Versteckspiel Familie - Katholische Pfarreiengemeinschaft Simmern

Versteckspiel Familie
Predigt – 27. Dezember 2015 (Fest der Heiligen Familie)
Lies: Lukas 2,41-52 und Kolosser 3,12-17
Zwei Kinder spielen Verstecken. Eins versteckt sich und wartet, dass das andere es sucht. Es
wartet und wartet. Aber das andere Kind kommt nicht. Da läuft es weinend zu seinem Großvater
und sagt: Stell dir vor, ich habe mich versteckt, aber mein Freund hat mich nicht gesucht. Da
weint auch der Großvater. Er nimmt das Kind in die Arme und sagt: Was meinst du, ob es Gott
nicht oft auch so geht wie dir? Er ist verborgen und hofft, dass wir ihn suchen. Aber wie oft
wartet er vergeblich.
Das ist eine rabbinische Erzählung. Sie erzählt von einer ganz wichtigen Erfahrung, die Kinder
schon beim Versteckspielen machen. Es ist der Reiz, mich so zu verstecken, dass der Andere mich
nicht findet. Da spüre ich, dass ich ein Geheimnis habe und es hüte. Aber es ist genauso die
Freude, wenn der andere mich findet. Es ist das Glück zu wissen, dass man nach mir sucht, und
die Hoffnung, dass ich doch auch gefunden werde.
Die Geschichte zeigt auch ein schönes Bild davon, was Familie ist. Da ist jeder da mit seinem
Geheimnis, mit seiner ganz eigenen Persönlichkeit. Die Eltern helfen den Kindern, ihre
Persönlichkeit zu entwickeln und ihre Fähigkeiten zu entfalten und freuen sich darüber. Sie
staunen, was alles in ihren Kindern steckt, und sind stolz. Aber manchmal erschrecken sie auch.
Alle haben in einer guten Familie Respekt voreinander, die Kinder vor den Eltern, aber genauso
die Eltern vor den Kindern. Jeder hat seinen Raum, sein eigenes Geheimnis. Du darfst Du selber
sein. Du darfst auch anders sein als die anderen.
Aber wir gehören in einer Familie auch zusammen. Wir sehen einer den andern. Wir fragen
nacheinander. Wir haben Interesse aneinander. Wir nehmen Rücksicht aufeinander. Wir haben
Vertrauen. Wir müssen mit unserem Geheimnis nicht versteckt bleiben sondern dürfen uns
zeigen. Und wenn nötig suchen wir uns auch, bis wir uns wieder gefunden haben, bis wir uns
wieder verstehen.
Eine Familie ist ein großes lebenslanges Versteckspielen. Das ist spannend und wunderbar. Aber
das kann auch ganz, ganz schwierig sein. Es gibt ja soviele Verstecke in dem großen Haus
Familie.
Jesus ist es nicht anders gegangen in seiner Familie und überhaupt mit den Menschen. Von
Anfang an müssen die Menschen Jesus suchen müssen. Die Hirten müssen einen Weg gehen und
brauchen einen Engel, der ihnen die Richtung zeigt. Genauso müssen die Könige ganz lange
suchen, bis sie das Kind finden. Und ohne den Stern hätten sie es nie geschafft.
Auch Maria und Josef haben Jesus nicht so selbstverständlich, wie wir vielleicht vermuten. Jesus
ist 12 Jahre alt. Sie sind auf einer Wallfahrt, schon wieder auf dem Rückweg nach Hause. Es ist
ein Riesengedränge. Auf einmal stellen sie erschrocken fest, dass Jesus nicht mehr da ist. Wenn
Eltern ihr Kind verlieren, das ist ein Schock. Und dabei bleibt es nicht. Sie werden ihn wieder und
wieder verlieren, wenn sie ihn nicht verstehen, wenn sie über ihn entsetzt sind, wenn ihnen ihr
eigenes Kind fremd ist. Am Ende wird Maria ihn endgültig verlieren und ihr eigenes Kind
begraben.
Jesus macht als Kind die wunderbare Erfahrung, dass er Eltern hat, die nach ihm suchen. Seine
Eltern gehen ihm nach, bis sie ihn gefunden haben. Und er macht die starke Erfahrung, dass
seine Eltern es aushalten, dass sie ihn anders wiederfinden, als sie es erwartet haben, als ihr Kind
unter den Lehrern im Tempel sitzt, „und alle sind erstaunt über sein Verständnis und seine
Antworten“. Er hat Eltern, die eine seltsame Antwort ihres Kindes aushalten: „Wusstet ihr nicht,
dass ich im Hause meines Vaters sein muss?“ Sie drängen ihn nicht in ihre eigenen Bilder und in
ihre eigenen Vorstellungen, sondern sie lassen ihm seinen eigenen Weg. Er muss nicht so
werden, wie die Eltern es gewollt haben. Er darf er selber sein. Unverwechselbar.
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In dieser Familie lernt Jesus an einen Gott kennen, der liebevoll und weit zugleich ist. Der das
verlorene Schaf sucht - unermüdlich, bis er es gefunden hat. Der aber auch den verlorenen Sohn
die eigenen Umwege gehen lässt, ohne den Glauben und die Liebe an sein Kind zu verlieren. Er
hat einen Gott, der sucht und sich suchen lässt.
Es ist gutes Bild, wie wir miteinander leben und Vertrauen lernen können – besonders in der
Familie, aber auch in den Freundschaften, in der Gemeinde. Überall spielen wir Verstecken.
Menschen, vielleicht die Nächsten, warten, dass wir sie endlich suchen, dass wir sie nicht im Stich
lassen, dass wir nach ihnen fragen. Und unbemerkt hat Gott sich eingemischt, spielt mit und hat
sich versteckt – in einem Stall, in einem Kind, mitten unter uns - und wartet darauf, ob wir ihn
finden.
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