Dr Robert L. PHILIPPART Das „Tiirmchen“ mit der Inschrift „Mir wëlle bleiwe wat mir sin“, die „Gëlle Frau“, die Adolf-Brücke sowie die Philharmonie gehören zu beliebtesten Fotomotiven ausländischer Besucher. Eine Stadt ist Zeichen ihrer Gesellschaft und sozialen Ordnung. Sie ist nicht nur Markt, sie ist auch Ausdruck von Macht und Sehnsüchten. Jeder Straßenzug bildet einen Satz, jedes Haus einen Buchstaben. Die folgenden Seiten erlauben nur einen sehr kurzen Einblick in dieses Thema und begrenzen sich auf das ausgehende 19. Jahrhundert bis hin zur Entwicklung der Moderne. Auswischen von Zeichen? Welche Zeichen wollte man zur Zeit der Schleifung der Festung Luxemburg setzen? Von Auswischen zu neuer „mise en scène“ reicht die Palette mit dem Umgang des historischen Militärerbe. Einerseits handelte es sich um eine moderne Festung an deren Ausbau noch im Mai 1867 gearbeitet worden war. Andererseits erinnerte sie an eine fremde Garnison. Ein politisch neutrales Land durfte nicht über eine kriegerische Festungsanlage verfügen. Festungsmauern, welche die Oberstadt tragen, konnten aus statischen Überlegungen heraus nicht abgerissen werden. Festungswälle wurden zu Promenaden, Bastione (Beck/Jost) zu Panoramaterrassen umgestaltet. Gebäude die eine neue Funktion aufnehmen konnten blieben weitgehend erhalten. Zeugen historischer Bauperioden, insofern sie keinen kriegerischen Charakter aufwiesen, wurden zu „Landmarks“ hergerichtet. Sie sollten auf Dauer auf die historischen Grenzen zwischen städtischem und ländlichem Raum hinweisen. Festungswerke wurden teilweise zu künstlichen Ruinen verstümmelt (Bock/Türme Rue des Capucins Bauzeichen verraten Baumeister am Rahmplateau, Verlorenkost). Dieser Eingriff, sollte zeigen, dass der „Zahn der Zeit“ daran genagt habe, dass man mit Distanz auf die Vergangenheit zurückblicken könne. Bäume wurden entlang der Festungsmauern im Petrussthal gepflanzt, denn man wollte die „vilains murs“ durch eine Begrünung der Stadt verstecken. Zeichen der Macht Die Ständeordnung des Ancien Régime regelte klar Machtpositionen. Wappen in Bleiglas-Fenstern oder als Ornament auf Fassaden ließen den Besitzer und seine Machtstellung klar erkennen. Doch die Französische Revolution beendete diese Gesellschaftsordnung. Wappen wurden von Hausgiebeln entfernt, zugemauert oder „abgekratzt“, wie es das Beispiel auf N°18 rue de l’Eau zeigt. Auch bei Umbauarbeiten waren Wappen zugemauert worden, wie es die freigelegten Wappen auf N°8 in der Wiltheimstraße zeigen. Auch die Symbole der Zünfte waren aus dem öffentlichen Raum verbannt. Das 19. Jahrhundert erinnerte sich an diese vergangenen Zeiten. In Goldbuchstaben sind auf den Säulen des „Couloir du Roi“ im Palais grand-ducal (1890) die Namen von 155 Persönlichkeiten, welche Luxemburg im Ancien Régime im Ständehaus vertraten, eingetragen. Sie sind neben weiteren Darstellungen zahlreicher Adels- und Abtwappen auf Wandgemälden und in Bleiglasfenstern relevant für diese „mémoire collective“ die das ausgehende 19. Jahrhundert förderte. Interessant sind ebenfalls die Darstellung (1907) am Cercle/Cité der Überreichung des Freiheitsbriefes an die Stadt Luxemburg durch Gräfin Ermesinde (1244) sowie die historischen und heutigen Stadtwappen. Doch auch wirtschaftliche Macht findet ihren Ausdruck an Gebäuden. Industrie und Handelssymbole, sowie die Darstellung der Landwirtschaft schmücken das Postgebäude am Piquet. Moderne Trophäen 11 s DCK 3/2015 greifen am ARBED-Palast Symbole der Industrie, des Handels und des Bergbaus auf. Diese Zeichen verdeutlichen die Funktion des Gebäudes. Auch die Fruchtbarkeit der Landwirtschaft wird am Pavillon grand-ducal des Bahnhofsgebäudes dargestellt. Unter deinem Schutz und Schirm Ecke Avenue de la Liberté / rue Goethe Abgeordnetenkammer Doch Macht, Pracht oder Eitelkeit stellen keineswegs die einzige Dynamik zur Schaffung von Bauzeichen dar. Pestpfeile an den Häusern N°10 Rue du Nord, Haus N°1416, Rue de la Boucherie und N°35 Grand‘ Rue sollten die Bewohner vor dieser Seuche beschützen. Die Steinklammern am Lentzeneck lassen die Buchstaben „JMJ“ erkennen. Die Bewohner stellten sich damit unter den Schutz der Heilgien Familie (Josef, Maria, Jesus). Auch Schutzherren haben ihren Platz an der Fassade. Das Redemptoristen-Kloster ziert eine Statue des Ordensgründers, der Heilige Alfons von Ligurien (Ecke Rue des Capucins/ Rue Beaumont). Übrigens, die Eckstellung ist keineswegs unbedacht ausgewählt. Sie zieht die Blicke aus gleich zwei Winkeln auf sich. Oben auf der Liste der Heiligen, welche auch Bürgerhäuser zieren, steht die Trösterin der Betrübten. Am Forum Royal steht eine Kopie der Figur, welche einst zur Stadtseite am Neu Tor angebracht war. Sie grüßte die Pilger in Richtung der ehemaligen Pilgerstätte auf Glacis. Als das Neu-Tor im Rahmen der Schleifungsarbeiten abgetragen wurde, ergriffen Bürger die Initiative, ein „Edicule Notre Dame“ an der Rue des Bains/ Avenue de la Porte Neuve zu errichten. Es handelte sich dabei um ein rein privates Unternehmen, bei dem der Besitzer des Eckhauses den zur Straße gerichteten abgekuppelten Giebel für das Denkmal 1876, zur Verfügung stellte. Das Standbild der Trösterin grüßte nunmehr die Pilger in Richtung Kathedrale. 1975 musste das Eckhaus samt Denkmal einem Neubau weichen. Auf Initiative des Verlegers François Mersch und im Einverständnis mit dem Architekten Paul Retter, sowie der Gemeindeverantwortlichen, wurde das „Muttergottes Portique“ am Forum geschaffen. Staatsarchitekt Charles Arendt, hatte 1874/75 die Diskussionen um den Abriss des Neu Tors verfolgt. 1875 baute er eine Muttergottesstatue, die er 1862 zur Krönung des Prinz Heinrich Tors entworfen hatte, an die Ecke seines Wohnhauses am Boulevard Royal/Avenue Marie-Thérèse ein. Auch sie sollte die Besucher der Stadt als Schutzpatronin empfangen. Auf Initiative des „Service des Sites et Monuments Nationaux” ist dieses Standbild bis heute, wenn auch in einem bereits umgestalteten Neubau, erhalten geblieben. Am Boulevard Roosevelt schauen die Statuen der HL Augustinus und Pierre Fourier, Begründer und Reformator der „Congrégation Notre Dame“ auf die Passanten. Hier befand sich einst die „Ecole Sainte Sophie“. Interessant ist dabei, dass diese Heiligen-Darstellungen nur in Ausnahmefällen auf die Zeit vor der Französischen Revolution zurückführen. Damals waren die meisten re- DCK 3/2015 s 12 ligiösen Symbole aus dem öffentlichen Raum entfernt worden. Mehrere Statuen waren versteckt oder überdeckt worden, und wurden erst Jahrzehnte später wieder aufgestellt. Spuren dieser Zeit des Umbruchs zeigt das noch heute verstümmelte Ordenswappen am Portal der Kongregationskirche (protestantischer Tempel), welche zu einer Lagerhalle und dann zu einem Theaterhaus umfunktioniert worden war. In Folge des Konkordats war ein öffentliches Ausleben religiöser Überzeugungen erneut möglich geworden. Dies erklärt die „Renaissance“ der Heiligen-Darstellungen im öffentlichen Raum. Man beachte ihre überdimensionale Größe für den Betrachter. Doch auch heidnische Gottheiten haben Anspruch auf Darstellung. Merkur und Fortuna beschirmen die Kunden der „Staatssparkasse“ an der Place de Metz. Die Büste Merkurs schmückt den Haupteingang des ehemaligen BIL-Hauptsitzes am Boulevard Royal (heute Banque Centrale). Bacchus grüßt die Kunden eines Geschäftshauses an der Kreuzung Rue de Bonnevoie/Avenue de la Gare. Sternzeichen zieren die Uhr am Giebel des Postgebäudes (Rue Aldringen). Venus ziert zusammen mit Merkur, dem Schutzherrn von Handel und Industrie, den Garten des ehemaligen Wohnhauses des Architekten Mathias Martin (Av. Gaston Diderich). Zu den sehenswertesten Darstellungen gehört die Krönung Merkurs durch Viktoria am Tympanon des ARBED-Palastes. Weltkugeln in Bronze deuten auf die internationale Bedeutung des ehemaligen ARBED-Konzerns hin (BCEE, Avenue de la Liberté). Der Staat und die Stadt als Garant für Erfolg und Wohlstand Spannend wird die Frage des „Zeichens“ bei Vereinen oder staatlicher Verwaltungen. Die Fassade des katholischen Volkshauses (Boulevard Royal/Avenue Emile Reuter) zierte eine Herz-Jesu Darstellung. Die Société du Casino (heute Casino, forum d’art contemporain) hatte mehrheitlich Unternehmer und Rechtsexperten vereinigt. Die Fassade des Gebäudes zeigt klar den Anspruch dieser Aktiengesellschaft: der Staat dient als Garant für Erfolg und Wohlstand. Die Fassade zur Seite des Bd Roosevelt zeigt eine Darstellung des Staatswappens umgeben von den Symbolen der Siegespalme und der Fruchtgirlande. Das Portal des ehemaligen Gerichtshofs zeigt ein sehr ähnliches Motiv. Eine längere Auseinandersetzung zur Auswahl der Symbolik am Abgeordnetenhaus hatte stattgefunden. Engel, als Boten zwischen Himmel und Erde, tragen die Gesetzesrolle, die Staatskrone das Füllhorn als Zeichen des Wohlstands. Doch auch Büsten hochgestellter Persönlichkeiten finden ihren Platz an Gebäuden. Die Darstellung der luxemburger Kaiser, Grafen, des Prinz-Leutnant Heinrich der Niederlande und seiner Frau Amalia, des König-Großherzogs Wilhelm III zieren die Hauptfassade des Bahnhofgebäudes. Hinzu kommen politische Persönlichkeiten, welche sich für den Bau der Eisenbahn in Luxemburg eingesetzt hatten. Attribute der Regierungsmacht und der Gerichtbarkeit rahmen das Staatswappen am Giebel der Schalterhalle. Als Erinnerung an Luxemburgs Existenz im Mittelalter wurden im Hof des großherzoglichen Palais, die Helme mit den Wahlsprüchen Heinrichs VII und Johann des Blinden abgebildet. Die im 19. Jhdt gewonnene Unabhängigkeit wurde mit den mittelalterlichen Freiheiten gleichgestellt. Doch auch an Gräfin Ermesinde und an Peter Ernest von Mansfeld, Gouverneur von Luxemburg, wird erinnert. Die Existenz des „neuen“ Luxemburgs sollte somit historisch berechtigt werden. Natur, Eitelkeit und Schönheit Aber auch die Erbauer zeigen sich gern, wie die Büste Alexander Rüdells am Bahnhofsgebäude belegt. Bereits Adam Roberti, der „Baumeister“ des ehemaligen Stadthauses (1572, heute Palais grand-ducal) hatte sein Antlitz diskret in die Fassade eingefügt! Bahnhofsvorsteher Josef Junck ist am Verwaltungstrakt des Bahnhofsgebäudes dargestellt. Er trägt diskret hinter dem rechten Ohr das Abzeichen der Freimaurerloge, dessen Großmeister er war. Menschliche Schönheit dient ebenfalls als Schmuck. Der ideelle Mensch in Stein, meist weiblich, grüßt die Passanten in der Grand-Rue, an der Ecke Rue Origer/ Place de Paris, Rue Michel Welter, am Haus „Steckeisen“, um nur diese zu nennen. Jugendstil greift wohl auf weibliche Motive zurück, doch bringt er die Natur als Hauptmotiv ins Spiel. Dabei werden Pflanzen aus der Heimat gegenüber der üblichen mediterranen und antiken Welt gerne dargestellt. So auch an dem mit Kastanienblättern geschmückten Portique des Cercle/Cité am Place d’Armes. Streng und geradlinig: Die Fassaden des 19. Jahrhunderts wirken „ordentlich“. Regelmäßig angelegt mussten sie sein, um Licht und Luft in die Stadt hineinzulassen. Vorund Rücksprünge an Fassaden waren aufs strengste geregelt. Jede Schmutzecke sollte vermieden werden. Sauber wohnen war die Devise im Zeitalter der Wasserleitung und des Abwasserkanals. Denkmäler verraten ihre Lobbyisten Denkmäler sind sehr starke Zeichen. Man stelle sich die Frage, wer eigentlich Recht auf ein eigenes öffentliches Denkmal hat, oder wer nur stolz darauf sein darf, einer Straße seinen Namen gegeben zu haben. Oder genügt ein von Freunden errichtetes Denkmal im Stadtpark oder am Friedhof? Denkmäler haben wohl öffentlichen Anspruch, doch stellen sie nur die Macht, Werte und Interessen der Projektträger dar. Der Anspruch auf „national“, gilt in dem Sinne, dass auf Landesebene Geld von einem Vorstand für das Projekt gesammelt wurde. Mit „Amalia“ im Stadtpark und der Einweihung des „Edicule Not- 13 s DCK 3/2015 re Dame“ 1876 huldigte Luxemburg gleich zwei Frauen. Männer erhielten Denkmäler erst im Nachhinein. In Frankreich sprach man Ende des 19. Jahrhunderts von einer „Statuomanie“. Das Interesse für historische und kulturelle Persönlichkeiten diente der Stadtverschönerung, und zielte meist auf eine Aufwertung der anliegenden Grundstücke. Das Stadtdenkmal entspricht einem neuen Lebensstil und kennzeichnet die offene Stadt. „Amalia“ und „Willhem II“ (1884) kann man auch als „akademische“ Denkmäler bezeichnen. Das über den Wahlzensus gewählte Bürgertum entschied sich die neugeschichtlichen Herrscher als Garant für Luxemburgs Unabhängigkeit zu feiern. Gemein ist beiden Denkmälern, dass sie von international angesehenen Künstlern geschaffen worden sind. Man sieht sich in Verbindung mit ähnlichen Darstellungen im Ausland. Beim „Dicks/Lentz-Denkmal (1903) ist dies ganz anders: Hier geht es nicht nur um die beiden Dichter, Edmond de la Fontaine und Michel Lentz, sondern um die Luxemburger Sprache, die zunehmend auch die Sprache der Abgeordneten werden sollte. Der Anspruch auf mehr Demokratie ist bei der Ausrichtung des Denkmals nicht zu leugnen. Es wurde, entgegen der Fürstendenkmäler, von einem luxemburgischen Architekten geschaffen, von einem luxemburgischen Bildhauer verwirklicht und in Luxemburger Stein gefasst. 1897 hatte der Unternehmer Léon Conrot den Eckturm seines Hauses am Krautmarkt mit Versen der „Hémecht“ und des „Feierwon“ sowie mit dem Nationalwappen verziert. Bilden Staat und Sprache eine Einheit, oder ist es ein Augenzwinkern an Carl Mathias Spoo der 1896 den Abgeordneten-Eid in Luxemburger Sprache geleistet hatte? Schließlich steht Conrots Bau in der Fluchtlinie des Hohen Hauses. Der Erde entsprungen Staatsminister Paul Eyschen setzt sich konsequent für den Rückgriff auf Luxemburger Baumaterial bei öffentlichen Bauten ein. Der ehemalige Staatsarchitekt, Sosthène Weis, huldigt seinem Einsatz mit einem Grabmal in Ernzener Stein. Dass die Adolf-Brücke das Identitätsbewusstsein der Luxemburger tief prägt, kommt nicht von ungefähr. Es geht hier nicht allein um technisches Können. Die Brücke musste „sentir le terroir“, sozusagen natürlich dem Boden entsprießen. Dafür wurde auf Baumaterial aus Luxemburger Steinbrüchen zurückgegriffen. Doch das genügte nicht. 1895 hatten die Rümelinger Brasseur Lambert & Cie Zementwerke, Eyschen eine künstliche Grotte aus Beton geschenkt. Ihm war nun klar, dass dieses moderne Baumaterial auch ein Zeichen eines modernen Luxemburgs ist. Es musste seinen Platz in diesem Bauwerk erhalten. Eyschen hatte zudem begriffen, dass Luxemburgs Mittelklasse nur Zukunft hat, wenn sie sich weiterbildet, sich den Errungenschaften der Technik stellt und selbst Verantwortung übernimmt. So fordert er die Schüler der von ihm gegründeten Handwerkerschule dazu auf, die Motive der Skulpturen an der Brücke zu entwerfen. Er wird dies auch DCK 3/2015 s 14 beim Bau des Postgebäudes am Piquet verlangen. Der Luxemburger stellt nicht nur sein Können unter Beweis, er zeigt auch seine Kreativität. Luxemburgs Stahlproduktion bleibt dabei nicht Außen vor. Wohl verzichtet man auf die Vorschläge Paul Wurths und des Omnium immobilier eine Stahlbrücke über das Petrusstal zu errichten. Stolz ist man auf das 1913 eröffnete „Nouveau Paris“, dieses Großwarenhaus, welches bereits mit den „Galeries Lafayette“ zusammenarbeitete. Ein Stahlkorsett erlaubt es nahezu gänzlich auf eine Fassade und Zwischenwände zu verzichten, um Auslagefenster zu schaffen. Modern oder konservativ? Beachtenswert ist, dass der Jugenstil sich in zentralstem Raum frei entfalten durfte (Rue du Curé, Grand’Rue, uvm), wobei beim Wiederaufbau in Flandern nach dem ersten Weltkrieg Jugendstil in Zentrumslagen untersagt war. Luxemburgs Badeanstalt wird vom Experten August Oslender als „prouesse technique“ bezeichnet. Luxemburg war offen für neue Erfahrungen. Sozial und funktional getrennt Welcher wirtschaftliche Sinn gilt den inzwischen wertlosen Militärbrachen? Diese Herausforderung erforderte eine Aufteilung des Stadtgebiets in Zonen: eine Wohnzone für das mittlere Geschäfts- und Industriebürgertum in unmittelbarer Nähe zum Bahnhof (Rechts und links der Avenue de la Gare), Villenviertel für Aktienbesitzer großer Unternehmer, welche ihren Sitz in der Hauptstadt hatten, Areale welche Unternehmen als „Leuchttürme der Wirtschaft“ aufnehmen konnten. Diese Verwaltungssitze sollten ertragskräftige Einwohner anziehen, welche den lokalen Handel stärkten, aber nicht mit ihm in Konkurrenz traten. Der Staat als Eigentümer der Militärbrachen und als Gesetzgeber verfügt hier über große Machtfreiheit. Der Hauptbahnhof wird in der Achse der Avenue de la Liberté errichtet. Der Uhrturm am Bahnhofsgebäude zeigt, dass Vernetzung und Handel mit dem Ausland Wohlstand bringen. Die gesamte Wirtschaft läuft im Zeitplan der Uhr, bietet Arbeitszeit, Fahrzeit, Freizeit! Die zur Stadt hingerichtete Front der Place de Paris musste im Monumentalstil errichtet werden. Joseph Nouveau, Schüler von Victor Laloux ( Architekt z.B. der Gare d’Orsay) hatte die Idee geliefert in „pariser Stil“ zu bauen. Die repräsentative Architektur sollte klar zeigen, dass man den suburbanen Raum um Hollerich verlässt, und nun den zentralen Teil der Stadt betritt. Eyschen setzte sich dafür ein, dass die Eisenbahndirektion und die Staatssparkasse ihren Sitz am Place de Metz erhielten. Ihre Architektur musste einen Brückenkopf schaffen. In der Abgeordnetenkammer führte er den Vergleich Ehemaliger Justizpalast an, der Turm der Sparkasse solle, nach dem Vorbild der St. Michaelkirche in der Altstadt, das neue Stadtbild beherrschen. Dabei war klar, dass Wirtschafherrschaft Vorrang vor jeder weiterer Symbolik habe. In diesem Sinne war es Eyschen auch gelegen, den „Jardin creux“ am Boulevard Royal aufzugeben. Hier wird die Banque Internationale à Luxembourg ihren Sitz errichten (heute Sitz der Banque Centrale). Zwischen diesen beiden Polen, Place de Metz und Banque Internationale wird sich Luxemburgs Bankenplatz entwickeln. Ein persönliches Anliegen Eyschens war die Schaffung von Sozialversicherungen. Demnach durften die „Assurances Sociales“ nicht im Stadtbild fehlen. Ein Staatsgelände entlang der Rue Ste Zithe wurde dafür zurückbehalten. Postgebäude, rue de la Poste Gibt es nun einen typisch luxemburgischen Baustil? Im Zeitalter des Historismus beschäftigte diese Frage die Gesellschaft sehr stark. Zusammenfassend sei gesagt, dass die Überzeugung getragen wurde, jede Funktion definiere ihren eigenen Baustil. Ausländische Experten wurden nach Luxemburg berufen um öffentliche Projekte zu begutachten oder gar Projekte einzureichen. Die allermeisten luxemburgischen Architekten der Jahre 1850 bis 1920 hatten sowohl in einem deutschsprachigen als auch in einem französischsprachigen Land studiert. Modellbücher und Architekturmagazine waren im Umlauf. Ludwig Levy hatte den Bau der Synagoge entworfen, Charles Arendt führte das Projekt aus. Der ebenfalls deutsche Architekt Alexander Rüdell hatte den luxemburgischen Architekten Nicolas Petit damit beauftragt, den Bau des Bahnhofsgebäudes zu beaufsichtigen. Sosthène Weis als Chefarchitekt der ARBED stand dem französischen Architekten René Théry beim Bau des Sitzes dieses Unternehmens zur Seite. Bauträger wie auch Architekten, Ingenieure oder Abgeordnete waren viel gereist, verfügten über private Bildaufnahmen. Studienreisen ins Ausland wurden für größere Projekte organisiert (Postgebäude, Laboratoire, Aldringenschule, Fondation Pescatore, uvm). Man besuchte internationale Messen. Als „Weltenbürger“ wollte man „internationale“ Architektur umsetzen. Dieser Ansicht traten Charles Arendt und Antoine Hirsch entschieden entgegen. Ersterer forschte nach dem „altluxemburger” Haus, wobei der Direktor der Handwerkschule sich um „ Bau- und Wohnprobleme der Gegenwart“ sorgte, und sich Häuser für mittelständisches Bürgertum wünschte, welche dem Klima, der Geschichte, der Bodenbeschaffenheit entsprechen, welche auf lokale Baumaterialien zurückgreifen. Handwerkliche Kunst stellte sich austauschbarer Baukultur mit industriellem Charakter entgegen. Die ersten Siedlungen in Belair oder Limpertsberg sind bis heute Zeichen diese Suche nach dem eigentlichen „Heimathaus“. Ehemaliger Justizpalast Luxemburger Baukultur 15 s DCK 3/2015 Bibliografie: Palais grand-ducal BCEE, place de Metz - ALS, Nicolas; PHILIPPART, Robert L., La Chambre des Députés, Luxembourg, 1994. - ARENDT, Karl, Die altluxemburgische Bauernwohnung auf der nationalen Ausstellung cvon 1904, Luxembourg, 1905. - IDEM, Die projectirte (sic) Marienstatue, Luxembourg, 1862. - CLARK, Kenneth, L’Art du paysage, Paris, 1994. - D’HAENENS, Albert, Le texte est autre chose que le fait dont le faire est absent, Théoriser la trace, Louvain-la-Neuve, 1988. - DUBY, Georges, Histoire de la France urbaine, Paris, 1983. - ECCO, Umberto, Histoire de la beauté, Milan, 2004 - GILBERT, Pierre, Luxembourg et ses architectes, Luxembourg, 1986. - HARPES, Jean, Vieilles demeures nobiliaires et bourgeoises de la ville de Luxembourg, Luxembourg, 1959. - Handel und Wandel, in Das Luxemburger Land in Wort und Bild, 14 avril 1895 - HELLINGHAUSEN, Georges, La vie religieuse, in la ville de Luxembourg, Anvers, 1994. - HIRSCH, Antoine, Bau und Wohnprobleme der Gegenwart, Luxembourg, 1914. - KOLTZ, Jean-Pierre, Baugeschichte der Stadt und Festung Luxemburg, t.2&3, Luxembourg, 1946 & 1951. - LES CHEMINS-PHILATELISTES 61 Luxembourg, Gares et haltes des chemins de fer luxembourgeois, , Luxembourg, 1984. - LIPOVETSKY, Gilles ; SERROY, Jean, L’esthétisation du monde, Mesnils-sur-l’Estrée 2013. - LORANG, Antoinette, Avenue de la Liberté et plateau Bourbon, späthistoristische Architektur in Luxemburg, in PSH, N°109, Luxembourg, 1989. - MARGUE, Paul, Notizen über den Fischmarkt im 17. 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Richtigstellung betreffend den Artikel von Herrn Philippart zum Thema Norddeputierte im dck 1/2015: Herr Mathias Thinnes war Bürgermeister in Weiswampach, nicht Herr Jean-Pierre Jérôme Thinnes. Einen Bürgermeister von Binsfeld gab es nicht. Jean-Pierre Jérôme Thinnes gebürtig aus Binsfeld war Abgeordneter von 1891-1918. DCK 3/2015 s 16
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