Thema der Woche: Offene Stunde in der neue Aufmerksam folgen die Besucher den Ausführungen von Ludwig Egenhofer, dem Leiter der Unteren Aufnahmebehörde im Landratsamt. Auch Willi Streit (links), der Leiter des Polizeireviers in Radolfzell, beantwortet die Fragen der Bürger zur Sicherheit. Der Andrang war sehr groß: Ungefähr 230 Bürger sind am Freitag, 26. Februar, zur offenen Stunde in die neue Gemeinschaftsunterkunft (GU) Herrenland gekommen. Zu der öffentlichen Führung hatten die Stadt Radolfzell und das Landratsamt Konstanz gemeinsam eingeladen. Die neue GU auf einem ehemaligen Firmengelände wird zur vorübergehenden Bleibe für bis zu 750 Menschen. Die ersten Flüchtlinge werden Mitte März einziehen. Bei der offenen Stunde hatten die Bürger die Möglichkeit, einen Teilabschnitt zu besichtigen. Für die Gemeinschaftsunterkünfte ist der Landkreis zuständig, für die Anschlussunterbringung der Menschen die Städte und Kommunen. Herrenlandstraße ist der bestmögliche Standort Oberbürgermeister Martin Staab begrüßte die Besucher: „Bei dieser offenen Stunde ist es uns wichtig, dass Sie, liebe Bürger, einen Blick in diese Unterkunft werfen können und sehen, wie die Menschen, die bald in Radolfzell leben, untergebracht sind. Wir wollen mit dieser Führung Transparenz schaffen und Ihnen verdeutlichen, dass die Menschen, die in dieser Unterkunft leben müssen, es ganz sicher nicht freiwillig tun. Trotz aller Bemühungen des Landkreises ist es sicher kein Vergnügen, hier zu leben“, so Oberbürgermeister Martin Staab. Auf den Weg nach Mitteleuropa mit fremder Kultur und Sprache mache man sich nur, wenn man nicht mehr anders kann, keine Perspektive mehr hat oder verfolgt werde. „Wir hoffen, dass der Landkreis Wort hält und die Notunterkunft in der Kreisporthalle auf der Mettnau baldmöglichst auflöst, denn dort ist die Situation für die Menschen viel belastender“, so Staab. Nach langer intensiver Suche hat sich der Landkreis im Einvernehmen mit der Stadt für das ehemalige Firmengelände entschieden. Dieses sei der bestmögliche Standort in Radolfzell für eine so große Zahl an Menschen. Neben der Verwaltungsspitze, Oberbürgermeister Martin Staab und Bürgermeisterin Monika Laule, stellte sich auch Willi Streit, Leiter des Polizeireviers in Radolfzell, den Fragen der Bürger. Mehrere Alternativen geprüft Bisher ist nur der erste Teilabschnitt der GU Herrenland fertiggestellt. Zug um Zug folgen die anderen Abschnitte. Mit ungefähr 750 Flüchtlingen ist die GU Herrenland die größte Einrichtung in Radolfzell. Der Entscheidung auf den Standort ging eine längere Vorgeschichte voraus: Landesvertreter waren vor Ort und prüften, ob auf dem Industriekomplex eine Landeserstaufnahmeeinrichtung entstehen könnte. Wäre dieser Plan realisiert worden, wären dort mehr als 1000 Menschen untergebracht worden, so Staab. Weil das Gelände aber zu klein war, hat das Land diese Überlegung wieder verworfen. In Frage kam auch das Gleisdreieck, allerdings gab es hier Probleme mit dem Brandschutz und der Zufahrtsregelung. Die Verwaltung schlug dem Landkreis außerdem eine Fläche im Wiesengrund in Böhringen vor. Dort hätte man zur Unterbringung der Menschen Container aufstellen müssen. Doch auch davon sei der Landkreis wieder abgerückt. Und schließlich waren auch die Tennishalle auf der Mettnau sowie ein Standort in Reute in der Diskussion, erläuterte Oberbürgermeister Staab. en Gemeinschaftsunterkunft Herrenland Blick in eines der Vierbettzimmer der neuen Gemein- Bislang ist nur ein Teilabschnitt der GU fertiggestellt. schaftsunterkunft: Von Komfort kann keine Rede sein. Mitte März wird dieser Abschnitt mit den ersten FlüchtDie Räume sind mit dem Nötigsten ausgestattet. lingen belegt; der Rest ist noch Baustelle. Sieben Häuser bringen Struktur Ludwig Egenhofer, Leiter der Unteren Aufnahmebehörde beim Landratsamt und der Radolfzeller Architekt Rolf Zimmermann, der die Planungen verantwortet, erklärten den Besuchern die Arbeiten. Das Firmengelände wird Zug um Zug für die Unterbringung der Flüchtlinge hergerichtet. Es wird in sieben Abschnitte, auch „Häuser“ genannt, aufgeteilt, so Egenhofer. Jeweils ungefähr 100 Menschen kommen in den Häusern unter. Jedes Haus verfügt über einen Sanitär-, Koch- und Aufenthaltsbereich. Über einen Hauptweg werden alle sieben Häuser miteinander verbunden. Planerisch sei die Unterbringung für so viele Menschen eine Herausforderung, sagte Rolf Zimmermann. Eine Dorfstruktur ist seine Idee, das weitläufige Gelände zu gliedern. Und durch die Verbindung der einzelnen Häuser über einen Hauptweg, erklärt Rolf Zimmermann, entstehe genau diese Struktur. Der Brandschutz machte die Ausstattung der Räume dann aber kompliziert: Geplant war, jedes Zimmer mit Steckdosen und Kühlschränke auszustatten. Doch dieses Vorhaben wurde als zu gefährlich eingestuft – nun wird pro Haus jeweils ein Platz mit Steckdosen und Kühlschränken eingerichtet. Steckdosen zum Laden der Handys sind für die Flüchtlinge sehr wichtig, ist das Handy doch die einzige Verbindung in die Heimat. Ein Aufenthaltsbereich wird errichtet und an einer zentralen Stelle Waschmaschinen und Herde installiert. Anders als die Flüchtlinge auf der Mettnau können die Bewohner der neuen GU Herrenland also selber kochen. Dies trage wesentlich zur Zufriedenheit der Bewohner bei, so Ludwig Egenhofer. Ein Sicherheitsdienst überwache die Lage, das Gelände werde zudem videoüberwacht. Tisch, Stühle, Stockbetten und ein Schrank: Die Vier- bis Zwölfbettzimmer sind spartanisch eingerichtet. Sie wurden aus Grobspanplatten errichtet und verfügen über eine Tür. So ist zumindest ein Mindestmaß an Privatsphäre gewährleistet. Sanitäre Anlagen wurden in Containern untergebracht. Verglichen mit der Situation in der Kreissporthalle auf der Mettnau ist die Atmosphäre in der neuen GU Herrenland besser. Denn die 200 in der Sporthalle lebenden Männer sind in Parzellen untergebracht, die durch Bauzäune und Planen voneinander abgetrennt sind. Eine Frage umtrieb die Besucher der offenen Stunde besonders: Wie kann vermieden werden, dass es bei so vielen Menschen zu Konflikten kommt? Hier wäre eine Lösung, die Flüchtlinge nach Ethnien und Konfessionen getrennt, aufzuteilen, lautete der Vorschlag der Bürger. Ludwig Egenhofer bat um Verständnis und sagte, dass dies kaum möglich ist, da das Landratsamt sehr kurzfristig darüber informiert werde, aus welchen Ländern die Menschen stammen. Bei der Belegung müsse deshalb häufig improvisiert werden. Zahlen, Daten, Fakten Mit Stand vom 31.12.2015 leben 3032 Asylsuchende im Landkreis Konstanz. Nach Angaben des Integrationsministeriums Baden-Württemberg wurden im vergangenen Jahr ungefähr 100 000 Flüchtlinge im Land aufgenommen. Für das Jahr 2016 wurde bislang noch keine Prognose über den voraussichtlichen Zugang von Asylsuchenden durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge abgegeben, teilt das Landratsamt mit. Pressestelle, Julia Theile Fotos: Stadtverwaltung/jut
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