Abendgottesdienst 20.03.2016, Predigt von Pfr. Walter Lang. Thema: Warum lässt Gott Leid zu. Warum? Warum müssen Menschen manchmal so tierisch leiden? Warum sind Menschen manchmal völlig verzweifelt und finden keine Hilfe? Warum verhungern Hunderttausende von Menschen in unserer Welt? Warum haben Sie schon die zweite schreckliche Krankheit in Ihrer Familie? Warum? Warum? Vielleicht sagen jetzt einige unter uns: Was soll eigentlich die Warum - Frage? Frag nicht nach, das Leben ist nun mal schön und schrecklich. Wenn du Glück hast im Leben, dann hast du eben Glück. Und wenn du Pech hast, dann haut dir das Schicksal auf einen Schlag dein Lebensglück in Fetzen und du hast keine Chance. Frag nicht warum. So absurd ist das Leben. Aber wir Menschen fragen immer wieder nach dem Warum. Scheinbar müssen wir Menschen nach dem Warum fragen. Wir wollen verstehen, wir wollen großes Leid nicht einfach hinnehmen. Weil einfach hinnehmen, das macht uns so klein und unbedeutend. Vielleicht ist es einfach auch ein Kennzeichen von uns Menschen, dass wir einen Sinn suchen in dem, was wir erleben und dass wir Sinnlosigkeit nur schwer ertragen können. Menschen, die an Gott glauben, werden erst recht fragen: Warum? Weil wir glauben, dass alles, was passiert in unserem Leben, zuerst mal an Gottes Augen vorbei muss. Weil wir glauben, dass Gott das Schreien und Stöhnen der Hungernden auf dieser Erde hört. Weil wir glauben, dass Gott ein Gott ist, der Gerechtigkeit will auf dieser Erde. Weil wir glauben, dass Gott einen Sinn in unser Leben gelegt hat und unser Leben nicht unsinnig ist. Weil wir so groß von Gott glauben, deshalb stellen Christen die Warum-Frage. Sie stellen sie an Gott. Und jetzt lautet sie: Gott, warum lässt du das Leid in unserem Leben und das Leid in der Welt zu? Warum, Gott? Im Gottesdienst heute Abend möchte ich mit euch über diese Frage nachdenken, über die Frage: Warum lässt Gott das Leid in der Welt zu? Man kann diese Warum - Frage an Gott mit kühlem Kopf und scharfem Verstand stellen, aus Lust am Argumentieren - und dann hat Gott meistens schlechte Karten: Wie kann Gott das Leid in der Welt zulassen? Man kann ganz cool so argumentieren: Wenn Gott wirklich ein liebender Gott ist, dann passt der Tod von Zehntausenden von Menschen bei einer Flutkatastrophe nicht zu Gott. Lieb kann er dann auf jeden Fall nicht sein. Oder aber: Gott will das Leid auf der Welt selbst nicht, aber er kann es nicht verhindern. Dann ist er vielleicht lieb, aber ohne Power, ohnmächtig. Dann steht Gott wohl selbst hilflos vor dieser Warum – Frage. Von wegen allmächtiger Gott. Das Leid in der Welt hebelt Gott aus, entweder als lieben Gott oder als allmächtigen Gott. Das ist die coole Denke, bei der Gott ganz alt aussieht. Aber für viele Menschen ist die Frage: Warum lässt Gott das Leid in der Welt zu? keine coole Frage. Menschen stellen die Frage mit bangem Herzen, mit verwundetem Herzen. Sie stecken mitten im Leid und sie sind tieftraurig und verzweifelt und können nicht mehr an Gott glauben. Sie sehen die Hand Gottes in dem Schrecklichen, das sie erleben, nicht mehr. Warum lässt Gott das Leid zu, für sie eine ganz persönliche, eine ganz wichtige Glaubensfrage. Merkt ihr: Wir tasten uns immer ein Stückchen weiter ran an das Thema unseres Gottesdienste: Gott, warum? Aber bevor wir direkt auf die Frage zu sprechen kommen, muss ich vorweg noch was klären. Ich frag noch mal kritisch nach: Wer lässt das Leid in der Welt denn zu? Immer nur Gott? Oder ist nicht viel Leid in der Welt menschenverschul-det? Dass Menschen verhungern auf unserer Erde, obwohl genug für alle da ist, das sollten wir Gott nicht in die Schuhe schieben. Das ist menschengemacht. Wenn ein verantwortungsloser, betrunkener Autofahrer Menschen gefährdet oder gar einen tödlichen Unfall verursacht, dann möchte ich die Warum-Frage nicht an Gott stellen. Hier ist die Verantwortung von Menschen gefragt. Und auch wenn jetzt Babys und Kinder im Schlamm an der mazedonischen Grenze totkrank werden, sollten wir das nicht Gott in die Schuhe schieben. Menschen sind für dieses Leid verantwortlich. Ich finde es zumindest ein bisschen hilfreich, wenn wir unterscheiden und sortieren: Wo ist die Warum – Frage an Gott zu stellen und wo müssen wir sie an Menschen stellen. Wer wirklich ernsthaft mit der Frage kämpft: Warum das Leid in der Welt? der wird alles tun, um Leid zu lindern. Wenn wir Geiz geil finden, also alles soll möglichst billig sein, dann sind wir dafür verantwortlich, wenn an anderen Stellen der Erde Menschen für Hungerlöhne arbeiten müssen und nicht genug zum Leben haben. Und wenn uns das Leid von Freunden unter die Haut geht, vielleicht, weil ein schlimme Krankheit die Familie unserer Freunde getroffen hat, dann werden wir mal öfters einen Besuch machen, mitweinen mit den Freunden, helfen, wo wir können, und wir werden uns nicht zurück ziehen in einer schweren Situation. Aber damit ist nicht alles geklärt: Wenn Kinder, die ihr Leben noch nicht gelebt haben, sterben müssen an einer unheilbaren Krankheit, da wüsste ich nicht, wo hier menschliche Verantwortung liegt. Hier lass ich mir nicht nehmen, die Frage an Gott zu stellen: Gott, warum lässt du das zu? Gibt es eine Antwort auf diese Frage, eine Antwort, die uns zufrieden stellen kann? Und ich sag als erstes offen: Nein! Ich weiß es nicht, warum Gott das Leid in der Welt zulässt. Ich weiß es auch nicht! Auch als Pastor weiß ich es nicht! Ich kann Gott nicht ins Notizbuch gucken. Ich kann Gottes Gedanken nicht lesen. Lasst uns ehrlich sein: Niemand weiß eine befriedigende Antwort auf die Frage: Warum lässt Gott das Leid in der Welt zu? Zwar bemüht man sich immer wieder um Antworten: Z.B. sagen Leute: Gott will uns bestrafen durch das Leid. Ich kann das nicht glauben. Gott will aufrichten und nicht niederstrecken. Gott will helfen und nicht kaputt hauen. Manche Leute sagen: Gott will uns durch Leid erziehen. Deshalb lässt er das Leid zu. Okay: Ab und zu sagen Menschen: Gott hat aus einem schweren Schicksalsschlag was Gutes gemacht. Ich bin durch großes Leid hindurch stärker geworden. Ich lebe jetzt anders. Ja, das kann es geben. Aber ich weigere mich, diese Antwort für jedes Leid anzunehmen: Gott will uns erziehen. Was für brutale Erziehungsmethoden sind das denn: Gott macht Menschen ganz klitzeklein, um sie dann wieder aufzubauen? Nein, so kenne ich Gott nicht. Da will ich lieber aushalten zuzugeben: Ich weiß die Antwort nicht auf die Frage: Warum, Gott? Ich glaube vielmehr, Leid, Krankheit und Unglück gehören mit zu dieser Welt. Das Leben, in das Gott dich gestellt hat, ist manchmal wunderschön und manchmal ganz schrecklich. Warum das so ist, weiß ich nicht. Aber es ist so. Ich erzähle euch jetzt von einem Mann, der hat die Warum – Frage an Gott gestellt, so radikal, so unerbittlich wie kaum ein zweiter. Gott, warum muss ich solches Leid erleben? Das ist nicht gerecht! Gott, du bist nicht gerecht! Der Mann heißt Hiob. Seine Geschichte steht in der Bibel und wer sich noch mal intensiver mit der Warum - Frage auseinandersetzten will, der sollte das Buch Hiob in der Bibel mal durchlesen. Keine leichte Lektüre. Also, ich erzähl mal ein kleines Stück aus der Hiob-Geschichte. Hiob ist ein richtig guter Typ. Er hat sich nichts zu Schulden kommen lassen im Leben bisher. Er führt ein Leben, so wie Gott sich das vorstellt: gerecht und gut. Er vertraut in seinem Leben auf Gott, er betet, er ist im guten Sinn ein gläubiger Mann. Aber eines Tages geht das Elend in seiner Familie los. Alles, was du dir denken kannst, kriegt der an den Hals. Er verliert sein ganzes Hab und Gut im Krieg. Sein ganzer Besitz, alles, wofür er geschuftet hat, futsch. Dann ereilt das Unglück auch seine engste Familie. Ein Tornado bringt sein Haus zum Einsturz und begräbt alle seine Kinder in den Trümmern. Schreckliche Katastrophe. Das ist kaum zu verkraften. Und dann geht es ihm selbst ans Fell. Er wird tot krank. Es muss eine Krankheit gewesen sein, die ihn schrecklich quälte. Wir sehen ihn in einem Aschehaufen sitzen und sich seine ekligen Wunden, die seinen Körper bedecken, mit Asche bestreuen. Sonst kommt er um vor Juckreiz und Schmerzen. Ein Mann, der auf Gott vertraut und der das Schlimmste erlebt, was Menschen erleben können. Warum lässt du das zu, Gott? Und dann schildert uns das Hiobbuch eine Szene, die mir unter die Haut geht. Hiob sitzt im Aschehaufen, es geht ihm total dreckig. Da kommt seine Frau und sagt zu ihm: Hiob, ich kann nicht verstehen, dass du immer noch an Gott glaubst. Soll ich dir was raten? Sag dich von Gott, los! Gib Gott einen Tritt, der dich so im Stich lässt. Verfluche Gott und stirb. Aber hör auf, an diesen Gott zu glauben. Gott hat sich doch wohl erledigt. Da schaut Hiob seine Frau an und sagt zu ihr: Ich habe viele gute Tage dankbar von Gott angenommen. Warum soll ich nicht auch die schweren Tage aus Gottes Hand nehmen? Habt ihr das gehört? Gott hat viele Tage meines Lebens mit Glück und Segen gefüllt. Das hab ich gerne angenommen. Sollte ich dann nicht auch Schweres, Leid von Gott entgegen nehmen? Ich muss da noch einen Augenblick drüber nachdenken: Wie ist das bei uns: Ich nehme mein ganzes Leben aus Gottes Hand. Gute Tage und böse Tage. Es kann doch nicht sein, dass ich meine Gesundheit, meinen Berufserfolg, meine tolle Familie, meinen Schulerfolg mein guten Tage eben einfach so einsacke, ohne an Gott zu denken, und wenn´s mir dreckig geht, dann meutere ich: Gott, warum hältst du mir nicht das Schwere vom Leib? Was mir an dieser Stelle einfällt: Es gibt auch noch eine andere Warum – Frage, die sollten wir uns auch ab und zu stellen (neben der: Warum lässt Gott das Leid in der Welt zu? Diese Frage lautet: Warum schenkt Gott soviel Gelingen, so viel Freude und Spaß, soviel Gutes in mein Leben hinein? Haben wir uns diese Frage schon mal gestellt? Warum geht es mir eigentlich so unverschämt gut? Warum lebe ich in einem Land, in dem kein Krieg herrscht? Warum steht bei uns zu Hause jeden Tag genügend zu Essen auf dem Tisch? Warum bin ich so glücklich mit meinem Lebenspartner, meinem Freund oder mit meiner Freundin? Warum bringen wir das Tolle unseres Lebens nicht auch mit Gott in Verbindung und sagen ihm mal Danke dafür? Vielleicht können wir ja mit dem Schweren besser umgehen, wenn wir das Gute dankbar von Gott entgegen nehmen würden? Aber ich weiß, das ist keine Antwort auf die Warum – Frage. Ich frage zum Schluss: Was kann uns denn helfen, wenn wir im Leid im Unerklärlichen, in großer Not stecken und nach Gott rufen: Warum lässt du das zu, Gott? Ich glaube was uns wirklich helfen kann, ist dies: Wir schauen auf den Einen, der die Warum – Frage auch raus gestöhnt und raus geschrieen hat: Mein Gott, mein Gott, warum? Ich erzähl euch die Geschichte zum Schluss. Es ist gegen 12 Uhr mittags. Die Sonne knallt erbarmungslos auf den Hinrichtungshügel Golgatha vor den Toren der Stadt Jerusalem. Drei Männer werden heute hingerichtet. Sie sind gekreuzigt worden. Das ist die grausamste Todesstrafe, die man im ganzen römischen Reich damals kennt. Einer der Verurteilten ist Jesus. Was hat er verbrochen? Nichts. Er halt geheilt und geholfen. Aber man hat ihm einen verlogenen Prozess an den Hals gehängt. Man hat ihm das Wort im Mund verdreht. Man hat ihn bespuckt und halb ausgezogen, gedemütigt und verlacht. Man hat ihn gefoltert und gequält, Nägel durch die Handwurzeln getrieben und ihn gekreuzigt. Eine stundenlange Quälerei ist so eine Kreuzigung. Jesus stirbt einen langsamen, grausamen Tod zwischen Verbluten und Ersticken. Gleich wird´s vorbei sein. Und da hebt der leidende Jesus noch mal den Kopf und schreit die Frage in den Himmel: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Und kurz darauf betet er zu diesem Gott, den er gerade noch angeschrieen hat: „Vater, ich lege meinen Geist in deine Hände“. Noch zwei Atemzüge, dann stirbt Jesus. Ich glaube, auf diesen sterbenden Jesus am Kreuz zu sehen ist das einzige, was mir weiterhilft, wenn ich frage; Warum lässt Gott das Leid in der Welt zu? Ich sehe dort nämlich: Jesus- der Bevollmächtige Gottes, Jesus, der Botschafter Gottes, hat selbst gelitten und die Warum - Frage gestellt. Jesus, Gottes Sohn, hat selbst in seinem Leiden keinen Sinn mehr sehen können. – Aber er hat Gott nicht losgelassen. Und diesen Jesus hat Gott nicht hängen lassen. Gott hat ihn aus dem Leiden und dem Tod herausgerissen in sein ewiges Leben zu Ostern. Seitdem ist Jesus ganz dicht bei uns. Jesus kniet neben mir, wenn ich vor Schmerzen und Leid nicht mehr ein noch aus weiß. Jesus versteht mich. Jesus kennt meine schreckliche Warum – Frage. Jesus erlaubt mir zu klagen, zu schreien, ja, auch Gott anzuschreien. Jesus umarmt mich dann und sagt: Ich verstehe dich. Ich bin und bleibe bei dir. Und noch was wird mir deutlich, wenn ich auf Jesus am Kreuz sehe: Ich begreife: Auch Gott hält sich nicht fein raus aus allem Schweren. Er hat sich mit Jesus selbst tief reingewagt in das Leid und die Not und die ungelösten Fragen. Gott lässt es sich nicht gut gehen auf irgendeinem Himmelsthron und wir zappeln hier unten und kriegen unser Schicksal nicht unter die Füße. Nein, Gott ist mitten drin im Elend in den Erdbeben-Ruinen, in der glühenden Hitze, wo nichts mehr wächst, in den Folterkammern dieser Erde, im Matsch vor dem Grenzzaun in Idomeni. Gott selbst ist da tief unten, und bleibt da unser Gott. Ich sag´s noch mal ganz deutlich: Gott ist dir nicht nur nah, wenn es dir gut geht, sondern auch, wenn es dir schlecht geht und du nichts von Gottes Nähe spürst. Das Leid in unserem Leben und in der Welt ist kein letztes Argument gegen Gott. Gott kann uns in allen ungelösten Fragen, ja, sogar im Tod festhalten und durchtragen, weil er Jesus auch festgehalten und durchgetragen hat. Warum lässt Gott das Leid in der Welt zu? Ich weiß es nicht. Aber wenn Jesus Christus mir nahe ist, dann kann ich eine Menge aushalten. Lasst uns doch in guten Tagen dankbar mit Gott leben in enger Verbindung mit Jesus. Lasst uns mit seiner Kraft mutig gegen Leid in unserer Umgebung ankämpfen. Dann werden wir auch die schweren Tagen eher aus seiner Hand nehmen können. AMEN.
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