VKU Verlag München/Berlin Redaktion: Neumarkter Str. 87 81673 München Ausgabe 9/15, Seite 2 »Wir haben einen ganz besonderen Auftrag« DEUTSCHE ENERGIEAGENTUR Der neue Chef, Andreas Kuhlmann, erläutert die veränderten Schwerpunkte und analysiert die Problemfelder der Energiewende einbringen. Die vergangenen Monate waren für die Deutsche Energieagentur nicht immer problemlos, unter anderem mit der Diskussion um die Vergütungshöhen des Führungspersonals. Wie haben sich die ersten Wochen angelassen? Spannend. Ich habe bislang sehr viel Unterstützung erfahren und wir hoffen natürlich, dass das erstens so bleibt und sich dann zweitens auch in spannende Projekte umsetzen lässt. Es gibt natürlich auch ein paar Probleme, die wir lösen müssen. Aber das wird schon. Ihr Vorgänger, Stephan Kohler, hat die Dena mit aufgebaut und ist eines der bekanntesten Gesichter in der Energiewirtschaft. Trotzdem stand er am Ende in der Kritik. Was werden Sie anders machen? Ich glaube man kann sagen: Stephan Kohler hat einen ganz wichtigen Beitrag zur energiepolitischen Debatte der letzten Jahre geleistet, und so wie ich ihn kenne, wird er das auch weiter tun. Jeder Jeck ist anders, sagt man im Rheinland. Ich komme aus Westfalen, aber natürlich bringe ich eigene Impulse, eigene Kompetenzen und einen eigenen Blick auf die Energiewende mit. Schon seit meiner Studentenzeit treibt mich das Thema Klimawandel um. Es ist mir persönlich wichtig, dass wir mit unserer Expertise hierzulande und in anderen Ländern helfen können, dem Klimawandel etwas entgegenzusetzen. Herr Kohler hat stets offen seine Meinung vertreten. Werden Sie hier gemäßigter auftreten, auch mit Ihrer Kritik an der Bundesregierung? Ich sehe mich als konstruktiv kritischer Begleiter der Energiewende. Das habe ich in allen Gesprächen im Vorfeld auch deutlich gesagt. Reibung erzeugt auch manchmal Fortschritt und hiervon will ich mich nicht ausnehmen. Das was ich für richtig halte, werde ich auch in die öffentliche Debatte Die Dena will sich neu aufstellen. Was unterscheidet die neue Dena von der alten? Die Dena muss sich nicht neu erfinden, das einmal vorneweg. Allerdings ändern sich die Inhalte der Energiewende, und damit sind auch die Akteure gefordert, sich immer neu zu justieren und neue Schwerpunkte zu setzen. Für uns heißt das konkret: Wir werden uns verstärkt auf Energieeffizienz und auf systemische Fragen – intelligente Energiesysteme – konzentrieren. Dazu gehören für mich auch Themen wie die Digitalisierung der Energiewelt. Darüber hinaus werden wir den Stakeholder-Dialog und auch die internationale Zusammenarbeit weiter ausbauen. »Für 2020 bis 2030 und danach haben wir noch nicht die richtigen Instrumente.« Das heißt, Themen wie erneuerbare Energie oder Netzausbau stehen nicht mehr im Fokus? Nein, das kann man so nicht sagen. Erneuerbare Energien sind mittlerweile eine tragende Säule im Energiesystem geworden. Der weitere Ausbau ist Grundlage all dessen, was wir in Zukunft bei der Energiewende tun müssen. Gleiches gilt für die Netze. Diese spielen etwa bei der Digitalisierung und dem Erschließen von Flexibilitäten eine ganz wichtige Rolle. Es handelt sich eher um eine Neusortierung der Themen. Nicht alles werden wir in gleicher Weise fortführen. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat in einem Interview gesagt: die Dena soll auch Think Tank sein. Think Tank ist ein großes Wort. Aber wir wollen diesem Anspruch Schritt für Schritt gerecht werden. Sie hatten gesagt, Sie wollen künftig auch den Dialog mit Ihren Eigentümern stärken. Wie stark wächst damit die Bindung an die Politik? Ich nehme wahr, dass das Interesse an unserem Input für die politische Arbeit hoch ZEITUNG FÜR KOMMUNALE WI RTSCHAFT Ausgabe 9/15, 2 ist. Die Dena hat für die Bundesregierung hier einen ganz besonderen Auftrag. Gilt dies auch für die Mobilität? Wie gehen Sie künftig mit diesem Thema um? Wir sind noch ganz am Anfang zu lernen, dass Energiewende nur funktionieren kann, wenn es uns gelingt, die unterschiedlichen Sektoren stärker zueinander zu führen. Das gilt zunächst für den Bereich Strom- und Wärmemarkt, aber perspektivisch natürlich auch für den Verkehr. Persönlich bin ich nicht ganz glücklich, wie wir in der Vergangenheit mit dem Thema Mobilität umgegangen sind. Beim Erschließen der Klimaschutzpotenziale ist hier sicherlich noch Luft nach oben. Bei der Elektromobilität wünsche ich mir stärkere Akzente auch von der Bundesregierung. Und wo setzen Sie im Bereich Digitalisierung an? Im Weißbuch der Bundesregierung steht: Die Energiewirtschaft wird die erste Branche sein, die vollständig digitalisiert ist. Heute fehlen jedoch die Geschäftsmodelle, um die Potenziale zu realisieren. Wir werden einen Stakeholder-Dialog aufsetzen, der sektorübergreifend die Kompetenzen, die wir in Deutschland haben, zusammenbringt, ganz konkrete Handlungsoptionen entwickelt und dann mit Politik und Wirtschaft in den Dialog tritt. Ich sehe hier eine Lücke, und die wollen wir füllen. Das Thema ist auch eine Chance, neue Begeisterung für das Thema Energiewende zu schaffen. Und die ist angesichts der Debatten in der jüngsten Vergangenheit bitter nötig. Kommen wir zur Energieeffizienz. Mit dem Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz meint die Regierung hier endlich den richtigen Weg einzuschlagen. Sind Sie genauso optimistisch? Energieeffizienz und erneuerbare Energien stehen jetzt als Kernziele nebeneinander. Das ist ein ganz eindeutiges Statement der Bundesregierung, Energieeffizienz deutlich stärker in den Fokus zu rücken. Das kommt uns mit unseren Kernkompetenzen natürlich entgegen. Ende des Jahres ist der Nape jedoch schon ein Jahr alt. Auf dem Dena-Kongress im November stelle ich daher die Frage: Energieeffizienz – kleines Karo oder großer Wurf? Wir brauchen mehr Speed in der Debatte. Wir müssen aufpassen, dass wir bei all den guten und richtigen Maßnahmen im Nape und bei den Beschlüssen der Koalitionsspitzen beim Energiegipfel vom 1. Juli nicht den Blick für Seite 2 das Ganze verlieren. Im Bereich Speicher betreiben Sie eine Plattform für Pumpspeicher. Der Beitrag der Technologie zur Problemlösung ist durchaus überschaubar. Bei der Speicherfrage wird man perspektivisch starke Unterscheidungen nach den Einsatzbereichen machen müssen. Bei Pumpspeichern stechen die Möglichkeiten des großtechnischen Einsatzes im mehrstelligen MW-Bereich hervor. Bei Batteriespeichern wiederum sind Vielfältigkeit und Dynamik in der technologischen Entwicklung positive Aspekte. Wie groß die Potenziale in den unterschiedlichen Situationen sein werden, ist heute noch nicht ausreichend geklärt. Das Potenzial von Speichern ist bekannt. Niemand will aber so richtig bauen, weil sich viele Projekte wirtschaftlich nicht rechnen. Wird sich dies ändern? Wir werden sehen. Momentan ist viel im Fluss. Ich habe das Gefühl, dass wenn der Flexibilitätsbedarf mit Ausbau der Erneuerbaren insgesamt stark steigen wird, die einzelnen Potenziale eine andere Wertigkeit bekommen werden. Wichtig ist jedoch, dass wir Energiespeicher nicht länger als Letztverbraucher einordnen, die sie nicht sind und den energiewirtschaftlichen Rahmen entsprechend anpassen. Die Netzentgelt-Systematik spielt hier eine große Rolle. Sind Sie auch der Meinung, dass künftig weniger die EEG-Umlage, dafür aber die Netzentgelte steigen werden? Für mich ist die Netzentgelt-Systematik eine der aktuell komplexesten und schwierigsten Fragen. Bei solchen Prognosen haben sich schon viele verschätzt, gegenwärtig sieht es aber ganz so aus. Es gibt bezüglich der künftigen Struktur der Netzentgelte viel Übereinkunft auf der Metaebene, aber wenig Einigkeit über den Weg dahin. Was hier fehlt, ist ein breiter Stakeholder-Dialog, der mal einen konkreten Lösungsvorschlag zur Diskussion stellt. Aber der Höhepunkt der EEG-Umlage ist wohl auch noch nicht erreicht. Beim Marktdesign ist die Energiewirtschaft skeptisch, dass das reine Setzen auf den Markt der richtige Weg ist. Wie sehen Sie das? Es gibt hier zwei Perspektiven. Die eine ist letztendlich der Blick auf die theoretischen Modelle und Funktionen eines Marktes. Hier kann man zum Schluss kommen, dass Flexibilitäten und Preisspitzen irgendwann die richtigen Preissignale geben. Das ist intellektuell nachvollziehbar. Die andere Perspektive ist die aus der Praxis. Die Anbieter gesicherter Kapazitäten werden sicherlich die gegenwärtige Marktsituation nicht noch zehn Jahre einfach so aushalten. Der Grün-Weißbuch-Prozess zeigt, dass viele Akteure skeptisch sind, inwieweit ein Energy-only-Markt ausreicht, wobei sich auch nur wenige für einen Kapazitätsmarkt ausgesprochen haben. Diese Skepsis sollte uns zu denken geben. Die Politik ist gefordert, diesen Spagat jetzt aufzulösen. Versorgungssicherheit soll nun der Strommarkt 2.0 gekoppelt mit einer strategischen Reserve garantieren. Diese muss natürlich energiewirtschaftlich vernünftig ausgestaltet werden. Kritiker sehen das Ergebnis als faulen und teuren Kompromiss. In der Debatte um die Reserve standen zuletzt bedauerlicherweise die geplanten zusätzlichen 22 Millionen Tonnen CO2-Emissionsreduktion im Vordergrund. Dem Ziel werden wir mit den Maßnahmen auch ganz erheblich näher kommen. Wie viel Geld das mehr kostet als andere Lösungen, bleibt am Ende eine theoretische Frage, über die man lange streiten kann. Wichtiger ist, dass jeder durch diese Diskussion mitbekommen hat: Klimapolitik ist unumkehrbar. Dies hat viel größere Auswirkungen auf das, was in den nächsten Jahren ansteht, als der nun beschlossene Weg für die Zeit bis 2020. Ohne Mehrkosten wird die Energiewende nicht zu haben sein. Wir werden auf der Strecke Geld brauchen, nicht nur für den Ausstieg aus der Kohle. Für das, was zwischen 2020 und 2030 und danach sowieso erforderlich ist, haben wir meiner Meinung nach noch nicht die richtigen Instrumente auf dem Tisch. Das wird noch viel Arbeit. Das Interview führte Michael Nallinger ANDREAS KUHLMANN ist seit Juli 2015 Vorsitzender der Dena-Geschäftsführung. Zuvor war der Diplom-Physiker beim Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), der Deutschen Botschaft in Stockholm sowie im Europaparlament, dem Deutschen Bundestag und im Bundesministerium für Arbeit und Soziales tätig.
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