„ VOR FREUDE WEINEN “ Das Zeitintegrationsmodell als Orientierungshilfe in der Persönlichkeitsentwicklung Dr. Johann Schneider Institut für Weiterbildung und Beratung Dr. J. Schneider Walsroder Str. 37, 29614 Soltau, Tel.: +49 05191-3640 www. institut-dr-schneider.de, [email protected] „Vor Freude weinen“ –- Das Zeitintegrationsmodell als Orientierungshilfe in der Persönlichkeitsentwicklung Dr. Johann Schneider, IWB, Walsroder Str. 37, 29614 Soltau, www.institut-dr-schneider.de INHALT 1. Einleitung 2. Die Dynamik des Skriptausstiegs (Ausstiegs aus alten Verhaltensmustern) 3. Der Zyklus der Skriptauflösung 4. Die Erdung in der Gegenwart 5. Die Vergangenheitsarbeit 5.1. Erinnern 5.2. Erschließen 5.3. Die Wunde heilen 5.4. Noch einmal durch die Schleife gehen 6. Zukunftsarbeit 6.1. Vorstellen Lebensblume 6.2. Planen 7. Die Gegenwartsarbeit Umsetzen Weiterentwickeln 8. Die Integration der Zeiträume 3 4 7 10 11 11 13 16 18 18 19 20 23 24 24 9. Transaktionsanalytische Theorieüberlegungen zum Zeitintegrationsmodell 26 9.1 der Zeitbezug der Ichzustände 26 9.2 Zeittrübungen und Trübungen der Ichzustände 28 9.3 Die Skriptauflösung unter ichzustandsanalytischer Betrachtung 30 9.4 Ethos- Pathos- und Logosqualitäten der Erwachsenenichzustände 31 9.5 Transformation von Eltern- und Kindichzuständen 34 9.6 Entwicklungspsychologische Betrachtung 38 9.7. Der Skriptbegriff 38 9.8 Vertragsarbeit 39 10. Der Zugang zu den Zeitdimensionen mit verschiedenen Sinnesqualitäten und Bewusstseinsebenen 40 10.1 Das Wahrnehmungs- und Darstellungssystem 40 10.2 Wahrnehmungs- und Darstellungsmuster unter BeRücksichtung verschiedener Modalitäten 40 11. Traumarbeit 44 2 „Vor Freude weinen“ –- Das Zeitintegrationsmodell als Orientierungshilfe in der Persönlichkeitsentwicklung Dr. Johann Schneider, IWB, Walsroder Str. 37, 3 29614 Soltau, www.institut-dr-schneider.de 1. Einleitung Charles Dickens lässt in seinem „Weihnachtsmärchen“ dem geizigen und verbitterten Geschäftsmann Ebenezer Scrooge drei Geister erscheinen, die ihm schließlich dazu verhelfen, Weihnachten in Verbundenheit mit anderen Menschen zu feiern und zu genießen: Den Geist der vergangenen Weihnacht, eine weise alte und doch kindhafte Gestalt, die Scrooge in seine Kindheit zurück führt und ihn die Entbehrungen und Möglichkeiten erkennen lässt, die er als Kind erlebte; den Geist der gegenwärtigen Weihnacht, eine dionysische Gestalt, die ihm zeigt, wie die Menschen, die er kennt, Weihnachten feiern und dabei ihre Verbundenheit genießen; den Geist der zukünftigen Weihnacht, eine Todesgestalt, die ihn ahnen lässt, wie sein Tod aussehen könnte und ihn mit seiner Endlichkeit konfrontiert. Scrooge kommt durch die Begegnung mit den Geistern mit seinem innersten Wünschen nach Lebendigkeit, Sinn und Erfüllung in Kontakt: Er spürt die Entbehrungen seiner Kindheit und seine Möglichkeiten und Potentiale, als er in Begleitung des Geistes der vergangenen Weihnacht sein Elternhaus riecht. Er spürt seinen Wunsch nach Bezogenheit, Nähe und Spiel als er in Begleitung des Geistes der gegenwärtigen Weihnacht erlebt, wie die Menschen feiern und spielen. Er ist geschockt als er sieht, wie sich die Leute noch bevor sein Leichnam kalt ist, seiner Habseligkeiten bemächtigen und sich überlegen zur Beerdigung zu gehen, da ja vielleicht ein Geschäft dabei herausspringen könnte. Er ist erschüttert als er im Angesicht eines Grabsteins, zu dem ihn der Geist der zukünftigen Weihnacht führt, ahnt, dass er ihm seine eigene Lebensgeschichte vor Augen hält. Und er fleht ihn an: „Wenn ich dies alles erkenne, ist es denn nicht möglich, dass ich mein Leben verändere ?“ Dickens’ Weihnachtsmärchen erzählt und illustriert in lebendiger Weise die Erfahrungen von Menschen, die sich auf den Weg machen, ihr Leben zu verändern und in ihre Hand zu nehmen. Es gilt in der Gegenwart zu leben, die Erfahrungen der Vergangenheit zu erfassen, an sie anzuknüpfen und die Zukunft heute zu gestalten. Berne´s Skriptidee1 und die daraus ableitbaren Methoden und Interventionen beziehen sich auf alle drei Zeiträume: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Es gilt sie alle wahrzunehmen, sie miteinander zu verbinden und zu integrieren. Nehmen wir das Ende vorweg: Nachdem Scrooge von allen drei Geistern besucht worden war und „daraus seine Lehren gezogen“ hatte, heißt es: Von Geistern wurde er nicht mehr besucht. Und wenn einer Weihnachten zu feiern wusste, dann war es Scrooge. Ich habe im Laufe meiner Arbeit in den verschiedensten Therapie- und Beratungsansätzen die Betonung einzelner Zeiträume kennen und schätzen gelernt. Berne´s Skriptidee und Berne´s Vertragsideen mit ihren die Gegenwart betonenden, die Vergangenheit respektierenden und die Zukunft aufgreifenden Dimensionen erscheinen mir unter zeitperspektivischen Betrachtungen jedoch als die umfassendsten Konzepte, die alle Zeiträume umspannen und ganz betrachten. Aus 1 Mit Skript beschreibt Berne (Berne, 1975, S. 42) einen unbewussten, in der Kindheit entwickelten Lebensplan, der in der Vergangenheit als nützliche Überlebensstrategie diente, in der Gegenwart aber zu Einschränkungen in der Lebensgestaltung und bei Problemlösungen führt. Als Skriptverhaltensweisen bezeichne ich die Ausführungen des unbewussten Lebensplans. Mit dem Fachausdruck Skript oder Skriptverhaltensweise bezeichne ich einschränkende Überzeugungen, Haltungen und Verhaltensweisen. „Vor Freude weinen“ –- Das Zeitintegrationsmodell als Orientierungshilfe in der Persönlichkeitsentwicklung Dr. Johann Schneider, IWB, Walsroder Str. 37, 4 29614 Soltau, www.institut-dr-schneider.de den Anregungen der Vertragsideen2 von Berne (Berne 1966, S. 15 ff, Schneider 2000 S. 44ff, Schneider, 2001) und meiner Beschäftigung mit Zeiterfahrung und Zeiterleben ist über einen Zeitraum von zwanzig Jahren das Zeitintegrationsmodell entstanden, eine Orientierungshilfe in der Begleitung von Menschen in Lern- und Entwicklungsprozessen, Therapie, Coaching, Beratung und Supervision. Ich verwende im Text den Begriff Begleiter oder Begleiterin für die Professionellen, die Ihre Klienten in verschiedensten Rollen als Berater, Therapeutinnen, Pädagogen, Erwachsenenbildnerinnen, Priester, Krankenpfleger, Lehrerinnen und und und ... zur Seite stehen und helfen, ihr Skript aufzulösen und ihr Leben selbstbestimmt und bezogen zu gestalten. 2. Die Dynamik des Skriptausstiegs3 Der entscheidende Ausgangspunkt das Zeitintegrationsmodell zu entwickeln, bestand für mich in der Erfahrung und der Erkenntnis, dass Menschen an Stellen, an denen sie aus ihren alten nicht mehr passenden Lebensmustern (Skriptmustern) aussteigen neben vielfältigen anderen Gefühlen, mit Freudentränen, Trauer und Irritation reagieren können. In der Arbeit mit Träumen wurde mir deutlich, dass Menschen an diesen Skriptausstiegspunkten über heftige und beängstigende Träume berichten. „In der Nacht nach der angenehmen neuen Erfahrung holte mich die alte Geschichte wieder ein“, „Ich hatte mich mit meiner besten Freundin getroffen und mit ihr einen ganzen Tag verbracht. Wir haben uns über unser Leben unterhalten, über unsere Vergangenheit und wie wir nun heute leben. Es war so schön und in der Nacht hatte ich Albträume und ich fühle mich noch heute ganz verstört“ (Zitate von Klienten). Eine Blockade in der Weiterentwicklung entsteht dann, wenn der Klient seine Freudentränen in Traurigkeit, Niedergeschlagenheit oder Konfusion erstickt und er und der Begleiter nicht merken, dass er diese Reaktion genau an der Skriptausstiegstelle empfindet und es sich um Ersatzgefühle4 für die Freude über die neue Erfahrung und den verdrängten Schmerz aus der alten Skripterfahrung handelt. Die Verwunderung über unangenehme Gefühle oder depressive Verstimmungen genau an Stellen, „wo es einem doch jetzt so gut gehen könnte“, zeigt genau dieses Phänomen. Ermutigt der Begleiter den Klienten die Traurigkeit zu spüren, bleibt der Klient trotz intensiver Emotionen im Skriptmuster und im Ersatzgefühl Traurigkeit hängen. Das emotionale, gedankliche und verhaltensmäßige Knäuel löst sich erst dann wie ein Gordischer Knoten auf, wenn die Begleiterin dem Klienten hilft, die darunter liegenden, zum Zeitpunkt der Skriptentstehung und der wiederholten Skriptausführungen weggedrückten Gefühle, insbesondere Schmerz und Wut (Empörung) zu erkennen, sie zu spüren, sie auf die Vergangenheit zu beziehen und, die zum Zeitpunkt des Skriptausstieges zuerst gespürte Freude auf die Gegenwart zu beziehen. 2 Als Verträge bezeichnet Berne über das übliche Vertragsverständnis hinaus Abmachungen und Vereinbarungen zwischen Klienten und professionellen Helfern über das Ziel und den Weg der professionellen Hilfe, über den Rahmen, über den Inhalt und über die psychologische Beziehungsgestaltung. 3 Mit Skriptausstieg bezeichne ich den Zeitpunkt, zu dem jemand ein Skriptmuster verlässt und die Dynamik, die dadurch in Gang kommt. 4 Als Ersatzgefühle bezeichnet English (English, 1971/72) Gefühle, die statt oder an Stelle anderer ursprünglicher Gefühle erlebt und gezeigt werden. Sie wurden in der Vergangenheit entwickelt, da die ursprünglichen Gefühle verpönt waren oder negativ sanktioniert wurden. „Vor Freude weinen“ –- Das Zeitintegrationsmodell als Orientierungshilfe in der Persönlichkeitsentwicklung Dr. Johann Schneider, IWB, Walsroder Str. 37, 5 29614 Soltau, www.institut-dr-schneider.de Der Traum und/oder das Trauerersatzverhalten stellt das Steckenbleiben zwischen Vergangenheit und Zukunft dar, eine Zeittrübung. Wird diese Zeittrübung aufgehoben, die Zeiträume Vergangenheit und Gegenwart bewusst, voneinander unterschieden, kann der bewusste Skriptausstieg gelingen. Schematisch dargestellt lässt sich der Skriptausstieg wie folgt beschreiben (siehe Abb. 1): (1) der Klient spürt Freude zu seiner neuen Erfahrung, (2) er erkennt die (alte) Verletzung und weiß um (und spürt) den damaligen Schmerz, (3) er weiß um seine Vergangenheit, und die Empörung (Zorn, Wut) aus dieser Zeit, (4) er unterscheidet Vergangenheit und Gegenwart (Zeitenttrübung), (5) und geht in der Gegenwart mit der Bewusstheit (s)einer Vergangenheit und (s)einer eigenen Zukunft weiter. DER BEWUSSTE SKRIPTAUSSTIEG 2 5 1 3 Vergangenheit Zukunft 4 Gegenwart Abb. 1: Der Skriptausstieg Die Freude bezieht sich auf die Gegenwart und die erahnte Zukunft, der Schmerz und der Zorn auf die alte Erfahrung. Die Freudentränen sind körperlicher und emotionaler Ausdruck des Loslassens der alten schmerzlichen Erfahrung. Eine Ausbildungskandidatin schrieb nach einer intensiven Phase der beruflichen und persönlichen Weiterentwicklung eine Darstellung ihres beruflichen Wirkens und ihres beruflichen Selbstverständnisses. Sie las diese in der Ausbildungsgruppe vor und „Vor Freude weinen“ –- Das Zeitintegrationsmodell als Orientierungshilfe in der Persönlichkeitsentwicklung Dr. Johann Schneider, IWB, Walsroder Str. 37, 6 29614 Soltau, www.institut-dr-schneider.de geriet an der Stelle ins Stocken und Weinen, an der sie sich ihrer eigenen Entwicklung und der Auflösung traumatischer alter Erfahrungen erinnerte und gleichzeitig ganz im Kontakt mit den neuen „glücklichen“ Erfahrungen war. Sie wirkte sehr bewegt. Ich sagte ihr, dass ich den Eindruck hätte sie befinde sich im Moment an einer Stelle, an der sie sowohl mit der Freude über ihre jetzige Erfahrung als auch mit dem Schmerz über das in der Kindheit erlebte in Kontakt sei. Sie bejahte meine Sicht, begann tief durchzuatmen setze sich auf, nickte mehrmals nachdenklich hinspürend und strahlte dann ein Gefühl tiefer Bewegtheit aus. Nach einem spürbaren deutlichen Verweilen setzte sie dann mit tiefer, kräftiger und wohlklingender Stimme ihre Darstellung fort. Als sie ihre Darstellung vorgelesen und Rückmeldungen aus der Gruppe bekommen hatte, betonte sie, dass es ganz wichtig für sie gewesen sei, diese Gefühle zu spüren und weiter zu gehen. Sie erinnern sich sicher auch an die bewegenden Szenen, als 1989 in Deutschland die Mauer fiel und sich die Menschen mit Freudentränen in den Armen lagen, die Freude über die neue Freiheit empfanden und gleichzeitig mit den schmerzlichen Erfahrungen aus der Vergangenheit in Kontakt kamen. Den Tränen freien Lauf zu lassen empfanden sie als Erlösung. Auch Menschen, die keine direkten Verwandten in den geteilten Teilen Deutschlands gehabt hatten, waren vom Fall der Mauer emotional betroffen. Sie spürten Freude, Bewegtheit und weinten Tränen, wenn sie Menschen sahen, die sich in den Armen lagen. Sie erlebten so die Existenz und Dimension dessen, was C.G. Jung als das kollektive Unbewusste bezeichnet hat. Eine Klientin verwandte an einer Skriptausstiegstelle die Metapher Schwelle. Sie meinte, es sei, als möchte sie über eine Schwelle gehen und fühle sich gehemmt. Sie empfand es als sehr hilfreich, dass ich sie ermutigt hatte den Schritt über die Schwelle körperlich zum Ausdruck zu bringen (ich hatte sie angeregt und dabei begleitet, durch den Raum zu gehen und bewusst über die Schwelle zu treten). Ihr war dazu dann auch ein Bild und die Bedeutung von Schwellen in China eingefallen, wo diese je nach Höhe einen unterschiedlichen gesellschaftlichen Status bedeuten. Sie lernte sich selbst wertzuschätzen, gesellschaftlich existente Rollen zu beachten und von anderen geachtet zu werden. Der Übergang vom Skript zur Skriptfreiheit wird oft als, Leere, Fremdheit, Irritation und Unsicherheit, die Skriptfreiheit selbst als sich raumnehmendes, aufregendes, freudiges, erfülltes, weites und auch ruhiges, lebendiges Gefühl erlebt und beschrieben. Halt und Beistand in dieser Schlüsselsituation zu bieten, Leere, Irritation, Fremdheit und Unsicherheit auszuhalten und auszuloten, in die sich die neue Selbst-Erfahrung ergießen kann, ist eine sehr bewegende, tiefgreifende und befriedigende Erfahrung als Begleiter von Entwicklungsprozessen. Nur zu oft und allzu schnell versuchen sowohl Klienten als auch Begleiter diese ungewohnten Quellensituationen (des Skriptausstiegs) mit alten gewohnten Mustern zuzuschütten, wenn sie es noch nicht gelernt haben diese Situationen und sich selbst so (leer, irritiert, fremd, unsicher) auszuhalten, sich so als Geburtshelfer und Quelle ihres eigenen Selbst zu begreifen und zuzulassen. Die Leere stellt den frei gewordenen noch nicht gefüllten Raum dar. Die Irritation zeigt an, sich neu orientieren zu müssen. Die Fremdheit fordert die Anerkennung des „Vor Freude weinen“ –- Das Zeitintegrationsmodell als Orientierungshilfe in der Persönlichkeitsentwicklung Dr. Johann Schneider, IWB, Walsroder Str. 37, 7 29614 Soltau, www.institut-dr-schneider.de Andersseins heraus. Die Unsicherheit schenkt Aufmerksamkeit, um das Neue achtsam zu gestalten. Mir scheint in unserer Kultur eine Hemmung bezüglich der Erfahrung „Allein und Verbunden zu sein“ vorzuliegen. Sowohl die familiäre, die politische als auch spirituelle Selbständigkeit sind wenig erfahren und gesellschaftlich und kirchlich weitestgehend sanktioniert. Daher ist es auch verständlich, dass sich Menschen unsicher fühlen, wenn sie diesen Schritt in die Autonomie tun und die neue Erfahrung machen Selbst-ständig und Verbundensein zu können. Die emotionale Erfahrung im Moment der Zeitintegration ist eine Innigkeit, Bewegtheit und Berührtheit und das Erleben ganz selbst und (gleichzeitig) bezogen zu sein. Dies bedeutet eine Ich-Selbst-Erfahrung in einer Verbundenheit mit - sich Selbst, der Natur in uns und um uns, den einbezogenen Mitmenschen, einem größeren Ganzen (die Erfahrung selbst ganz, heil und Teil eines größeren Ganzen zu sein) Diese vier Elemente der Verbundenheit oder Bezogenheit können einzeln zu mehreren oder alle zusammen zum Zeitpunkt des Skriptausstiegs und später als Grunderfahrung und Grundstimmung erlebt werden. Haben Begleiter und Klienten eine Wahrnehmung und ein Verständnis für die Dynamik des Skriptausstiegs entwickelt, entdecken sie interessanterweise auch in den Traumerfahrungen neben den Darstellungen ihrer Skripterfahrungen die Darstellung weggedrückter Potentiale und zukunftsorientierter Visionen und Lösungen. 3. Der Zyklus der Skriptauflösung Ich habe oben den Skriptausstieg beschrieben, wie er sich spontan oder durch eine professionelle Begleitung stimuliert ereignen kann und Beispiele dazu aufgezeigt, wie sie sich in einem längeren Weiterbildungs- und Selbsterfahrungsprozess ereignen können. Als nächstes möchte ich nun den ganzen Skriptauflösungsprozess darstellen, den ich in Beratungen und Psychotherapien aber auch außerhalb dieser Verfahren als spontanen nicht bewusst stimulierten Entwicklungsvorgang beobachtet habe. Er lässt sich in Teilen und auch ganz beobachten. Er muss nicht nach der jetzt von mir aus didaktische Gründen dargestellten Reihenfolge ablaufen. Die Skriptauflösung beinhaltet zumindest in einer tiefenpsychologisch gestalteten Begleitung für tiefergreifende Skriptmuster in der Regel einen umfassenderen Prozess (auch die Ausbildungskandidatin im oben aufgeführten Beispiel hatte in früheren Selbsterfahrungseinheiten ihr „Trauma“ „aufgearbeitet“) : „Vor Freude weinen“ –- Das Zeitintegrationsmodell als Orientierungshilfe in der Persönlichkeitsentwicklung Dr. Johann Schneider, IWB, Walsroder Str. 37, 8 29614 Soltau, www.institut-dr-schneider.de Der Klient 1 spürt eine Einschränkung in der Gegenwart, 2 er bewegt seine Aufmerksamkeit zurück in die Vergangenheit, 3 er erkennt die Skriptentstehung und die Wiederholung im heute (Zeitenttrübung und Ich-Zustandsenttrübung ) 4 er spürt die alte Verletzung, den damals empfundenen Schmerz und andere damals präsente Gefühle 5 er kommt mit den damals weggedrückten Potentialen in Kontakt 6 er erschließt diese Potentiale für die Gegenwart, 7 er erahnt und „sieht“ Möglichkeiten in der Zukunft, 8 er überlegt und plant wie er die „Vision“ umsetzten könnte, 9 er setzt diese in der Gegenwart um, nimmt so seinen natürlichen Entwicklungsprozess wieder auf, übt die neue Verhaltensweisen und Haltungen ein und 10 entwickelt sich weiter, indem er den Skriptauflösungsprozess an Stellen, an denen erneut Skriptmuster auftauchen, wieder durchläuft. DER SKRIPTAUFLÖSUNGSPROZESS Stellen wir diesen Prozess auf einer Zeitachse dar, erhalten wir die graphische Darstellung des Zeitintegrationsmodells (Abb. 2) „Vor Freude weinen“ –- Das Zeitintegrationsmodell als Orientierungshilfe in der Persönlichkeitsentwicklung Dr. Johann Schneider, IWB, Walsroder Str. 37, ERINNERN 29614 Soltau, www.institut-dr-schneider.de VORSTELLEN 2 7 1 1 3 Skript V 4 9 UMSETZEN Potenziale 5 G V 8 ERSCHLIESSEN PLANEN ERINNERN ERSCHLIESSEN VOSTELLEN PLANEN UMSETZEN, EINÜBEN WEITERENTWICKELN 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 10 Einüben Weiterentwickeln 6 Vergangenheit G Gegenwart Bewegung Bewegung Bewegung Bewegung Bewegung Z Z Zukunft Gegenwart – Vergangenheit Vergangenheit - Gegenwart Gegenwart - Zukunft Zukunft – Gegenwart in der Gegenwart Einschränkungsempfindung in der Gegenwart Erinnern der Vergangenheit Erkennen der Skriptentstehung (kognitiv, emotional, körperlich) Erkennen der Skriptwiederholung Erkennen der weggedrückten Potentiale Erschließen: Transformation der Potentiale in die Gegenwart (Resourcing) Vorstellen: Entwicklungsannahme und Vision für die Zukunft Planen, Ideen und Strategien für die Umsetzung der Vision Umsetzung der Vorstellungen, Visionen in die Gegenwart und damit Wiederaufnahme des Entwicklungsprozesses (der Progression) Einüben der neuen Verhaltensweisen und Weiterentwickeln Abb.: 2 Das Zeitintegrationsmodell (der Zyklus der Skriptauflösung) 9 „Vor Freude weinen“ –- Das Zeitintegrationsmodell als Orientierungshilfe in der Persönlichkeitsentwicklung Dr. Johann Schneider, IWB, Walsroder Str. 37, 10 29614 Soltau, www.institut-dr-schneider.de 4. Die Erdung in der Gegenwart Die Gegenwart ist und bleibt der zentralen Ausgangs- und Umsetzungspunkt einer Lebensentwicklung oder Veränderung. Von hier aus bewegen wir uns in die Vergangenheit und die Zukunft hier realisieren und leben wir uns. In der Entwicklungs- oder Veränderungsarbeit bleiben wir, wenn sie gelingen soll, zum Hier und Heute und dem aktuellen Umfeld bezogen. Ein indischer Jogalehrer erklärte mir, dass ein Jogi im Lotussitz meditiere, damit er, wohin und wieweit weg er sich auch in seinen Empfindungen und Phantasien bewege, er immer die Schwerkraft spüre und dadurch geerdet bleibe. Für Klienten und Begleiter bleibt das A und O, den aktuellen Gegenwartsbezug zu behalten, im realen Hier und Heute geerdet zu sein. Aus dieser Erdung heraus finden alle im folgenden dargestellten und aufgezeigten Vorgänge und Bewegungen in die Vergangenheit und die Zukunft statt. Der Gegenwartsbezug und die Erdung bestehen auch in der Beziehung zwischen Begleiter und Klient. Wie durch eine unsichtbare Schnur bleiben auch bei Regressions- und Progressionsanalysen (Vergangenheits- und Zukunftserforschung) Begleiter und Klient in einem aufeinander reagierenden klar wahrnehmenden und denkendem Kontakt. Auch sich Erinnern ist eine Gegenwartsaktivität. Unsere Vergangenheit ereignete sich und wir lebten sie real. Das, was wir erinnern ist eine Schöpfung unseres gegenwärtigen Bewusstseins. In vielen Beobachtungen und Untersuchungen wurde erforscht, wie Menschen sich erinnern, wie sie verdrängen, verleugnen, verschieben, vergessen. Das was uns der Klient von seiner Vergangenheit berichtet, ist seine heutige Vergangenheitskonstruktion, seine heutige Sicht, sein heutiges Empfinden, seine heutigen Worte über sein in der Vergangenheit Erlebtes. Die Erinnerung ist also nicht gleichzusetzen mit dem, was wirklich real geschah. Real Ereignetes und heute Erinnertes sind zwei Paar Stiefel5. Auch die Phantasien über die Zukunft finden in der Gegenwart statt, sie sind Schöpfungen des Hier und Heute. Oft sind professionelle Begleiter, die in rückschauenden Verfahren gut geübt sind, es nicht so gewohnt mit Zukunftsbildern zu arbeiten. Mir haben die Worte von Stephen Hawkins als Umdeutungsmetapher gut geholfen, mich viel selbstverständlicher mit der Zukunft zu befassen: „Warum erinnern wir uns eigentlich immer nur an unsere Vergangenheit und nicht an unsere Zukunft?“. Begleitungsarbeit findet nur in der Gegenwart statt und macht dann Sinn, wenn der Klient einen aktuellen Gegenwartsbezug behält, geerdet bleibt, und das Vergangene und Zukünftige in der Gegenwart in die Realität integriert. Die Gegenwart wird in der Begleitungsarbeit in verschiedenen Variationen Thema: als Unbehagen und damit Ausgangspunkt zur Weiterentwicklung, beim Erinnern und Vorstellen als die Realität, mit der man sich konfrontieren muss beim Erinnern und Erschließen 5 Wenn Sie über das Wesen der Erinnerung mehr erfahren möchten, finden Sie bei Daniel Schacter (1999) in seinem Buch „Wir sind Erinnerung“ dazu eine ausführliche Abhandlung. „Vor Freude weinen“ –- Das Zeitintegrationsmodell als Orientierungshilfe in der Persönlichkeitsentwicklung Dr. Johann Schneider, IWB, Walsroder Str. 37, 11 29614 Soltau, www.institut-dr-schneider.de als Herausforderung bei der Entwicklung von Zukunftsbildern (beim Vorstellen) als Gestaltungsraum in der Skriptfreiheit beim Umsetzen, Einüben und sich Weiterentwickeln und Weiterentfalten. 5. Die Vergangenheitsarbeit Schauen wir uns die Entwicklungsarbeit unter dem Zeitaspekt Vergangenheit an so gibt es zwei wichtige Bewegungen (siehe Abb. 2, S. 8), die Bewegung Gegenwart – Vergangenheit, das Erinnern und die Bewegung Vergangenheit – Gegenwart, das Erschließen. 5.1 ERINNERN In der Zeitbewegung Gegenwart-Vergangenheit regen wir die Klienten an, zu ahnen, woher ihre ihnen jetzt hinderlichen (Skript-) Verhaltensweisen kommen. Wir regen sie an nachzuspüren, hinzuhören, nachzuschauen, zu erinnern. Wir regen sie an, die aus der Vergangenheit unbewusst in die Gegenwart übernommen Muster wahrzunehmen, sie zu erkennen, zu begreifen, zu sehen, hören, ihnen mit Worten, Bewegungen und Bildern, Tönen Gestalt und Ausdruck zu verleihen, sie zu verstehen, ihnen Bedeutung und Sinn zu geben. Wir regen sie an, nachzuvollziehen, wann, wo, wie, wofür und für wen sie diese Muster kreativ als Überlebensschlussfolgerungen6, als Lösungen für die damaligen Situationen entwickelt haben. Wir regen sie an, Vergangenheit und Gegenwart zu vergleichen und die Vergangenheit und die Gegenwart als zwei verschiedene individuelle Zeiträume oder Zeitpunkte ihrer Lebens- und Persönlichkeitsentwicklung wahrzunehmen und auseinander zu halten. Damit konfrontieren wir eine Zeittrübung und regen eine Zeitentrübung an. Ein Klient stellte fest, dass er immer wieder in Beziehungen, insbesondere in Gruppen in Schwierigkeiten geriet. Er empfand sich selbst als sehr gebremst und zurückhaltend und stellte nach Rückmeldungen anderer erstaunt fest, dass er manchmal „überreagierte“ und sehr aufdringlich wurde und dafür von anderen 6 Als „Überlebensschlussfolgerungen“ bezeichnet English (1980 ) die Schlussfolgerungen über das Leben, die Menschen in ihrer Vergangenheit gezogen haben. Sie entsprechen der Skriptbildung bei Berne (Berne, 1961) und den Skriptentscheidungen bei Goulding und Goulding (1979, S. 58) „Vor Freude weinen“ –- Das Zeitintegrationsmodell als Orientierungshilfe in der Persönlichkeitsentwicklung Dr. Johann Schneider, IWB, Walsroder Str. 37, 12 29614 Soltau, www.institut-dr-schneider.de kritisiert wurde. In der Beratung wurde ihm klar, dass er sich schon immer so erlebte und er von seinen Eltern und seinem ersten Schullehrer als vorlaut bezeichnet und seelisch und körperlich bestraft wurde. Er konnte seine innere Zurückhaltung als Notlösung erkennen, seiner temperamentvollen lebendigen, bewegungsdominierten Ausdrucksweise Zügel anzulegen, für die weder seine Eltern noch sein erster Schullehrer Verständnis entwickelt hatten. Obwohl er seine zurückgehaltenen Phantasien, Empfindungen, Gefühle und Handlungsimpulse ab und zu ausagierte und dann mit Schlägen und Einsperren in den Keller bestraft wurde, erkannte er jetzt seine Zurückhaltung als „Überlebensstrategie“ und die Bezeichnung „vorlaut“ als eine Zuschreibung7und als die Beschreibung der ausagierten Zurückhaltung. Er spürte (erinnerte) die ihm zugefügten Schmerzen und Beschämungen und seine damals nicht erfüllte Zuwendung, seinen Zorn und seine Empörung und kam dadurch mit seiner lebendig zugewandten, temperamentvollen Seite in Kontakt. Im Erinnern, der Bewegung Gegenwart – Vergangenheit, liegen die Schlüssel dafür, die Skriptentstehung zu erfassen, Skriptentscheidungen und Skriptverhaltensweisen als in der Vergangenheit wichtige (Not-)Lösungen, Überlebensschlussfolgerungen oder Überlebensstrategien anzuerkennen, zu würdigen und zu achten, zu erkennen, dass die für die Vergangenheit passenden Muster heute zu Problemen führen, die in der Vergangenheit unterdrückten genuinen Bedürfnisse, Gefühle und Denkund Handlungspotentiale zu entdecken und wiederzubeleben Gelingt dies, findet der Klient Fragmente seiner Wesenhaftigkeit, Begabungen, seiner ursprünglichen, urwüchsigen Verhaltensweisen. seiner Er ent-deckt Fragmente, Mosaiksteine seiner selbst, die er nach und nach zu einem Gesamtbild zusammenfügen kann. Er sieht gleichsam Farben in allen Farbtönen, aus denen er Bilder entwickeln kann. Er hört verschiedenste Töne seiner selbst, aus denen er ein Klangbild, eine Melodie bilden kann. Er spürt Empfindungen und Bewegungen seiner selbst, die er zu einem Bewegungsmuster verbinden und einer Choreographie gleich tanzen kann. Zunächst unverbundene Einzelerfahrungen, Aspekte, können unter der Betrachtung und Erfahrung von Gegenwart und Vergangenheit und in ihrem Vergleich neu geordnet werden. Der Klient tritt aus einer aspektivischen8 Erfahrung und Betrachtung in eine perspektivische Zeiterfahrung ein. 7 Als Zuschreibung bezeichnen wir eine Schlussfolgerung mit der sich jemand unbewusst selbst definiert und festlegt. Obwohl es sich nur um eine Verhalten handelt, wird es so angesehen, als sei es eine unveränderliche Eigenschaft. 8 Aspekt, lat. = das Hinsehen, allgemein: Blickwinkel, Betrachtungsweise, Gesichtspunkt. In der Ägyptologie wird die Kunst der Ägypter als aspektivische Darstellungsform bezeichnet (diese Mitteilung verdanke ich Frau Dr. Schultz-Wippel, Schneverdingen). Die Künstler stellen in ihren Reliefs alle Einzelteile einer Person oder eines Gegenstandes so dar, wie man dieses Einzelteil für sich sieht. Ein Tisch wird z.B. mit einem zentrischen Kreis und drei Beinen dargestellt. Die Tischplatte und die Füße sind nicht aus einem Blickwinkel zueinander angeordnet sondern jedes Teil aus einem anderen Blickwinkel. „Vor Freude weinen“ –- Das Zeitintegrationsmodell als Orientierungshilfe in der Persönlichkeitsentwicklung Dr. Johann Schneider, IWB, Walsroder Str. 37, 13 29614 Soltau, www.institut-dr-schneider.de Er nimmt nicht nur Einzelteile für sich wahr, sondern die Zusammenhänge, die Verbindungen und ordnet sie in einer eigenen Perspektive „Jetzt blicke ich durch“. Das Räumlichkeitsempfinden im Skript ist flach. Klienten haben nur einen Gesichtspunkt, nicht die Freiheit aus verschiedenen Blickwinkeln auf eine Sache oder aus einem Blickwinkel verschiedene Sachen zu sehen. In der Skriptfreiheit kann man verschiedene Blickwinkel einnehmen und auch Blickwinkel anderer nachvollziehen und abwägen und Einzelteile zusammenfügen. Menschen erleben sich in der Skriptfreiheit Raum greifend, Raum nehmend, Raum schaffend, Raum gebend. Sie erfahren ihren individuellen Raum und einen gemeinsamen Raum und ahnen eine Unendlichkeit. Sie erleben sich in verschiedenen Dimensionen gleichzeitig: Ich, Du, andere, Welt, Kosmos. Ich nehme an, dass wir in der Skriptfreiheit frei wechseln zwischen aspektivischem und perspektivischem9 „Sehen“ (Wahrnehmen mit allen Sinnesqualitäten), in der Skripterfahrung in dieser Freiheit eingeschränkt sind. 5.2. ERSCHLIESSEN Gleichzeitig mit dem Bewusstwerden alter Überlebensstrategien werden Klienten in der Regel die dabei weggedrückten primären Empfindungen, Gefühle, Phantasien, Gedanken und Handlungsimpulse bewusst. Durch das Einfühlen in die der damaligen Situation angemessenen Handlungsweisen und das Benennen helfen wir den Klienten, ihre damals weggedrückten Ausdrucksformen, Energien, Handlungsimpulse, Töne, Bilder, als in Potentialen und gebundene Energien zu erkennen, sie zu sehen, zu begreifen, auf sie zu horchen. Im nächsten Schritt geht es dann darum, sie von der Vergangenheit zu entbinden und sie zu sich passend im Hier und Heute frei zu setzen und zu entfalten. In unserem Beispiel hatte der Klient die Erfahrung gemacht, als vorlaut bezeichnet zu werden, wenn er sich äußerte. Er hatte Sanktionen in Form von Isolation und Schlägen erfahren. Als er seien Vergangenheit anschaute, seine damaligen Demütigungen und Schmerzen zuließ, stieg in ihm Wut und Empörung auf, er schrie (in der Therapiesituation) und er befreite sich aus dem Keller, in den er eingesperrt worden war. Er erkannte, dass er lebendig, temperamentvoll und zupackend war und die Bezeichnung „vorlaut“ eine Zuschreibung der mit seinem Temperament in ihrer damaligen Situation überforderten Eltern war. Er spürte seine Lebendigkeit, Neugierde und Kraft, brachte sie in der Selbsterfahrung in Bewegungsritualen zum Ausdruck und knüpfte in seinem realen Lebensvollzug an diese Energie an. Statt sich wie vorher zurückzuhalten und nach langer Zurückhaltung unangemessen aufdringlich (vorlaut) zu verhalten, begann er seine Bedürfnisse und Wünsche zu artikulieren und sich konstruktiv zu beteiligen und einzubringen. Er lernte seine zugewandte, temperamentvolle Seite besonnen zu leben. Zeitperspektivisch ergibt sich die folgende Kurve (Abb. 3) 9 Perspektive. spätlat. = durchblickend, allgemein: Betrachtungsweise von einem bestimmten Standpunkt aus. In unserem Falle: Betrachtung verschiedener Einzelteile von einem Standpunkt aus. „Vor Freude weinen“ –- Das Zeitintegrationsmodell als Orientierungshilfe in der Persönlichkeitsentwicklung Dr. Johann Schneider, IWB, Walsroder Str. 37, Skript vorlaut Potential 14 29614 Soltau, www.institut-dr-schneider.de ich beteilige mich lebendig Abb. 3: Erschließen der alten Potentiale Potentiale zeigen sich hier auch als bisher verdrängte Empfindungen und Gefühle. Es gilt Empfindungen und Gefühle als physiologische und psychologische Realität anzuerkennen, sich bewusst zu sein, dass wir als lebendige Wesen nicht nicht empfinden, nicht nicht fühlen, nicht nicht reagieren können. Gefühle sind „Spiegelungen erwachter Potentiale“. Die Gefühle zu erschließen heißt, sie zu spüren, zu begreifen, zu benennen, aus einer vielfältigen Palette von Handlungsoptionen auszuwählen und sie so entschieden zum Ausdruck zu bringen (Schneider, 1997, S. 66 und 80). Klienten sind vielfach „positive“ Erfahrungen, Fähigkeiten und Fertigkeiten aus ihrer Vergangenheit nicht mehr bewusst. Wir helfen den Klienten durch verschiedene Erschließungsmethoden wie Träume, Entspannungstechniken, Phantasiereisen, Musik, Bewegungsarbeit, Konzentrative Bewegungstherapie, Kathathymes Bilderleben, Hypnose u.a. sich an diese Ressourcen zu erinnern. Wir helfen Ihnen sich an sie anzukoppeln, sich auf sie und sie auf sich zu beziehen und sie ins Hier und Heute umzusetzen, zu transformieren, sie hier und heute passend, alters- und situationsgemäß zu nutzen, Manchmal ist dies eine Entwicklung wie von der Raupe zur Puppe zum Schmetterling. Die Potentiale sind zunächst winzig klein, wie Samenkörner, verschüttet und verbuddelt. Oder sie fühlen sich wie ein zartes Pflänzchen an, wie leise Töne, zarte Farben, feine Gerüche, leichte Geschmacksempfindungen, sanfte kleinste Berührungen und Bewegungen. Sie brauchen Pflege, Achtung und Zeit, sich zu entwickeln und zu verwandeln. In der Regel sind diese Potentiale für die Klienten zunächst verborgen und in den Skriptverhaltensweisen gebunden. Mit den Skriptverhaltensweisen wurden Fertigkeiten oder Tugenden entwickelt, die durch die Qual ihrer Zwanghaftigkeit nicht als wertvoll erkannt werden. Wenn zum Beispiel jemand von seinem Wesen her sehr einfühlsam ist und diese Einfühlsamkeit dazu nutze seinen Zuwendungsmangel als Kind durch übergroßes Gefälligsein zu stopfen, hat er ein ihm und anderen lästiges überfürsorgliches Verhalten entwickelt und vergisst seine eigenen Bedürfnisse. Er braucht seine Einfühlsamkeit für andere nicht wegzuschmeißen, er muss sie von der Zwanghaftigkeit befreien und lernen sich auch in sich einzufühlen und auch sich in seinen Bedürfnissen ernst zu nehmen. Auch andere Antreiberverhaltensweisen10 sind auf der Grundlage angelegter Begabungen entwickelt worden. In den 10 Als Antreiberverhalten beschreiben wir fünf in unserer Kultur vorherrschende zwanghafte Verhaltensweisen: „Sei perfekt“, „Sei gefällig“, „Sei stark“, „Versuche angestrengt“, „Beil Dich“ (Kahler, 1975, deutsch nachzulesen bei Schlegel, 1995, S.205 ff) „Vor Freude weinen“ –- Das Zeitintegrationsmodell als Orientierungshilfe in der Persönlichkeitsentwicklung Dr. Johann Schneider, IWB, Walsroder Str. 37, 15 29614 Soltau, www.institut-dr-schneider.de Skriptverhaltensweisen verborgen schlummern in der Regel ursprüngliche Begabungen oder Wesensanteile, die in der Skriptbildung als Notlösungen zu einem lästigen zwanghaften Verhalten umgewandelt wurden. Die Aufgabe der Zwanghaftigkeit befreit die Begabungen und lässt die bisher geübten Skriptfertigkeiten zu befreiten selbst entscheidbaren Tugenden werden. In Michael Ende´s Erzählung „Jim Knopf und die Wilde Dreizehn“ wird der Erschließungs- oder Verwandlungsprozess wunderbar illustriert: Jim Knopf würde den Drachen Mahlzahn, nachdem sie ihn gefangen haben, am liebsten umbringen. Doch Lukas rät, den Drachen in die Hauptstadt mitzunehmen. Sie hängen ihn an die Lokomotive und schleppen ihn im Fluss, in dem er zischend abkühlt, in die Hauptstadt. Dort bringen sie ihn in einen Tempel, in den er eingeschlossen wird. Zum großen Erstaunen von Jim Knopf verwandelt er sich im Laufe eines Jahres in einen Drachen der Weisheit. Was als eingeschlossen wahrgenommen und erschlossen wird, kann zu einem inneren Schatz und Reichtum werden. In einer Traumarbeit berichtete eine Klientin von einem Schloss (Palast) in dem sie sich allein durch zehn Räume bewegte und am Ende wieder auf andere Menschen traf. Das Alleinsein sah sie zunächst nur negativ, es behagte ihr überhaupt nicht so allein und einsam zu sein. Als ihr in der Arbeit klar wurde, welcher Reichtum in ihrem Alleinsein liegt, dass sie sich (auch) allein mit sich wohlfühlen und ihre ureigenen Begabungen leben und gleichzeitig mit anderen Menschen und dem Ganzen verbunden zu sein kann, spürte sie, wie sehr sie sich vorher eingeengt und eingeschlossen hatte. Die Zweideutigkeit des Schlossbildes war beeindruckend. Sie hatte sich in der Traumarbeit das Schloss erschlossen. Manche Therapeuten arbeiten bewusst mit den Klienten so, dass sie ihnen ermöglichen, nicht gemachte übliche Kindheitserfahrungen noch einmal zu erfahren und auszuprobieren („Rechilding“, Clarkson, 1991, S. 131). Auch Berne empfahl seinen Klienten sogenannte Erlaubnisgruppen, im Originaltext permission-classes, in denen sie neuen Verhaltensweisen entdecken, lernen und mit ihnen experimentieren konnten (Berne, 1975, S. 306). Ich sehe diese Methoden als eine Möglichkeit des Erkennens weggedrückter Potentiale. Für das Erschließen ist jedoch zusätzlich der Vorgang der Transformation entscheidend. Es geht darum eine kindhaft oder in der Vergangenheit natürliche Ausdrucksform in eine „erwachsene“ alters- und situationsgemäße umzuwandeln. Eine Klientin bemerkte nach meinem Hinweis, dass sie am liebsten mit beiden Füssen auf den Boden trampeln und stampfen wollte, als sie mit einem klaren Nein gegenüber ihrem Chef in Kontakt kam. Wenn sie dieses Verhalten dem Chef gegenüber zeigen würde, würde sie nicht ernst genommen werden, das war ihr klar. Also ging es darum diese kindliche in eine ihrem Alter und ihrer Situation gemäße Ausdrucksform umzuwandeln. Sie fand nach längerem Probieren (Bewegungsausdruck und in sich Hineinspüren) heraus, dass sie vor den Chef treten werde und ihm bestimmt und fest sagen werde, was sie nicht wolle und was sie stattdessen von ihm erwarte. Andere Klienten sprechen von „einen Standpunkt finden“, „einen festen Standpunkt einnehmen“, „den eigenen Standpunkt vertreten“. Entscheidend für das Loslassen und Weitergehen ist die Sichtweise und Einstellung, dass wir Skriptentscheidungen und Skriptverhaltensweisen als damals kluge und „Vor Freude weinen“ –- Das Zeitintegrationsmodell als Orientierungshilfe in der Persönlichkeitsentwicklung Dr. Johann Schneider, IWB, Walsroder Str. 37, 16 29614 Soltau, www.institut-dr-schneider.de wertvolle Lösungen wertschätzen lernen. Dann können wir als nächstes auch die Potentiale dahinter erkennen, sie aufnehmen, an sie anknüpfen und sie für das Hier und Heute verfügbar machen, erschließen. Es ist als ob wir uns wieder an unsere eigenen Quellen anschließen und uns aus uns selbst neu schöpfen, uns vom Lebensstrom tragen lassen, unseren Lebensstrom fließen lassen und mitten aus unserer Kraft heraus handeln. Das Erkennen des eigenen Rhythmus, der Kraft des eigenen Wesens, das Ausprobieren und Entdecken des eigenen Selbst und des Selbst Seins in der Welt gibt Energie nach vorne für die Gestaltung der Gegenwart und der Zukunft. Durch die Einsicht und das Erkennen des eigenen Soseins, des eigenen Wesens und durch das Erkennen des Soseins der Eltern, der Geschwister, der Welt damals geschieht an dieser Stelle auch der erste Teil der Versöhnung mit der eigenen Geschichte. Der zweite Teil der Versöhnung, nämlich der mit den Vorfahren und der Welt über mehrere Generationen geschieht in einem weiteren in die Zukunftsarbeit eingearbeiteten Schritt. Die Mehrgenerationenperspektive, wie sie Hellinger (Weber, 19 ?), Weber (Weber, 2000) und Glöckner (Glöckner 1999) herausgearbeitet haben, kann dort ihren Platz in einer erneuten Schleife durch die Vergangenheit finden. Die entscheidenden Inhalte und der Sinn des Erschließens, der Bewegung Vergangenheit – Gegenwart, bestehen zusammengefasst darin, • die in der Vergangenheit unterdrückten Potentiale wiederzubeleben und • sie für die Gegenwart verfügbar zu machen, um sie alters-, zeit- und situationsgemäß in der Gegenwart zu leben; • sich an die Vergangenheit anzukoppeln und die Tradition dem eigenen Wesen und der heutigen Situation gemäß selbst gestaltend fortzusetzen, • sich in die Tradition zu stellen und als ein Glied in einer langen Kette von Generationen zu begreifen. 5.3. Die Wunde heilen Ich möchte an dieser Stelle eine Idee über Vergangenheitsarbeit ansprechen, die Begleitern und Klienten oft nicht bewusst ist. Häufig begegnete ich Klienten und Begleitern, die die unausgesprochene Sehnsucht oder Überzeugung mit sich tragen und so handeln, als könne man die Vergangenheit in dem Sinne aufarbeiten, dass die damals gemachten und ins Heute übernommenen Erfahrungen ausgelöscht werden könnten und niemals mehr auftauchen. Das ist ein nachvollziehbarer und verständlicher Wunsch, den wohl jeder Mensch von sich kennt. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass dies nur bei relativ wenig gewichtigen Erfahrungen möglich ist, für Schlüsselerfahrungen oder Schlüsseltraumata jedoch nicht zutrifft. Wer denkt, es ginge doch, begibt sich an einer Stelle erneuter Skripterfahrung oder Krise wieder in eine Begleitung und meint, wenn er nur genügend die Vergangenheit „bearbeite“ „Vor Freude weinen“ –- Das Zeitintegrationsmodell als Orientierungshilfe in der Persönlichkeitsentwicklung Dr. Johann Schneider, IWB, Walsroder Str. 37, 17 29614 Soltau, www.institut-dr-schneider.de oder aufarbeite, würde er das Problem lösen. Unterliegt der Begleiter dem gleichen Trugschluss oder fordert er seine Klienten dazu auf, entsteht ein beiderseitiges angestrengtes jedoch vergebenes Ringen und Mühen. Wir können die damals erlittenen Wunden„nur“ abheilen lassen. Es wird eine Narbe bleiben, die wir manchmal durch äußere oder innere Reize wachgerufen spüren wie Körperliche Narben bei einem Wetterwechsel. Unsere Geschichte bleibt spürbar. Unsere Vergangenheit können wir nicht ungeschehen machen. Es macht keinen Sinn eine Narbe erneut und erneut herauszuoperieren, es wird immer eine Narbe bleiben. Das, was wir damals von „Eltern“ oder dem Schicksal nicht bekommen haben, werden wir in dieser Form von ihnen oder anderen Menschen, auch Therapeuten, Beratern, Seelsorgern, Lehrern und anderen Bezugspersonen nie mehr bekommen können. Wir können uns heute leben und die Bedürfnisse und Wünsche Situations- und altersgemäß umsetzen und die jetzigen Beziehungen genießen und uns einlassen. Dabei lernen wir die Sehnsucht auf die Liebe, die wir von unseren „Eltern“ nicht bekommen haben, aufzugeben. Schellenbaum nennt dies den „Verzicht auf zu späte Elternliebe“ und er schreibt: „Elternliebe kann nicht erzwungen werden. Hat sie gefehlt, bemüht sich die Tochter oder der Sohn manchmal ein Leben lang, sie zu gewinnen, nicht nur von den leiblichen Eltern, die vielleicht längst tot sind, sondern von allen Bezugspersonen. So bleibt er (oder sie) abhängiges Kind und verhindert seine Entwicklung.“ Und zum Verzicht merkt er an, dass „dieser notwendige Prozess“. nicht mit „einem bloßen Willensakt zu bewältigen ist“, sondern „der Einsicht von bisher unbewussten Zusammenhängen“ ...“entspringt“ (Schellenbaum, 1991, S. 68). Erschließen wir uns also unsere Energie und Potentiale, verzichten auf die Elternliebe, die wir so nie mehr erhalten können, versöhnen uns mit unserer Geschichte und lassen uns auf unsere aktuellen Beziehungen in einer erwachsenen zeitgemäßen Form ein. Eine Klientin bemerkte zwei Freundinnen gegenüber Gefühle von Eifersucht, Neid und Missgunst. Im Beratungsgespräch fand sie heraus, dass diese Gefühle mit ihrer Kindheitssituation zusammenhingen. Sie hatte zwei Schwestern und ihre Mutter hatte deutlich zum Ausdruck gebracht „eine ist zuviel“ . Sie fand heraus, dass sie sich wie in der Kindheit zurückzog, so ihre Kontaktbedürfnisse nicht befriedigte und die alte Erfahrung wiederholte. Es wurde zudem deutlich, dass sie von ihren Freundinnen zusätzlich auch das wollte, was sie von ihrer Mutter nicht bekommen hatte. Nachdem sie mit dem Verzicht auf Elternliebe in Kontakt war, konnte sie die Sehnsucht als den Wunsch nach Elternliebe entschlüsseln und sie schließlich im Bezug auf ihre Freundinnen hinter sich lassen. Stattdessen setzte sie ihre Kontakt und Zuwendungswünsche in spielerisch lustvoller, „erwachsener“ Form um. Sie lernte die Freundinnenebene zu genießen und für die alten Traumata und Gefühle ihren Therapeuten und die GruppenteilnehmerInnen als Zeugen und Gesprächspartner zu haben, bis die Wunde abgeheilt war. Eifersucht Neid Missgunst Kontakt Zuwendung miteinander Spaß haben „Vor Freude weinen“ –- Das Zeitintegrationsmodell als Orientierungshilfe in der Persönlichkeitsentwicklung Dr. Johann Schneider, IWB, Walsroder Str. 37, 18 29614 Soltau, www.institut-dr-schneider.de Abb. 4: Erinnern und Erschließen der Kontaktwünsche 5.4 Noch einmal durch die Schleife gehen Kommen Menschen in Stress und Wandlungssituationen (Krisen) mit alten Erfahrungen (Wunden, später Narben) in Kontakt, hilft es, bewusst den alten Schmerz zuzulassen, die Vergangenheit zu würdigen und wieder ins hier und heute , einmal durch die Vergangenheitsschleife, zu gehen, wie ich es oben beim Skriptausstieg beschrieben habe. Menschen verharren weiter in der Skripterfahrung, wenn sie so tun als dürften sie nach der Devise „ein Indianer kennt kein Schmerz“ die Narbe nicht mehr spüren und ihre (auch schmerzliche) Vergangenheit leugnen. Lassen sie die Schleife mit all ihren Erinnerungen und Gefühlen bewusst zu, wird sie in immer kürzerer Zeit durchlaufen und verliert ihre alte Kraft und ihre dramatische Ausgestaltung. Die Vergangenheit wird entdramatisiert und der Mensch kann weiter gehen, sich der Gegenwart und der Zukunft zuwenden. V Z G Abb. 5: Lösung von der Vergangenheit durch „Noch einmal durch die Schleife gehen“ Wie oben beschrieben bleibt der Dreh- und Angelpunkt in der Arbeit mit Klienten die Gegenwart: Beim ERINNERN zum Vergleich zwischen der Vergangenheitserfahrung und der tatsächlichen heutigen Erfahrung, beim ERSCHLIESSEN zum Vergleich der damaligen Gegebenheiten mit den tatsächlichen gegenwärtigen Gegebenheiten und Herausforderungen. Hier helfen wir den Klienten ihre Strebungen zeit-, situationsund altersgemäß zu erfassen und umzusetzen. Die oben genannte Klientin erkannte, dass sie jetzt freundschaftliche Beziehungen leben möchte und keine kindlichen Abhängigkeiten. Sie entdeckte Differenzierungen und Unterschiede in Beziehungen wie Partnerschaft, Freundschaft, Geschäftspartner, Mitarbeiter, Bekannte und entwickelte passende selbständige Formen von Beziehung. 6. Zukunftsarbeit Unter der Zeitperspektive Zukunft unterscheide ich es zwei Bewegungen (siehe Abb. 2, S. 8), die Bewegung Gegenwart – Zukunft, in der wir Ideen, Visionen, Vorstellungen über Zukunft entwickeln, und die Bewegung Zukunft – Gegenwart, in der wir planen, um unsere Vorstellungen zu realisieren. „Vor Freude weinen“ –- Das Zeitintegrationsmodell als Orientierungshilfe in der Persönlichkeitsentwicklung Dr. Johann Schneider, IWB, Walsroder Str. 37, 19 29614 Soltau, www.institut-dr-schneider.de 6.1 VORSTELLEN In der Bewegung Gegenwart – Zukunft ist das Annehmen der immer stattfindenden Entwicklung und das Entwerfen und Entwickeln von inneren Bildern und Visionen von herausragender Bedeutung. Wir brauchen hier Zeit zum Träumen und Zeit, die Träume zu besprechen. Wir brauchen Mut, Neugierde, Intuition und Raum und Zeit für uns allein und Kontakt mit Menschen, die uns dabei begleiten, um uns wirklich zu uns selbst kommen zu lassen. Wir brauchen Zeit und Muße, uns unseren inneren spontanen Bildern hinzugeben, ihnen einen Phantasieraum zu erschließen und ihnen in Bildern, Skizzen, Worten, Klängen und Bewegungen Ausdruck zu verleihen. Häufig ist die Entwicklung von Zukunft, ein nicht gewohnter, wenig beschrittener, vielleicht auch negativ sanktionierter Weg. Menschen geraten in Krisen, weil sie anstehende Herausforderungen noch nicht begriffen oder nicht in Angriff genommen haben. Eine Auswirkung davon, uns den äußeren und in uns schlummernden Entwicklungsherausforderungen nicht zu stellen, sind körperliches seelisches und soziales Unbehagen und Krankheiten. Viktor von Weizsäcker, betrachtet psychosomatische Erkrankungen als Ausdruck nicht angenommener Entwicklungsherausforderungen. Die Krankheit hat nach seiner Ansicht die Funktion, die Weiterentwicklung an- und aufzunehmen (Weizsäcker, 1949). Er greift damit auch C.G. Jungs Vorstellungen auf, der Neurosen nicht nur als aus der Vergangenheit stammende Entwicklungen, sondern als nicht aufgenommene Entwicklungsaufgaben sieht. Zur Inanspruchnahme des eigenen inneren Phantasiereichtums ist Vorraussetzung, magisches Denken zu kennen und es, wenn es auftaucht aufzulösen. Es ist hilfreich zu wissen, dass Phantasien nicht gelebte äußere Wirklichkeit zu werden brauchen und sie es in der Regel auch nie genauso werden (Schneider, 2000, S. 162). Phantasie und gelebte Realität sind zwei verschiedene Bereiche. Wenn Menschen das verstanden haben, wird die Phantasie zu einer sprudelnden Quelle ihrer Kreativität. Man kann Zeitetappen visualisieren oder das ganze restliche Leben in einer Sterbephantasie oder Grabsteinphantasie vor das innere Augen treten lassen. Berne hat vielfältige Fragen in dieser Richtung in einer Skriptcheckliste angeregt (Berne, 1975, S. 354). Phantasiereisen regen Klienten an, sich wirklich auf sich zu besinnen, für sich zu definieren, was ihnen in ihrem Leben wichtig ist und ein bewusstes Lebenskonzept11 zu entwickeln. Zukunftsvorstellungen entwickeln wir tagtäglich, an Lebensweichen, bei der Auflösung von Krisen. Wir steuern kleine und größere Ziele an, sind dabei immer auf dem Weg. Glücklich und erfüllt scheinen Menschen zu leben, die sich tagtäglich und auch an den sogenannten kleinen Dingen freuen können, mit sich im Fluss sind. Insofern geht es bei der Entwicklung von Zukunftsvorstellungen um die „kleinen“ und „großen“ Dinge und darum, auf dem Weg zu sein. Wir entwickeln Zukunftsvorstellungen durch Besinnung, wie ich sie oben dargestellt habe und durch Fragen wie z. B. die klassischen Vertragsfragen von Berne: „Was ist 11 Ich benutze den Begriff Lebenskonzept für bewusst geübte Vorstellungen über die Zukunft und grenze das Lebenskonzept als bewusst und konstruktiv von Skript als unbewusst und destruktiv ab. „Vor Freude weinen“ –- Das Zeitintegrationsmodell als Orientierungshilfe in der Persönlichkeitsentwicklung Dr. Johann Schneider, IWB, Walsroder Str. 37, 20 29614 Soltau, www.institut-dr-schneider.de Dein Ziel?“ „Woran werden andere und Du erkennen, dass Du Dein Ziel erreicht hast?“ (Schneider, 2001, S. 66). Nach längeren Beobachtungen von persönlichen Entwicklungsprozessen wurde mir deutlich, dass in der Zukunftsbewegung die Erkundung, Entwicklung und Festigung eigener Werte ansteht. Sie stellen entscheidende Schrittmacher für die Weiterentwicklung zu einer reifen Persönlichkeit dar. Es gilt, eigene Werte von übernommenen Werten zu unterscheiden, übernommenen Werte zu reflektieren, auszusondern oder umzubauen und zu integrieren. Es gilt neue Werte zu entwickeln. Dies bleibt ein Leben lang eine immer wieder anstehende Herausforderung und Aufgabe. Begleiter sind gewohnt, ihre Klienten zu fragen, was sie möchten, was ihnen Spaß und Freude bereiten würde, wozu sie Lust haben. Hier sind zusätzlich Fragen wie „Was ist dir wichtig?“, „Was ist für Dich wertvoll?“, „Welche Werte lebst Du, welche wären dran zu leben?“, „Welche Werte möchtest Du vertreten“, „welches sind deine wichtigsten Werte?“ „welche Werterangfolge hast Du?“, „Was musst Du aus Dir heraus tun oder lassen, um Dir selbst gerecht zu werden?“ angebracht. Die Integration aus Wünschen, Wollen, Spaß und Verantwortungsbewusstsein und Ethik ist hier als Entwicklungsaufgabe angezeigt. Beim Blick nach vorne, werden so manchmal wieder Blicke nach hinten notwendig, wenn Hemmungen in Form von Wertevorstellungen auftauchen. Wir durchlaufen dann mit der Fragestellung Werte wieder die Schleife mit Erinnern und Erschließen Vorstellen. Unsere Aufmerksamkeit richtet sich auch auf die Vorstellungen und Werte, die unsere Vorfahren hatten. Hier eignet sich auch die Beachtung mehrerer Generationen und das Stellen von Organisationen und Familien, um ein Verständnis für die Werteentwicklung und die Aussöhnung mit der eigenen Tradition zu vermitteln. Hierbei ist die Werteabwägung und -entwicklung durch den Klienten selbst der wesentlicher Bestandteil der Autonomieentwicklung. Allzu oft stülpen professionelle Begleiter den Klienten unbewusst und unreflektiert ihre eigenen Werte über und behindern diesen wesentlichen Schritt zu einem autonomen12, nämlich selbstbeurteilenden und selbstwertenden Menschen, der seine eigenen Gesetze hat und kennt. Die Beachtung der bewussten Ausgestaltung verschiedener Lebensbereiche und Rollen zu verschiedenen Lebenszeiten sind mir dabei zu einem wichtigen Konzept in der Begleitung der Zukunftsarbeit von Menschen geworden. Ich stelle dieses Konzept graphisch mit dem Bild „Lebensblume“ dar. Die Lebensblume Eine Klientin ist mit ihrer Lebenssituation unzufrieden, sie möchte sie klären und herausfinden, wie sie ihre Mutterrolle leben könnte. Bei der Schilderung ihrer Unzufriedenheit wird deutlich, dass sie es bisher nicht gewohnt ist, letztendlich unabhängig von einem Arbeitgeber oder ihrem Ehemann ihre eigenen Rollen, Bedürfnisse und Wünsche zu erkennen und zu leben. Sie erkennt, dass ihr an dieser Stelle die eigene Sicherheit fehlt, sich eindeutig zu definieren. Stattdessen „rasselt sie mit ihrem Mann zusammen“, wenn er von seiner Arbeit kommt und sie beide bedürftig sind. Mit Erstaunen stellt sie auf mein Nachfragen fest, dass dies nicht 12 von griechisch: autos = selbst und nomos = Gesetz „Vor Freude weinen“ –- Das Zeitintegrationsmodell als Orientierungshilfe in der Persönlichkeitsentwicklung Dr. Johann Schneider, IWB, Walsroder Str. 37, 21 29614 Soltau, www.institut-dr-schneider.de „passiert“ wenn sie sich selbst klar definiert hat und sich ihrer Wünsche und Ansprüche sicher ist. Davon ausgehend biete ich ihr an ihre gesamte jetzige Lebenssituation daraufhin anzuschauen, was ihr jetzt in ihrem Leben wichtig ist. Sie findet die Bereiche: Familie (Mutter, Partnerin), Freunde/innen, Tiere und Reiten, Malen und Töpfern, Ausbildung (Besinnung, Lernen), Ursprungsfamilie (Tochter, Schwester), Beruf, Politisches und Spirituelles. Ich male diese Bereiche nacheinander wie Blütenblätter an die Tafel und verbinde sie zu einer Blume (siehe Abb. 6). Manchmal male ich die Grundbedürfnisse (Schneider, 1997, S. 68) in den Boden. Die Blume kann sich nur entfalten, wenn die Grundbedürfnisse beachtet werden und auch in den Entfaltungsbereichen vorkommen. Ins Zentrum male ich den Blütenblattboden als Ich oder Ich-Selbst oder Selbst. Familie, Mutter, Partnerin Freunde UrsprungsFamili e Beruf Selbst Politik Malen Töpfern Tiere Reiten Ausbildung Besinnung Lernen Spiritualität Grundbedürfnisse Abb. 6: „Die Lebensblume“ zur Veranschaulichung verschiedener Lebensbereiche „Vor Freude weinen“ –- Das Zeitintegrationsmodell als Orientierungshilfe in der Persönlichkeitsentwicklung Dr. Johann Schneider, IWB, Walsroder Str. 37, 22 29614 Soltau, www.institut-dr-schneider.de Die Größe der Blätter kann verändert werden. Sie zeigen den Umfang der verschiedenen Bereiche. Oft sind Klienten ob der Visualisierung erstaunt, insbesondere dann, wenn jemand z. B. ein sehr großes Blütenblatt für den Beruf und noch ein mickerig kleines für seinen Privatbereich hat (siehe Abb. 7). Beruf Privat Abb. 7: „Lebensblume“ bei großem Ungleichgewicht zweier Bereiche und fehlenden anderen Bereichen Es kommt darauf an, die Klienten wirklich neugierig explorierend zu befragen und ihnen zu helfen, ihre eigenen Bedürfnisse, Wünsche und Werte herausfinden zu lassen. Bewusst male ich auch manchmal noch keimende Blütenblätter, die sich erst noch entfalten werden. Ich erzähle, dass Blumen wachsen, Blütenblätter vergehen und neue kommen, wie auch in jeder Lebensphase verschiedene Bereiche wichtig sind und in ihrem Ausmaß und Gewicht variieren, sich entfalten und vergehen. In Coachings habe ich mit einer anfänglichen Einteilung in drei Lebensbereiche sehr gute Erfahrungen gemacht: Beruf, Familie und Freunde, Allein. Insbesondere der Bereich für sich selbst, für sich allein zu sein ist häufig unterentwickelt (Abb. 8). „Vor Freude weinen“ –- Das Zeitintegrationsmodell als Orientierungshilfe in der Persönlichkeitsentwicklung Dr. Johann Schneider, IWB, Walsroder Str. 37, 23 29614 Soltau, www.institut-dr-schneider.de Familie Freunde Beruf Allein Abb. 8: Lebensblume mit drei Lebensbereichen Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich dazu ermutigen, sich auch bei der Werteentwicklung als Begleiter für die Klienten zu sehen und ihnen dabei zu helfen ihre eigenen Werte selbst für sich herauszufinden und zu definieren. Wie ich oben schon angemerkt habe, entsteht an der Stelle des Skriptausstiegs ein Gefühl der Leere, das es auszuhalten und vom Klienten selbst auch mit einer Werteentwicklung auszufüllen gilt. Versöhnung gelingt nach meiner Erfahrung tiefgründig erst hier, nachdem Klienten sich definiert und eine Zukunft vor sich haben, aus sich selbst heraus leben und wissen, wer sie sind und wer sie werden können. Sie können sich sinnbildlich bei ihren Eltern aus ihrer eigenen Lebensfreude, der Freude an ihrem Leben, heraus dafür bedanken, dass sie ihnen ihr Leben geschenkt haben, egal wie diese Eltern waren, egal wie sie sich ihnen gegenüber verhalten haben (Weber, 199? , S. ?). Wenn sie eine sehr traumatische Geschichte erlitten haben, können sie ihre Eltern an dieser Stelle zumindest als ihre leiblichen Eltern annehmen. Denn nun wissen sie um ihre Vergangenheit, ihre Gegenwart und Zukunft, sie spüren ihre Potentiale und definieren sich selbst. Sie schöpfen sich aus sich selbst in der Verbundenheit mit anderen Wesen, der Natur und einem größeren Ganzen. 6.2. Planen In der Bewegung Zukunft – Gegenwart klopfen wir unsere Phantasien, Entwürfe und Zukunftsbilder auf ihre Realisierung hin ab. Wir vergleichen, prüfen, rechnen, erfinden für unsere Visionen reale Gestaltungsmöglichkeiten, wir planen. „Vor Freude weinen“ –- Das Zeitintegrationsmodell als Orientierungshilfe in der Persönlichkeitsentwicklung Dr. Johann Schneider, IWB, Walsroder Str. 37, 24 29614 Soltau, www.institut-dr-schneider.de Planen geschieht in vielfältiger Form. Der wesentliche Kern des Planens ist schöpferisches Handeln, das die realen Gegebenheiten und die Zukunftsbilder ganz zulässt und miteinander in einem Spannungsbogen verbindet. Der Akt des Planens ist mit dem Bogenschiessen vergleichbar: Planen ist wie einen Bogen spannen und den Pfeil auf das Ziel ausrichten. Zum Planen brauchen wir Zeit, Papier, Bleistift, Radiergummi, Farben, Musik oder Stille, Bewegung in passender Form (Spaziergänge, Wanderungen in der Natur, Tanzen, Sitzen und Meditieren, Hinwendung zu Kunst), klare Luft und klares Wasser und einfache Nahrungsmittel. Aus dieser Atmosphäre heraus können wir Visionen und Pläne entwickeln. Nach der Klärung ihrer verschiedenen Lebensbereiche und Rollen (mit Hilfe der Visualisierung „Lebensblume“) und der Bewusstheit und Bestimmtheit ihr Leben, „wie in der Provence“ zu genießen, war es für eine Klientin sehr hilfreich, ihre verschiedenen Lebensbereiche in Rollen13 aufzuteilen und von diesen ausgehend ihre ihr zur Verfügung stehende Zeit zu planen. Nicht der Plan selbst ist Maßstab für die Gestaltung der Zeit, sondern die Klientin mit ihren Wünschen, Werten und Vorstellungen ist Maßstab für den Plan. Sie entwirft den Plan, definiert ihre Lebensbereiche und Rollen und füllt sie in der Umsetzung aus. 7. Die Gegenwartsarbeit Der nächste Schritt ist, das Vorgestellte und Geplante umzusetzen, den Pfeil abzuschießen (Abb. 2). Bei vielen neuen Verhaltensweisen ist dabei ein bewusstes und geduldiges Einüben auch eine begleitende Unterstützung, Ermutigung und Bestärkung notwendig. Weiterbildungsgruppen oder Einzelbegleitung über einen längeren Zeitraum bieten hier eine verlässliche Unterstützung. Erst allmählich werden die neuen Verhaltensweisen vertraut, stimmig und rund. Sie stellen immer wieder eine neue Kreation im Hier und Jetzt dar. Genau genommen schaffen wir jeden Empfindungs- , Fühl-, Denk- und Verhaltensprozess in jeder Situation neu, nur dann sind wir aktuell im Hier und Jetzt mit der Bewusstheit unserer Geschichte und unserer Zukunft. An manchen Stellen tauchen wieder Skriptinhalte oder Skripteinladungen auf, dann gilt es den Skriptauflösungsprozess wieder zu durchlaufen weiter zu ent-wickeln und weiterzugehen. 8. Die Integration der Zeiträume Wenn wir die verschiedenen Zeitaspekte miteinander verbinden, durch die Zeiträume schreiten, sie spüren und abwägen, integrieren wir. Wir entwickeln aus der aspektivischen die perspektivische „Sicht“. Die Grundelemente der Bewegung durch die verschiedenen Zeiträume verbinden sich zu einem Tanz, einer liegenden Acht, der Unendlichkeitsschleife. Dreh- und Angelpunkt bleibt der Gegenwartsbezug. 13 Zeitplanung nach Rollen vorzunehmen las ich bei Covey (1992, S. 162 ) „Vor Freude weinen“ –- Das Zeitintegrationsmodell als Orientierungshilfe in der Persönlichkeitsentwicklung Dr. Johann Schneider, IWB, Walsroder Str. 37, 25 29614 Soltau, www.institut-dr-schneider.de Bewusst, vorbewusst oder unbewusst, zumindest im nächtlichen Träumen, durchlaufen wir wieder und wieder diese Unendlichkeitsschleife und bewegen uns gleichzeitig fort . Erinnern Vorstellen UMSETZEN V Z G Erschließen Planen Abb. 9: Die Fortbewegung in der Unendlichkeitsschleife Unter diesen Gesichtspunkten betrachtet, braucht eine gelungene Begleitung alle Zeitbewegungen und eine Integration. Dies kann man auf eine einzelne Einheit und/oder eine gesamte Begleitung beziehen. In (Vertrags-) Fragen ausgedrückt lassen sich alle Zeitdimensionen (Schneider, 2001) wie in Abb. 10 dargestellt erfassen: Erinnern Wie haben Sie sich bisher daran gehindert, das Ziel zu erreichen? Was haben Sie bereits unternommen, was Sie dem Ziel näher gebracht hat? Welche Möglichkeiten, Fähigkeiten stehen Ihnen bereits zur Verfügung? Erschließen Abb. 10: Was ist Ihr Anliegen/ Unbehagen/ Thema? Vorstellen Was ist Ihr Ziel? Woran werden Sie, andere und ich erkennen, dass Sie Ihr Ziel erreicht haben? Was werden Sie unternehmen, um ihr Ziel zu erreichen? Wie werden Sie Ihr Ziel, Ihren Plan umsetzen? Planen Vertragsarbeit und ihre Zeitdimensionen „Vor Freude weinen“ –- Das Zeitintegrationsmodell als Orientierungshilfe in der Persönlichkeitsentwicklung Dr. Johann Schneider, IWB, Walsroder Str. 37, 26 29614 Soltau, www.institut-dr-schneider.de Für mich hat sich die Visualisierung von Entwicklungsprozessen in der Bewegung durch die verschiedenen Zeitdimensionen als sehr hilfreich erwiesen. Mit der Idee der Integration der Zeiträume und der Entwicklung vom aspektivischen zum perspektivischen Schauen entstand das Zeitintegrationsmodell. Mit ihm als Orientierungshilfe kann ich mich und den Klienten beobachten und mir bewusst werden, in welchen Bewegungen ich den Klienten begleite, welche er mir anbietet, zu welchen ich ihn anrege. In der Begleitung persönlicher Entwicklungsprozesse ist manchmal die Betonung einzelner Zeiträume und Teilschritte passend. Ich habe allerdings den Eindruck, dass idealerweise für ein Thema in einer Sitzung eine ganze Bewegung durch alle Zeiträume das beste ist. Die vollständige Bewegung durch alle Zeiträume ergibt eine runde Bewegung einen vollen Klang, ein ganzes Bild. So ist es nach meinem Geschmack. Ich komme zum Ende und möchte Charles Dickens sprechen lassen. Wie heißt es bei ihm am Ende seines Weihnachtsmärchens über den Kaufmann Ebenezer Scrooge, der den Besuch von den Geistern bekommen hatte? Scrooge war noch besser als sein Wort. Er tat, was er sagte, und unendlich viel mehr..... Manche Leute lachten, als sie diese Veränderung an ihm wahrnahmen, aber er ließ sie lachen und kehrte sich nicht daran, denn er war klug genug, um zu wissen, dass auf diesem Erdball nie etwas Gutes geschehen ist, ohne dass nicht gewisse Leute zu Anfang darüber gelacht hätten. Und da er wusste, dass solche Menschen irgendwie blind waren, so fand er es ebenso gut, wenn sie ihre Augen zum Grinsen verzogen, wie wenn sie diese Krankheit in noch weniger anziehenden Formen zeigten. Sein eigenes Herz lachte und das genügte ihm. Er hatte keinen weiteren Verkehr mehr mit Geistern... und man sagte ihm stets nach, dass er wisse wie man Weihnachten feiern müsse, wenn überhaupt ein lebender Mensch das Wissen besitze. „Vor Freude weinen“ –- Das Zeitintegrationsmodell als Orientierungshilfe in der Persönlichkeitsentwicklung Dr. Johann Schneider, IWB, Walsroder Str. 37, 27 29614 Soltau, www.institut-dr-schneider.de 9. Transaktionsanalytische Theorieüberlegungen zum Zeitintegrationsmodell 9.1. Der Zeitbezug der Ichzustände Zur Unterscheidung von Verhaltensweisen aus der Vergangenheit und der Gegenwart entwickelte Berne die Ichzustandstheorie (Berne, 1991 (1957), 2001 (1961), 1975 (1972)). Menschen empfinden und erleben sich manchmal wie in ihrer Vergangenheit (wie früher als Kind oder Erwachsene r) oder als wären oder verhielten sie sich genauso wie andere Menschen, die sie aus ihren Leben kennen (wie z.B. ihre eigenen Eltern), oder sie empfinden sich einfach als stimmig oder authentisch im Hier und Heute. Solche Empfindungszustände zu einer bestimmten Zeit bezeichnete Berne als Ichzustände. Ein Ichzustand lässt sich als ein in sich zusammenhängendes Empfindens-, Fühl-, Denk- und Verhaltensmuster beschreiben. Berne unterscheidet drei Kategorien von Ichzuständen: Erwachsenenichzustände, Elternichzustände und Kindichzustände. Diese Ichzustandskategorien nennt er auch „Elternteil“, „Erwachsene r“ oder „Kind“ einer Person (Berne, 2001, S: 29). Verhält sich also jemand stimmig und aktuell zum Hier und Heute, bezeichnen wir diese Verhaltensweise als einen Erwachsenenichzustand. Verhält sich jemand jetzt in einer Verhaltensweise, die er früher (als Kind aber auch später, in der Vergangenheit) selbst entwickelte, bezeichnen wir diese als einen Kindichzustand. Übernimmt jemand eine Verhaltensweise von anderen Personen und verhält sich jetzt so, bezeichnen wir diese als einen Elternichzustand. Verhaltensweisen von Menschen können nach dieser Kategorisierung mit Erwachsenenichzuständen, Elternichzuständen und Kindichzuständen beschrieben werden. Das dazu gezeichnete Ichzustandsmodell (Abb. 11) nennt Berne Strukturmodell (Berne, 2001, S. 27ff). „Vor Freude weinen“ –- Das Zeitintegrationsmodell als Orientierungshilfe in der Persönlichkeitsentwicklung Dr. Johann Schneider, IWB, Walsroder Str. 37, „Elternteil“ „Erwachsene r“ „Kind“ 29614 Soltau, www.institut-dr-schneider.de Elternichzustände Erwachsenenichzustände Kindichzustände 28 von anderen Personen aus der Vergangenheit übernommene Verhaltensweisen Hier und Jetzt auf die Gegenwart abgestimmte, neu geschaffene oder auf den neuesten Stand gebrachte Verhaltensweisen in der Vergangenheit selbst entwickelte, jetzt wiederaufgelegte Verhaltensweisen Person Abb. 11: Strukturmodell der Ichzustände modif. nach Berne, 2001, S. 43 Die Fragen, die sich mit dem Strukturmodell der Ichzustände stellen lassen, sind: 1. „ist die Verhaltensweise aktuell passend und stimmig, also gegenwartsbezogen relevant?, oder 2. stellt die Verhaltensweise eine Übernahme aus der Vergangenheit dar und ist hier und jetzt hinderlich zur Lösung des anstehenden Themas 3. „Wie wurde die Verhaltensweise entwickelt?“ selbst entwickelt? übernommen? Aktualisiert also jemand im Hier und Jetzt früher selbst entwickelte oder von anderen übernommene Empfindens-, Fühl-, Denk- und Verhaltensmuster, bezeichnen wir diese als Kindichzustände oder Elternichzustände. Bezieht sich jemand zwar auf frühere Muster, bringt sie aber auf eine aktuelle heute stimmige und passende Form oder kreiert eine ganz neue Verhaltensweise so bezeichnen wir diese als Erwachsenenichzustände. Stellen wir die Ichzustände auf einer Zeitachse dar so entsprechen Elternichzustände (abgekürzt EL) und Kindichzustände (abgek. KI) der Vergangenheit, Erwachsenenichzustände (abgekürzt ER) der Gegenwart mit der Bewusstheit der Vergangenheit und Zukunft (Abb. 12). „Vor Freude weinen“ –- Das Zeitintegrationsmodell als Orientierungshilfe in der Persönlichkeitsentwicklung Dr. Johann Schneider, IWB, Walsroder Str. 37, 29 29614 Soltau, www.institut-dr-schneider.de EL ER V Z KI G Abb. 12 : Strukturelle Ich-Zustände in der Zeitperspektive 9.2. Zeittrübungen und Trübungen der Ichzustände Ist einer Person nicht bewusst, dass sie ein Verhaltensmuster aus der Vergangenheit wiederholt, unterscheidet sie in diesem Moment keine Zeiträume. Ihr zeitlich, räumliches Erleben ist flach, ein- bis zweidimensional. Sie befindet sich in einer Zeittrübung. Werden Menschen die unterschiedlichen Zeiträume vorbewusst, empfinden sie ein Unbehagen. Werden ihnen die Zeiträume bewusst unterscheiden sie alte übernommene Muster von hier und heute aktuell passenden und empfinden innere Konflikte. Lösen sie die Trübungen auf und handeln hier und heute aktuell mit ihrem vollen Potential erleben sie sich räumlich. Das Räumlichkeitsempfinden in der Skriptfreiheit ist drei und vierdimensional. Menschen erleben sich in der Skriptfreiheit Raum greifend, Raum nehmend, Raum schaffend, Raum gebend. Sie erfahren ihren individuellen Raum und einen gemeinsamen Raum und ahnen eine Unendlichkeit. Ein Erwachsenenichzustand kann durch einen Eltern- oder einen Kindichzustand getrübt sein, das bezeichnen wir als einfache Trübung; er kann auch durch eine Elternichzustand und einen Kindichzustand getrübt sein, das bezeichnen wir als doppelte Trübung (Abb. 13). „Vor Freude weinen“ –- Das Zeitintegrationsmodell als Orientierungshilfe in der Persönlichkeitsentwicklung Dr. Johann Schneider, IWB, Walsroder Str. 37, EL 30 29614 Soltau, www.institut-dr-schneider.de EL EL ER ER KI KI A B KI ER C Abb. 13 : Trübungen eines Erwachsenenichzustandes Einfache Trübung durch A: einen Kindischzustand, B: einen Elternichzustand C: Doppelte Trübung durch einen Eltern- und einen Kindichzustand Ichzustandsanalytisch betrachtet befinden sich Menschen, wenn sie sich unbewusst in Skriptverhaltensweisen befinden in getrübten Erwachsenenichzuständen. Zeittrübungen entsprechen Trübungen von Erwachsenenichzuständen. Wenn sie sich bewusst in einem Kind- oder/und einem Elternichzustand verhalten, obwohl sie sich so „eigentlich“ nicht verhalten wollen und gleichzeitig das Gefühl haben nicht anders zu können, nennen wir dieses Verhalten auch ich–dystones Verhalten (Berne, 2001, S. 36f). Die Ichdystonie kann einen Skriptzustand und -in vielen Entwicklungsprozessen sichtbar- einen Übergangszustand zwischen Skriptgebundenheit und Skriptfreiheit darstellen. Wenn jemandem verschiedene Ichzustände bewusst und spürbar werden gerät er in innere Ichkonflikte, Selbstkonflikte und Ich-Selbstkonflikte. Konflikte dieser Art sind von Berne in den Überlegungen zum Selbst und der ausführenden Macht (Berne, 2001, S. 37ff) und von Goulding und Goulding in ihren Darstellungen der Engpässe beschrieben (Goulding und Goulding, 1979, S. 63ff) (siehe Abb. 14). „Vor Freude weinen“ –- Das Zeitintegrationsmodell als Orientierungshilfe in der Persönlichkeitsentwicklung Dr. Johann Schneider, IWB, Walsroder Str. 37, EL ER Abb. 14: 31 29614 Soltau, www.institut-dr-schneider.de EL Ich-Selbst-Konflikt ER KI KI a b Ich-Selbst-Konflikt Ichdystonie a: ein Elternichzustand ist handlungsbestimmend b: ein Kindichzustand ist handlungsbestimmend 9.3. Die Skriptauflösung unter ichzustandsanalytischer Betrachtung Ein Skriptauflösungsprozess lässt sich als „Restrukturieren der Ichzustände“ (Berne, 2001, S. 215) und das Auflösen und die Transformation der Eltern- und Kindichzustände in Ethos- und Pathosqualitäten der Erwachsenenichzustände beschreiben. Die Restrukturierung der Ichzustände umfasst das Erkennen von verschiedenen Ichzuständen, das Festigen der Ichzustandsgrenzen, die Enttrübung getrübter Ichzustände, das Entwirren, die Umverteilung der Besetzungsenergie und das Erlangen von Selbstkontrolle Berne, 2001, S. 215ff). Der gesamte Prozess lässt sich mit dem Ichzustandsmodell wie folgt darstellen (Abb. 15). „Vor Freude weinen“ –- Das Zeitintegrationsmodell als Orientierungshilfe in der Persönlichkeitsentwicklung Dr. Johann Schneider, IWB, Walsroder Str. 37, 32 29614 Soltau, www.institut-dr-schneider.de EL EL EL ER ER ER KI KI KI Enttrübung Ich-Selbst-Konflikte EL ER KI Trübung skriptgebundene Verhaltensweise Erwachsenenichzustände skriptfreie Verhaltensweise Abb. 15: Ichzustandsanalytische Darstellung der Auflösung von Skriptverhaltensweisen 9.4. Ethos-, Pathos- und Logosqualitäten der Erwachsenenichzustände Eine auf hier und heute oder auf den heutigen Stand gebrachte bewusste Verhaltensweise bezeichnen wir als einen Erwachsenenichzustand. Entsprechend der von Berne definierten integrierten Person (Berne, 1961, 268) und der Beschreibung des ER 2 von Berne als Logos durch Autoren, die ich in der Literatur nicht gefunden habe14. Aus meiner Sicht ist für Erwachsenenichzustände charakteristisch, dass sie Ethos- Logos und Pathosqualitäten beinhalten. Ein Erwachsenen-Ich-Zustand weist alle drei Qualitäten auf. Mit Ethos meine ich Verantwortungsbewusstsein und Beurteilungsfähigkeit, mit Logos Verstand, Logik, Überlegtheit und Sprache, mit Pathos Empfindsamkeit, Gefühl, Aufgeschlossenheit und Emotionalität (Abb. 16). 14 nach einer mündlichen Mitteilung von Toni Fuchs, Muttenz, nimmt R. Erskine für sich in Anspruch, den Begriff Logos eingeführt zu haben. „Vor Freude weinen“ –- Das Zeitintegrationsmodell als Orientierungshilfe in der Persönlichkeitsentwicklung Dr. Johann Schneider, IWB, Walsroder Str. 37, ETHOS ein ER 29614 Soltau, www.institut-dr-schneider.de Wertehaltung ein LOGOS PATHOS Abb. 16 33 ER Sprache Empfindsamkeit, Gefühl Qualitäten von Erwachsenenichzuständen Ein Erwachsenenichzustand ist so wie wir ihn hier definiert haben Ausdruck einer Integration, deshalb spreche ich nicht von integrierten Erwachsenenichzuständen „Der integrierte Erwachsenen-Ich-Zustand stellt eine biologisch reife Person dar, deren erwachsene Intelligenzfunktionen voll entwickelt sind (Logos), die emotional über ein breites Reaktionsspektrum (Pathos) verfügt und sich an einem überprüften Wertesystem (Ethos) orientiert und so ihre Bedürfnisse mit den Möglichkeiten ihrer Umgebung in Einklang bringt (Clarkson, 1996, S. 81 nach Berne 1961, S. 211). Abweichend von Clarkson und anderen TA-Autoren benutze ich wie auch Schlegel und Müller (Müller in Berne, 2001, S. 10) schon lange nicht mehr den Terminus der Erwachsenenichzustand oder der Kindischzustand oder der Elternichzustand, sondern ein ....ichzustand da sich nicht der Ichzustand sondern eine Person oder ein Mensch in Ichzuständen ausdrückt. „Ichzustand“ ist eine theoretisches Konstrukt, eine Landkarte, nicht die Landschaft. Sagen wir der Ichzustand machen wir die Landkarte zur Landschaft, wir machen das theoretische Konstrukt zu einer Sache, das es nicht ist. Wirklichkeitstheoretiker nennen diese Umbenennung von Theorie in Realität treffend Reifikation. Insofern formuliere ich den Text von Clarkson sinngemäß so: Eine reife Person drückt sich in Erwachsenenichzuständen aus. Diese kommen dadurch zum Ausdruck, dass in den Verhaltensweisen Intelligenz (Logos), bewusste Emotionalität (Pathos) und Wertebewusstheit (Ethos) zum Ausdruck kommt. Die Person bringt so ihre Bedürfnisse mit den Möglichkeiten ihrer Umgebung in Einklang. Auch Kinder drücken sich ihrem Alter gemäß in Erwachsenenichzuständen aus. Anknüpfend an Berne und Clarkson lässt sich die Logosqualität als das intuitive und das bewusste Wahrnehmen, Nachspüren, Nachdenken und Abwägen beschreiben. Die Logosqualität lässt sich mit dem Gebrauch der vier psychischen Funktionen nach C.G. Jung treffend fassen: Wahrnehmen (die Funktion Merken), Nachdenken, logisch Überprüfen (die Funktion Denken), Ahnen (die Funktion Intuition) und abwägend, be-wertend Hinfühlen im Sinne von „ist es so stimmig, passend, subjektiv „Vor Freude weinen“ –- Das Zeitintegrationsmodell als Orientierungshilfe in der Persönlichkeitsentwicklung Dr. Johann Schneider, IWB, Walsroder Str. 37, 34 29614 Soltau, www.institut-dr-schneider.de richtig“ (die Funktion Gefühl) machen Kernfunktionen der Logosqualität aus. (Jung, 1964, S. 60, Schneider 1997, S. 77). Im ursprünglichsten Wortsinn von Logos entwickeln wir während wir diese vier Funktionen benutzen Sprache oder Wahrnehmung und Ausdruck mit allen Sinnesqualitäten: Worte, Bilder, Bewegungen, Gefühle, Gerüche, Geschmacksqualitäten. Mit diesen befähigen wir uns und unsere Umwelt zu begreifen, uns zu steuern und Einfluss zu nehmen. Am treffendsten lässt sich deshalb die Logosqualität wie in der Schöpfungsgeschichte mit dem Urbegriff des Wortes als Wirkwort fassen. Im Suchen, Schöpfen und Finden von Sprache und Sprachbildern (Worte, Bilder, Körpersprache) für unsere Umwelt und unsere Empfindungen, Gefühle, Gedanken, Phantasien, Handlungen läutern wir Pathos- und Ethosqualitäten und verbinden alle drei Qualitäten miteinander , schaffen so Logos. Die zu diesen Qualitäten passenden Fragen an Klienten lauten: Was ist Dir wichtig ?, Was willst Du?, Wie begreifst Du Dich?, Wie bringst Du Dich zum Ausdruck? (Abb. 17). Was ist Dir wichtig ? (in Deinem Leben) Ethosqualität Was „musst“ Du, (aus Dir heraus) ? Wie begreifst Du Dich? Wie bringst Du Dich zum Ausdruck? Was entwickelst Du an Logosqualität innerer u. äußerer „Sprache“ Was möchtest Du ? Pathosqualität Wozu hast Du Lust ? Abb. 17 Fragen zur Pathos- und Ethosqualität Eine Klientin erzählte, dass sie es endlich geschafft habe, sich einer Freundin gegenüber abzugrenzen. Diese habe bei ihr das Wochenende verbringen wollen, obwohl sie ihr sehr deutlich mitgeteilt hatte, dass dies bei ihr aus verschiedenen Termingründen nicht möglich sei. „Ich habe keine Lust mehr, mich von ihr überfahren zu lassen“ stellte sie fest. Sie freute sich über ihren mutigen Schritt und erzählte im gleichen Atemzug, dass sie aber ein schlechtes Gewissen habe. Bei der Betrachtung ihres schlechten Gewissens wurde deutlich, dass sie sich dabei auf übernommene Vorstellungen bezog. „Man darf andere Leute nicht vor den Kopf stoßen!“, „wenn man sich abgrenzt, wenn man nein sagt, verletzt man andere“. Nachdem sie für sich den Begriff Toleranz sortiert und definiert hatte und ihr bewusst war, dass allenfalls die Freundin sich selbst und die Grenzen anderer verletzt, wenn sie Grenzen nicht achtet, stellte sich bei ihr Erleichterung und die Gewissheit ein, dass es für sie gut ist „Vor Freude weinen“ –- Das Zeitintegrationsmodell als Orientierungshilfe in der Persönlichkeitsentwicklung Dr. Johann Schneider, IWB, Walsroder Str. 37, 35 29614 Soltau, www.institut-dr-schneider.de bewusst nach ihren selbst entwickelten Wertvorstellungen zu handeln. Sie sah sich immer noch als Freundin, erwartete nun aber die Achtung ihrer Grenzen. Wie sich in diesem Beispiel erkennen lässt, geht es um die Integration von Wünschen und Werten, beides gehört zusammen. Es kommt zu einem stimmigen Lebensentwurf und erfüllter Lebensqualität , wenn beides miteinander entwickelt und in der eigene Handlung integriert wird. 5. Transformation von Eltern- und Kindichzuständen Um strukturellen Ichzustände von außen beobachten und erkennen zu können beschreibt Berne die Ichzustandskategorien mit typischen Verhaltensmerkmalen und benutzt diese als Verhaltensdiagnose der Ichzustände (Abb. 18). Die Verhaltensbeschreibung dient also der Diagnose oder Hypothesenbildung über vermutete strukturelle Ichzustände. Er beschreibt elterliche Verhaltensweisen als kritisierend oder nährend und kindliche als angepasst, rebellisch und natürlich. Er nennt diese Verhaltensweisen auch Ichzustände (ein kritischer Elternichzustand, ein nährender Elternichzustand, ein angepasster Kindischzustand, ein rebellischer Kindischzustand, ein natürlicher Kindischzustand). Spätere Autoren bezeichnen natürliches Kindverhalten als einen freien Kindichzustand. Ich finde natürlich passender, da bei der Nennung des Wortes frei mehr Ideologie angesprochen wird als bei natürlich. Der Begriff natürliches Kind liegt ganz nahe bei der Metapher das innere Kind, die ich auch sehr zu schätzen weiß. Diese Metapher ruft bei vielen Menschen Kontakt zu inneren Wünschen wach, die sie im Lauf ihrer Lebensgeschichte „einkapseln“, „wegschließen“, „aufgeben“ mussten. Nicht von ungefähr erscheint der Geist der vergangenen Weihnacht in einer kindähnlichen Gestalt. Das rebellische Verhalten ordne ich hier zum angepassten hinzu, obwohl im rebellischen Verhalten, die natürliche darunter oder dahinter liegende Intention nach Autonomie deutlicher hervortreten mag. kr-EL Kritisierendes n-EL Nährendes Elternverhalten EL ER Diagnose ER a-KI Angepasstes n-KI Natürliches Kindverhalten KI Abb. 18: Verhaltensdiagnostische Darstellung der Ichzustände als Hypothesenbildung für strukturelle Ichzustände „Vor Freude weinen“ –- Das Zeitintegrationsmodell als Orientierungshilfe in der Persönlichkeitsentwicklung Dr. Johann Schneider, IWB, Walsroder Str. 37, 36 29614 Soltau, www.institut-dr-schneider.de In der Vergangenheitsarbeit decken wir beim Erinnern Verhaltensweisen auf, die Berne als angepasste, rebellische und natürliche Kindichzustände bezeichnet (Berne 2001, S. 74). Beim Erschließen entwickeln Menschen aus den natürlichen Kindichzuständen alters- und situationsgemäße Verhaltensweisen. Ein natürlicher Kindichzustand wird unter Würdigung und Achtung der vergangenen Skriptbildungssituation zur Pathosqualität eines Erwachsenenichzustandes transformiert (Abb. 19). Würdigung, Achtung ER Pathos n- KI Abb. 19: Ich-Zustands-Transformation in Pathosqualität eines Erwachsenenichzustandes beim Erschließen Goulding und Goulding beschreiben das Herausarbeiten der Potentiale und deren Umsetzung in die Gegenwart in ihrer Neuentscheidungstheorie eindrücklich (Goulding und Goulding, 1981). Es ist die logische Weiterentwicklung der Regressionsanalyse von Berne in eine progressive Bewegung mit Lust und Lebensfreude, eine Regressions- und Progressionsanalyse. „Bei der Arbeit mit Neuentscheidungen setzen Klient und Therapeut ähnlich wie bei einem Bühnenstück eine Situation ins Szene.“(S. 230) „...der Klient ist König, und das Drama wird so inszeniert, dass es mit seinem Sieg endet.“(S. 262) Der Begleiter hilft dem Klienten seine Situation und seine Potentiale wiederzubeleben und mit seinem heutigen Erfahrungsschatz und seinen intuitiven Fähigkeiten neue Lösungen zu finden, sich neu zu entscheiden. Die Neuentscheidung entspringt der Haltung „des unbefangenen Kindes“ (S. 262). Man braucht die Methode der Gouldings nicht exakt so wie sie in Szene setzen. Man kann eigene Wege finden diese Idee und Haltung, die den Klienten ihre Macht zurückgibt, in der Begleitung umzusetzen. Ich möchte hier auch ein Anmerkung zur theoretischen Klassifikation von Gefühlen machen: Unterdrückte Empfindungen, Gefühle, Phantasien und Handlungsimpulse aus der Vergangenheit entsprechen natürlichen Kindichzuständen, genuine Gefühle in Hier und Jetzt Erwachsenenichzuständen, Ersatzgefühle Kindich- oder Elternichzuständen. „Vor Freude weinen“ –- Das Zeitintegrationsmodell als Orientierungshilfe in der Persönlichkeitsentwicklung Dr. Johann Schneider, IWB, Walsroder Str. 37, 37 29614 Soltau, www.institut-dr-schneider.de Diese Zuordnung von Gefühlen zu den Ichzustandskategorien halte ich für passend, um Klienten nicht zu infantilisieren, sondern Ihnen ihre Autonomie zu vermitteln. Die Klassifikation trägt der Tatsache Rechnung, dass sowohl bei den Begleitern als auch den Klienten mit den Worten Eltern oder Eltern-Ich reale Eltern und Menschen in Elternrollen und mit dem Wort Kind oder Kind-Ich Kinder oder Menschen in einer Kindrolle als innere Bilder assoziiert werden. Mit dem Wort Erwachsene r werden Menschen stimuliert kreativ schöpferisch eine Situation neu zu gestalten. Mit anderen Worten werden andere innere Assoziationen, Empfindungen und Verhaltensweisen wach gerufen. Worte wirken. Deshalb wähle ich sie als Begleiter bewusst. Wir infantilisieren Klienten und verherrlichen Elternichzustände, wenn wir die Ichzustandsbeschreibungen der Verhaltensdiagnose als Zielvorstellungen verwenden (dass jemand sein freies Kind entfalten solle, sein nährendes Eltern aktivieren solle usw.) oder uns als Begleiter damit konzipieren (dass wir in der Begleitung z. B. nährendes Elternverhalten, nährende Elternichzustände, zeigen). Unbewusst fördern wir damit bei Begleitern Elternrollen, bei Klienten dysfunktionale Regressionen und in der Gesellschaft Normen, die die Unabhängigkeit des Einzelnen einschränken. Eindrücklich erinnere ich mich an eine Situation, als eine Patientin am Ende einer Gruppensitzung formulierte „am meisten hat mich heute ermutigt, dass mein Ärger als erwachsen angesehen wurde“. Erst später wurde mir bewusst, dass Berne (1961) genuine Gefühle Erwachsenenichzuständen zuordnet, wenn er „berichtet, dass eine Patientin „autonomen Erwachsenen-Ärger und Enttäuschung über das Verhalten ihres Mannes“ fühlt und ausdrückt. Er bestätigt hier eindeutig, dass „ein“ (bei cl. „der“) Erwachsenenichzustand angemessen emotional sein kann“ (Clarkson, 1996, S. 81). Die Bezeichnung natürlicher Kindichzustand erfasst das weggedrückte Potential, das sich auch zunächst kindhaft anfühlt. Die Bezeichnung erwachsen oder Erwachsenenichzustand erfasst das in das hier und heute transformierte und aktuell neu entwickelte alters- und situationsgemäß gelebte Potential. Die beschreibende Betrachtungsweise der Kindichzustände und der Elternichzustände (die Verhaltensdiagnose, auch missverständlich als Verhaltensund Funktionsmodell bezeichnet) hilft Skriptverhaltensweisen, weggedrückte Potentiale und innere Konflikte (innerer Dialog, Engpässe) zu erfassen und zu beschreiben, bleibt letztendlich nur eine Hypothesenbildung, die durch Befragen des Klienten (phänomenologische und historische Diagnose) überprüft, verworfen oder bestätigt werden kann. In der Zukunftsarbeit decken wir beim Vorstellen bewusst oder unbewusst übernommene Werte (Elternichzustände) auf, und regen eine Werteentwicklung an. Elternichzustände werden in die Ethosqualität der Erwachsenenichzustände transformiert (Abb. 20). Beschreibend werden Elternichzustände aus verhaltensdiagnostisches Hilfsmittel auch als kritisierende und nährende Elternichzustände in Unterkategorien aufgeteilt (Berne, 2001, S. 72). Werte sind in beiden Kategorien angesiedelt. „Vor Freude weinen“ –- Das Zeitintegrationsmodell als Orientierungshilfe in der Persönlichkeitsentwicklung Dr. Johann Schneider, IWB, Walsroder Str. 37, 38 29614 Soltau, www.institut-dr-schneider.de kr-EL n-EL Ethos ER Abb. 20: Transformation von Elternichzuständen in Ethosqualität von Erwachsenenichzuständen beim Vorstellen Wünsche, Lust oder Wollen ohne Wertehaltung stellen blindes Agieren, Werte ohne Lebendigkeit blindes Verharren dar. Wir brauchen für das innere Gleichgewicht die Auflösung und/oder Transformation von Elternichzuständen und Kindichzuständen. Mellor und Andrewartha (1980) haben sehr anschaulich dargestellt wie Arbeit an Kindichzuständen (in seinem Beispiel Neuentscheidungsarbeit nach Goulding und Goulding) und Arbeit an Elternichzuständen einander ergänzen können oder sogar müssen. Die Logosqualität kommt in der inneren und äußeren Bewusstmachung und der authentischen Gestaltung des Augenblicks mit dem Wissen um die Vergangenheit und Zukunft zum Ausdruck. Als Gesamtbild ergibt sich bezüglich der Transformation der Ichzustände folgendes Schaubild (Abb. 21). „Vor Freude weinen“ –- Das Zeitintegrationsmodell als Orientierungshilfe in der Persönlichkeitsentwicklung Dr. Johann Schneider, IWB, Walsroder Str. 37, 39 29614 Soltau, www.institut-dr-schneider.de Vorstellen Erinnern EL V angepasste KI Ethos Z ER Logos natürliche KI Pathos G Erschließen Planen Abb. 21: Auflösung von Kindich- und Elternichzuständen und ihre Transformation in Pathos- und Ethosqualitäten von Erwachsenenichzuständen 6. Entwicklungspsychologische Betrachtung Für das Einschätzen und Explorieren der Potentiale und der dazu passenden Verhaltensweisen eignet sich auch das Entwicklungsmodell „Zyklen der Kraft“ von Levin (Levin, 1988). Sie nimmt an, dass wir in der Vergangenheit unterdrückte Entwicklungen wieder aufgenommen und zu Ende geführt werden können. Mit anderen Worten ausgedrückt: Das „innere Kind“ kann erspürt und zur Reifung gebracht werden. Mit entwicklungsgeschichtlichem Wissen und der Beobachtung der eigenen inneren Reaktionen auf den Klienten gelingt es Begleitern entwicklungsgeschichtlich relevante Themen zu benennen und aufzugreifen. Es lässt sich feststellen, dass Klienten anhand ihnen präsentierter „Erlaubnissätze“ sehr genau ihre Entwicklungsstellen, Potentiale und Lernschritte selbst herausfinden und aufnehmen. Um erwachsenenorientiert und progressiv zu arbeiten ist es allerdings sinnvoll die Erlaubnissätze auch in Ichform anzubieten und den inneren Entwicklungsprozess vom Du zum Ich und von der inneren Erlaubnis zur Handlung offen zu legen (Schneider, 2000, S. 152 ff). 7. Der Skriptbegriff Ich verwende die Begriffe Skript und Skriptverhaltensweisen nur für den unbewussten Lebensplan und einschränkende oder eingeschränkte Verhaltensweisen. Den bewussten Lebensplan oder das neue geschriebene Skript bezeichne ich als bewussten Plan oder Lebenskonzept. Diese Idee ist beim Planen sehr hilfreich. Es ist für Klienten einfacher, wenn für voneinander verschiedene Dinge „Vor Freude weinen“ –- Das Zeitintegrationsmodell als Orientierungshilfe in der Persönlichkeitsentwicklung Dr. Johann Schneider, IWB, Walsroder Str. 37, 40 29614 Soltau, www.institut-dr-schneider.de oder Vorgänge verschiedene Begriffe verwendet werden: Skript bedeutet früher sinnvolle, jetzt hinderliche Verhaltensweise. Konzept bedeutet eine bewusste Vorstellung und ein Plan über das eigene Leben. 8. Vertragsarbeit In der Zukunftsarbeit liegt von der transaktionsanalytischen Theorie her gesehen ein wesentlicher Schlüssel zur Skriptauflösung. Berne hat ihn uns eindrücklich in seiner Vertragstheorie (Berne, 1996 , S. 15ff, Schneider, 2001) und seiner Skriptcheckliste (Berne, 1975, S. 349) hinterlassen. Die Vorstellung der Tatsache unserer Endlichkeit und unseres Todes konfrontiert uns, wie Lenhardt es sehr eindrücklich dargestellt hat, mit unserem existentiellen Sinn und trägt wesentlich zur gesamten Sinnentwicklung und damit zur Autonomieentwicklung bei (Lenhardt, 1992, S. 86ff). Vertragsarbeit umfasst alle Zeitdimensionen. Die klassischen Vertragsfragen und zwei weitere, die ich hinzugefügt habe, lassen sich in der Zeitachse wie in Abb. 10, S. 25 dargestellt, abbilden. 10. Der Zugang zu den Zeitdimensionen mit verschiedenen Sinnesqualitäten und Bewusstseinsebenen 10.1 Das Wahrnehmungs- und Darstellungssystem Wir erreichen verschüttete Vergangenheitsaspekte und Zukunftsvorstellungen sehr gut über Entspannungsübungen, Bewegungsarbeit, Körperarbeit, Phantasiereisen, Hypnose und Träume. Dabei lässt sich feststellen, dass die Organisation unserer Sinnesqualitäten von herausragender Bedeutung für den Zugang zum Bewussten, Vorbewussten und Unbewussten ist. Wie seit Alters her bekannt und in der neueren Zeit aus den Untersuchungen von Milton Erikson’s Arbeit durch Bandler und Grinder nehmen wir unsere Welt mit unseren verschiedenen Sinnen wahr und stellen sie auch mit diesen dar (Bandler/Grinder, 1982, S. 13). Bei Menschen sind es die Sinne Sehen, Hören, Fühlen, Tasten, Schmecken, Riechen.. Sie wurden als visuelle, akustische, kinästhetische, taktile, olfaktorische und gustatorische Sinnesqualitäten bezeichnet. Die taktilen, olfaktorischen und gustatorischen Sinne werden in Klassifikationen unter die kinästhetischen eingereiht. Der Gleichgewichtssinn, die Stellung im Raum wird meistens vernachlässigt. 10.2 Wahrnehmungs- und Darstellungsmuster unter Berücksichtigung verschiedener Modalitäten Markova kombiniert die verschiedenen Sinneswahrnehmungen oder Wahrnehmungskanäle (visueller, akustischer und kinästhetischer Kanal) mit unterschiedlichen Bewusstseinsebenen, bewusst, vorbewusst und unbewusst. Mit der bewussten Modalität nehmen wir auf, mit der vorbewussten sortieren wir unsere Eindrücke und mit der unbewussten speichern wir ab. Aus der unbewussten Modalität rufen wir unsere Erinnerungen ab, mit der vorbewussten sortieren wir und mit der bewussten stellen wir dann dar (Abb. 22). „Vor Freude weinen“ –- Das Zeitintegrationsmodell als Orientierungshilfe in der Persönlichkeitsentwicklung Dr. Johann Schneider, IWB, Walsroder Str. 37, aufnehmen bewußt darstellen Abb.22: 41 29614 Soltau, www.institut-dr-schneider.de sortieren abspeichern vorbewusst unbewusst sortieren erinnern Bewusstseinsebenen und Modalitäten, modif. nach Markova, 1993, S. 35 Markova zeigt, wie Menschen die drei Wahrnehmungs- und Darstellungskanäle parallel zu den verschiedenen Bewusstseinsebenen und ihren Funktionen benutzen. Aus der Verknüpfung der Modalitäten der drei Bewusstseinsebenen und den drei Wahrnehmungskanälen kommt sie zu sechs verschiedenen Wahrnehmungsmustern (Abb. 23) (Markova 1993, S. 50). 1. 2. 3. 4. 5. 6. Abb. 23 V V A A K K A K V K A V K A K V V A Sechs Wahrnehmungsmuster nach Markova, 1993, S. 50 „Jedes dieser Muster spiegelt einen natürlichen Fluss des Lernens und des Selbstausdrucks wieder, „Vor Freude weinen“ –- Das Zeitintegrationsmodell als Orientierungshilfe in der Persönlichkeitsentwicklung Dr. Johann Schneider, IWB, Walsroder Str. 37, 42 29614 Soltau, www.institut-dr-schneider.de das Geben und Nehmen der Erfahrung, wenn Ihr System im Gleichgewichtszustand funktioniert“. (Markova, 1993; S. 50) Die sechs verschiedenen Wahrnehmungsmuster lasen sich wie am Beispiel des Wahrnehmungsmusters KAV so beschreiben: K A V Jemand, der sich mit dem Wahrnehmungsmuster K A V organisiert, kann seine Aufmerksamkeit gut und bewusst im Hier und Jetzt halten kann, wenn er sich, während er aufnimmt oder darstellt, bewegen kann. Er kann seine inneren und äußeren Eindrücke gut abwägen und sortieren, wenn er durch Stille oder für ihn passende Töne, auch Sprache stimuliert ist. Er kann gut abspeichern und erinnern, wenn er durch visuelle Bilder stimuliert ist. Bewegung stimuliert bewusste Aufmerksamkeit, Töne lassen leichte Trance entstehen, visuelle Bilder stimulieren das Abtauchen ins Unbewusste. Entsprechend lässt sich dieser Vorgang für die anderen Wahrnehmungsmuster formulieren. Das Gehirn benutzt also alle Wahrnehmungskanäle um zu „Denken“, aber je nach Wahrnehmungsmuster in einer anderen Reihenfolge und auf verschiedenen Bewusstseinsebenen. Ich habe hier als Beispiel das KAV-Wahrnehmungsmusters gewählt, weil Menschen mit diesem Wahrnehmungsmuster in unserer Kultur am meisten missverstanden werden. Professionellen Begleitern hilft das Wissen um die Organisation unserer Wahrnehmung und Darstellung, den Klienten zu verstehen und ihm seinen Lern- und Ausdrucksweg zu ermöglichen. Bei der Arbeit, wie ich sie oben mit Hilfe des Zeitintegrationsmodells vorgestellt habe, berücksichtige ich die Organisation der Wahrnehmung und Darstellung und die verschiedenen Wahrnehmungsmuster. Insbesondere benutze ich (auch) Traumarbeit, Entspannung, Musik, Bewegung, Gestaltungstechniken und Phantasiereisen. Mit der Abwechslung der Methoden schaffen ich für die Klienten in einer Gruppe, die sich ja in verschiedenen Wahrnehmungsmustern organisieren, eine passende Lernathmosphäre und die Möglichkeit mit verschiedenen Methoden den Zugang zu den verschiedenen Modalitäten zu organisieren. Entscheiden bleibt auf den einzelnen Klienten mit seinem spezifischen Wahrnehmungsmuster einzugehen. Im Zeitintegrationsmodell dargestellt ergibt sich zur Orientierung in der Arbeit folgendes Bild (Abb. 24): „Vor Freude weinen“ –- Das Zeitintegrationsmodell als Orientierungshilfe in der Persönlichkeitsentwicklung Dr. Johann Schneider, IWB, Walsroder Str. 37, ERINNERN 43 29614 Soltau, www.institut-dr-schneider.de VORSTELLEN V Z G G ERSCHLIESSEN PLANEN Abb. 24: Die Beachtung verschiedener Wahrnehmungsmuster im Zeitintegrationsmodell „Vor Freude weinen“ –- Das Zeitintegrationsmodell als Orientierungshilfe in der Persönlichkeitsentwicklung Dr. Johann Schneider, IWB, Walsroder Str. 37, 44 29614 Soltau, www.institut-dr-schneider.de 11. Traumarbeit Mit der Bewusstmachung und Beobachtung ihrer Träumen fördern Menschen unbewusste Skriptmuster und unbewusste Visionen und Lösungen für anstehende Entwicklungsthemen zu Tage, darin besteht der große Wert von Traumarbeit in der Begleitung persönlicher Entwicklungsprozesse. Für die Traumarbeit lässt sich als Visualisierung der Zeiträume und Orientierung in den Bewegungsrichtungen der Träume das Zeitintegrationsmodell sehr gut verwenden. Stellen wir im Modell die verschiednen relevanten Ebenen dar, ergibt sich folgendes Schaubild (Abb. 25). Abb. 25: Traumarbeit mit dem Zeitintegrationsmodell Zum Abschluss: “Der Mensch versucht, auf die jeweils passende und stimmige Weise, für sich ein vereinfachtes und klares Bild der Welt zu gewinnen und damit die Welt der Erfahrung in den Griff zu bekommen, indem er sie bis zu einem gewissen Grad durch dieses Bild zu ersetzen strebt.“ Albert Einstein Ich habe Ihnen mit diesem Text eines meiner Bilder von persönlichen Entwicklungsprozessen gezeichnet, dargestellt und vielleicht auch schmackhaft gemacht. Mir ist klar, es ist ein Bild, mein Bild. Mit diesem Bild helfe ich mir, mich und andere Menschen zu verstehen. Sie Haben ihre Bilder. Wenn es mir gelungen ist, Sie anzuregen, ihre Bilder zu erkennen und weiterzuentwickeln und manches neues und doch Altbekanntes zu erfassen und Sprache zu geben, dann ist eine Intention meines Schreibens in Erfüllung gegangen. „Vor Freude weinen“ –- Das Zeitintegrationsmodell als Orientierungshilfe in der Persönlichkeitsentwicklung Dr. Johann Schneider, IWB, Walsroder Str. 37, 45 29614 Soltau, www.institut-dr-schneider.de Literatur Bandler, R & Grinder, J, Kommunikation und Veränderung, Die Struktur der Magie II, Junfermann, Paderborn, 1982, engl. Original: 1976 Berne, E., 1961, TA in Psychotherapy, Grove Press, New York, 1961. deutsche Übersetzung: Berne 2001 Berne, E., 2001, Die Transaktionsanalyse in der Psychotherapie, Eine systematische Individual- und Sozial-Psychologie, Herder, Freiburg, 2001 Berne, E., 1966, Eric, Principles of Group Treatment, Grove Press, Inc., New York, 1966 Berne, E., 1991, Transaktionsanalyse der Intuition, Ein Beitrag zur Ich-Psychologie, Junfermann, Paderborn, 1991 Berne, E., 1975, Was sagen Sie, nachdem Sie Guten Tag gesagt haben, Kindler, München, 1975 Clarkson, P. Transaktionsanalytische Psychotherapie, Grundlagen und Anwendung – Das Handbuch für die Praxis, Herder, Freiburg, 1996 Covey, St., R., Die sieben Wege zur Effektivität, Heyne Campus, München1992 Dickens, Ch., Ein Weihnachtsmärchen, Deutscher Taschenbuch Verlag München, 1990 English, F., Transaktionsanalyse, Hamburg, ISKO Press, 1980 English, F., The Substitution Factor, Rackets and Real Feelings, Transactional Analysis Journal 1, pp. 225 – 230, 2, pp. 23-25. dt: Die Ersatzlösung: Über “Rackets” und echte Gefühle, Transaktionsanalyse und Skriptanalyse, Altmann, Hamburg . 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Im letzten Drittel des Artikels werden transaktionsanalytische Theorieüberlegungen zum Zeitintegrationsmodell angestellt: Der Autor führt die Begriffe Progresssionsanalyse, und Transformation der Elternich- und Kindichzustände neu ein. Er zeigt den Zeitbezug von Ichzuständen auf und erweitert die Definitionen der Ethos-, Pathos- und Logosqualitäten von Erwachsenenichzuständen. Er zeigt den Stellenwert verschiedener Wahrnehmungs- und Darstellungsmuster in der professionellen Begleitung von Klienten auf und gibt Anregungen zur Traumarbeit. Autor: Dr. Johann Schneider, ist Lehrender Transaktionsanalytiker und Leiter des Instituts für Weiterbildung und Beratung Dr. J. Schneider in Soltau. Er arbeitet als Coach und Berater für Organisationen, als Weiterbilder in Systemischer Transaktionsanalyse für verschiedenen Berufsgruppen und als Psychotherapeut in freier Praxis. Anschrift des Verfassers Dr. Johann Schneider, Institut für Weiterbildung und Beratung Dr. J. Schneider, Walsroder Str. 37, 29614 Soltau, Tel. 05191 – 3640, Fax 3670, www.institut-drschneider.de, [email protected]
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