Unser schönes Samland - Kreisgemeinschaft Fischhausen eV

Unser
schönes
Samland
Samländischer Heimatbrief
der Kreise Fischhausen und Landkreis Königsberg/Pr.
208. Folge
Winter 2015
Blick über den Festungsgraben zum Eingang der Zitadelle in Pillau
IV/2015
Inhaltsverzeichnis
Aktuelles
Liebe Samländerinnen und Samländer! ............................................................................ 3
Liebe Landsleute aus dem Landkreis Königsberg, ........................................................... 6
Das Ende des Samland-Museums in Minden.................................................................... 6
Kreistreffen in Minden ...................................................................................................... 39
Kreistreffen in Pinneberg 2015 ....................................................................................... 64
Aus den Ortsgemeinschaften
Cranz ................................................................................................................................. 9
Pobethen.......................................................................................................................... 11
Neukuhren........................................................................................................................ 12
Germau............................................................................................................................ 24
Pillau - 61. Heimattreffen.................................................................................................. 34
Pillau ................................................................................................................................ 82
Rauschen ........................................................................................................................ 43
Metgethen......................................................................................................................... 87
Flucht und Vertreibung
Flucht von Kobbelbude .................................................................................................... 16
Überleben in Grünwalde 1945 - 1948 ............................................................................ 21
Gedichte
Januar von Werner Krause. .................................................................................................. 10
Martinsgans von Margarete Gause. ...................................................................................... 50
Ballade vom Engel von Pillau........................................................................................... 82
Geschichte und Kultur im Samland
Erinnerungen an vergessene Orte im Samland: Seerappen............................................ 26
So war es damals
Ein samländisches Frauenschicksal 1898 bis 1981......................................................... 29
Palmnicker Geschichten: Unser Sanitätsrat Dr. Lehnert
............................................ 68
Das Samland heute
Brachert-Museum wurde modernisiert ............................................................................ 33
Notizen aus dem Samland .............................................................................................. 48
Heimatbilder, die ich gemalt habe - Georgenswalde von Edgar Schumacher.................................... 51
Segelflug in Rossitten im Jahre 2015 .............................................................................. 56
2
Reiseberichte
Sarkau im August 2015 .................................................................................................. 58
Besinnliches und Heiteres
Glückliche Fügungen in schwerer Zeit ............................................................................ 72
Wie es zu dem Spitznamen des Kreisjägermeisters kam................................................ 76
So, bischt Du au a Flichtling? .......................................................................................... 77
Oma Nehmkes Gesangbuch .......................................................................................... 79
Nie vergessene Heimat ................................................................................................... 83
Der Wolfskinder-Roman aus Litauen ............................................................................... 85
Verschiedenes
Bücherecke ...................................................................................................................... 88
Suchanzeige .................................................................................................................... 90
Wo sind sie geblieben? ................................................................................................... 90
Veranstaltungen ............................................................................................................... 91
Glückwünsche ................................................................................................................. 92
Ein stilles Gedenken ...................................................................................................... 107
Traueranzeigen .............................................................................................................. 108
Spenden für das 3. Quartal 2015 .................................................................................. 109
Impressum...................................................................................................................... 115

Liebe Samländerinnen und Samländer!
F
ür uns Samländer brachte das scheidende Jahr 2015 viele Gelegenheiten, sich mit Heimatfreunden zu treffen,
sich gemeinsam zu erinnern und den
vertrauten Stimmen zu lauschen. Und
es war das Jahr der Jubiläen – wie unser
Vorstandsmitglied Wolfgang Sopha bei
seiner Ansprache zur Eröffnung des
Kreistreffens in Pinneberg hervorhob.
Die Kreisgemeinschaften Fischhausen
und Königsberg Land konnten beide auf
65 Jahre ihres Bestehens zurückblicken,
das ist eine erstaunliche Leistung in Anbetracht unseres mittlerweile erreichten
Altersdurchschnitts.
Das 50-jährige Jubiläum konnte die
Gemeinschaft Junger Samländer feiern,
die diesen besonderen Jahrestag in Pinneberg während unseres Kreistreffens
beging. Über einige Treffen können Sie
an anderer Stelle im Heft mehr erfahren.
3
Wenn es auch immer wieder Stimmen
des Bedauerns gibt, Vergleiche gezogen
werden: „Vor zehn Jahren waren bestimmt noch dreimal so viele Besucher
da!“ Das ist der Zahn der Zeit und nicht
auf mangelndes Interesse zurückzuführen. Alter und Gesundheitszustand
unserer Heimatfreunde fordern zwangsläufig ihren Tribut und hindern viele an
der doch oft beschwerlichen und auch
kostspieligen Anreise.
realistisch und machbar ist, wo können
und müssen wir sparen, was sollte unbedingt entsprechend unserer satzungsgemäßen Aufgaben erhalten werden. Mit
diesen Fragen und Problemen müssen
wir uns nicht alleine auseinandersetzen, das betrifft die Landsmannschaft
Ostpreußen ebenso wie die anderen
ostpreußischen Kreisgemeinschaften,
und in einem Vergleich stehen wir gar
nicht so schlecht dar.
Wenn auch der wehmütige Blick zurück für uns dazu gehört – in mehrfacher
Hinsicht – so können wir doch mit dem,
was wir heute noch auf die Beine stellen, durchaus zufrieden sein. Wolfgang
Sopha betonte dies auf der Versammlung
der Ortsvertreter:
Dabei ist auch die offene Frage nach
unserem „Nachwuchs“ von zentraler
Bedeutung. Wenngleich der Vorstand
der Kreisgemeinschaft Fischhausen ein
relativ niedriges Durchschnittsalter hat,
so werden auch wir älter. Und bei den
Jüngeren unter uns sind es hauptsächlich die Anforderungen durch Familie
und Beruf, die ein zeitlich intensiveres
Engagement schwierig machen. Im Gegensatz zu früher, als unsere finanzielle
Situation noch einen Einsatz von bezahlten Arbeitskräften möglich machte,
müssen wir mittlerweile alle Aufgaben
unserer Gemeinschaft auf ehrenamtlicher
Basis durchführen. Wir können deshalb
jede Hilfe gebrauchen, denn wenn sich
die Belastungen auf mehrere Schultern
verteilen, wird es für den Einzelnen auch
wieder leichter zu tragen.
Wir sind in der Lage, viermal im Jahr
einen durchaus lesenswerten Heimatbrief
heraus zu geben, der von über 3.000
Abonnenten jedes Mal sehnsüchtig
erwartet wird. Wir können eine sehenswerte Samlandausstellung präsentieren,
die auch Nicht-Ostpreußen einen informativen Überblick zur Geschichte und
Kultur des Samlandes vermittelt. Bei
unserem Kreistreffen konnten wir um
die 100 Besucher begrüßen. Wir haben
einen guten und herzlichen Kontakt zu
den politisch Verantwortlichen und den
Heimatverbänden in unserem Patenkreis,
was wir regelmäßig an der Zahl unserer
Ehrengäste beim Kreistreffen wahrnehmen können.
Aber: wir müssen uns der Frage stellen,
was unter den veränderten Umständen –
rückläufige Mitgliederzahlen und damit
einhergehende Spendenabnahmen noch
4
Wir wollen Sie schon jetzt auf die
Vorstandswahl im September 2016 hinweisen. Vielleicht haben Sie ja Interesse,
für ein Amt zu kandidieren, um uns zu
unterstützen? Dazu muss man kein Ortsvertreter sein, jedes Mitglied der Kreisgemeinschaft Fischhausen – also jeder
Leser des Samlandbriefes – kann sich zur
Wahl stellen oder vorgeschlagen werden.
Falls Sie Fragen dazu haben, nehmen Sie
Kontakt mit uns auf, eine Entscheidung
muss noch nicht gleich gefällt werden,
Sie können in Ruhe darüber nachdenken.
An dieser Stelle sei auch unseren
fleißigen und aktiven Ortsvertreterinnen und Ortsvertretern gedankt, die
sich teils schon seit Jahrzehnten mit
großem Einsatz um ihre Gemeinschaften bemühen und großartige Treffen
veranstalten. Sie sind das Rückgrat und
die Basis unserer Heimatarbeit. Auch
hier ist Unterstützung durch Jüngere
angebracht. Sprechen Sie Ihre Ortsvertretung doch einmal an, wie Sie helfen
könnten. (An dieser Stelle möchten wir
darauf hinweisen, dass es sinnvoll ist,
Anschriftsänderungen und Todesfälle
direkt an Ihre Ortsvertretung zu melden.
Diese sollten dann Ihre Mitteilungen an
die Geschäftsstelle weitergeben. Dieses
ist der beste Weg, um die Belastungen
für die nur noch ehrenamtlich geführte
Geschäftsstelle zu begrenzen.)
Wir kommen aber nicht darum herum,
es deutlich auszusprechen: Leider wird
unsere wirtschaftliche Situation mit abnehmender Mitgliederzahl schwieriger.
Für das Jahr 2014 mussten wir einen
Rückgang der Spenden um 9 Prozent
feststellen! Wenn die Auswertung für
2015 zwar noch aussteht, so kann man
doch ganz eindeutig die Marschrichtung
erkennen. Auch hier hilft kein Weinen
und Klagen, wir müssen nachdenken,
wie wir mit diesen Einschränkungen
umgehen können.
Eine Möglichkeit wäre, verstärkt Werbung für den Samlandbrief im Verwandten- und Bekanntenkreis zu machen. Je
mehr Leser wir haben, umso günstiger
wird das einzelne Heft in der Herstellung, verlieren wir Leser, so sind die
Einsparungen minimal. Vielleicht fällt
Ihnen jemand ein, der sich für das Samland interessiert? Wir schicken Ihren
Angehörigen gerne ein Probeheft zu.
Wir möchten uns bei allen Mitgliedern, Lesern und Spendern bedanken,
dass Sie uns die Treue halten und mit
Ihren Beiträgen der verschiedensten Art
für die weitere Existenz unserer Kreisgemeinschaft und des Heimatbriefes
gesorgt haben und weiter sorgen. Wir
bitten Sie deshalb sehr herzlich, auch
zukünftig Ihre Spendendittchen für den
Heimatbrief nicht zu vergessen, jede
noch so kleine Spende zählt. Wir sind
zuversichtlich, dass wir auch in Zukunft
gemeinsam noch einiges auf die Beine
stellen können.
Wir wünschen Ihnen und Ihren Angehörigen eine besinnliche Adventszeit,
ein friedliches Weihnachtsfest und ein
glückliches neues Jahr, und - bleiben
Sie gesund.
Klaus A. Lunau
- Kreisvorsitzender -
Marion Gehlhaar
- Stellvertretende Vorsitzende -
Monika Ziegler
- Schatzmeisterin -
5
Liebe Landsleute aus dem Landkreis Königsberg,
liebe Freunde unseres Landkreises!
P
assend zum ersten Advent werden
Sie diesen Samlandbrief in Empfang
nehmen können. Ich bin sicher, dass er
Ihnen wieder viel Neues und Interessantes bringen wird und hoffe, dass Sie in
der Vorweihnachtszeit Muße haben, ihn
in Ruhe zu lesen.
Trotzdem dürfen wir nicht verzagen
und müssen mutig in die Zukunft sehen.
Das ist das wichtigste, was wir uns für
Weihnachten und das Neue Jahr vornehmen sollten; denn das war es, was uns
trotz aller schweren Schicksalsschläge
ausgezeichnet hat.
Vor uns liegen das Weihnachtsfest
und das Jahr 2016. Wir haben Frieden in
unserem Land, auch wenn die große Not,
die allenthalben auf der Welt herrscht,
nun auch an unsere Türen klopft. Wir
wissen nicht, was noch auf uns zukommen wird, wir wissen aber, dass wir wohl
nicht mehr auf der „Insel der Seligen‘“
leben werden.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen
und Ihren Familien ein gesegnetes Weihnachtsfest und alles Gute im Jahr 2016.
Ihre Gisela Broschei
Kreisvertreterin
Heimatkreisgemeinschaft Königsberg-Land
Das Ende des Samland-Museums
in Minden
S
o ändern sich die Zeiten! Im Jahre
1955 war es der Kreis Minden, der
unserer Kreisgemeinschaft von sich aus
anbot, im neuerbauten Jugendheim auf
der Lutternschen Egge ein Königsberger
Zimmer einzurichten.
Zur Ausstattung des Zimmers übersandte die Heimatkreisgemeinschaft
dem Landkreis einige Bilder und Bücher
aus der Heimat. Der Fischer Richard
Kiemusch fertigte einen Kurenwimpel
an, mit Symbolen und Erinnerungsstücken wurde die Sammlung erweitert.
Das war der bescheidene Anfang unserer
Museumstätigkeit.
6
Mit dem Bau des neuen Verwaltungsgebäudes der Kreisverwaltung MindenLübbecke in Minden, Portastraße 13,
wurde ein Ostpreußenzimmer mit Büro
zum Unterbringen der Kreisakten und
der Heimatkartei eingeplant. Nach Fertigstellung der vorgesehenen Räume
Ende 1975 zog die Kreisgemeinschaft
in das neue Gebäude.
Um mehr Ausstellungsstücke zur Verfügung zu haben, wurden die Landsleute
aufgerufen, der Kreisgemeinschaft Erinnerungsstücke aller Art zur Verfügung
zu stellen. Der Aufruf hatte Erfolg: Ur-
kunden, Bilder, Modelle, Zeichnungen,
Pläne von Gebäuden, Landwirtschaft,
Fischerei, Handel, Handwerk wurden
zur Verfügung gestellt, ebenso auf der
Flucht getragene Kleidungsstücke und
Lederzeug. So wurden wir u.a. Besitzer
des Sattels unserer langjährigen Kreisältesten, Gerda Weiß, mit dessen Hilfe
sie ihre Flucht von Fuchsberg, Kreis
Königsberg, bis Syke in Niedersachsen
geschafft hatte.
Durch die Aktion konnte die Kreisgemeinschaft die Heimatstube einigermaßen wirklichkeitsgetreu und repräsentativ darstellen. Mit wie viel Engagement
und Verständnis unser Patenkreis unsere
Belange unterstützte, zeigt die Tatsache,
dass er uns die Räume am 22. Oktober
1975 in einer gemeinsamen Sitzung
übergab. Deshalb war es auch von unserer Seite selbstverständlich, diese Räume
dem Kreis wieder zur Verfügung zu stellen, als dieser sie für seine erweiterten
Aufgaben benötigte. Auch jetzt löste der
Kreis das Problem und stellte uns im Ge-
Der Kurenkahn ist eines der besonderen Stücke im
Samlandmuseum. Foto: Laubstein
genzug vier schöne Ausstellungsräume
im inzwischen als Kommunalarchiv genutzten alten Kreishaus zur Verfügung.
Schließlich kam es für unsere Geschäftsstelle und die heimatlichen Sammlungen
zu dem idealen Standort, als
das englische Militär 2001
aus Minden abzog, und wir
in die obere Etage der ehemaligen Defensionskaserne
am neugestalteten Simeonsplatz einziehen konnten.
Hier glaubten wir nun eine
endgültige Bleibe gefunden
zu haben.
Der von Richard Kiemusch gefertigte Kurenwimpel verwist auf den
Ort Schaaksvitte. Foto: Laubstein
Umso größer war die Bestürzung, als uns der Kreis
Minden-Lübbecke im Spätsommer 2015 eröffnete,
dass wir zum Jahresende
7
Geschäftsstelle und Samland-Museum
zu räumen hätten. Die Organisation des
gesamten Preußen-Museums sei, so
erklärte man uns, auf den Landschaftsverband Lippe in Münster übergegangen
und dieser habe vor u.a. unsere Räume
wirtschaftlich zu nutzen. Der Kreis
könnte nicht mehr über das PreußenMuseum befinden.
unseres Treffens im September 2015
die heimatlichen Exponate, die nicht
in Lüneburg Aufnahme finden können,
unseren Besuchern gegen eine kleine
Spende anboten. Heimatliche Erinnerungen, die Stück für Stück gesammelt, mit
viel Fleiß und Ausdauer geordnet und
präsentiert worden waren, mussten nun
auseinandergerissen werden.
Uns blieb nichts anderes übrig, als
insbesondere für unsere Archivalien und
Ausstellungsstücke eine neue Bleibe zu
suchen. Es boten sich Gott sei Dank für
die Akten und Dokumente das Kulturzentrum im Schloss Ellingen und für
die Exponate das Ostpreußische Landesmuseum Lüneburg an.
Uns blieb nur der kleine Trost, dass
die besonders schönen Kostbarkeiten
in dem wunderbaren Ostpreußischen
Landesmuseum Lüneburg und in Schloss
Ellingen aufbewahrt werden. Auch die
Landsleute, die einzelne Stücke erwarben, werden sie sicher in Ehren halten.
Wir haben uns gefreut, dass z.B. Georg
Gau aus Groß Ottenhagen das Modell
der Ordenskirche aus Groß Ottenhagen
und Tatjana Gräfin Dönhoff das Modell
des Schlosses Friedrichstein in ihre Obhut nahmen.
Das bedeutet natürlich nicht, dass dort
Samland-Museen, wie eines in Minden
bestand, eingerichtet werden können.
Die Gegenstände werden, soweit möglich, in die dortigen Bestände eingegliedert. Das wir das erreichen konnten,
darüber sind wir trotz allem froh. Ein
anderes Kapitel ist unsere Geschäftsstelle. Hier sind wir noch im Gespräch mit
unserem Patenkreis, der uns versicherte,
an seiner Patenschaft festzuhalten.
Der Verlust unseres Museums wurde
besonders deutlich, als wir anlässlich
Um auf den Anfang zurückzukommen:
Was im Jahre 1955 mit viel Verständnis
und Entgegenkommen seitens des Kreises Minden begann, wurde 2015 mit
einem Federstrich beendet.
Ihre Gisela Broschei
Kreisvertreterin
Schöne Tage - nicht weinen,
dass sie vergangen, sondern lächeln,
dass sie gewesen.
8
Rabindranath Tagore
Meine lieben Cranzerinnen und liebe Cranzer,
liebe Landsleute aus den Nachbarorten und Freunde von Cranz!
D
as Herbstsemester
hat es meiner Frau
und mir ermöglicht wieder für vierzehn Tage in
der Heimat gesunde Luft
zu schnuppern. Zwar wurden wir mit
leichten Regenschauern empfangen,
doch zwischendurch gibt es immer
Pausen, in denen man die Umgebung
erkunden kann.
Doch zunächst eine kurze Rückschau.
Das Jahrestreffen in Pinneberg haben
wir – gesamt gesehen – gut über die
Runden gebracht, wenn auch die Anzahl
der Cranzer Besucher überschaubar war.
Sehr erfreut hat uns jedoch die Anwesenheit von Angehörigen der dritten
Generation.
Der Tod unserer Hilde Lehmann geb.
Borchert hat leider eine große Lücke in
unsere Gemeinschaft gerissen, hatte sie
doch bis zuletzt den weiten Weg vom
Schwarzwald bis nach Pinneberg nicht
gescheut und war zu jedem Kreistreffen
und Cranzer Treffen nach Pinneberg
gekommen. Als eine unserer ältesten
ehemaligen Cranzerinnen war sie eine
unerschöpfliche Wissensquelle, die noch
vieles aus eigener Anschauung erzählen
konnte. So lichtet sich die Reihe der
Erlebnisgeneration zunehmend und wir
können über jede schriftliche Darstellung, die über das Leben der Menschen
im alten Cranz berichtet, dankbar sein.
Beim Stöbern in alten Samlandbriefen fielen mir Gedichte über Cranz von
Die zugefrorene Ostsee vor Cranz ist ein reizvoller Spielplatz für die Kinder. Aufnahme aus den
20er oder 30er Jahren. Foto: priv.
9
Werner Krause in die Hände. 1988 hat
Krause seine Heimatgedichte unter dem
Titel „Erinnerungen an den Samlandstrand“ als Sammelwerk herausgegeben,
das von Werner Jonas und Arno Scholz
mit netten Illustrationen versehen wurde.
Werner Krause wurde 1911 als echter
Cranzer Bowke geboren. Er studierte in
Königsberg und Freiburg. In den Jahren
1972 bis 1984 wurden viele seiner Gedichte im Samlandbrief veröffentlicht.
Außerdem hat Krause mehrere Bücher
und Broschüren über unsere Heimat verfasst. Die Beschreibungen von Krause
über unsere Heimat sind so wirklichkeitsnah und schön geschrieben, dass wir
in unregelmäßigen Abständen durchaus
auch einen „älteren“ Autoren wieder zu
Wort kommen lassen sollten. Ich werde
mich bemühen die gesammelten Werke
aufzutreiben, um sie dann eventuell zum
Selbstkostenpreis anbieten zu können.
ich unter Umständen einmal vergesse
zu antworten! Bitte nicht böse sein,
aber ich glaube, dass mir bei meinem
„jugendlichen“ Jahrgang so etwas schon
einmal passieren darf! Danke auch für die
Spenden für unsere Geburtstagskarten
und den Gedenkstein.
Ich kann es nur immer wieder sagen:
Kommen Sie mit Ihren Angehörigen und
Freunden nach Cranz! Es mausert sich
die Stadt immer mehr zu einem gemütlichen Kurort.
Wir wünschen Ihnen allen eine besinnliche Weihnachtzeit und einen guten
Rutsch ins neue Jahr.
Ihr/Euer
Klaus A. Lunau und Frau Valentina
Bahnhofstr. 14, 30853 Langenhagen
Ich möchte nicht versäumen, mich
für die vielen Zuschriften zu bedanken.
Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass
Januar
Der neue Weg ist nun beschritten,
mit frischer Kraft geht es voran.
Das Jahr verbirgt noch seine Schätze,
die jeder von uns finden kann.
Das Jahr verbirgt noch seine Schmerzen,
Gefahr, die uns am Weg bedroht.
Am Himmel fern ein fahles Leuchten.
Ist‘s Feuersbrunst? Ist‘s Abendrot?
Ein kalter Wind weht uns entgegen.
Es knirscht der Schnee, es naht die Nacht.
Da blinkt ein Stern wie stiller Segen,
als ob er sagt: ihr seid bewacht!
10
Werner Krause
Liebe Neukuhrener!
W
enn Sie dieser Heimatbrief erreicht, neigt sich das Jahr 2015
seinem Ende zu. Ich stehe nun vor der
schweren Aufgabe, einen Beitrag für die
208. Folge des Samländischen Heimatbriefes „Unser schönes Samland“ zu liefern. Wahrlich eine „Herkulesaufgabe“ !
Nach dem zukunftsorientierten Bericht
in der 207. Folge über unser diesjähriges Ortstreffen in Timmendorfer Strand
will ich mich diesmal mit einem Bericht
aus der Vergangenheit des ehemaligen
Ostseebades Neukuhren an Sie wenden.
„Die Kette der Ostseebäder, welche
sich längst der samländischen Steilküste
dahinzieht, hat in dem bekannten Badeort Neukuhren eines ihrer schönsten
Glieder. Neukuhren gehört fraglos zu
den ältesten Badeorten, welche wir in
Ostpreußen haben, vielleicht zu den
ältesten Ostseebädern überhaupt. Die
landschaftlichen Reize brachten es mit
sich, dass der Ort von Naturfreunden
und Erholungssuchenden zu einer Zeit
aufgesucht wurde, als das Badeleben
in Ostpreußen noch in den Kinderschuhen steckte. Nicht nur der schönste
Spielplatz für kleine und große Kinder,
sondern auch der Ruheplatz für Erholungssuchende ist der Strand. Der Neukuhrener Strand wird durch 15 lange in
die See hinaus gebaute Buhnen gegen
das unermüdlich an der Küste nagende
Meer geschützt.
Oben auf dem bis 30 Meter hohen
Steilufer befindet sich die 700 Meter
lange Uferpromenade mit zahlreichen
bequemen Sitzplätzen, von der aus man
die herrliche Aussicht auf das Meer und
bei klarem Wetter bis zu den mächtigen
Sanddünen der Kurischen Nehrung hat.
An der Uferpromenade liegt auch das
der Gemeinde gehörige Kurhaus, das
schönste der samländischen Küste. Weiterhin nach Osten führt der neu ausgebaute, befestigte Weg, auf der einen Seite
vom Meer, auf der anderen Seite vom
Wald begleitet, bis zur Pracherschlucht.
Der Außenbereich des Kurhauses lud die Badegäste zum Verweilen ein.
Foto: priv.
Neukuhren hat in
dem hart am Westrand des Ortes gelegenen Lachsbachtal einen Naturpark
von ganz besonderer
Schönheit. Tief unten im Tal rauscht
der Bach. Steil, an
vielen Stellen fast
senkrecht, stürzt das
Ufer auf die Neukuhrener Seite zum
Bach ab, sanfter auf
der anderen Seite.
Im Tal befindet sich
11
große Pilzreichtum. Der Kenner kann
sich in kurzer Zeit ohne große Mühe
eine reichliche und wohlschmeckende
Mahlzeit zusammensuchen.
Das wildromantische Lachsbachtal. Sammlung: Klemm
Westlich von Neukuhren in der durch
die vorspringende Wanger Spitze gebildeten natürlichen Bucht liegt der
Seehafen, im Süden und Westen durch
die Küste, im Norden und Osten durch
lange in die See hinausragende Molen
abgegrenzt. Die Entwicklung des Fischereibetriebes, die in steigendem Maße zur
Verwendung starker seetüchtiger Motorkutter führte, machte die Anlage dieses
Schutzhafens an der an Stürmen so reichen Samlandküste dringend notwendig.
Es sind jetzt 20 solcher Motorkutter, eine
Anzahl von Segelbooten, sowie die dem
Ausflugsverkehr dienenden Motorboote
im Hafen von Neukuhren. Nachdem
die 1924 vollendete Verbindung der
Nordmole mit der Wanger Spitze der
inneren Versandung des Hafens durch
die vom Küstenstrand mitgeführten
Sandmassen vorgebeugt ist, wird an der
der Spielplatz, auf dem der Neukuhrener
Sportverein seine Fußballschlachten
gegen auswärtige Vereine ausficht. Oberhalb der langen Bahnüberführung der
Samlandbahn führt
der Weg zum Borstenstein, einem riesigen, durch irgendeine
Naturgewalt in zwei
Teile gespaltene Felsblock. Der Spalt ist so
breit, dass ein Mensch
hindurchgehen kann.
Es geht die Sage, dass
er sich schließt, wenn
der Hindurchgehende
am selben Tag gelogen hat. Eine besondere Eigenschaft des
Lachsbachtales ist der Die Schutz bietende Hafenanlage Neukuhrens.
12
Sammlung: Klemm
Vertiefung des Hafenbeckens und der
an der Nordostecke gelegenen Einfahrt
gearbeitet. Im Hafengebiet befindet
sich eine Rettungsstation für in Seenot
geratene Schiffe.
Interessant ist es besonders für den
Binnenländer, dem Betrieb im Hafen
zuzuschauen, wie die Fischerboote auslaufen und nach dem Fang zurückkehren,
wie die Fische verladen, Netze zum
Trocknen aufgehängt und geflickt und
Angeln mit Köderfischen besteckt werden. Einen herrlichen Ausblick bietet an
Sturmtagen die haushoch an der Nordmole aufspritzende Brandung. Oberhalb
des Hafens liegt die Fischersiedlung, die
den Fischerfamilien Unterkunft bietet.
Sie wurde in den Jahren 1920 bis 1922
gebaut und bildet mit ihren schmucken,
in sauber gehaltenen Gärten gelegenen
Häusern ein Dörfchen für sich.
Im Hafen befindet sich eine Untersuchungsstation zur Erforschung der
Wasserfauna unter Leitung der Universität Königsberg. In Verbindung hiermit
befindet sich im Kurhaus ein Schauaquarium, in welchem in 34 Schaubecken
Fische, Tiere und Pflanzen der Ostsee
und der Samländischen Binnengewässer
gezeigt werden. Es ist dieses das einzige
Aquarium der gesamten Ostseeküsten.
Aus dem wenigen, was bisher auf beschränktem Raum über die Schönheiten
Neukuhrens und des Samlandes gesagt
werden konnte, geht bereits zu Genüge
hervor, dass sich in der Nähe des Badeortes Neukuhren eine Reihe von Punkten
befindet, die als empfehlenswerte Ausflugsorte für Badegäste aus Neukuhren
zu empfehlen sind.
Hier ist in erster Linie das bekannte
Ostseebad Cranz im östlichen Samland
zu nennen, das in einer verhältnismäßig
kurzen Eisenbahnfahrt von 20 Minuten
zu erreichen ist. Von Cranz aus kann man
ohne große Mühe die Kurische Nehrung mit der weltbekannten Vogelwarte
Rossitten erreichen. Ein Spaziergang
von ca. 90 Minuten von Neukuhren
nach Rauschen offenbart dem Wanderer
weitere Reize des schönen Samlandes.
Als weitere Ausflugsorte
von Neukuhren aus werden
Warnicken, die Endstation
der Samlandbahn, mit dem
Warnicker Park und der
Wolfsschlucht sowie von
dort aus nach kurzer Wanderung in westlicher Richtung die Orte Groß-Kuhren
und Klein-Kuhren mit dem
Wachbudenberg und dem
Ort Finken genannt.“
Neukuhrener Fischer und ihre Frauen bei der Arbeit. Sammlung: Klemm
Soweit die Ausführungen
eines unbekannten Autors,
13
Die
Seebergpromenade
auf einer
Aufnahme aus den
30er Jahren
Foto: priv.
der das schöne Ostseebad Neukuhren
in seiner Struktur vor ca. 90 Jahren
beschrieben hat. Aber auch wir, die wir
diese Zeit nicht erlebt haben, erinnern
uns gern an unsere unbeschwerte Zeit
in Neukuhren und wissen jetzt, was wir
durch den unseligen Krieg für immer
verloren haben.
Es besteht nun bei einigen unserer
Landsleute der Wunsch, noch einmal
das heutige Neukuhren zu besuchen.
Das wurde bereits bei unserem 23. Ortstreffen deutlich. Ich habe am 5. Oktober
eine E-Mail von Brunhild Fricke, geb.
Mazannek, bekommen, mit der sie mir
mitteilt, dass sie mit ihrer Tochter und
ihrem Schwiegersohn gern eine Fahrt in
die „verlorene Heimat“ machen möchte
und auf der Suche nach Gleichgesinnten ist. Wir sollten uns daher Gedanken
machen, ob wir im kommenden Jahr
unser Vorhaben verwirklichen und eine
gemeinsame Fahrt nach Neukuhren
und Umgebung durchführen könnten.
Ich habe bereits zu einigen Landsleuten
14
Verbindung aufgenommen, um zu einer
Meinungsbildung zu kommen. Wenn bei
Ihnen Interesse an einer solchen Fahrt
besteht, wenden Sie sich bitte an mich.
Liebe Neukuhrener, wir freuen uns
nun schon auf das nächste Ortstreffen am
23. April 2016 im Hotel „Gorch Fock“ in
Timmendorfer Strand. Ich hoffe, dass wir
uns dann alle gesund und in alter Frische
wieder sehen werden. Bitte denken Sie
an die rechtzeitige Zimmerbestellung.
Schon heute wünschen meine Frau und
ich Ihnen eine besinnliche Adventszeit
sowie ein gutes und erfolgreiches Jahr
2016. Unseren kranken und nicht mehr
reisefähigen Landsleuten wünschen wir
alles Gute und baldige Genesung.
Mit lieben heimatlichen Grüßen
Ihr Ortsvertreter Dieter Weiß
Flucht von Kobbelbude
ins dänische Lager Klövermarken
A
m 25. Januar 1945 ging Mutter mit
uns zehn Kindern auf die Flucht.
Ich war damals knapp zwölf Jahre alt.
Papa war beim Volkssturm. Den Treckwagen bekamen wir vom Hofgut Caspari
zur Verfügung gestellt. Alte Leute und
kleine Kinder fuhren mit, wir älteren
Kinder liefen hinterher. Wir übernachteten in verlassenen Häusern, Scheunen
und Ställen.
Stalinorgel waren furchtbar, die Stadt
verwüstet: Überall hingen Metallbalkone
herab, in den Straßen waren Bombentrichter.
Eines Abends brachen wir zum Hafen
auf. Schwester Christel ließ ihren Koffer
am Straßenrand stehen: „Auf Wiedersehen.” Er war ihr zu schwer geworden.
Da noch kein Schiff da war, übernachteten wir ein letztes Mal
in einer großen Halle.
Überall Menschenmassen. Am Morgen
lag das große Passagierschiff „Deutschland” nicht im Hafenbecken, sondern
etwas weiter draußen.
Wir wurden mit kleinen Booten dorthin
gefahren, kletterten
über Strickleitern an
Bord. Meine Mutter
und hilfreiche Matrosen trugen die kleinsten Geschwister auf
Unbeschwerte Kindheit: mit der Oma in Kobbelbude, um 1937.
Foto: priv.
dem Arm. Die Jüngste, Irma, war noch
Ein Nachbar betreute den Wagen, ver- nicht einmal ein Jahr alt.
schwand allerdings in Zinthen plötzlich
Als wir an Hela vorbei fuhren, sahen
mit dem Fuhrwerk. Zum Glück war hier
unser älterer Bruder Kurt bei den Pan- wir den Bug untergegangener Schiffe
zergrenadieren stationiert. Er half uns, aus dem Wasser ragen. Dass unser mit
mit einem Wehrmachts-Lkw bis nach Flüchtlingen überfülltes Schiff einst ein
Luxus-Passagierdampfer war, zeigte
Danzig zu kommen.
ein Blick in Kabinen mit Badewannen,
Von Danzig ging es nach Gotenhafen, in denen das Wasser gespenstisch hin
dort blieben wir eine Woche in einem und her schwappte. Nach einige Tagen
verlassenen Haus. Die Geräusche der Fahrt stand das Schiff stundenlang still
15
Kinder der Familie
Diester im Lager Klövermarken, 1946.
Foto: priv.
auf hoher See. Wir hatten Angst, dass
uns ein Torpedo getroffen hatte, waren
jedoch auf eine Sandbank aufgelaufen.
Nach der Ankunft in Kopenhagen wurden wir nacheinander in zwei Schulen
untergebracht: der Bellahøj-Schule, wo
Stadt hinter
Stacheldraht:
Flüchtlingslager
Klövermarken bei
Kopenhagen.
Foto: Wikipedia
16
Mitte 1945 über tausend Flüchtlinge untergekommen waren, und der KirkebjergSchule. In einer der beiden schliefen wir
in einem Klassenzimmer auf den Pulten.
In der anderen in den Waschräumen auf
Stroh. Rund um Kopenhagen waren
sämtliche Schulen von der deutschen
In den Baracken schliefen wir
in Etagendoppelbetten. Der
Kanonenofen gab nicht viel
Wärme ab – wir Umsitzenden
haben eher den Ofen gewärmt.
Unter den Baracken, die auf
Pfählen standen, suchten wir
Kinder nach Brennholz. Aus
neu errichteten, noch leeren
Baracken holten wir die Abfälle
der Arbeiter, um sie zu verfeuern. Das war unsere Tagesbeschäftigung.
Konfirmationsattest, unterschrieben vom dänischen und deutschen Pfarrer. Foto: priv.
Besatzungsmacht zur Unterbringung der
Flüchtlinge beschlagnahmt worden. Als
nach Kriegsende dadurch kein Unterricht für die dänischen Schüler in ihren
eigenen Schulen möglich war, baute die
dänische Regierung ab Herbst 1945 ein
Barackenlager für 19.000 Flüchtlinge
auf dem Gelände des Kleinflugplatzes
Klövermarken.
Dorthin kamen auch wir Ende des
Jahres 1945. Das Lager wurde ständig
erweitert. Neue Baracken schossen wie
Pilze aus dem Boden.
Die Verpflegung war knapp
und eintönig. Wässrige Grütze wurde geschlagen, bis sie
als dicklicher Brei am Teller
klebte. Dann haben wir Kinder
aus Spaß die Teller umgedreht,
ohne dass die Grütze abfiel.
Mit einer Schöpfkelle füllten
wir Rübentee in unsere Kanne
ab. Für die kleinen Kinder gab
es bläuliche Milch. Von ihnen
haben viele die Lagerzeit nicht
überlebt.
Wir haben gesehen, wie tote Babys auf
der Ladefläche von Lkws abtransportiert
wurden. Dazu passen die Rechercheergebnisse der dänischen Ärztin Kirsten
Lylloff, die sich über die hohe Zahl von
deutschen Säuglings- und Kindergräbern
auf einem dänischen Friedhof gewundert
hatte. Von den mehr als 13.000 Flüchtlingen, die in dänischen Lagern starben,
waren über die Hälfte Kinder unter fünf
Jahren. Die meisten, so die Ärztin, an
durchaus heilbaren Krankheiten wie
Scharlach, Magen- und Darminfektionen.
17
An medizinische Versorgung kann ich
mich nur in der Anfangszeit erinnern, als
wir unter deutscher Besatzung noch in
den Schulen untergebracht waren. Meine
Schwester Liesbeth wurde an den Augen
operiert, und wir durften sie in der Klinik
besuchen. Als wir Kinder uns vor einer
Bäckerei in der Stadt sehnsuchtsvoll die
Nasen am Schaufenster platt drückten,
kam die Bäckersfrau heraus und drückte
uns schnell eine Tüte voll Backwaren
in die Hand. Bei diesem Ausflug besuchten wir auch die Erlöserkirche, um
deren Turm sich ringsum eine
Treppe mit Geländer windet.
Dort stiegen wir hinauf und
hatten einen Ausblick über
Kopenhagen.
ganz austreiben. Ein dänisch geradebrechter Satz, mit dem am Lagerzaun
die Wachsoldaten angesprochen wurden,
ist mir noch im Gedächtnis: Tysk pige,
elsker dig, har du en skod for min mor?
(Deutsches Mädchen, ich liebe dich.
Hast du eine Zigarettenkippe für meine
Mutter?)
An Schulunterricht kann ich mich nicht
mehr erinnern, aber an meine Konfirmation im April 1947 in der evangelischen
Kirchenbaracke in Klövermarken. In
In Klövermarken durften
wir das Lager nicht mehr verlassen. Das Gelände war mit
einem mannshohen Stacheldrahtzaun umgeben, Posten
liefen Wache. Ich erinnere
mich, dass einmal ein Wachposten ins Lager kam, meinen
kleinen Bruder Herbert auf
den Arm nahm und ihm ein
üppig belegtes Smörrebröd,
ein dänisches Butterbrot, gab.
Diese Freundlichkeit hat man
dem Posten wohl übel genommen. Danach durften unsere
Bewacher uns nicht einmal
mehr Äpfel über den Zaun
werfen. Der auf der anderen
Seite stehende Apfelbaum war
für uns unerreichbar.
Das konnte den Kindern ihre
kessen Sprüche jedoch nicht
18
Konfirmationsurkunde von Herta Diester vom 13. April 1947. Foto: priv.
Die Familie
Diester wieder
vereint in
Süddeutschland,
Weihnachten
1955.
Foto: priv.
Zweierreihen gingen wir nach vorne,
um von zwei Pfarrern eingesegnet zu
werden: dem deutschen Pfarrer Walter
Kienitz und dem dänischen Pfarrer Aage
Paulsen. Das nette dänische Pfarrerehepaar besuchte unsere Familie später in
Süddeutschland und schenkte uns einen
Flickenteppich und ein Bild mit einem
Engel, der schützend seine Arme über
zwei Kinder breitet.
Nachdem die Flüchtlingsrückführungen in die Zonen des besetzten Deutschlandes anliefen, fuhren wir im Sommer
1947 über Kolding in die amerikanische
Zone. In Dürrenmettstätten (BadenWürttemberg) blieben wir jedoch nicht
als Familie zusammen, sondern wurden
den einheimischen Bauern vorgestellt,
die ihnen geeignet erscheinende Kinder
als Arbeitskraft auswählten. So kam es,
dass alle Kinder ab zwölf Jahren auf verschiedene Bauernhöfe verteilt wurden.
Ich arbeitete also als Vierzehnjährige
bei einem Bauern auf dem Feld, musste
alleine den Pflug mit Ochsen führen.
Nach einigen anderen Stationen kamen
wir in dem Städtchen Sigmaringen alle
wieder zusammen. Wir erhielten als
Flüchtlingsfamilie dort auf dem Hofgut
„Amerika” ein leer stehendes Haus –
wieder eine Baracke, aber diesmal eine
größere. Vater, der als Koch in Gefangenschaft in Österreich war, kehrte zu uns
zurück. Die Familie war wieder vereint.
Herta Erler
Kreisgemeinschaft Fischhausen e.V. im Internet:
www.kreis-fischhausen.de
19
Überleben in Grünwalde 1945 - 1948
V
orweg möchte ich erwähnen,
dass unser Wohnort Gut Grünwalde war und zur Gemeinde Woydiethen gehörte. Schul- und
Kirchort war Heiligenkreuz. Ärzte,
Bäcker und Fleischer befanden sich in
Palmnicken. Also Weihnachten 1944 haben wir noch friedlich erlebt. Zwar ohne
unseren Vater, der Soldat in Frankreich
war. Urlaub gab es nicht mehr. Darüber
waren meine Mutter, meine drei jüngeren Geschwister und ich sehr traurig.
Meine Schwester Christel war 1945
sieben, mein Bruder Otto wurde im Mai
1945 sechs, der jüngste Bruder Gerhard
im August 1945 drei Jahr alt und ich im
Februar 1945 dreizehn Jahre.
Es waren die ersten Tage im Januar
1945, als plötzlich russische Soldaten
bei uns hielten. Sie waren mit einigen
Schwimmwagen da. Wir waren mächtig
erschrocken, ich sprang aus dem Fenster
und wollte einen von den gefangenen
Polen holen, die auf dem Gut arbeiteten. Sie hatten uns versprochen, falls
die Russen kommen, wollten sie uns
beschützen. Doch wo ich auch hinlief,
überall waren russische Soldaten. Es war
ein Spähtrupp. Sie haben sich uns gegenüber sehr gut benommen. Dann waren
sie wieder weg und deutsche Truppen
waren wieder da. Von nun an rückte die
Front immer näher. Das Trommelfeuer
war recht gut zu hören.
Es kamen laufend Flüchtlingswagen,
die meisten von der Elchniederung. Der
Gutshof stand voll mit den Planwagen.
Bei uns kamen drei Familien nacheinander zum Kochen, ebenso bei unserem
Nachbarn, der Schweizer war. Die Fami-
20
lien waren im Herrenhaus bei den Gutsleuten Gettkant untergebracht. Es war
ein schlimmer Zustand. Man rückte halt
zusammen, dann ging es. Dann am 14.
April 1945 kamen auch meine Großeltern
und die jüngste Schwester meiner Mutter,
Tante Oline, mit Pferd und Wagen zu
uns. Lauknicken war bereits in russischer
Hand. Die Front war schon ganz nah. Wir
wurden bombardiert und ständig mussten
wir Schutz im Wald hinter dicken Bäumen gegen Bordwaffenbeschuss suchen.
Am 15. April 1945 war meine Mutter
mit uns Kindern wieder im Wald. Wir
suchten Schutz unter einem Dach, das
auf Pfählen befestigt war.
Ein deutscher Unteroffizier kam zu
uns, der sagte meiner Mutter, wenn
sie nicht gleich verschwinden würde,
knalle er sie ab. Diese Worte habe ich
nie vergessen. Die Soldaten rieten uns,
wir sollten in ihren Bunker gehen. Sie
müssten sowieso weiterrücken. Der
Bunker war ziemlich stabil. Wir waren
18 Personen. Dann ging die Tür auf und
ein Major sowie ein Oberleutnant kamen
noch hinein.
Sie waren nur kurze Zeit bei uns im
Bunker, als der Spieß zu Pferd kam und
die Meldung machte, dass der Feind in
Scharen heranrücke. Daraufhin gab der
Major den Befehl, die Stellung muss bis
abends gehalten werden, dann verließen
die „hohen Herren“ unseren Bunker.
Der Befehl hatte dann auch Folgen.
Weil noch kein Laub an den Bäumen
war und der Bunker nahe am Waldrand
stand, hatte der Feind ihn vom anderen
Waldrand beobachten können. Es war
eine große Wiese, die von drei Seiten
vom Wald eingerahmt war, zwischen
den Russen und uns. Erst wurden wir
nur beschossen, doch dann waren wir
von den Russen eingekreist. Sie warfen
Granaten auf den Bunker. Die Stämme
brachen entzwei. Viele waren verwundet
und schrien. Da sagte meine Mutter:
„Ich halte es nicht mehr aus!“ Sie hatte
meinen kleinen Bruder auf dem Arm
und riss die Tür einfach auf. Da habe ich
vor Schreck laut geschrien. Ich sah, wie
eine Kugel an ihrem Gesicht vorbeiflog.
Doch dann haben die russischen Soldaten erkannt, dass nur Frauen und Kinder
im Bunker waren. Von dieser Stunde an
begannen Not und Elend.
Zuerst wurden uns Ringe und Uhren
abgenommen. Als wir dann ins Haus gehen wollten, dachte ich, wir wären in der
Hölle. Der Kuhstall mit über 20 Milchkühen stand in Flammen. Alle Tiere waren verbrannt. Von den Flüchtlingswagen
waren viele zerschossen. Federn und
Daunen flogen im schwarzen Rauch; es
war ein schrecklicher Anblick. Überall
lagen tote Pferde herum. Als wir uns von
dem ersten Schreck erholt hatten, kam
schon die nächste Katastrophe. Denn
Frauen und junge Mädchen wurden
immer wieder vergewaltigt. Ein junges
Mädchen von etwa 19 oder 20 Jahren,
das bei uns im Bunker war, wurde sehr
schlimm verletzt. Doch Rücksicht wurde
überhaupt nicht genommen. Unseren
Schweizer vom Gut nahmen russische
Soldaten mit. Man hat nie wieder etwas
von ihm gehört.
Mit seiner Frau Anna Linder und seinen
vier Kindern, Willi, Erika, Margarete
und Elfriede, waren wir dann etwa vier
Monate zusammen. Als wir wieder in
unsere Wohnung kamen, meine Mutter,
die Geschwister, die Großeltern, Tante
Oline und ich, wollten die Russen gerade unseren Kleiderschrank aufbrechen.
Mein Großvater hatte den Schlüssel und
warf ihn den Soldaten über den Tisch zu.
Dafür wollten sie ihn zuerst erschießen.
Dann sollten die kleinen Kinder zu Bett
gehen. Eine halbe Stunde später hieß
es, wir müssen alle raus. So mussten
wir in Eile die Geschwister anziehen.
Meine Mutter machte den Kinderwagen
fertig, obwohl ein Rad kaputt war. Meine
Großmutter hatte die Schuhe meiner
Schwester in der Hand. Als wir raus
kamen, war es zwischenzeitlich ganz
dunkel geworden.
Es wimmelte von Russen, Panzern und
anderen Fahrzeugen. Bei diesem Durcheinander wurden wir von den Großeltern
und Tante Oline getrennt. Wir waren ein
kleiner Treck, der zusammengebracht
wurde. Keiner wusste, wo es hinging.
Zuerst nach Klyken, dann ging es nach
Woydiethen, dort in der Molkerei im
Keller haben wir mit vielen anderen die
erste Nacht verbracht.
Andauernd kamen Soldaten, holten
sich Frauen und junge Mädchen. Am
frühen Morgen, als wir wieder auf die
Straße kamen, war der Treck schon
größer. Nun ging es in Richtung Sankt
Lorenz. Das Problem war nur: meine
Schwester hatte keine Schuhe, denn die
hatte meine Großmutter zuletzt gehabt.
So musste sie im Kinderwagen gefahren
werden. An Proviant hatten wir nur zwei
selbstgebackene Brote, die nicht lange
vorhielten. Auch unsere Nachbarin mit
ihren vier Kindern hatte nichts zu essen.
Inzwischen wurde der Treck immer
21
größer. Übernachtet haben wir alle
an einer Straßenkreuzung auf freiem
Feld. Es regnete und schneite, es war
schrecklich kalt. Die russischen Soldaten
kamen von den befahrenen Straßen und
holten sich wieder Frauen und junge
Mädchen. Von Schlaf war keine Rede.
Ein Schreien, Weinen und Jammern. Es
war die Hölle. Am nächsten Tag ging es
weiter Richtung Königsberg. Am dritten
Tag nahmen die Russen allen Wagenbesitzern ihre Pferde weg. Die Wagen mit
ihrem Hab und Gut wurden geplündert.
Am fünften Tag kamen wir in Königsberg an. Man sah auch hier nur Trümmer.
Wir kamen zu einem großen Haus, das
ziemlich gut erhalten war und sich als
Krankenhaus erwies. Hier bekamen wir
zum ersten Mal heiße Suppe zu essen.
Es gab viele leere Räume. In einem
Raum lag ein toter deutscher Soldat auf
einer Matratze. Im nächsten Raum gab
es eine freie Matratze, da habe ich mich
hingelegt. Es war früher Nachmittag,
und ich habe bis zum nächsten Morgen
durchgeschlafen nach fünftägigem Fußmarsch ohne Schlaf.
Nun mussten wir uns nach einer Wohnung umsehen. Schließlich fanden wir im
Oberrollberg Nr. 17 im Hinterhof ein Zimmer mit Küche. Es gab kein Wasser und
kein Licht, aber wir hatten ein Dach über
dem Kopf. Dort haben wir, meine Mutter
mit ihren vier Kindern und unsere Nachbarin mit ihren vier Kindern sieben Wochen
gelebt. Zum Essen gab es nichts. Meine
Mutter suchte alle Keller und Ruinen ab.
Oft hatte sie Glück. Aber da ja viele auf
der Suche waren, gab es bald nichts mehr.
Dann begann das Aufräumen. Meine
22
Mutter, Frau Linder und ich mussten mit
vielen anderen die Straßen frei schippen.
Leichen und Pferde kamen in Bombentrichter, die dann zugeschüttet wurden.
Am Abend gab es 200 Gramm Brot und
ein paar Kartoffeln. Das Wasser mussten
wir von einem bestimmten Platz holen,
ob es ein Rathaus war, weiß ich nicht,
dort gab es auf jeden Fall einen Brunnen
im Garten. Ein Eimer war angebunden,
so mussten wir das Wasser aus der Tiefe
hochdrehen.
Nach sieben Wochen haben wir uns
dann wieder auf den Heimweg gemacht,
denn es war in Königsberg nichts Essbares mehr zu finden. Auf dem Weg nach
Hause haben wir nur von Rhabarber aus
den verlassenen Gärten gelebt. Endlich
kamen wir nach Grünwalde. Wir fanden
gänzlich leere Räume vor. So sind wir
dann weitergegangen bis zum Forsthaus. Dort waren auch schon einige
aus unserer Gegend, doch die Frauen
wurden ständig von Soldaten belästigt,
obwohl es nicht mehr erlaubt war. Es war
schon ein wenig ruhiger geworden. Ab
und zu bekamen wir mal ein Brot von
Soldaten, die Mitleid mit uns Kindern
hatten. Sauerampfer und Brennnesseln
waren unsere Hauptnahrung. Wir hatten
immer Hunger.
Dann tauchte am zweiten Tag am
Forsthaus unser Hund Rolf auf. Er freute
sich unbändig. Er sprang mir fast über
den Kopf. Am nächsten Tag wurden wir
dann mit Pferd und Wagen nach Heiligenkreuz gefahren. Unser Rolf sprang
immer freudig umher, dabei wurde er
von einem entgegenkommenden Lastwagen überfahren. Es war schrecklich, ich
habe bitterlich geweint. Aber im Grunde
war es wohl das Beste. Nun wussten wir,
dass er tot war. Schließlich hatten wir uns
um ihn auch Sorgen gemacht und uns
gefragt, wo er abgeblieben oder was mit
ihm geschehen war. Denn Grünwalde
lag unter Kreuzfeuer und die Kanonen
ruhten noch nicht, als wir den Ort am 15.
April 1945 verlassen mussten.
Nun nach sieben Wochen war Stille
eingekehrt. In Heiligenkreuz waren wir
auch nur kurze Zeit. Es gab dort nichts
zu essen und es war auch nichts mehr
zu finden. So sind wir in die andere
Richtung gegangen, in der Hoffnung die
Großeltern und Tante Oline zu finden. In
Plinken trafen wir dann einige Familien,
die wieder heimgekehrt waren, so sind
wir und Frau Linder mit ihren Kindern
erst einmal auch dageblieben. (wird fortgesetzt)
Alma Kunze
Liebe Freunde des Kirchspiels Germau!
W
ie einige von Euch wissen, war
ich Mitte September 2015 in
Königsberg und im Samland.
Die August-Reise war leider schon
früh ausgebucht, aber dafür beschenkte
uns der September mit Sonne und 28
Grad am Tage. Die Nehrungsbesucher
freuten sich, zwei Elche gesehen zu haben, was ja seltener passiert. Es ist ein
gutes Pilzjahr, wir kauften welche am
Straßenrand unterhalb von Germau am
„Verlobungsweg“. Germau glänzt nun
mit zwei Neubauten am Markt,
in denen sich Läden befinden, mit
Leuchtschrift wird um Kunden
geworben.
Das Gutshaus Trulick ist abgebrannt, in dem zwei Familien
Obdach hatten. Auch das Haus
Baumeister in Kirpehnen ist durch
Dacheinsturz zur Ruine geworden.
Ein Besuch bei Oleg in Krattlau gehört dazu: Hier Hannelore
Streich gemeinsam mit Oleg und seiner Mutter.
Foto: Ewgeni Snegowski
Zwischen den Siedlungen Liebenau und dem Palmnicker Berg sind
größere Anwesen entstanden, so
sind rege Bautätigkeiten am Ende
des „Katzensteiges“ zu beobachten neben Post- und Saunahaus.
23
Bonkowskis Haus hat neue
Fenster bekommen wie auch
das Armenhaus gegenüber.
In Kirpehnen hat man von
Bauer Bachmann gesammelte
Quittungen gefunden und mir
mitgegeben.
Dieses Mal habe ich mir die
Lage der Domäne Nodems
genau erklären lassen, während wir reichlich Brombeeren vom Wegesrand vernaschDas frühere Gästehaus Schories wurde sehr ansprechend restauriert.
ten. Der Ortsplan, von Herrn Gegenüber befand sich das Ladengeschäft der Großeltern von
Otto Blömke angefertigt, ist Hannelore Streich. Foto: Ewgeni Snegowski
im Museum in Palmnicken
zu finden. Palmnicken bereicherte sich Gouverneur entstehen, alle zur Seeseite,
mit einer zwei Kilometer langen Strand- aber mit hohen Holzzäunen umgeben.
promenade unterhalb der Steilküste bis
zur Annagrube, wo am Ende kleine
In Georgenswalde sprachen wir mit
Ferienhütten entstanden sind. Tribünen einer Mieterin des ehemaligen Hauses
für Gäste des Beachvolleyballturniers Albrecht, Warnicker Straße, das zwei
gibt es dort schon seit einigen Jahren. Geschäfte und zwölf Wohnungen beAuf dem Weg nach Norden sahen wir herbergt. Die Nebengebäude sind schon
einige Neubauten, eine Villa soll für den lange verschwunden.
In Rauschen kann man den
Mühlenteich auf neuer Promenade mit schmiedeeiserner
Abgrenzung umrunden. Im
Ortsteil Düne ist viel gebaut
worden, Hotels und mehrstöckige Wohnhäuser beengen
die Straßen, wie es scheint.
Viele gute Wünsche für die
Winterzeit mit Weihnachten
und dem Jahreswechsel.
Frau Streich vor dem neuen Veranstaltungszentrum, dass auch aus
dieser Perspektive einen sehr futuristischen Eindruck macht.
Foto: Ewgeni Snegowski
24
Eure Hannelore Streich
Erinnerungen an vergessene Orte im Samland:
Seerappen - Luftschiffhafen
N
ach der Erinnerung an Seerappen
im letzten Heimatbrief will ich versuchen den Luftschiffhafen, der später
Flugplatz wurde, darzustellen.
Dieses Interesse an den Luftschiffen
führte auch zum Bau von Luftschiffhäfen an vielen Orten in denen sie landen,
gewartet und versorgt werden konnten.
Im Jahre 1899 begann Graf Zeppelin
am Bodensee das erste Luftschiff zu
bauen, den Zeppelin LZ 1, der am 2. Juli
1900 am Bodensee startete und dort eine
So entstand Anfang des 20. Jahrhunderts, etwa 1908, in KönigsbergRathshof eine Luftschiffhalle. Der Platz
wurde von den verschiedenen Luftschiff-Typen genutzt und
diente hauptsächlich den
Heeres-Luftschiffen. Er lag
im Bebauungsgebiet von
Königsberg und so wurde
nach einem Ersatzgelände
gesucht1.
Luftschiffgelände Seerappen (aus Messtischblatt 1297)
Runde über den See fuhr (Luftschiffe
fahren – sie fliegen nicht). In den Folgejahren gab es weitere Luftschiffbauer
wie Schütte-Lanz, Parzival u.a.
Und es begann sich das Militär – das
Heer wie auch die Marine – dafür zu
interessieren. Sie förderten finanziell den
Luftschiffbau und nutzten die Luftschiffe dann im 1. Weltkrieg.
Südwestlich von Seerappen befand sich ein ideales
Gelände. Es hatte eine große, ebene Fläche und lag
an der Eisenbahnlinie. Die
Kaporner Heide sorgte für
Windschutz auf dem Platz
und mit einer höheren Bebauung, die dem Start- und
Landebetrieb hinderlich
werden könnte, war in
dieser Umgebung nicht zu
rechnen.
So entstand hier auf einem 7,2 Quadratkilometer großen Gelände bis 1916
ein Luftschiffhafen mit einer großen
Luftschiffhalle für zwei Luftschiffe. Diese Halle war 240 Meter lang, 60 Meter
breit und 35 Meter hoch3. Die Halle wurde von der Firma Zeppelin-Hallenbau
geplant und von dem Königsberger
Bauunternehmen P. Brostowski gebaut,
25
das auch schon die Halle in
Königsberg-Rathshof erstellt
hatte. Die Halle bestand aus
einem Stahlgerüst mit einer
Plattenverkleidung.
Der Luftschiffhafen Seerappen wurde zur Zentrale für
das Marine-Luftschiffwesen
der östlichen Ostsee. Zwei
weitere Luftschiffhäfen der
Marine dieses Bereichs befanden sich in Seddin (PomSammlung Klemm
mern) und in Wainoden (Kur- Luftschiff bei der Landung land)2.
Zur Ausstattung des Luftschiffhafens am 7. März 1916 311 und am 1. April
gehörten neben der Halle zur Unter- 1917 457 Mann auf dem Luftschiffhafen
bringung der stationierten Luftschiffe stationiert3. Sie brauchten Unterkunft
zahlreiche Einrichtungen und Gebäude in Kasernen mit Küche und Kasino,
sowie Wasserversorgung und sanitären
für den Betrieb und für das Personal.
Einrichtungen. Dadurch wurde die BeZur Füllung der Luftschiff-Hülle wur- bauung des Luftschiffhafens zu einem
de das Gas „Wasserstoff“ gebraucht. eigenen kleinen Ort.
Zu dessen Herstellung wurde auf dem
In Seerappen waren in den Jahren
Luftschiffplatz ein Gaswerk gebaut. Hier
wurden täglich 12.000 Kubikmeter Gas 1916/1917 verschiedene Luftschiffe
erzeugt, das in einem Lager gespeichert stationiert. Unter der Bezeichnung „Serawurde. Ferner war ein Treibstofflager für phine“ waren dort Zeppeline (L, ZL) und
den Betrieb der Dieselmotoren an den Luftschiffe der Firma Schütte-Lanz (LS)
im Hafen.
Luftschiffen erforderlich.
Zur Flugsicherung gehörte eine Wetterstation und für den Fahrverkehr waren
Funkeinrichtungen wichtig. Dazu kamen
Werkstätten für Wartungs- und Reparaturarbeiten.
Für den Betrieb des Luftschiffhafens
war eine große Mannschaft nötig. Sie
hatten die genannten technischen Einrichtungen zu bedienen und wurden zum
Halten des Luftschiffes beim Landen
und Starten gebraucht. Insgesamt waren
26
Nach Angaben des „Luftschiff- und
Marinefliegermuseums Nordholz“ und
der Literatur waren dies:
SL 14
und
SL 9
und
L 35
L 30
L 37
LZ 90
vom 09.09.1916 bis 17.11.1916
vom 19.12.1916 bis 22.03 1917
vom 19.12.1916 bis 20.12.1916
vom 29.03.1917 bis 30.03.1917
vom 03.01.1917 bis 23.01.1917
vom 02.05.1917 bis 17.11.1917
vom 20.09.1917 bis 19.10.1917
vom 08.10.1917 bis 27.11.1920
Sie wurden von Marineflugabteilungen
genutzt. Die Fahrten der Luftschiffe
dienten hauptsächlich der Aufklärung im
Frontbereich. Sie führten aber meistens
auch kleinere Bomben mit.
Die Abbildungen zeigen
einige Truppenstempel der
in Seerappen stationierten
Einheiten.
Trotz der Kriegssituation,
die sich im Samland kaum
auswirkte, war der Anblick
der startenden oder landenden Luftschiffe in ihrer Größe
sicherlich für die Bewohner
von Seerappen und den Ortschaften in diesem Gebiet eine Sensation. Das Brummen
der Motore ließ aufhorchen und dann der
Anblick der im Sonnenlicht glänzenden,
ca. 200 m langen Luftschiffe!
Dienststempel
Sammlung Klemm
Mit dem Waffenstillstand
an der Ostfront wurde
1917 der Luftschiff-Einsatz im
Osten eingestellt. Die Mannschaften beteiligten sich an
der Revolution. Nach Kriegsende wurden in Auswirkung
des Versailler Vertrags, der
Deutschland den Besitz von
Flugzeugen und lenkbaren
Demontage
der Halle
Sammlung
Klemm
27
Luftschiffen verbot, diese an die Siegermächte abgeliefert. Das letzte Luftschiff
in Seerappen LZ 90 trat 1920 seine Fahrt
nach Italien an.
Die Luftschiffhalle wurde demontiert
und soll nach Mailand ausgeliefert worden sein.
Als nach 1933 die Deutsche Luftwaffe
aufgebaut wurde und im Samland zahlreiche Fliegerhorste entstanden, wurde
auch das ehemalige Luftschiffgelände
in Seerappen wieder für die Fliegerei
verwendet. Es entstand u.a. eine Schule
zur Ausbildung von Flugzeugführern.
In den 20er Jahren wurden die Gebäude vom Heimatschutz und von den
Reichswehrtruppen genutzt. Nach einer
Mitteilung sollen in dieser Zeit auch
Flugzeuge aus Berlin in Seerappen gelandet sein. Doch darüber habe ich keine
Quellen finden können.
Abschließend danke ich Klaus Lukas
für die Unterlagen aus dem Marinefliegermuseum Northolz.
Hans-Georg Klemm
Quellen:
1 Paul Gusovius: Der Kreis Samland, Würzburg 1966, S. 238
2 Oskar Schlicht: Das westliche Samland, ND 2001, Teil 2, S. 188
3 Unterlagen vom Deutschen Luftschiff- und Marinefliegermuseum Nordholz
Ein samländisches Frauenschicksal
1898 bis 1981
Fortsetzung aus Folge 208, Seite 78
Inflationszeit in Sachsen
Im Oktober 1921 fuhr ich das erste Mal
mit meiner Mutter nach Sachsen, dort
wohnte mein ältester Bruder. Seine Frau
war bettlägerig und so musste meine
Mutter die Wirtschaft vorübergehend
führen. Ich blieb nicht lange dort. Denn
damals konnte ich mich nicht so schnell
einleben. Ich fuhr dann im Frühjahr 1923
zurück.
Am 8. Oktober 1923 habe ich mich
verheiratet. Ich ging dann wieder nach
28
Sachsen. Diesmal nicht nach Thondorf,
sondern nach Heiligenthal. Schwer war
es auch. Ein Anfang mit nichts.
Die Inflation hatte den Höhepunkt
erreicht. Im November 1923 endete
diese schreckliche Zeit. Wir rechneten
zuletzt in Billionen. Eine Billion hatte
den Wert von einer Rentenmark. Man
konnte es anfangs gar nicht fassen, dass
wir wieder eine stabile Währung hatten.
Und wenn der Mann damals die Woche
auch nur 7 Rentenmark verdiente, war es
doch besser als die vielen Billionen, und
man bekam nichts dafür zu
kaufen, weil die Preise jeden
Tag stiegen. Ich entsinne
mich noch: Damals kostete
das Fleisch gleich nach der
Inflation 1,40 Rentenmark
das Pfund. Aber man konnte
sich doch was kaufen. Der
Stundenlohn erhöhte sich
nach und nach, die Preise
wurden gesenkt. Es renkte
sich alles wieder ein. Viereinhalb Jahre wohnten wir
dort in Sachsen.
Die Dorfstraße in Groß Blumenau. Am 23. November 1924 wurde unsere
Tochter Elisabeth geboren. Und am 7.
September 1927 wurden zwei Jungens
geboren, Heinz Willi und Kurt Fritz,
die uns beide starben. Meine Mutti war
damals bei uns, um uns zu helfen. Sie
erkrankte, so dass sie selbst bettlägerig
wurde. Es war für sie und mich ein
schwerer und trauriger Winter. Zwei
kranke Kinder und eine kranke Mutter.
Am Heiligen Abend starb der erste Junge, Heinz, Fritz am 7. Februar 1928,
sechseinhalb Wochen später. Meine
Mutter wurde wieder gesund und so war
es, als ob gar nichts gewesen wäre.
Zurück in Ostpreußen
Ende März 1928 fuhren wir zurück nach
Ostpreußen. Mein Mann hatte auf dem
Gut in Barseniken die Kämmererstelle
angenommen. Wir wohnten dort zwei
Jahre. Am 31. März 1929 wurde uns
wieder eine Tochter geboren, die den
Namen Jutta Irma Johanna erhielt.
Foto: Archiv Samlandmuseum
Am 1. April 1930 machten wir uns
selbstständig und zwar in Groß Blumenau, Kreis Samland. Hierselbst wurde
uns die Tochter Helga Rotraut am 25.
März 1934 geboren. Da wir dort nicht
viel Land hatten, hatte sich mein Mann
auf Verdienstfahren eingestellt. Wir
blieben dort bis August 1935. Dann
übernahmen wir einen 96 Morgen großen Bauernhof in Damm bei Lablaiken,
Kreis Labiau. Wir hatten uns dort gut
eingelebt. Am 18. Oktober 1936 wurde
unsere jüngste Tochter Margarete Gerda
geboren. Es war eine schöne Zeit, die wir
dort verlebten. Vor allen Dingen musste
sich der Mann nicht auf der Landstraße
rumtreiben, um das Geld mit dem Fuhrunternehmen zu verdienen.
Schicksalsschläge
Lange blieb uns die schöne Zeit auch
nicht. Im Herbst 1937 hatte sich mein
Mann schwer erkältet, als er mit dem
Nachbarn auf den Pferdemarkt nach
Labiau fuhr. Der Labiauer Arzt unter-
29
suchte ihn und stellte fest, dass der linke
Lungenflügel angegriffen war. Er sollte
zu ihm zum Röntgen kommen, wenn
er sich wohler fühlte. Das machte mein
Mann nicht. Ging nach Königsberg zum
Spezialarzt Dr. Bruhns. Der sagte ihm
nach der Untersuchung, dass er nichts
Schlimmes hätte. Es wäre nichts, was
zu TBC führen könnte und verschrieb
ihm etwas für den Appetit. Er solle sich
pflegen. Jeden Morgen ein Gläschen
Cognac trinken. So machte mein Mann
im Frühjahr wieder seine Arbeit. Es war
aber alles nicht das Richtige, er war
immer müde. Im Herbst beim ersten
Dreschen bekam er Lungenbluten.
Und er ging nicht gleich zum Arzt,
weil Dr. Bruhns ihm doch gesagt hatte, es gäbe keinen Verdacht auf TBC.
Weihnachten wurde er dann so krank,
dass er im Bett bleiben musste. Ende
Januar fuhr er wieder nach Königsberg,
dieses Mal nicht zu Dr. Bruhns, sondern
ins Krankenhaus der Barmherzigkeit zu
Professor Joachim. Da war er dann ganz
niedergeschlagen, als die Röntgenaufnahme ergab: TBC, beide Lungenflügel
angegriffen.
Ich nahm dann Rücksprache mit dem
Stationsarzt. Fragte nach, dass es doch
seit langem in ihm wäre? Das bejahte der
Arzt. Ich wurde aufgeregt und erzählte
von Dr. Bruhns. Er erklärte, dass dies
ein Irrtum gewesen wäre und irren ist
menschlich. Ich ließ meinen Mann nicht
im Krankenhaus der Barmherzigkeit,
sondern nahm ihn im Februar wieder mit
nach Hause, weil es dort ja doch keine
Hilfe mehr für ihn gab.
30
So lebte er bis zum 1. Mai, dann schlossen sich seine Augen für immer. Ich war
dann allein mit meinen vier unmündigen
Kindern. Die Älteste konfirmiert, die
Jüngste zweieinhalb Jahre. Das Leben
ging weiter und man musste auch weiter.
Mein Mann hatte noch alles mit dem
Verkauf des Bauernhofs geregelt.
Neuanfang alleine im Samland
So gingen wir wieder nach unserem
Samland und zwar nach Medenau. Dort
hatte ich vom Besitzer Kurt Wenzel
drei Morgen Land und dazu ein Wirtschaftsgebäude käuflich erworben. Zwei
Morgen betrug der Obstgarten mit altem
Baumbestand und Rasen. Ein Morgen
war Kartoffelland. Unter vielen Schwierigkeiten habe ich das Haus gebaut. Es
war 18 Meter lang und 8 Meter breit.
Weil im August 1939 der Krieg begann,
war das Bauen nicht so einfach. Ich hatte
sämtliches Material, wie Kalk, Zement,
Faserplatten, Gips, Rohr, Mauersteine, Bauholz und alles, was man dazu
braucht, gekauft und in dem Gebäude
gelagert. Als man mir auf dem Bauamt
das Bauen verweigern wollte, konnte ich
die Angabe machen, dass ich sämtliches
Baumaterial habe.
Auch Handwerker musste ich nachweisen können, weil alles über das Arbeitsamt ging. Die Arbeitskräfte waren durch
den Krieg knapp geworden. Ich hatte einen Maurer Sarks und den Zimmermann
Klein, der dort die Siedlungen baute, er
hat nach Feierabend und sonntags die
Zimmererarbeiten gemacht. Die Handlangerarbeiten für den Maurer machte
ich selbst. Es war sehr schwer und meine
Gesundheit hat darunter gelitten. Das
Haus hatte ich dann ausgebaut und von
außen verputzt.
Ich war so glücklich und zufrieden,
wenn ich durch den schönen Garten
ging. Nach Norden im Garten standen
drei alte Lindenbäume, wie gerne setzte
ich mich dort in den Schatten oder auch
des Abends nach getaner Arbeit. Wie
friedlich und schön war alles zu Hause.
Aber der Krieg wütete und forderte seine
Opfer.
Nach dem Krieg
Lange durfte ich auch hier nicht glücklich und friedlich mit meinen Kindern
leben, denn die russischen Soldaten
kamen in unser schönes Land und wir
mussten weichen. Und wer das tat, hat
es richtig gemacht.
Ich fand in Sachsen Heiligenthal meine
zweite Heimat mit meinen Kindern.
Liesbeth fuhr 1946 nach Zweibrücken,
weil dort ihr Verlobter beheimatet war.
Jutta starb am 18. Juni 1947.
So blieb ich dann nur mit Helga und
Margarethe allein. Helga wurde im Mai
1948 konfirmiert. Im September desselben Jahres fuhren wir nach Kühren in
Schleswig-Holstein zu meiner Mutter
und meinen Schwestern zu einer Hochzeit. Helga blieb gleich dort. Mit Margarete wollte ich dann Ende September
ganz allein bei Schlütopp über die „grüne
Grenze“ gehen. Ich traute mich dann
aber doch noch nicht. Wir blieben noch
ein Jahr in der sowjetischen Zone. Die
Lebensbedingungen waren jedoch so
kümmerlich und so fassten wir den Mut
und gingen am 22. Oktober für immer
in den Westen.
Erst blieben wir in Haßlinghausen. Da
ich kränklich war mit dem Magen und
die Arbeit, die ich übernommen hatte,
nicht ausführen konnte, bekam ich den
Zuzug nach Zweibrücken zu meiner
Tochter.
Im Februar 1950 kamen wir hierher,
es begann allmählich wieder ein besseres Leben. Margarete wurde im März
konfirmiert, bis zu den Sommerferien
musste sie noch zur Schule gehen. Am 1.
September fing sie in der Schuhfabrik an
zu arbeiten. Helga war bis zum August
1950 als Haustochter bei Ewigs. Dann
fing auch sie in der Fabrik an zu arbeiten. Und so haben wir es gut und sind
zufrieden. Im März 1953 hat Helga die
Prüfung als Stepperin gemacht.
Ich war im November 1950 nach Kühren gefahren, um meine Mutter und die
zwei Schwestern zu besuchen. Im Januar
1951 kam ich zur Heilkur wegen meines
kranken Magens und wurde aber nach
vier Wochen ungeheilt entlassen. Im
Sommer 1951 fuhr ich dann zu meiner
Schwester bei Leipzig, auch um das
Grab meiner Tochter Jutta zu besuchen.
Die Bärwalderin Marie Jeger lebte
noch 30 Jahre in Zweibrücken, wo sie
1981 verstarb.
Übergeben von:
Helga Schroth
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Kreistreffen in Pinneberg 2015
M
anch einer wäre gerne gekommen, war jedoch aus unaufschiebbaren Gründen verhindert – sei es aufgrund von Krankheit
oder aber wegen gewichtiger familiärer
Jubiläen. Goldene Hochzeit feiert man
schließlich nicht so oft wie einen Geburtstag, aber auch der 80. Jahrestag ist
ein herausragendes Ereignis. Allen jenen, die wir gerne in Pinneberg gesehen
hätten, möchten wir vom Kreistreffen
der Fischhausener wenigstens im Heimatbrief berichten.
Wie üblich begann die Veranstaltung am
Freitagabend mit der Kranzniederlegung
am Gedenkstein im Drosteipark.
Wolfgang Sopha gedachte in
seiner kurzen Ansprache der
auf der Flucht und während der
Hungerjahre verstorbenen Angehörigen, Nachbarn und Freunde.
Gerhard Weiter untermalte die
würdige Andacht, zu der sich
etliche der bereits angereisten
Samländer einfanden, mit einem
stimmungsvollen Musikstück
auf der Trompete.
umziehen, finden jedoch, dass es im
Samlandmuseum viel gemütlicher und
persönlicher ist. Und nur hier können wir
unser ostpreußisches „Nationalgetränk“
anbieten – es geht doch nichts über einen
Pillkaller in gemütlicher Runde.
Am Samstagvormittag gegen 9 Uhr
trafen die ersten Besucher im Cap Polonio ein, und während sich die Samländer
noch einen guten Platz reservierten, fand
parallel die Ortsvertretersitzung statt, die
zügig abgewickelt werden konnte. So
mussten die Ortsgemeinschaften nicht
allzu lange auf ihre „Führungskräfte“
warten.
Anschließend begaben sich
fast alle Teilnehmer in das Bür- Wolfgang Sopha bei der Kranzniederlegung im Drosteipark. Foto: U. Nietzelt
gerhaus am Fahltskamp, wo ein kleiner Imbiss für Stärkung
sorgte. Seit 2013 führen wir den „geIn diesem Jahr hatten viele Ehrengäste
mütlichen Abend mit Repräsentanten aus dem Kreis Pinneberg ihr Erscheinen
des Kreises“ – volkstümlich auch zugesagt, wir freuten uns, dass der KreisBierabend genannt – nun in „unserem präsident Burkhard E. Tiemann wieder
Hause“ durch. Ursprünglich aus der Not die Schirmherrschaft übernommen hatte.
geboren, weil der Sportler-Treff umge- Herr Wenskat vom Seniorenbeirat des
baut wurde, in dem wir in den Jahren Kreises Pinneberg und Kirchspielverzuvor am Freitagabend zusammensaßen. treter in der Kreisgemeinschaft ElchnieInzwischen könnten wir wieder dorthin derung, das Ehepaar Lehnert vom BdV
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und Frau Christa Wiebe vom
Schleswig-Holsteinischen
Heimatbund erweiterten die
Runde. Auch Burghard Schalhorn, Vorsitzender der Kreiswählergemeinschaft Pinneberg, war gerne gekommen.
Darüber hinaus standen in
diesem Jahr ganz besondere
Ehrengäste auf der Liste:
Die Gemeinschaft Junger
Samländer hatte beschlossen,
ihr 50-jähriges Bestehen bei Hier kommt keine Langeweile auf: Gemütliches Beisammensein
uns in Pinneberg zu feiern. Im im Bürgerhaus am Fahltskamp. Foto: U. Nietzelt
Bürgerhaus am Fahltskamp
hatten sie eine Stellwand mit Informatio- Gründung der Kreisgemeinschaft Fischnen zur Gründung und Geschichte dieser hausen vor 65 Jahren im Winterhuder
ursprünglichen Jugendorganisation der Fährhaus in Hamburg hervor.
Kreisgemeinschaft Fischhausen gestalKreispräsident Burkhard E. Tiemann
tet. Frau Marianne Huuck berichtete im
letzten Samlandbrief über die Entwick- griff diese Rückschau auf und erinnerte
lung der Gemeinschaft. Mittlerweile in seinen Grußworten, dass im Jahre
sind die „Jungen“ auch in die Jahre 1951 der Kreis Pinneberg einstimmig
gekommen: unserer jetziger Vorstand hat – was heute sehr selten noch geschehe
ein geringeres Durchschnittsalter. Wir – für die Übernahme der Patenschaft für
haben uns sehr bemüht, diese seltenen die Fischhausener votiert hätten. Und
Gäste in unserem Kreis willkommen über diesen langen Zeitraum eine starke
zu heißen und hoffen, dass sie sich in Eingebundenheit der Kreisgemeinschaft
unserer Mitte wohl gefühlt haben und in Gemeinschaft vor Ort entstanden sei,
was man auch an den Besuchern der regigerne wiederkommen werden.
onalen Organisationen erkennen könne.
Um 14 Uhr – nachdem die satzungsgeBernhard Lehnert vom BdV trat ans
mäßen Verpflichtungen erledigt waren –
fand die feierliche Eröffnung des Kreis- Mikrofon, um seine Grüße und guten
treffens statt. Nach dem gemeinsamen Wünsche für die weitere Heimatarbeit
Singen des Schleswig-Holstein-Liedes zu überbringen. Den Abschluss dieser
begrüßte unser Vorsitzender Klaus Stunde bildete das Ostpreußenlied, das
Lunau die Besucher und Ehrengäste. mit Inbrunst von allen Anwesenden bis
Anschließend erinnerte Wolfgang Sopha zur letzten Strophe textsicher mitgesunin einer kurzen Ansprache an die vielen gen wurde.
Jubiläen in diesem Jahr – er hob die
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Gut besucht: Die Familienforscher unter sich. Foto: U. Nietzelt
Die Abteilung der „Jungen Samländer“ . Foto: U. Nietzelt
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Ursprünglich war für 15 Uhr Erwin
Krüger, der „Leierkastenmann“ aus Tornesch mit seiner Drehorgel, eingeplant
– er hatte aber schon am Tag zuvor eine
noch nicht genau terminierte Verspätung
angekündigt.
So entschieden wir uns dafür, den
Programmpunkt vorzuziehen, der für
den späten Nachmittag vorgesehen war:
die Königsbergerin Gerta Heykena mit
ihrer Darbietung von traurig-schönen
Küchenliedern, Moritaten und ostpreußischen Geschichtchen im unvergessenen
Dialekt. Frau Heykena hat übrigens
Wurzeln in Wargen und steht auch mit
der Dittchenbühne aus Elmshorn auf der
Bühne. Nicht nur den Ostpreußen im
Umland von Pinneberg ist sie bestens
bekannt.
Als Erwin Krüger, auch er mit seiner
Vortragskunst ein beliebter Unterhalter
im Kreis, mit seiner Drehorgel eintraf,
gab es einen nahtlosen Übergang, als
hätten die beiden das schon lange geübt.
Die Gäste waren begeistert und Erwin
Krüger musste abschließend noch „Zugabe“ liefern.
Zeitgleich fand in der Samlandausstellung das Treffen der Familienforscher
unter Leitung von Heidrun Meller statt,
hier war der Andrang sehr groß, so dass
nicht alle Fragen beantwortet werden
konnten. Die Raumsituation war leider
nicht optimal, weil durch die Begehung
der Ausstellung Störungen entstanden.
Für das nächste Treffen müssen wir in
dieser Hinsicht etwas Passenderes organisieren – nicht immer leicht in den
uns zur Verfügung stehenden Gebäuden.
Wenn auch viele der rund 100 Besucher
die Teilnahme als Tagesreise geplant hatten, blieben dann doch noch 50 Besucher
zum gemütlichen „Ostpreußenabend“
mit gemeinsamem Essen im Hotel beisammen. Die Küche des Hotels ließ wie
immer nichts zu wünschen übrig.
Der Sonntag ließ sich dann etwas ruhiger an: Am Vormittag hörten zahlreiche
Besucher dem Dia-Vortrag von Klaus
Lunau zu, der Neuigkeiten aus dem
Samland und Cranz berichtete. Zuvor
hatten sich die Jungen Samländer von
Frau Ziegler im Museum die Veränderungen erläutern lassen, welche die
Samlandausstellung in den Jahren 2001
und nach dem Brand 2009 erfahren hatte.
Bis in den Nachmittag hinein konnten
sich die Besucher des Kreistreffens an
Rustikalem – wie Schmalzbrot und Pillkaller – stärken, oder einen Streuselkuchen mit Schmand – fast so wohlschmeckend wie früher in der Heimat – zum
Kaffee gönnen. So klang das Treffen
harmonisch aus, als sich auch die Letzten
auf den Heimweg machen mussten.
Wir hoffen, dass alle, die dieses Mal
verhindert waren, beim nächsten Treffen
2016 wieder gesund und munter sind
und wir Sie wieder unter den Besuchern
zählen können..
Auf ein zahlreiches und gesundes Wiedersehen in Pinneberg im nächsten Jahr!
Monika Ziegler
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