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Antrag zur LDK vom 23./24.04.2016 in Neuss
Verzicht auf die im aktuellen Koalitionsvertrag der Landesregierung NordrheinWestfalens von den Grünen geforderte und mit der SPD vereinbarte individuelle
Kennzeichnung von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten
Begründung:
Ausgangslage und Hintergrund der Kennzeichnung
Die individuelle Kennzeichnung von Polizeibeamt*innen ist eine Maßnahme, die in erster Linie
die Beamt*innen der Einsatzhundertschaften, welche vornehmlich in geschlossenen Einsätzen
wie Demonstrationen oder Fußballspielen eingesetzt werden, betrifft.
Im Gegensatz zu den Beamt*innen des Wach- und Wechseldienstes ist durch diese spezielle
Aufgabenwahrnehmung eine persönliche Vorstellung schwer möglich. Außerdem sind die
Polizeibeamte*innen des Wach- und Wechseldienstes zahlenmäßig geringer und deshalb auch
bei einer nicht persönlichen Vorstellung z.B. an Hand der amtlichen Kennzeichen der
Streifenwagen zuzuordnen. Trotzdem ist im Einzelfall ein Erfragen des Namens des Beamten
oder der Beamtin oder auch eine Zuordnung an Hand des Einsatzwagens auch im
geschlossenen Einsatz denkbar und ausdrücklich nicht ausgeschlossen.
Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Gründen die klar gegen die geforderte individuelle
Kennzeichnung von Polizeibeamt*innen sprechen.
Die Beamt*innen in den Einsatzhundertschaften haben mit einer ganz anderen Klientel in ihren
Einsätzen zu tun als die Beamt*innen des Wach-und Wechseldienstes. Während der
Wach- und Wechseldienst in der Regel Bürgern in alltäglichen Situationen wie z.B.
Verkehrskontrollen oder einzelnen Straftaten begegnet und diese Bürger dabei unorganisiert
sind, ist die Klientel der Beamt*innen der Einsatzhundertschaften mit der ihrer Kolleg*innen
nicht zu vergleichen.
Gewaltbereite, organisierte sowie polizeifeindliche Gruppierungen gefährden die
Beamt*innen
Die Hundertschaften haben in ihren Einsätzen in den meisten Fällen mit Gruppen wie
Rechtsextremen, Linksextremen, Salafisten, Hooligans und gewaltbereiten Ultra-Gruppen sowie
Rockerbanden zu tun. Diese Gruppierungen sind nicht nur polizeikritisch, was an sich nicht zu
beanstanden wäre, sondern explizit polizeifeindlich. Sie begehen viele Straftaten und zeichnen
sich durch eine hohe Gewaltbereitschaft aus. Darüber hinaus haben sie sehr gute Netzwerke
und organisierte Strukturen, welche letzten Endes auch Rechtsbeistände oder ComputerSpezialisten in den eigenen Reihen beinhalten.
Diese Strukturen können dafür sorgen, dass die gespeicherten Daten über die individuelle
Kennzeichnung aufgedeckt werden und in die falschen Hände geraten. Die Kennzeichnung
wäre dann nicht nur von offiziellen Stellen, sondern auch von den polizeilichen Gegnern
persönlich einsehbar und auswertbar. Dies würde dazu führen das die Beamt*innen und ihre
Familien von den gewaltbereiten Gruppen privat ausfindig gemacht und angegriffen werden
können. Übergriffe in den Privatbereich von Polizist*innen gibt es in Einzelfällen bereits jetzt
schon. Die individuelle Kennzeichnung von Polizeibeamt*innen kann diese Problematik
zahlenmäßig daher noch verstärken.
Diese Gefährdung unserer Ordnungshüter*innen samt derer privaten Umfelder ist nicht
hinnehmbar und sollte daher nicht noch zusätzlich möglich gemacht werden.
Polizist*innen nicht kriminalisieren
Ein anderer Aspekt der Kennzeichnung ist, dass sie dazu führt, dass die Bereitschaftspolizei
allgemein und ihre Beamt*innen speziell unter Generalverdacht gestellt und kriminalisiert
werden.
Bündnis`90/Die Grünen steht seit jeher für eine Politik gegen jegliche Form von
Generalverdacht. Dies wird auch in dem offenen Brief unserer beiden Landesvorsitzenden zur
Stimmungslage in der Flüchtlingsdebatte „Die Stimmung kippt – der Rechtsstaat darf es
nicht“ deutlich. Dort steht geschrieben, dass das Recht auf Schutz nicht angetastet werden darf,
„weil ein Tausendstel der Flüchtlinge kriminell geworden ist“. Dies „hätte mit universellen
Menschenrechten und einem echten Rechtsstaat nichts zu tun.“
Dieses Recht nicht unter Generalverdacht gestellt zu werden muss für jeden gelten. So auch für
die Polizei. Auch hier werden Verfehlungen oder sogar Straftaten lediglich vereinzelt begangen,
was eine individuelle Kennzeichnung in keinster Weise rechtfertigt. Eine Kennzeichnung würde,
im Gegensatz dazu, suggerieren, dass die Polizei generell falsch handelt und Straftaten begeht
und deshalb unbedingt in dieser Form kontrolliert werden muss. Unter dem Grundsatz
„Gleiches Recht für alle!“ ist dieser Generalverdacht abzulehnen.
Zudem bleibt anzumerken, dass bereits jetzt Polizeibeamte ohne eine tatsächliche Grundlage
z.B. an Hand von Handyfotos angezeigt werden. Die individuelle Kennzeichnung würde diesen
ungerechtfertigten Anzeigen Tür und Tor öffnen, die nur gestellt werden um den Beamt*innen
auf Grund einer unpopulären Maßnahme oder reiner Abneigung Schaden zuzufügen. Diese
Verfolgung Unschuldiger darf man nicht durch die Kennzeichnung noch zusätzlich unterstützen.
Außerdem kann man feststellen, dass es bereits eine Kennzeichnung auf den Rückseiten der
Einsatzuniformen der Hundertschaftsbeamt*innen gibt, welche bis hinunter in die Gruppe reicht.
Da dies eine mögliche Ermittlung auf einen Personenkreis von bis zu höchstens 10 Personen
begrenzt und die Identifizierung durch das amtliche Kennzeichen des Einsatzwagens oder
durch Handyaufnahmen erleichtert werden können, ist eine individuelle Kennzeichnung der
Beamt*innen über die Gruppe hinaus de facto unnötig, da ein Beamter/eine Beamte, die im
Verdacht steht eine Verfehlung begangen zu haben, bereits ermittelt werden kann.
Mitbestimmungsrecht ernst nehmen
Im Rahmen des Prozesses zur Einführung der individuellen Kennzeichnungspflicht hat man sich
für den Weg einer untergesetzlichen Regelung entschieden. Hierfür haben sich Vertreter des
Arbeitgebers, repräsentiert durch Mitarbeiter des Ministeriums für Inneres und Kommunales
Nordrhein-Westfalen (MIK NRW), und die Arbeitnehmerseite, vertreten durch Mitglieder des
Hauptpersonalrates der Polizei, welcher sich aus Mitgliedern der Polizeigewerkschaften
zusammensetzt, in einer Schlichtungskommission zusammengefunden.
Hierbei ist zu betonen, dass die Arbeitnehmerseite in dieser Kommission keine Mehrheit hatte.
Dennoch kam die Schlichtungskommission nach abwägen des Für und Wider einer
individuellen Kennzeichnungspflicht zu dem Ergebnis, dass die Kennzeichnungspflicht für
Polizeibeamt*innen nicht eingeführt werden soll.
Dies war nur möglich, weil auch Teile der Arbeitgeberseite der Argumentation des
Hauptpersonalrates gefolgt sind.
Trotz des Ergebnisses der Schlichtungskommission wird nun über das Mitbestimmungsrecht
der Arbeitnehmer*innen hinweg ein Gesetzesentwurf zur individuellen Kennzeichnung von
Polizeibeamt*innen auf Bestreben der Landes-Grünen betrieben.
Dies ist ein äußerst undemokratischer Prozess um die eigenen Interessen durchzusetzen. Hier
drängt sich der Eindruck auf, dass die untergesetzliche Regelung nur forciert worden ist, weil
die ursprünglichen Gegner der Kennzeichnung in der Unterzahl gewesen sind. Das tatsächliche
Ergebnis hat dann die Grünen auf Landesebene überrascht, weshalb dieses nun mittels
Gesetzesentwurf per Handstreich weggewischt werden soll. Dies ist weder eine ehrliche noch
eine seriöse Politik.
Es ist grundsätzlich eine Position der Grünen das Mitbestimmungsrecht zu fördern, auszubauen
und zu achten. Dies muss auch für Polizist*innen als Arbeitnehmer*innen gelten. Wenn man
sich diesen Vorgang von einer anderen Partei bezüglich der Bevormundung anderer
Arbeitgeber*innen im Rahmen der Mitbestimmung vorstellt, kann man sich ebenfalls den
Protest von Grüner Seite sehr gut vor Augen halten.
Das jetzige Vorgehen ist im hohen Maße gegenüber der eigenen Position unehrlich und
inkonsequent.
Wenn man von vorneherein im Sinn hatte die Kennzeichnung durchzudrücken, wäre es
aufrichtiger gewesen direkt einen Gesetzesentwurf einzubringen, statt eine Mitbestimmung zu
suggerieren und anschließend zu negieren. Man hat sich von Grüner Seite aus einer falschen
Annahme heraus für einen bestimmten Weg entschieden und verkalkuliert. Aus diesem Grunde
ist es nun geboten den Weg zu Ende zu gehen, die Niederlage einzugestehen und zu
akzeptieren.
Wenn dies nicht der Fall ist, wird man als unzuverlässiger Partner mit einer negativen Strahlkraft
über die Polizei hinaus wahrgenommen werden. Auch dies gilt es zu verhindern.
Fazit
Die Polizist*innen unseres Landes stehen vor der Bewältigung schwieriger Aufgaben. Sie
benötigen unsere Unterstützung statt unser Misstrauen. Die Kennzeichnungspflicht ist zur
Aufklärung von polizeilichen Verfehlungen faktisch unnötig, da es bereits ausreichende
Instrumente zur Feststellung und Zuordnung von Personalien von einzelnen Polizist*innen in
geschlossenen Einsätzen gibt.
Sie führt zu einer Kriminalisierung, Entrechtung und sogar Gefährdung der Beamt*innen bis in
deren privates Umfeld hinein. Die Landesregierung NRW hat sich unter Grüner Beteiligung für
eine Schlichtungskommission entschieden, deren Ergebnis es zu respektieren gilt. Aus diesen
Gründen ist auf die Umsetzung der individuellen Kennzeichnung von Polizeibeamt*innen trotz
Aufnahme im Koalitionsvertrag mit der Landes-SPD von Grüner Seite zu verzichten.