar, wenn es unternehmerische Kräfte gibt, die mit großem Engagement die Projekte initiieren und durchführen. Von allergrößter Bedeutung sind die Beteiligung der Bewohner und die Einbeziehung der örtlichen Besitzerstrukturen. Dabei liegt ein wesentliches Augenmerk auf der Herausarbeitung eines Leitthemas im Quartier, das dem Wesen des Quartieres und der Menschen entspricht. 15 Eine erfolgreiche Umsetzung beruht damit - auf dem Vertrauen zwischen dem unternehmerisch Handelnden und den privaten Eigentümern, auf der Verbindlichkeit in der Zusammenarbeit durch entsprechende Ziel- und Kooperationsvereinbarungen, durch die Professionalität im Management des Umsetzungsprozesses, durch die passenden Dienstleistungen für die jeweiligen Akteure. Fehlende Werkzeuge Für die Einbeziehung der Bürger ist es nicht ausreichend gesellschaftspolitische Klimaziele aufzuzeigen und Wirtschaftlichkeitsberechnungen von Maßnahmenpaketen zur Verfügung zu stellen, es fehlt vielmehr die Illustration des Zukünftigen, die bildhafte Darstellung des Quartiers nach der Sanierung. Die Trägermodelle für kommunale und lokale sowie quartiersbezogene Klimaschutzprozesse gilt es ebenso weiter zu detaillieren und zu professionalisieren. Von besonderer Bedeutung - und hier fehlen Werkzeuge und Modelle - sind dabei - Coachingprozesse für Klimaschutzmanager Schulungen für Quartiersmanager Werkzeuge und Methoden für Stadtwerke als Quartiersunternehmer für die Energieversorgung. Ausblick Die Ebene des Quartiers ist eine wirkungsvolle Bezugsebene, hier können sich unternehmerisch gestaltende und agierende Akteure und die Bevölkerung sowie die Eigentümer der Gebäude direkt in Beziehung setzen und erfolgreich handeln. Wesentliche Werkzeuge sowohl bei der Erarbeitung von Sanierungskonzepten, als auch bei der Erarbeitung von Versorgungskonzepten liegen bereits vor. Fehlen werden jetzt in Zukunft die Menschen, die die Quartiere betreuen, hier braucht es Schulungs- und Coachingprozesse für eine erfolgreiche Umsetzung. Für die Visualisierung der Sanierungskonzepte fehlen noch Modelle, um die Bürger früh in die Prozesse einzubeziehen. Unternehmerschaft ist die Kraft Im Anschluss an den Impuls durch Herrn Prof. Probst diskutierten die Teilnehmer die thematisierten Ansätze. Um aus der Planung und Konzeption endlich auch in die Umsetzung zu kommen, benötigt es die Kraft der Unternehmerschaft. „Fortune“, Innovationsgeist und die Freude am Wettbewerb sind gefragt. Dabei könnte es sinnvoll sein, die Unternehmerschaft einmal etwas weiter zu fassen und auch auf die Anwender auszudehnen. Dieser demokratische Ansatz birgt die Chance technische 16 Konzepte verstärkt mit der für den Erfolg des Vorhabens notwendigen Akzeptanz der Bürger und Nutzer umzusetzen. Bemängelt wurde allerdings auch, dass für innovative Konzepte und Lösungen oft der finanzielle Anreiz, die Marge, fehlt. Auch wurde festgestellt, dass viel Zeit und Geld in Konzepte fließt nicht aber in Projekte – hier muss eine Balance hergestellt werden. Aus Sicht der Planer sind zudem die Grenzen zwischen Konzept, Planung und Umsetzung nicht ausreichend definiert. Überzeugen und nicht Überreden Damit jedoch nicht der, der am besten verkaufen kann gewinnt, sollten sich Anbieter (z.B. Stadtwerke) am realen Bedarf orientieren. Passen Angebot und Nachfrage zusammen ist nur noch „überzeugen, aber kein überreden nötig“. Tools können an dieser Stelle (auch durch ansprechende Visualisierungen) eine gute planerische und objektive Unterstützung liefern und „Verkaufsargumente“ aufzeigen. Daneben sollte jedoch auch die Gefühlswelt angesprochen werden - „Man muss den Leuten Lust auf die Zukunft machen – keine Schönmalerei, keine Lügen und keine falschen Versprechungen, sondern ein anschauliches Bild!“. „Geduldig hinschauen und auf die Menschen zugehen!“ sei wichtig, denn die Probleme vor Ort sind nicht rein technisch, sondern „technisch-sozial“. Deshalb ist auch die „Beziehungsorientierung“ notwendig, den Betroffenen und Handelnden sollte die Freude auf das Neue vermittelt werden (z.B. durch die Visualisierung von Entwicklungsprozessen – wie einem Video vom Quartier nach der Sanierung). Dies meint eine stärkere Nachfrage- oder Bedürfnisorientierung und weniger eine Technik- bzw. Angebotsorientierung. Leben von der Nähe vor Ort Neben einem guten Angebot und dem nötigen Unternehmergeist ist der Besitz bzw. das Gewinnen des Vertrauens der lokalen Akteure von großer Bedeutung. „Vor Ort sein und vor Ort bleiben“ - dies trifft beispielsweise auf Stadtwerke oder lokale Unternehmen zu, welche durch vertraute Namen, eine mit bestimmten Werten verbundene Unternehmenskultur oder greifbare Ansprechpartner vor Ort bei den Menschen punkten. Den Projekten wird „ein Gesicht gegeben“. Nicht die Ökonomie allein lässt die Menschen handeln, sondern auch das „ICH und WIR“. Demzufolge motivieren sich Entscheidungen selten ausschließlich aus faktisch-konzeptioneller Vorarbeit von Forschern oder Ingenieuren. Und: Vor allem Nähe eröffnet den Entscheidern und Handelnden die spezifischen Verhältnisse in einem Quartier sowie den Zugang zum Kunden. Für ein zielgerichtetes Handeln muss Klarheit über den Adressaten und seine spezifische Ansprache herrschen: Ist es die Genossenschaft, ein Unternehmensvorstand oder eine Bürgerinitiative? Die Bedeutung des persönlichen Kontaktes zeigt sich auch bei Kümmerern wie Quartiersmanagern oder Personen in ähnlichen Funktionen. Durch den (langfristigen) persönlichen Kontakt werden soziale Netze gewoben, welche eine Basis für erfolgversprechende Projekte und eine gute Zusammenarbeit herstellen. Bestehen Vorbehalte seitens der Bürger, können Informationsveranstaltungen nützlich sein, um diese abzubauen und mehr Transparenz in die ablaufenden Prozesse zu bringen. 17 Gesucht: Ingenieure mit dem besonderen Etwas Was zeichnet ihn aus – den Kümmerer vor Ort, den Ingenieur, der in den Dialog mit den Kunden tritt und deren Vertrauen gewinnt? Auf die „Basis der Profession kann man nicht verzichten, aber man muss Lust haben seinen Schreibtisch zu verlassen!“. Zum künftigen Berufsbild der Ingenieure gehört auch die Fähigkeit die notwendige Nähe zu den Akteuren aufzubauen. Um Inhalte tatsächlich transportieren und verständlich vermitteln zu können sind neben kommunikativem Geschick auch soziologische Kenntnisse hilfreich – alleine schon um auf die unterschiedlichen Zielgruppen spezifischer eingehen zu können. Oftmals ist jedoch bereits das „Zuhören die Quelle des Erfahrens“. Aber wem öffnen die Menschen die Tür? Mit wem unterhalten Sie sich? Ein gewisses Maß an Empathie ist hierfür sicherlich notwendig, daneben sind Glaubwürdigkeit und Wille, vor allen Dingen aber ein authentisches und echtes auftreten gefragt. Nützlich könnte auch ein Coaching für diese Ingenieure mit dem besonderen Etwas sein. Quartiersmanager benötigen eine fachliche und vor allem auch persönliche Betreuung, denn sie sind zu oft auf sich allein gestellt. In welche Richtung wachsen Projekte? Von oben nach unten oder umgekehrt – in welche Richtung Projekte wachsen und von welcher Ebene Sie initiiert werden, daran scheiden sich die Geister. Konsens besteht jedoch darüber, dass letztlich die Unterstützung beider Lager notwendig ist um ein Projekt zum Erfolg zu führen, denn weder mit mangelnder Unterstützung auf Entscheider- noch auf Umsetzer-Ebene können Vorhaben gelingen. Auch die besten Konzepte nützen dann nur wenig. Welche Ebene den Anstoß für ein Projekt liefert, ist oftmals abhängig von der Kultur. Verschiedene Beispiele zeigen wie es funktionieren kann. So wurde auf der Schwäbischen Alb in ländlichen Gemeinden die Energiewende vor Ort maßgeblich durch Vorschläge von den Bürgern vorangetrieben. Andernorts werden in Unternehmen durch „thank god it´s Friday Projekte“ Innovationen und neue Projektideen von der Leitungsebene konkret gefördert und von den Mitarbeitern erdacht. Angestoßen wurde in diesem Rahmen auch die Idee eine Übersicht/ einen „breakthrough planner“ zu erstellen der aufzeigt wer die Entscheider sind und wer, welche Interessen verfolgt. Frische Geister zeigen, dass es geht Doch auch wenn man vermeintlich alles richtig macht, klemmt es manchmal. So scheitern Projekte oftmals bereits in der Vorphase an den finanziellen Rahmenbedingungen, gerade in finanzschwachen oder kleineren Kommunen. Doch frische Geister zeigen, dass es geht! „Wenn die Finanzierung das Problem ist, muss dieses eben gelöst werden. Geld ist genug da, es stürzt sich geradezu auf lukrative Projekte!“. Konsens war, dass es vieler weiterer, beispielgebender, Projekte bedarf – vor allem mehr Umsetzungsprojekte! Deren Bewertung sollte jedoch nicht allein nach ökonomischen Kriterien erfolgen. Weitere Bewertungskriterien (technisch-soziale) und die langfristige Perspektive solcher Quartiersprojekte sollten berücksichtigt werden. Zudem wurde diskutiert inwiefern es möglich und nötig ist eine neue Fehlerkultur zu etablieren, in welcher Fehler nicht schamhaft verschwiegen sondern offen als Erfahrungswert kommuniziert werden, damit ein Lerneffekt daraus entstehen kann. 18 Themenblock 3 – wie lassen sich komplexe Projekte handhabbar machen? Zusammenfassung des Impulses von Simon Hamperl (WISTA MANAGEMENT GmbH) Wie lassen sich komplexe Vorhaben handhabbar machen? Muss der Rechner, der den Optimierer antreibt, einfach nur schnell genug und das Simulationsmodell ausreichend groß sein? Die Energiewende in Deutschland schreitet voran. Die Einflüsse des Wandels sind spürbar. Wege zu einer 100% erneuerbaren Energieversorgung und deren Implikationen werden in ihrer faktischen Ausprägung in den entsprechenden Disziplinen der Wissenschaft diskutiert, betrachtet, erforscht. Das Projekt „Energiestrategie Berlin Adlershof 2020“ ist Teil der Forschungsinitiative EnEff:Stadt. Berlin Adlershof ist ein heterogenes, 460 ha großes Stadtquartier, in dem universitäre und außeruniversitäre Forschung, Gewerbe und Industrie und Wohnnutzung aufeinander treffen. Die WISTA-MANAGEMENT GMBH hat mit dem Projekt das Ziel anvisiert, den Primärenergiebedarf des Quartiers um 30% bis 2020 (bzw. zur vollständigen Standortauslastung) zu reduzieren. Die Potenziale wurden innerhalb einer Konzeptphase, die bis Mitte 2013 andauerte, ermittelt. Seit September 2013 befindet sich das Projekt in der Umsetzungsphase. 19 Um das Ziel zu erreichen, setzt das Projektteam der WISTA-MANAGEMENT GMBH in verschiedenen Arbeitspaketen diverse Werkzeuge ein: - Koordination der Umsetzungsprojekte innerhalb des thematischen Verbundes „Cluster Adlershof“ Effizienz-Showcases, um genutzte Potenziale erlebbar zu machen Potenzialanalysen für Energiehybridsysteme Neue Formate zur Fachkommunikation und zur Initiierung von Kooperationen Kontakt zu Erwerbern von unbebauten Flächen Medienübergreifende Vorplanung von Energieinfrastruktur Kooperation und Austausch mit Quartiersprojekten in Deutschland, Österreich und der Schweiz Planungshilfsmittel und die Energiewende Software-basierte Planungshilfsmittel spielen eine wichtige Rolle. Vor allem bei konzeptioneller Arbeit helfen Tools, multivariante Probleme zu lösen bzw. sich einer Lösung anzunähern. Innerhalb der „Energiestrategie Berlin Adlershof 2020“ werden im Arbeitspaket „Medienübergreifende Vorplanung von Energieinfrastruktur“ Voraussetzungen für eine rationelle Entwicklung der zu erschließenden Flächen in Adlershof geschaffen. Hierbei werden GIS-Tools mit Datenbank-Anbindung verwendet. V.a. die Möglichkeit, komplexe Sachverhalte mit spezifischen Planungshilfsmitteln zu visualisieren und verständlicher zu präsentieren, wird von den entsprechenden Anwendern positiv hervorgehoben. Die Sinnhaftigkeit wird jedoch auch kritisch diskutiert: 20 - - Starke Abhängigkeit der Ergebnisse von Inputdaten (Problem der Beschaffung) und deren Qualität Hoher Aufwand o für die Umsetzung eines konkreten Anwendungsfalls/Szenarios o bei grundlegenderen Änderungen o für Absprachen, Workshops Wenig Flexibilität hinsichtlich der Anpassung auf fortlaufende Planungen und Erkenntnisse Fehlende Eignung zur konkreten Planung, stattdessen Eignung zur überschlägigen Abschätzung von Szenarien Diese Faktoren führen in der Praxis nicht allzu selten zu einer Abwehrhaltung gegenüber maßgeschneiderten Lösungen. Es erfolgt der Rückzug zum Bekannten und Vertrauten: der Tabellenkalkulation. Sind die PHMs das, was wir brauchen, um mit komplexen Vorhaben umzugehen? Nicht ganz - PHM und Modelle helfen uns nur auf den ersten Schritten eines Transformationsprozesses Richtung einer ökologischeren Energieversorgung. Sie bilden somit ein wichtiges Fundament, indem sie uns helfen, Ziele und Erreichungskorridore zu definieren, Technologien auszuwählen und zu Konzepten zu verstricken. Auch die Kommunikation von komplexen Problemen und Lösungen könnte in Zukunft mittels der Tools besser möglich sein. 21 Ein weiteres Element zu „Handhabbarmachung“ sind rechtliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen, die mit einer möglichst hohen Kontinuität bestehen sollten. Dieser Part spannt den Handlungsrahmen für ein drittes Element, welches zwischen den beiden bisher Genannten lokalisiert ist und v.a. in einem Quartierskonzept unverzichtbar scheint das „vor Ort sein“: Menschen im Quartier zu haben, die als Ansprechpartner, Berater und Informationsdrehscheibe fungieren. Menschen, die Zeit zum Zuhören und im Idealfall ein Budget zum Agieren haben. Menschen, die mit Geschäftsmodellen und einer Story ausgestattet sind, die auf einem schlüssigen Konzept basiert. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, steigen die Transformationsprozess und das Glücksgefühl im Quartier. Chancen für einen erfolgreichen Quartiersmanager, Person… Als Person vor Ort mit der notwendigen Fachkompetenz, Motivation und Nähe zu den Akteuren personifiziert Simon Hamperl die Diskussion des vorangegangenen Themenblockes. Aber nicht jeder kann sich einen Quartiersmanager leisten und geförderte Personalstellen sind meist befristet. Im öffentlichen Bereich sind Finanzierungsmöglichkeiten für nicht-Pflichtaufgaben häufig schwierig bis unmöglich. Hier müssen kreative Lösungen gefunden werden und greifen. Wer trägt den Nutzen durch einen Quartiersmanager und wäre bereit dafür zu zahlen? Gibt es Möglichkeiten ein Geschäftsmodell über diese Nutzenträger aufzubauen? In kleineren Kommunen gibt es z.T. gute Erfahrungen mit Zusammenschlüssen für eine gemeinsame Kümmerer-Stelle (Teilzeit-Sharing). Ein weiteres Modell ist die Einbeziehung eines externen Dienstleisters, der das Quartiersmanagement finanziert und Audits, Contracting-Dienstleistungen sowie Energiekonzepte umsetzt. Möglich sind auch „hybride“ Modelle: So könnte z.B. eine Bürgergenossenschaft ihre Überschüsse in das Knowhow eines Kümmerers refinanzieren (Beispiele: Wolfhagen, Ludwigsburg, Friesenenergie). Wichtig ist es, der Umsetzung von Konzepten ausreichend Perspektive zu bieten und die Voraussetzungen zu schaffen, um das Kümmerer-Engagement vor Ort zu verstetigen. Wenn Personen gehen, geht mit ihnen auch deren Wissen - das hat negative Auswirkungen auf den bis dato erzeugten Effekt und das gewonnene Vertrauen der Akteure. So hat eine Evaluierung der KfWBreitenförderung von Quartierskonzepten durch die Uni Kassel ergeben, die Laufzeit der Förderung auf 5 Jahre zu verlängern und die Umsetzungsphase anschließend in städtebauliche Entwicklungsprozesse einzubetten. Diese können bis zu 15 Jahre in Anspruch nehmen. …oder Software? Planungstools stellen durch relativ verlässliche Aussagen eine wirksame Unterstützung im Planungsund Entscheidungsprozess dar. So sind gerade Visualisierungen attraktiv und können bei der Überzeugungsarbeit nützlich sein. Jedoch sind für den Umgang mit hochspezialisierten Tools auch entsprechend qualifizierte Bediener notwendig die wiederum eher rar sind. Im Gegensatz dazu wird EXCEL von einem breiten Anwenderfeld genutzt, zudem ist die Software an nahezu jedem Rechner installiert und verfügbar. Jedoch besteht auch bei EXCEL die Gefahr, dass derjenige, der sich die Tabelle einst ausgedacht hat, irgendwann nicht mehr verfügbar ist. Zudem besteht bei „selbstgebastelten EXCEL-Anwendungen“ eine höhere Fehlerwahrscheinlichkeit, denn im Gegensatz 22 zu Tools, die am Markt erhältlich sind, fehlt es hier an der Validierung durch eine Vielzahl von Nutzern. Wünschenswert wäre „ein EXCEL-kompatibles Planungstool für komplexe Fragestellungen“. Dieses könnte beispielsweise direkt durch in den Kommunen vorhandene EXCEL-Daten gespeist werden, diese verarbeiten und – falls nötig – später auch wieder in EXCEL zur Weitergabe an die Kommunen ausgeben. Im Hinblick auf Daten, deren Handhabung bzw. Haltung ist die Frage der Standardisierung noch nicht gelöst. Generell besteht der Anspruch mit Tools komplexe Sachverhalte einfach darzustellen, so dass auch weniger technisch versierte Nutzer in der Lage sind Ergebnisse zu bewerten. Standards für die Datenhaltung Nicht nur vor dem Gesichtspunkt der EXCEL-kompatiblen Planungstools wäre die einheitliche Gestaltung der Datenhaltung in Kommunen eine große Hilfe. So besteht gerade in kleinen Kommunen teils ein grundlegendes Datenproblem, da oftmals nur Verbrauchswerte von leitungsgebundenen Energiemengen verfügbar sind – „an Schornsteinfegerdaten zu kommen ist fast unmöglich!“. Um dem Problem „Shit in, shit out“ effektiv zu begegnen, wäre hier eine Standardisierung zielführend. Aber wie ließe sich ein solcher Standardisierungsprozess zeitnah anstoßen? Notwendig wäre die Schaffung eines gültigen Rechtsrahmens für relevante Daten. In Abstimmung mit Modellkommunen sollten Standardisierungen aufbauend auf dort bereits vorhandene Erfahrungswerte manifestiert werden, damit Vorgaben so nützlich und praktikabel wie möglich sind. Eine Idee im Rahmen der Diskussion war die Etablierung normierter Daten als Gemeingut. Wichtig ist aber, dass im Hinblick auf Standards zur Datenhaltung auch solche zum Thema des Datenschutzes und der Datennutzung entwickelt werden. 23 Zusammenfassung des Impulses von Jan Schiefelbein (RWTH Aachen, E.ON ERC) Weltweit werden 70% der CO2-Emissionen von Städten verursacht (Quelle: United Nations, Cities and Climate Change: Global Report on Human Settlements, 2011) – demnach bieten Städte einen immens großen Hebel zur Emissionsreduktion. Im Umgang mit diesem hohen Level an Komplexität können Planungstools behilflich sein. 24 Abbildung 1: Anforderungen an Tools Die Abbildung zeigt eine Auswahl der an Tools gestellten Anforderungen. All diesen gleichzeitig mit einem Tool gerecht zu werden – sprich eine „eierlegende Wollmilchsau“ zu schaffen, ist nicht möglich. Tools sind derzeit so vielfältig wie deren Anwender und Interessen. Mögliche Einsatzbereiche von Planungstools sind aktuell insbesondere die Bereiche Bilanzierung/vereinfachte Analyse, Datenbanken und Informationsmodelle, Geographische Informationssysteme, Optimierungen sowie Modellierung und Simulation bzw. Co-Simulation. 25 Abbildung 2: Toolbeispiele Möchte man einen Ausblick auf künftige Entwicklungen im Bereich der Tools und Planungshilfsmittel wagen, so steht zu erwarten, dass insbesondere einheitliche Standards wie CityGML für 3D Stadtquartiersdaten oder Functional Mockup Interface (FMI) aber auch die vereinfachte Austauschbarkeit von Datensätzen und eine verbesserte Vergleichbarkeit (z.B. Vergleich von Simulationsergebnissen des gleichen CityGML-Datensatzes auf verschiedenen Simulationsplattformen) sowie Cloud-Anwendungen eine große Rolle spielen werden. Zudem ist eine nochmals steigende Komplexität z.B. durch Co-Simulationen und Toolketten zu erwarten. Im Gegensatz hierzu steht jedoch bisher der Wunsch nach Einfachheit (simple Tools; Oder: Analyse und Toolanwendung wird an externen Dienstleister vergeben). Den Algorithmus übersetzen? Planungshilfsmittel sind oft hochspezialisiert und wirken entsprechend kompliziert und komplex. In der Diskussion stellte sich daher bereits zu Beginn die Frage: schafft man es, die Akteure vor Ort nicht durch dieses Gebilde aus Algorithmen zu verschrecken – „wie bringt man dem Bürgermeister so etwas bei?“ Anstelle einer Übersetzung der Eingaben und hinterlegten Formeln, ist es zielführender nicht über die Tools selbst, sondern die vor Ort vorhandenen Problemstellungen bzw. gesetzten Ziele 26 zu diskutieren. Darauf aufbauend können durch Fachleute passende Werkzeuge ausgewählt werden. Für die Überzeugungsarbeit sind zudem möglichst verständliche und ansprechende Ergebnisausgaben hilfreich. Ein bald im Rahmen der EnEff:Stadt Schriftenreihe erscheinender Band mit dem Titel „Planungshilfsmittel – Praxiserfahrungen aus der energetischen Quartiersplanung“ (ISBN: 978-3-8167-9544-5) kann einen Überblick und eine Hilfe für die Auswahl liefern. Toolkette - Akteurskette In seinem Impuls stellte Jan Schiefelbein anschaulich die verschiedenen Funktionen und teils aufeinander aufbauende Werkzeuge der Toolkette dar. Parallel zur Toolkette könne man jedoch auch von einer Akteurskette sprechen, da an den verschiedenen Stellen Eingaben und Daten durch unterschiedliche Akteursgruppen (z.B. Energieversorger, Schornsteinfeger) notwendig sind. Zu beachten ist in diesem Kontext, dass Datenhalter manchmal nicht diejenigen sind, die das Interesse an der Auswertung der Daten haben. Die Einbindung der Akteure in die Planung durch eine gemeinsame Betrachtung der Toolkette, der Zuordnung „wer steht an welcher Stelle in der Kette?“, die Definition von Schnittstellen und die darauf aufbauende Auswahl der passenden Werkzeuge ist somit entscheidend für den Erfolg der Anwendung. Denn wenn die Auswahl dem konkreten Bedarf entspricht und das Tool tauglich für den Einsatz unter den spezifischen Bedingungen vor Ort ist, liefert es das, was es soll – eine hilfreiche Unterstützung in einem guten Verhältnis von Aufwand und Nutzen. Erfolgsfaktoren für den Tool-Einsatz Grundsätzlich ist für den Einsatz von Tools zu klären: • • • • • Eine Aufwand-Nutzen-Abschätzung für jede Fragestellung Der Zeitpunkt des Einsatzes Die Berücksichtigung der Regel „Nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen“ Die Anwender selbst müssen von der Sinnhaftigkeit des Tooleinsatzes überzeugt sein (Wozu? Wie soll das Tools genau rechnen?) Die Modellierer bzw. Toolentwickler müssen sich um Vermittlung, Vereinfachung und Visualisierung ihrer Dienstleistung bemühen. Schlussendlich stand im Ergebnis der Diskussion „Quartiersmanager – Person oder Software“ daher: er ist zuvorderst eine Person, der im Hintergrund eine Software zur Unterstützung hat. 27 Impulse aus den Kommunen In einer die Veranstaltung abschließenden Runde wurden explizit Anregungen und Impulse von den Anwesenden abgefragt. Hierbei zeigte sich, dass die Teilnehmer eine begleitende Trendforschung für sinnvoll halten, damit Produkte und Lösungen anhand des zu erwartenden künftigen Nutzerverhaltens sowie der –bedürfnisse entwickelt werden und die Forschung und Entwicklung nicht „auf Dinosaurier setzt“. Entscheidungsträger sollten im Bilde über aktuelle Veränderungen und Kulturwandel sein. Beispielhaft wurde hier der Sektor Mobilität genannt – denn das Auto verliert gerade bei jüngeren Menschen mehr und mehr seine Rolle als Statussymbol. Stattdessen werden Möglichkeiten ohne eigenen PKW auszukommen z.B. durch Car-Sharingsysteme immer stärker nachgefragt. Als ein weiterer Punkt wurde die Motivation des Nutzers genannt. Wie lassen sich Vorbehalte z.B. gegenüber neuer Technik oder erneuerbaren Energien abbauen? Wie kann man Anreize dazu setzen, damit der Nutzer von sich aus Energie einsparen möchte? Die verstärkte Auseinandersetzung mit Wissenschaftsbereichen wie der Psychologie und Kommunikationswissenschaften können hier gewinnbringende Anregungen liefern. In diesem Zusammenhang wurde auch diskutiert, inwieweit ein professionelles Marketing und die verstärkte Nutzung verschiedener Medien hilfreich sein könnten, da diese einen nicht zu verachtenden Einfluss auf Bürger wie Entscheidungsträger besitzen und bestenfalls „als zweite Vertriebspartner dienen“ können. Zudem könnte über eine verstärkte Bedienung der Medien die Breitenwirksamkeit der Ergebnisse aus einzelnen Projekten über den „Mund-zu-Mund-Propaganda Raum“ hinaus ausgeweitet werden. Wie die Erfahrung der Teilnehmer zeigt, nehmen die Medien Themen rund um das weite Feld Energie und Klimaschutz überwiegend positiv auf. Es ist dennoch ratsam, das Zepter selbst in die Hand zu nehmen, aktiv auf die entsprechenden Medienpartner zuzugehen und „Aufhänger“ zu liefern. Vor diesem Hintergrund wäre eine verstärkte Zusammenarbeit mit dem Bereich der Medienwissenschaften zielführend, um weiterreichende Kenntnisse darüber zu erlagen, „wie Medien ticken“. Ebenso wurde diskutiert, welche Parameter Entscheidungen beeinflussen. Wann entscheidet wer, was und wie? Welche Entscheidungen sind emotional begründet und werden eher „aus dem Bauch heraus“ getroffen? Welchen liegen eher harte Zahlen, Daten und Fakten zugrunde? Durch eine gewisse „Vorprägung“ der Entscheidenden können auch hier die Medien eine Rolle spielen. Daneben wurde diskutiert, auf welcher Ebene Entscheidungen getroffen werden und welche folglich bei Projekten den Anstoß liefern oder mindestens mit im Boot sein müssen, damit das Vorhaben gelingt. Gerade in Quartieren und Stadtteilen in denen eine sehr heterogene Akteursstruktur und somit eine „Interessensgemengelage“ vorliegt, ist zudem die Auseinandersetzung mit den konkreten Zielgruppen, ihre Charakterisierung und Bedarfsorientierung für ein Gelingen der Ansprache und Aktivierung bedeutsam. Diese genaue Auseinandersetzung mit der Zielgruppe sowie der ausführliche Dialog mit einzelnen Akteuren helfen dabei, Angebote möglichst passgenau auf das Motiv bzw. den Urgrund desjenigen auszurichten, der angesprochen werden soll, was letztlich die Chancen ins Geschäft zu kommen immens erhöht. 28 Neben einer möglichst genau zugeschnittenen Ansprache der Zielgruppen, kann auch der Zeitfaktor eine entscheidende Rolle spielen. So stellen sich Erfolge oft erst durch ein hohes Maß an Kontinuität und Durchhaltevermögen ein. Auch ist es wichtig zur richtigen Zeit vor Ort zu sein. Vor diesem Hintergrund besitzt das langfristige Vorhalten der bekannten Kümmerer und Ansprechpartner vor Ort eine hohe Bedeutung. Kreative Lösungen, wie die Kombination verschiedener Förderprogramme oder die Entwicklung eigener Geschäftsmodelle (z.B. Finanzierung von Quartiersmanagern durch „Nutzenträger“ sprich ansässige Unternehmen vor Ort) sollten daher erdacht werden, um keine Rückschläge durch personelle Befristungen einstecken und den damit einhergehenden Verlust von Know-how und Vertrauen erleben zu müssen. Grundsätzlich wurde darüber hinausgehend allseits der Ansatz befürwortet stärker über den eigenen Tellerrand hinaus in andere Wissenschaftsdisziplinen, Märkte und Lebensbereiche zu schauen, um aus Ihnen zu lernen und übertragbare Lösungsansätze zu identifizieren (Beispiel Mannschaftssport – Abstimmung von Abläufen, Aufsetzen von Trainingsprogrammen). Neue Forschungsbedarfe Für die Forschung ergab die Diskussion interessante Anregungen und „Aufträge“: - - - - „Analyse des Endkunden bzw. des Nutzerverhaltens der Zukunft“ wird als Forschungsbedarf angesehen. Welcher Impact ergibt sich bei aktiver Nutzer-Beeinflussung? Und wie ist das Timing erfolgreich vorzunehmen? Das heißt, welcher Ansprechpartner sollte zu welchem Zeitpunkt mit welcher Motivation und Zielsetzung angesprochen werden? Die Forschung und Entwicklung muss den aktuellen Werte- und Kulturwandel u.a. in den Bereichen „Digitalisierung“ und „Mobilitätsverhalten“ aufnehmen. Dies betrifft auch das Energiemanagement und z.B. Steuerungskonzepte. Viele Entscheidungsträger haben dies noch nicht im Blick. Die Vertreter der Kommunen formulierten abschließend einen klaren Auftrag an die Forschung: „F&E muss den Entscheidungsträgern vor Ort die Unsicherheit nehmen“ – gerade in Zeiten wechselnder technologischer und politischer Hypes. Prüfung von Verwaltungsabläufen hinsichtlich möglicher Ansatzpunkte für Entscheidungen im energetischen Bereich – gemeinsames Forschungsprojekt zwischen Verwaltungs- & Ingenieurwissenschaften 29
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