Hochbunker umnutzen. Tl.1: Welche Chancen stecken in den

Denkmalpflege
Elke Kuehnle
Hochbunker umnutzen
Teil 1: Welche Chancen stecken in den Kriegsbauten?
Die Bewahrung des Schützenswerten von unbequemen Mahnmalen eröffnet Nutzungsmöglichkeiten, die sich gesellschaftlich und ökonomisch lohnen können.
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und 2 000 Zivilschutzanlagen, sog. Luftschutzhochbunker, gibt es noch in Deutschland. Jahrzehntelang
wurden die unbequemen Beton-Bollwerke inmitten
von Wohngebieten weitgehend ignoriert. Sie erinnern an
die NS-Vergangenheit. Einige davon stehen unter Denkmalschutz, vereinzelt wurden sie abgerissen. Letzteres ist
meist nicht billiger als ein Umbau und mitten in Wohngebieten aufwendig, denn die benachbarten Bauten sollen
unversehrt bleiben. Seit Aufhebung der Zivilschutzverordnung im Jahre 2006 kann man Bunker von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) als Immobilie kaufen.
Jährlich veräußert die BImA drei bis vier Exemplare per
Ausschreibung. Den Zuschlag erhält der Höchstbietende.
Waren die ersten Verkäufe noch Schnäppchen, steigt de-
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ren Preis mit der Anzahl der Interessenten. Bunker sind ›in‹,
denn die meisten liegen in interessanter Stadtlage. »Unter
1 Mio. Euro ist in Hamburg kein Bunker mehr zu haben«,
sagt der Architekt und Bunkerspezialist Rainer Mielke von
Mielke & Freudenberg Architekten in Bremen. Über die
Website der BImA kann man die Gebäude mit entsprechendem Exposé virtuell besichtigen.
Umwidmung – neue Funktionen für alte Bunkerbauten
Den schlafenden Riesen wird neues Leben eingehaucht:
Sie werden zu Wohn-, Geschäfts- oder Kunsthäusern, auch
Kitas, Seniorenpflegeheimen, Musikübungsräumen. Eine
Kirche und das weltweit größte regenerative Energiekraftwerk in Hamburg-Wilhelmsburg sind neue Funktionen
alter Bunkerbauten. Stehen sie unter Denkmalschutz, ist
bei dieser Transformation Fingerspitzengefühl und Angemessenheit gefordert. Der Generationenwechsel eröffnet
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Linke Seite: St. Sakrament Bunkerkirche in Düsseldorf-Heerdt; Blick auf das Kirchenschiff und den Glockenturm mit vier aus den Mauern gesprengten Hochfenstern; links: Kircheneingang (Bildquelle: LVR-ZMB, St. Arendt); Mitte: das schlichte Kirchenschiff mit der Christusfigur, die mit erhobenem Finger den Leidenden und den Überwinder darstellt
(Bildquelle: LVR-ZMB, M. Grans); rechts: die vom Künstler Walter Brenner gestalteten Dickglasfenster, inspiriert von der mystischen Dämmerung von Chartes
kreative Zugänge zur Konversion solcher Bauten, die dann
plötzlich friedlich mitten im Leben stehen. Oft finden an
solchen Orten Kulturveranstaltungen statt. Menschen sollen vor dem Hintergrund der Reflexion des Gewesenen
miteinander ins Gespräch kommen und für die Zukunft
lernen. Friedenssignale werden gesetzt. Beispielsweise hat
die Jesusfigur am Kruzifix über dem Altar der St. Sakrament
Bunkerkirche in Düsseldorf-Heerdt – ein umgebauter Luftschutzbunker – eine Hand am Kreuz frei, deren Zeigefinger
in die Höhe zeigt. »Hier ist Tod und Auferstehung vereint«,
sagt Dr. Bruno Kammann, Autor zweier Schriften über dieses Bauwerk und seine Menschen. Gefertigt wurde das aus
Stahl geschmiedete Kruzifix vom Künstler Johann Karst, der
im Zweiten Weltkrieg drei Söhne verlor. Der Bunker entstand 1940 auf dem enteigneten Grundstück der Kirchengemeinde. Dem Kubus mit den Außenmaßen 47,30 x 22,10 m
wurde damals aus Gründen der Tarnung südöstlich ein
Rundturm angefügt, der einen Glockenturm mimte. Bereits 1947 bis 1949 widmete der dort eingesetzte Pfarrer
Dr. Carl Klinkhammer den Bunker zum Sakralbau um. Die
Gemeinde half tatkräftig mit, »meist nach Feierabend«,
sagt Bruno Kammann. Der Pfarrer stellte die Umwidmung
in die 9 m hohe Saalkirche mit Wohntrakt und angebauter Sakristei unter die große Friedensvision des Propheten
Jesaja (2,4): »Dann schmieden sie Pflugscharen aus ihren
Schwertern und Winzermesser aus ihren Lanzen«. Die Pläne für den Umbau entwarf und prüfte sein Studienfreund
und damalige Kölner Dombaumeister Willi Weyres. Die
Zwischendecken wurden gesprengt. Auch vier gleich große Öffnungen für die Fenster sowie die Fenster im Wohntrakt entstanden durch Sprengungen. Dabei gingen einige
Fensterscheiben der umliegenden Häuser zu Bruch. Die
Spur der Bohrlöcher für die Sprengung war insgesamt 5 km
lang. Bunte, in Beton eingelassene Glasscherben bilden die
Einlagen der Öffnungen, die stimmungsvolles Tageslicht
in die Saalkirche lassen. 1954 wurde dem Rundturm ein
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filigraner Glockenturm aufgesetzt und mit vier Glocken bestückt. In den 1990er-Jahren erweiterte eine Sanierung das
mit Bitumen gedeckte Flachdach zu einem Satteldach mit
geregeltem Regenwasserabfluss. Die denkmalgeschützte
Kirche ist bis heute eine Begegnungsstätte, die die Spuren
der Vergangenheit unverblümt bewahrt: die Außenfassade
im Originalzustand, die nur leicht verputzten Innenwände,
die erkennen lassen, wo sich gesprengte Zwischendecken
und -wände befanden, der original erhaltene Keller, der die
Schutzräume zeigt. Pfarrer Klinkhammer engagierte sich
sehr für die Jugendarbeit und verkündete nach dem Gottesdienst das Kinoprogramm, das in der Kirche gezeigt wurde.
Günstiger Baugrund mitten im Wohngebiet
Heute ist ein Hauptmotiv der Käufer von Bunkerbauten
der günstige Baugrund inmitten interessanter Wohngebiete, oft aber auch der Wunsch, einzigartige Bauwerke und
Wohnungen zu besitzen. Solche Konversionen sind architektonisch, statisch, bautechnologisch und kulturhistorisch
anspruchsvoll und erfordern engagierte, bestenfalls an der
konstruktiven Zukunftsnutzung solcher Bauwerke interessierte Bauherren und Architekten. Je mehr Erfahrungen
im Umgang mit den belasteten Bauten und ihren Betonmassen vorliegen, desto spannender und kreativer werden
die architektonischen und funktionalen Lösungen, die den
schlafenden Kolossen neues, friedliches Leben einhauchen.
Sie reichen von futuristischen Umbauten, die die Bunkerkubatur nicht mehr erkennen lassen, über moderne Interpretationen und Verbindungen von Alt und Neu, die die
Originalität erlebbar machen.
Ursprung der Hochbunker
Der Großteil der Hochbunker wurde im Zweiten Weltkrieg infolge des »Führer-Schutzprogramms« ab 1940 in
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Links: Luftansicht der Wohnsiedlung in der Claussenstraße in Bremen-Schwachhausen mit dem umgenutzten Hochbunker F38; rechts: Schntt des F38 mit aufgestocktem
Penthaus. Das Gebäude erhielt eine eher geschlossene Straßenseite und eine offene, großflächig verglaste Gartenseite.
sog. Luftschutzorten I. Ordnung gebaut. Zwei Bauwellen
1940/1941 und 1942 bis 1943 sorgten für Schutzraum für
die Bevölkerung bei Luftangriffen in Großstädten und in
wehrwirtschaftlich wichtigen Gebieten. Bis zum Ende des
Kalten Krieges entstanden nur noch einzelne Bunker. Vorhandene wurden in den 1980er-Jahren an vielen Stellen zu
ABC-Bunkern umgebaut, die Schutz bei Giftgasangriffen
boten. An wirkungsvollen Schutzbauten bei Atomangriffen wurde lediglich experimentiert. Die durchschnittliche,
öffentliche Schutzplatzquote stieg in Deutschland nie über
3 %. Beachtenswert ist die stark variierende Dichte je Bundesland: Fünf bis 115 Einwohner kamen auf einen Schutzplatz (SchP). Spitzenreiter sind Bremen (5 EW/SchP), gefolgt von Hamburg (21 EW/SchP). Das Schlusslicht bilden
Schleswig-Holstein (115 EW/SchP), Berlin (87 EW/SchP)
und Nordrhein-Westfalen (42 EW/SchP).
Nutzung in den Nachkriegsjahren
Nach Kriegsende verbot die Alliierten-Militärregierung den
Schutzraumbau durch das Kontrollratsgesetz Nr. 23 vom
10. April 1946 und »entfestigte« eine Anzahl der Bunker durch
die Sprengung des Innenraumes oder der Außenwand. Der
Abriss war meist zu aufwendig. Viele von ihnen blieben bis
heute unversehrt und wurden noch bis Mitte der 1950er-Jahre in stark zerstörten Städten, wie beispielsweise Braunschweig, als Notunterkünfte oder Bunkerhotels genutzt.
Umwidmungen
Oben: Grundriss des dritten Bunkergeschosses im F38 mit zwei Wohneinheiten;
unten: Grundriss des ersten Bunkergeschosses mit vorgestelltem Treppenhausturm.
Da die Räume aus zivilschutzrechtlichen Gründen baulich nicht verändert und keine
Fenster eingebaut werden durften, werden sie als Galerie und für verschiedene
Veranstaltungen genutzt.
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Entsprechend viele Bunker wurden und werden heute, vor
allem in den Spitzenreiterregionen umgewidmet. Ihre Größe und Form variiert ebenso wie die Anzahl je Bundesland.
Teilweise wurden zur Tarnung Türmchen angebaut und
die Fassade reichlich mit Naturstein oder Fachwerk verziert. Viele Bunker weisen lediglich Vorkehrungen für sol-
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Links: Gartenseite des F38; rechts: Straßenseite des F38. Die farbigen Bauteile aus Leichtmetall für die Aufstockung bilden mit ihrem gleichmäßigen Erscheinungsbild einen
Gegenpunkt zum unbehandelten Sockel. Der vorgestellte Treppenhausturm steht als vertikales Element, durch seitliche Fensterbänder vom Bunker gelöst, vor.
che Fassadenverschönerungen auf, die nicht mehr durchgeführt wurden. Über die Gründe wird spekuliert: Durch
den Zeitdruck des Krieges blieb keine Zeit mehr dafür und
die notwendigen Materialien wurden knapp. Diese Feinarbeiten sollten zur besseren städtebauliche Integration nach
dem Krieg fertiggestellt werden. Realisierte Verzierungen
mit Travertin und Naturstein symbolisieren Dominanz und
Machtgebaren. Als Baumaterial diente Stahlbeton, wobei
das Verhältnis von Beton zu Eisenarmierung je nach Verfügbarkeit des Materials variiert. Die Armierung wurde
glatt und unbehandelt verwendet. Beim Einbringen von
Öffnungen in Decken, wie sie für Erschließungen notwendig sind, muss die Armierung deshalb vor dem Zurückweichen gesichert werden, da ansonsten Risse oder statische
Veränderungen entstehen. Auch die Wand- und Deckenstärken der Bauten variieren. Die Außenwände der frühen
Bunker messen 1,10 bis 1,40 m, mit Abschlussdecken von
bis zu 2,50 m. Bei späteren Bunkern finden sich Wandstärken von 2 m. Heutige Umbauten sind also immer auch eine
Entdeckung des Vorhandenen, denn meist existieren keine
vollständigen Pläne mehr.
Bunker als Gesamtkunstwerk
Rainer Mielke arbeitet seit 1990 als Architekt. Er lebt mit
seiner Frau seit 1999 in einem umgenutzten Bunker, dem
F38, in Bremen-Schwachhausen. Im Gespräch erläutert er,
wie es dazu kam.
Elke Kuehnle (EK): Herr Mielke, wie ist es in einem Bunker
zu wohnen und gleichzeitig an Bunkerprojekten zu arbeiten?
Rainer Mielke (RM): Ich habe mich daran gewöhnt. Während meines Studiums habe ich in einem Bunker Musik
gemacht, dadurch kam ich mit solchen Bauwerken in Berührung. Als wir nach Bremen zogen, landeten wir im
Wohngebiet Bremen-Schwachhausen und wohnten in einer
Straße, in der ein Bunker stand. Täglich, auf meinem Weg
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zur Arbeit, ging ich daran vorbei. Uns gefiel das Wohngebiet, aber die Häuser waren entweder zu groß oder teuer
und Grundstücke rar. Immer wieder schaute ich mir den
Bunker an und überlegte, wie man darauf bauen könnte. Also ging ich irgendwann auf das zuständige Amt und
fragte, ob ich den Bunker pachten oder kaufen könnte. Das
war 1993 und die schauten mich wirklich sehr verblüfft an.
Weil wir ja keine Eile hatten, ging ich immer wieder, also
ca. zweimal im Jahr mit meinen Plänen, die ich inzwischen
gemacht hatte dorthin und brachte mein Anliegen vor. Nach
fünf Jahren war es dann so weit. Ich traf auf eine Beamtin, die mein Anliegen verstand und die die Pläne, also eine
sinnvolle Nutzung des Gebäudes, gut fand. Das war 1999
und für diesen einen Bunker wurde die Ausnahme gemacht,
dass er von der Zivilschutzfunktion entbunden und an mich
verkauft wird. Damals war meine Hartnäckigkeit sicherlich
auch ein interessanter Impuls für die Verantwortlichen.
EK: Sie bauten ja zunächst ein Haus ›auf‹ dem Bunker, den
Sie dann gar nicht antasten mussten, oder?
RM: So kann man das nicht sagen. Wir bauten zwar unser
Haus auf dem Dach des Bunkers, mussten ja aber täglich
durch diesen durchlaufen, um auf die Baustelle zu kommen. Mit der Zeit gewöhnt man sich an die Kompaktheit,
an die Geschlossenheit und fängt an, die Vorteile, die das
mit sich bringt zu nutzen. Einer unserer Freunde hatte beispielsweise die Idee, dass die Räume sich sehr gut dafür
eignen, Kunst auszustellen, weil man sich in der Ruhe und
Geschlossenheit völlig auf die Kunstwerke konzentriert.
Wir beschlossen also, eine Galerie zu eröffnen und veranstalteten Feste, Konzerte und sogar eine kleine Oper wurde
darin aufgeführt. Die Akustik ist in leeren Bunkerräumen
sehr speziell. Die harten Oberflächen erzeugen eine lange
Nachhallzeit. Manche Musiker mögen das.
EK: 2006 bauten Sie die Bunkerräume zu Wohnungen aus.
RM: Ja, einen Ausstellungs- und Veranstaltungsraum mit
70 m² haben wir immer noch. Meine Schwester interessier-
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Links: Blick in das aufgestockte Penthaus; rechts: Die Deckengestaltung wirkt als verbindendes Element der ineinander fließenden, farbig akzentuierten Räume. Die großen,
sprossenlosen Fensterflächen, die Verwendung von wohnungsuntypischen Baustoffen wie beispielsweise Glasbausteinwänden, die sichtbaren Estrichflächen als Bodenbelag
und der Einsatz kräftiger Farben geben den Wohnungen einen eigenen Charakter.
te sich für eine Wohnung im Bunker und ich plante und
realisierte ihr eine. Zwei weitere, also insgesamt drei Wohnungen mit 100, 55 und 45 m² gibt es mittlerweile in diesem Bunker.
EK: Was ist aus Ihrer Sicht die größte architektonische Herausforderung bei der Umnutzung eines Bunkers zu einer
gemütlichen Wohnung?
RM: Die große Frage ist natürlich immer, wie man am besten Löcher in 1,10 m dicke Wände macht. Früher hat man
das mit Sprengungen gemacht oder mit einer Feuerlanze,
einer mit sehr viel Sauerstoff angereicherten Flamme, die
in der Lage ist, Granit zu schneiden. Heute haben wir dafür gutes Werkzeug. Wir nehmen Seilsägen. Wobei es nicht
nur darum geht, ein Loch in die Wand zu sägen, sondern
möglichst wirtschaftlich zu sägen. Denn der herausgesägte Betonkern wiegt ja Tonnen, die abtransportiert werden
müssen und jeder Schnitt kostet Geld. Die Logistik des Abtransports von Schutt ist also bei solchen Bauten ein wesentliches Element.
EK: Was ist für ihre architektonischen Entwürfe von Bunkerumbauten leitend?
RM: Als Architekt lässt man ja eigentlich Wände wachsen.
Bei solchen Umbauten ist das etwas anderes. Wir arbeiten
mit bestehender Masse und nehmen etwas weg, arbeiten
also fast skulptural. Das hat eine ganz andere Qualität und
wir gehen mit dem Alten und mit dem Neuen um. Solche
Betonwände haben eine interessante Qualität, weil sie
altern, Patina ansetzen. Damit arbeiten wir, heben diese
Qualität hervor, lassen sie bestehen oder verbinden sie mit
Neuem. Jedenfalls machen oder lassen wir etwas sichtbar,
das die Gesellschaft auch baulich gerne versteckt: Alterungsprozesse. Mein Partner Claus Freudenberg und ich
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arbeiteten als Architekten für verschiedene Bauträger und
tun das mit einem Fünfmannbüro noch heute. Im normalen
Geschosswohnungsbau entwirft man als Architekt Wohnungen für Leute, die man nicht kennt. Als ich den Bunker umgebaut habe, kamen wir auf die Idee, dass wir das
auch mit anderen Bunkern tun und als Bauträger fungieren können. Wir versuchen also einen Bunker zu erwerben
und projektieren ihn so, dass individuelle, nutzerorientierte
Wohnungen entstehen können. Wir bieten den Interessenten die Möglichkeit, die Wohnungen gemeinsam mit uns
zu entwerfen. Das geht bei einigen Bunkern sehr gut, weil
sie innen keine tragenden Wände haben. Zwischenwände
lassen sich einfügen wo immer man will und der Kunde
erhält eine maßgeschneiderte Wohnung. Meist führen wir
die Kunden durch eine Musterwohnung in meinem Bunker,
weil sich die wenigsten Menschen vorstellen können, wie
eine Wohnung darin aussehen kann. Dann beraten wir natürlich, geben Ideen und entwickeln den endgültigen Wohnungszuschnitt in Abstimmung mit den Kunden. Das ist
das, was wir eigentlich unter Architektenarbeit verstehen
und was uns immer wieder Freude macht.
EK: Wie lange machen Sie das schon?
RM: Seit nunmehr 15 Jahren.
EK: Wie viele Bunker haben Sie in dieser Zeit umgewidmet?
RM: Einen Musikbunker mitgerechnet und zwei laufende
Projekte, sind das bereits zehn Stück.
EK: Alle in Bremen?
RM: Viele in Bremen, aber auch in Hannover und Hamburg.
EK: Wie finden Sie interessante oder geeignete Bunker?
Werden Ihnen als Experten inzwischen Bunker angeboten?
RM: Wir sind anfangs durch Deutschland gefahren und
haben uns Bunker angeschaut. Weil wir aber unser Fünf-
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Links und rechts: Die Tiefe der vorhandenen Bunkerwände bietet die Möglichkeit, die Fenster innen, außen oder mittig zu platzieren. Dadurch entstanden Erker, kleine Balkone oder auch tiefe Fensterbänke. Die Bunkeraußenwände wurden innenseitig mit hydrophobierter Innendämmung, Dampfbremse und Gipskartonverkleidung versehen.
mannbüro bleiben wollen, haben wir uns entschieden, dass
wir Umbauten primär in Bremen und im Umkreis von gut
150 km machen. Für Projekte in Hannover und Hamburg
beispielsweise haben wir dann zusätzlich einen Projektleiter. So können wir alle hier wohnen bleiben. Was den Kauf
von Bunkern angeht, so ist das ja eine Sache der Ausschreibung – Bunker werden an den Höchstbietenden vergeben –
und die Wettbewerber werden immer mehr, weil das Interesse an diesen Bauten und den Grundstücken in oft bester
Wohngebietslage wächst.
EK: Wie viele Bunker werden Sie noch in Ihrem Leben umwidmen?
RM: (lacht) Mielke & Freudenberg einen pro Jahr.
EK: Was ist für Sie dabei die größte bautechnische Herausforderung?
RM: Was uns noch sehr interessiert ist, wie man die große
Speichermasse von Betonbunkern besser nutzen kann.
EK: Sind denn Bunker ›grüne‹, also umweltfreundliche
bzw. klimaneutrale Gebäude?
RM: Die 1,10 m dicken Wände mäßigen Extremtemperaturen. Das bedeutet, dass die Heizperioden sich verschieben.
Meine Schwester, die unter mir im Bunker wohnt dreht
die Heizung ca. einen Monat später auf als wir, weil die
Betonwände noch sehr viel Wärme gespeichert haben. Sie
heizt aber auch rund einen Monat länger als wir, weil die
Gebäudemasse auch die Kälte speichert. In der Regel bringen wir eine Innendämmung an. Bei einem der Bunkerprojekte haben wir eine Außendämmung verwendet, mit dem
Ergebnis, dass wir keine wesentlichen Vorteile feststellen
konnten. Eine weitere, zwar nicht bautechnische, aber
nachhaltige Besonderheit ist die, dass wir bei allen Projekten während der Bauphase die Nachbarn einladen, damit
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diese sich an die Veränderung gewöhnen und sich ein Bild
über die neuen Möglichkeiten des Wohnens im Bunker machen. Wir schaffen sozusagen Nachbarschaft. Das steigert
auch die Akzeptanz des Bauwerks.
EK: Welche Materialien verwenden Sie beim Bunkerumbau?
RM: Mir ist ein neutraler Umgang mit Materialien wichtig.
Beispielsweise habe ich eine Duschtrennwand aus Glasbausteinen gebaut, über die man oft sagt »Ach, die sind ja aus
den 1950er-Jahren«. Vielen Materialien haften Klischees an,
die vermeiden, dass sie dort eingesetzt werden, wo sie aufgrund ihrer eigentlichen Eigenschaften sinnvoll sind. Vielfältig, intelligent und kreativ verwendet. Heute haben wir trotz
der vielen neuen Materialien, die uns zur Verfügung stehen,
eine sehr einseitige Materialverwendung. Unser Büro realisiert Architektur, die außen wie innen ansprechend, unverwechselbar und mit modernem Komfort ausgestattet ist.
Auf diese Weise entstehen helle, moderne Gebäude mit viel
Gestaltungsspielraum für Menschen, die gerne mittendrin
und zugleich einzigartig wohnen möchten.
INFO/KONTAKT
Elke Kuehnle
Soziale Verhaltens- und Erziehungswissenschaftlerin M. A., Umweltpsychologin M. A. in Deutschland. Schreibt u. a. über nachhaltige Architektur und
Stadtentwicklung.
E-Mail: [email protected]
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