THINK ACT BEYOND MAINSTREAM EXTRA AUSGABE CHINASZENARIO September 2015 China: Kollaps, "New Normal" oder neues Wachstumsmodell? Unsere Szenarien und Handlungsempfehlungen. Von Burkhard Schwenker, Tobias Raffel und Klaus Fuest 2 THINK ACT Unser China-Szenario THINK ACT 3 Unser China-Szenario 3 DIE GROSSEN 7% lautet Chinas "Tipping Point" beim Wachstum. In diesem Jahr dürfte die zweigrößte Volkswirtschaft der Welt erstmals langsamer wachsen. Seite 4 4 Wird es der chinesischen Regierung gelingen, die magische Wachstumsschwelle von 7% zu halten? Oder schlagen Chinas strukturelle Probleme endgültig zu: Unsere Szenarien beschreiben vier Zukunftsbilder für China: "Kollaps", "Stabilität auf Pump", "New Normal" und "Neues Wachstum". Seiten 10/11 0,8% weniger Wachstum befürchten wir in Europa, wenn der Worst Case in China eintritt. Was wir tun können, um uns zu wappnen, erläutern Seiten 11–13 Überschuldung, Überinvestitionen, Überkapazitäten, Demografie und Umweltschäden? Klar ist: Chinas aktuelles Wachstumsmodell hat keine Zukunft. Das erkennt auch die chinesische Regierung und steuert mit ihrem neuen Fünfjahresplan um. Was plant sie und gelingt die Transformation? Welche Wachstumsszenarien sind denkbar? Und was bedeuten sie für Unternehmen? China steht im Augenblick für alle Elemente, die wir mit Ungewissheit verbinden: Die Entwicklungen sind vielschichtig und nicht eindeutig interpretierbar, die Prognosen sind widersprüchlich, Szenarien können keine Wahrscheinlichkeiten zugeordnet werden. Unternehmen agieren ganz unterschiedlich; einige investie- ren stark, andere leiden bereits heute an der Flaute in China. Das neue Wirtschaftsprogramm der chinesischen Regierung kann weitere Regulierungen und Einschränkungen bringen, aber auch ganz neue Chancen und große Potentiale. Klar ist jedenfalls, dass die internationalen Börsen auf Chinas aktuelle Probleme überreagiert haben. Aber die realwirtschaftlichen Entwicklungen bleiben dennoch besorgniserregend: > Chinas Exporte sind eingebrochen: Wuchsen sie zwischen 2000 und 2013 noch mit hohen 18,9% p.a., waren es 2014 nur 6,1%, im ersten Halbjahr 2015 sogar nur noch schwache 0,9%. 4 THINK ACT Unser China-Szenario THINK ACT 5 Unser China-Szenario A DER TREND GEHT NACH UNTEN: CHINAS WACHSTUMSRATEN [REALES BIP-WACHSTUM IN %] 11,3 10,4 10,0 9,3 7,8 1990 bis 1999 2000 bis 2009 2010 2011 2012 7,8 2013 7,3 7,0 2014 Source: IWF > Wichtige binnenwirtschaftliche Indikatoren sind gekippt: Das Transportvolumen der Bahn sank im ersten Halbjahr um 10,1%, die angefangenen Bauprojekte gingen um 15,8% zurück, der Stromverbrauch stieg nur noch um 1,3%. > Die "magische Wachstumsschwelle" von 7% ist in Gefahr: Geht die chinesische Regierung noch von "ungefähr" 7% aus, liegt die aktuelle Prognose des IWF bereits bei 6,8%. > Chinas nachlassende Dynamik schlägt auch im Westen durch: Von Januar bis August 2015 gingen beispiels weise die deutschen Exporte nach China um 13,4% zurück, vor allem im Automobilbereich (-19,4%) oder im Maschinen- und Anlagenbau (-17,4%). Noch schwerer wiegt, dass das Vertrauen in die Gestaltungsfähigkeit der chinesischen Regierung verloren geht. Zwar war uns allen klar, dass die hohen Wachstumsraten der chinesischen Volkswirtschaft auf Dauer nicht haltbar waren, aber der Glaube daran, dass mindestens 7% "schon irgendwie machbar seien", hat uns doch beeinflusst. Das aktuelle eher hilf- und weitgehend wirkungslose Agieren der chinesischen Behörden (Aktienkaufprogramme, Abwertung des Yuan, Verbot von neuen Börsengängen etc.) hat uns nun verunsichert – und den Blick auf Chinas echte Herausforderungen frei gemacht: > China hat sich hoch verschuldet: Zwischen 2000 und 2014 stieg die gesamtwirtschaftliche Kreditmenge um das 25-fache auf 25 Billionen US-Dollar. Insbesondere die chinesischen Kommunen, die alleine etwa 4 Billionen US-Dollar Schulden angehäuft haben, und die meisten Staatsbetriebe sind hoch verschuldet. Die Verschuldung Chinas über alle Sektoren liegt Schätzungen zufolge derzeit bei 282% vom BIP – und damit doppelt so hoch wie vor gerade einmal acht Jahren. > Überinvestitionen haben Überkapazitäten geschaffen: China investiert seit Jahren massiv in die Industrie-, Verkehrs- und Wohnungsinfrastruktur. Was lange Zeit als Konjunkturmotor half, wird zunehmend zum Problem: Chinesische Betriebe sind im Durchschnitt nur zu etwa 60% ausgelastet; vor zehn Jahren waren es noch 90%. > Chinas Demografie ist gekippt: Die Ein-Kind-Politik, die als "demografische Dividende" Chinas Wirtschaftsboom mit ermöglicht hat, wird zum Problem, denn seit 2012 schrumpft die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter rapide. Nach UN-Projektionen wird das Arbeitskräftepotenzial Chinas bis 2050 um 220 Millionen Menschen abnehmen. > China leidet massiv unter Umweltschäden: 60% des Grundwassers sind ungenießbar, 20% des Ackerlands vergiftet, die Luft in allen größeren Städten ist stark verschmutzt. Die Verseuchung der Böden mit Blei, Arsen, Kadmium und anderen Schwermetallen gehört zu den größten Gesundheitsrisiken in China. Trinkwasserknappheit dürfte sich in den kommenden Jahrzehnten zu einem ernstzunehmenden Sicherheitsrisiko entwickeln. Alle Herausforderungen zusammen führen zu einer nüchternen Erkenntnis: Chinas Wirtschaftsmodell droht zu scheitern, die Renditen sinken gegen Null, die Produktivität wächst nicht mehr. Hinzu kommen eine Vielzahl politischer Themen: Der Kampf gegen die Korruption, der in das Machtgefüge von Partei und Regierung wirkt, außenpolitische Ambitionen, stark steigende Militärausgaben, allein +10% im letzten Jahr – das beeindruckende Militärmanöver zum 70. Jahrestag des Sieges über Japan hat jedenfalls nicht zur Beruhigung westlicher Beobachter beigetragen. Kurz gefasst: Chinas Entwicklung wird ungewisser und gibt Anlass, genauer hinzuschauen: Kann es China gelingen, auch zukünftig um die "magischen" 7% zu wachsen? Was steht im neuen Wirtschaftsprogramm der Regierung? Welche Entwicklungspfade und Szenarien sind denkbar? Und nicht zuletzt: Welche Auswirkungen hat das auf uns? DIE "MAGISCHEN" 7%: WIE STARK WIR VON CHINA ABHÄNGEN Mit durchschnittlich 10% pro Jahr in den 1990er Jahren und sogar mehr als 11% in den 2000er Jahren ist die chinesische Wirtschaft über zwei Jahrzehnte hinweg fast dreimal so schnell gewachsen wie die Weltwirtschaft. Seit Beginn der Reformpolitik in China in 1978 stieg das chinesische BIP inflationsbereinigt um beeindruckende 9,85% pro Jahr. China war damit über viele Jahre hinweg einer der wichtigsten Wachstumstreiber – für die Weltwirtschaft, für andere Schwellenländer, für Europa und vor allem auch für Deutschland. Seit 2010 sinken die Wachstumsraten A – aber bislang nie unter die Schwelle von 7%. Diese 7% sind deswegen kritisch (oder "magisch"), weil sie > für das chinesische Wirtschaftsmodell einen "Tipping Point" darstellen, denn Ministerpräsident Li Kequiang zufolge ist so viel Wachstum nötig, um Jahr für Jahr 10 Mio. Menschen neu zu beschäftigen und die Arbeitslosenquote in den großen Städten auf rund 4% zu halten, > für alle nach China exportierenden Länder hoch genug sind, um die heimische Wirtschaft spürbar anzutreiben (und deswegen in vielen Konjunkturprognosen, auch in unseren, eine entscheidende Rolle spielen). Jetzt sind die 7% in Gefahr – der IWF geht für 2015 von nur noch 6,8% aus, andere wie zum Beispiel der Economist sehen bis 2020 eine weitere Abschwächung auf unter 6% voraus. Mit erheblichen Konsequenzen, denn die Größe der chinesischen Wirtschaft, ihre Dynamik und das Vertrauen in hohes Wachstum haben zu engen Verflechtungen und Abhängigkeiten geführt B : > Chinas dynamische Wirtschaftsentwicklung hat direkt und indirekt mit bis zu 40% zum globalen Wirtschaftswachstum beigetragen. > China ist zu einem der wichtigsten Handelspartner für Europa und Amerika geworden – für Europa der zweitwichtigste, für die USA der drittwichtigste. > In den letzten 5 Jahren wuchsen die europäischen Exporte nach China um 7,5% (auf hohe 164 Mrd. Euro), die der USA um 6,1% (auf immerhin 93 Mrd.). > Allein die Direktinvestitionen aus Deutschland in 6 THINK ACT Unser China-Szenario THINK ACT 7 Unser China-Szenario B GEWACHSENE ABHÄNGIGKEIT: Unsere wirtschaftlichen Verflechtungen mit China FRANKREICH → Für China zweitwichtigster Handelspartner in Europa nach Deutschland → Verdopplung der Exporte nach China seit 2006 → Frankreich liefert vor allem Maschinen (53,6 %) GROSSBRITANNIEN → China auf Rang 8 der britischen Handelspartner → Höchste Export-Wachstumsrate nach China (15,1 % p.a. seit 2010) → Wichtigstes Exportprodukt sind Automobile (35,5 %) EU-28 USA → China auf Rang 3 der wichtigsten US-Handelspartner → Exporte in Höhe von 93 Mrd. Exporte in 2014 (+10,2 % ggü. Vorjahr) → US-Chinaexporte sind etwa halb so hoch wie EU-Chinaexporte Source: IWF, Bloomberg, Unctad DEUTSCHLAND → China ist drittwichtigster Handelspartner → Exporte in Höhe von 74,5 Mrd. Euro (Maschinen & Anlagen, Autos, Elektrotechnik, Chemie) → Investitionen in China: 47 Mrd. Euro; chinesische Investitionen in D: 1,7 Mrd. Euro → China ist zweitwichtigster Handelspartner der EU → Wachstum der Exporte um 7,5 % pro Jahr seit 2010 → Deutschland mit Abstand am wichtigsten für China China liegen bei 47 Mrd. Euro, aus Großbritannien kommen 29 Mrd. Euro, aus Frankreich 16 Mrd. Euro, aus den Niederlanden 13 Mrd. Euro. > Der Export deutscher Unternehmen nach China ist vor allem für die Branchen Automobil, Maschinen- und Anlagenbau, Elektrotechnik und Chemie wichtig – also vor allem für die Branchen, die unsere industrielle Kompetenz in Deutschland und Europa begründen. > Für viele Unternehmen ist die Entwicklung der chinesischen Märkte wachstumskritisch geworden, denn auf China entfallen zwischenzeitlich signifikante Umsatzanteile C . > Mehr als 40 Millionen chinesische Touristen besuchten im letzten Jahr Europa – China ist mit 95 Millionen Auslandsreisen Reiseweltmeister geworden. China spielt für uns also eine entscheidende Rolle, denn die positiven Wachstumsimpulse der Vergangenheit können sich bei ausbleibender Wachstumsdynamik in China genauso schnell umkehren. Hinzu kommt, dass wir von mehreren, sich gegenseitig verstärkenden Effekten ausgehen müssen, also > direkte negative Wachstumseffekte durch einen Nachfragerückgang aus China (weniger Export, zusätzlicher Preisdruck, nachlassende Beschäftigung im Inland etc.), sowie > indirekte negative Effekte durch eine geringere Rohstoffnachfrage Chinas, die die Wachstumsdynamik vieler Schwellenländer beeinträchtigt und sich damit zusätzlich negativ auf das globale Wachstumspotential auswirkt. Die UBS hat kürzlich versucht, diese Effekte zu quantifizieren: Eine um 1 Prozentpunkt geringere Wachstumsrate Chinas würde Europas Wachstum direkt um 0,1–0,3 Prozentpunkte bremsen, in Deutschland sogar um 0,3–0,5 Prozentpunkte. Sekundär geht die UBS von einem weiteren Bremseffekt von 0,1–0,2 Prozentpunkten aus. Unseren Berechnungen zeigen in eine ähnliche Richtung, allerdings schätzen wir das Verhältnis zwischen Primär- und Sekundäreffekten etwas anders ein: > Die Primäreffekte halten wir aufgrund der erwiesenen Widerstandsfähigkeit der deutschen Wirtschaft, der anziehenden Binnennachfrage und zusätzlichen Wachstumsimpulsen aus den USA für geringer und haben sie mit 0,2–0,4 Prozentpunkten berechnet, > die Sekundäreffekte halten wir für höher; aufgrund der hohen Exportorientierung Deutschlands und der starken Verflechtungen mit der Weltwirtschaft liegen C ABSATZMARKT CHINA: Wichtiger Umsatzbringer vieler europäischer Unternehmen Jaguar Land Rover 34,5 % Volkswagen 32,2 % Infineon 20,1 % BMW 18,7 % Lanxess 12,7 % Philips 11,2 % HeidelbergCement 11,2 % Alcatel-Lucent 10,2 % Daimler 10,2 % Siemens 9,0 % Bayer 8,6 % Source: Bloomberg 8 THINK ACT Unser China-Szenario THINK ACT 9 Unser China-Szenario D E AUF ZU EINEM NEUEN MODELL: Chinas Wirtschaft im Wandel EINERSEITS UND ANDERERSEITS Die Folgen von 25 Jahren aggressivem Wachstum KÜNFTIG BISHER Exporte und staatliche Investitonen WACHSTUMSTREIBER Quantität und Dynamik FOKUS Binnenkonsum, Exporte und staatliche Investitionen Qualität und Nachhaltigkeit PROBLEME SICHERHEITSPUFFER (behindern künftige Entwicklung) (helfen gegen künftige Krisen) Überschuldung ZIEL Verbesserung der Lebensqualität Überinvestition BRANCHEN Wissensintensive Branchen Überkapazitäten Industrie WICHTIGSTER SEKTOR Dienstleistungen Besitzen und kontrollieren REGULIERUNGSMODUS Privatisieren und regulieren Korruption MARKTZUGANG FÜR AUSL ÄNDISCHE UNTERNEHMEN Mit (höherem) Local Content Ungleichheit Wirtschaftlicher Aufstieg Ressourcenintensive Branchen Über Joint Ventures sie unseres Erachtens in einer Größenordnung von 0,2–0,3 Prozentpunkten. Das Ergebnis dieser Berechnungen ist bedrückend: Sollte Chinas Wachstum in einem Worst-Case-Szenario auf 5% zurückfallen, würde sich das Wachstum in Deutschland um 0,8 Prozentpunkte reduzieren – wir müssten von einer Halbierung unserer jetzigen Wachstumsprognosen ausgehen. Und da Deutschland nach wie vor die Wachstumslokomotive in Europa ist, träfe es Europa in mindestens gleicher Größenordnung. Alle heute erkennbaren Wachstumsansätze wären dahin – kombiniert mit den politischen Verwerfungen über die Flüchtlingspolitik würde die EU vor eine fast nicht mehr lösbaren Zerreissprobe gestellt. Keine schöne Perspektive! CHINAS NEUES WACHSTUMSMODELL: EINE NEUE PERSPEKTIVE? Ob unsere Worst-Case-Berechnung Realität wird, hängt vor allem davon ab, ob es der chinesischen Regierung gelingt, auf ein neues Wirtschafts- und Wachstumsmodell umzusteigen. Die Absicht dazu ist klar erkennbar: Der neue 13. Fünfjahresplan 2016–2020, der im Herbst beim Wirtschaftsparteitag verabschiedet wird, sieht fundamentale Veränderungen vor D: > Umwandlung des Wachstumsmodells: Statt ressourcenintensive Industrialisierung klarer Fokus auf Produk tivitätssteigerung durch Automatisierung, Digitalisierung, neue Produktionsprozesse, E-Mobilität, Re- ssourceneffizienz und moderne Dienstleistungen. > Erhöhung der lokalen Wertschöpfung: Durch mehr Local Content, neue Bildungsoffensiven und höhere Arbeitsproduktivität; in der Folge soll das Pro-Kopf-Einkommen von heute 6.800 US-Dollar pro Jahr auf über 12.000 US-Dollar bis 2020 verdoppelt werden. > Weitere Privatisierung und Liberalisierung: Vor allem im bisher noch weitgehend staatlichen Bankensektor sowie in anderen Industrien, etwa Energie und Eisenbahnen. > Besserer Umweltschutz: Durch massive Erhöhung der POLITISCHER UND WIRTSCHAFTLICHER EINFLUSS IN DER WELT HOHE DEVISENRESERVEN HOHE ROHSTOFFRESERVEN Umweltschäden Investitionen in erneuerbare Energien und Atomkraft (bereits 2014 entfielen mit 89,5 Mrd. US-Dollar fast 30% der weltweiten Investitionen in saubere Energie auf China). > Abfedern der Folgen des demografischen Wandels: Durch weiter gelockerte Geburtenkontrolle und mehr soziale Absicherung, etwa dem Aufbau eines landesweiten Krankenversicherungs- und Rentensystems. Der neue Plan adressiert also genau die Schwächen des alten Modells. Gelingt er, sehen wir die Chance, dass China sein Wachstumstempo in den nächsten Jahren halten kann. Und da das bisherige Modell trotz aller Schwächen dazu geführt hat, dass China erhebliche "Sicherheitspuffer" aufbauen konnte E, gibt es auch genügend Reserven, die die Umsetzung unterstützen. Aber selbst dann: Durch eine Vielzahl industriepolitischer Maßnahmen hat der Plan enorme Auswirkungen für ausländische Unternehmen, die auf dem chinesischen Markt tätig sind. Zwei Beispiele zur Illustration: HOHE SPARQUOTE DER BEVÖLKERUNG HOHER HANDELSBILANZÜBERSCHUSS BEISPIEL ELEKTROMOBILITÄT China fördert (und reguliert) heimische Automobilhersteller und Elektromobilität massiv. Alle Elektrofahrzeuge, die nicht in China entwickelt und produziert wurden, werden von Subventionen, Steuerbefreiung und öffentlicher Beschaffung ausgenommen. Bereits 2016 sollen mindestens 30% der von Behörden gekauften Neuwagen Elektro- oder Hybridautos sein. Staat liche Stellen müssen Parkplätze für Autos mit alterna tiven Antrieben einrichten, es werden Ladestationen gebaut. Auf längere Sicht soll in China auf jede Tankstelle eine Elektro-Ladestation kommen. Bislang halten rein chinesische Autobauer einen Marktanteil von ca. 40%, die restlichen 60% der in China verkauften Autos stammen von Autoherstellern mit ausländischer Beteiligung. Die Förderung der E-Mobilität soll chinesischen Autobauern einen neuen Absatzmarkt bieten, auf dem sich chinesische Autos – und nach Möglichkeit nur chinesische Autos – behaupten 10 THINK ACT Unser China-Szenario können. Während in China 2013 erst 18.000 E-Fahrzeuge verkauft wurden, stieg die Zahl 2014 um 400% auf 75.000. Ende 2015 sollen 500.000 und 2020 dann 5 Mio. Elektrofahrzeuge auf Chinas Straßen fahren. BEISPIEL AUTOMATISIERUNG Chinesische Unternehmen sollen in der neuen Planperiode massiv in Automatisierung investieren. Noch ist der Automatisierungsgrad gering – 2013 gab es in China nur 30 Roboter auf 10.000 Beschäftigte (in Deutschland waren es 282). Aber nirgendwo auf der Welt wird mehr in Automatisierungstechnik investiert als in China: Der Verkauf von Robotern stieg schon 2014 um 54,6% auf rund 57.000 Einheiten, das entspricht 25% der weltweit verkauften Roboter. Bis 2020 sollen die Wachstumsraten bei mindestens 15% pro Jahr liegen, vor allem im Geschäft mit 3D-Druckern, Sensoren, Optimierungssoftware und Robotern. Noch ist China in Teilbereichen der Automatisierungstechnik stark von ausländischem Know-how abhängig, aber schon ein Drittel der Roboter wird bereits heute in China hergestellt. Chinesische Hersteller von Automatisierungstechnik konnten ihren Anteil am Gesamtmarkt der Industrieautomation in den vergangenen vier Jahren kontinuierlich ausbauen auf über 45% ausbauen. Schon diese zwei Beispiele verdeutlichen, dass der neue Wirtschaftsplan massiv auf die Stärkung chinesischer Unternehmen setzt. Die Chance auf eine neue Dynamik in China ist also auch mit dem Risiko verbunden, dass sich die Unternehmenspolitik ausländischer Unternehmen in China grundlegend verändern muss. WIE SICH CHINA BIS 2020 ENTWICKELN KÖNNTE – UNSERE SZENARIEN Auch wenn der neue Plan Chancen bietet – ob er im Zeitplan gelingt, ist keinesfalls ausgemacht, denn dazu sind die Herausforderungen zu hoch. Auch die aktuellen Wachstumsprognosen zu China geben keine eindeutige Richtung vor und schwanken erheblich F. Wir haben deswegen in den vergangenen Wochen intensiv mit europäischen und chinesischen Experten darüber diskutiert, in welche Richtungen sich China entwickeln könnte. Im Ergebnis sind wir auf vier mögliche Zukunftsbilder gekommen, die China im Jahr 2020 beschreiben: "Kollaps", "Stabilität auf Pump", "New Normal" und "Neues Wachstum" (dazu gleich mehr). THINK ACT 11 Unser China-Szenario G Grafik G illustriert in unserem Szenario-Diagramm, worin sich die einzelnen Szenarien unterscheiden: Horizontale Achse ("Chinas Reformpolitik"): Auf dieser Achse differenzieren wir danach, wie schnell und erfolgreich die geplanten Reformen umgesetzt werden. In der Vergangenheit ist es der chinesischen Regierung erstaunlich gut gelungen, ihre Wirtschaftspläne umzusetzen. Diesmal erscheinen uns nicht nur die Ziele besonders ambitioniert; auch die Implementierung der einzelnen Maßnahmen dürfte angesichts der vielen aktuellen Probleme kein Selbstläufer sein. Ist der neue Fünfjahresplan im Jahr 2020 also vollständig umgesetzt (rechte Quadranten)? Oder besteht das alte Wirtschaftsmodell mit dem jetzt erreichten Reformstand mehr oder weniger fort (linke Quadranten)? Vertikale Achse ("Globale Marktdynamik"): Vertikal differenzieren wir danach, wie sich Europa, die USA und die anderen BRICS-Staaten in den kommenden fünf Jahren wirtschaftlich entwickeln. Hiervon hängt ab, wie stark die Wachstumsimpulse ausfallen, die China von außen erreichen, und auch, wie stark die ausländischen Wettbewerber auf dem chinesischen Markt auftreten. Wächst die Weltwirtschaft im Zeitraum 2016–2020 also dynamischer als in den vergangenen Jahren (obere Quadranten)? Oder erleben wir ein spürbar niedrigeres Wachstum nicht nur der chinesischen Volkswirtschaft, sondern auch global (untere Quadranten)? Folgen wir dieser Differenzierung, könnte China im Jahr 2020 so (unterschiedlich) aussehen: "Kollaps“ ist unser Worst-Case-Szenario: Die Reformen misslingen und Wachstumsimpulse bleiben aus. China würde im Jahr 2020 gleich an drei Fronten massiv kämpfen müssen: Die Wirtschaft liegt am Boden, da weder Exporte wachsen noch der private Konsum nachzieht. Die drastisch gestiegene Überschuldung verhindert weitere, wirksame staatliche Konjunkturprogramme. Keines der strukturellen Probleme ist gelöst, im Gegenteil: Umweltverschmutzung, Demografie und Ineffizienzen haben sich dramatisch verschärft. Dies, verbunden mit dem politischen Reformstau, untergräbt die politische Legitimität der chinesischen Regierung. Soziale Unruhen durch hohe Arbeits- und Perspektivlosigkeit wären die erdrückenden gesellschaftlichen Folgen. "Stabilität auf Pump“ zeichnet ein trügerisches Bild: Dank hoher weltwirtschaftlicher Dynamik und weiterer Konjunkturprogramme hält China eine Wachstumsrate um 7%. Die Arbeitslosigkeit bleibt folglich niedrig, die Bevölkerung optimistisch. Dadurch wird jedoch verdeckt, dass sich Chinas strukturelle Probleme weiter verschärfen und die notwendige wirtschaftliche und gesellschaftliche Modernisierung fehlschlägt. Zunächst ändert sich wenig. Aber ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Stabilität auf Pump kollabiert und in Szenario 1 – der Worst Case – umschlägt. Für diese beiden (Negativ-) Szenarien kommt ein weiteres hinzu: Unterausgelastete Kapazitäten können ein Deflationsrisiko weiter antreiben und dazu führen, dass chinesische Unternehmen mit aggressiven Preisen die internationalen Märkte überfluten und den Wettbewerb weiter verschärfen. "New Normal“ ist angelehnt an die Aussage von Staatspräsident Xi Jinping, der angesichts niedrigerer Wachstumsraten von der "neuen Normalität" (xin changtai) spricht. Zu dieser neuen Normalität gehört auch die rechtzeitige und erfolgreiche Umsetzung der Reformen, die im neuen Fünfjahresplan festgeschrieben sind. China wird sich an niedrigere Wachstums perspektiven gewöhnen und ausbleibendes Exportwachstum kompensieren. Dank stark gestiegenem Pro-Kopf-Einkommen gelingt dies ebenso wie die weiterhin beeindruckend großen Fortschritte in der Entwicklung industrieller Zukunftsbranchen sowie der Dienstleistungswirtschaft. "Neues Wachstum“ ist unser Best-Case-Szenario: China kehrt in den kommenden Jahren zu einer Wachstumsrate oberhalb von 7% zurück. Möglich machen würde dies die Kombination aus einer sehr dynamisch wachsenden Weltwirtschaft und weitreichenden politischen Reformschritten, die wie im Fünfjahresplan festgelegt das Wachstumsmodell bis 2020 auf breitere Füße stellen und die strukturellen Probleme Chinas wirksam bekämpfen. In unserem vierten Szenario hätte China also nicht nur – einmal mehr – gezeigt, dass es seine Wirtschaft erfolgreich steuern kann, sondern zudem das Glück überdurchschnittlicher Wachstumsimpulse von außen. WIRTSCHAFTSPOLITISCHE HANDLUNGSMÖGLICHKEITEN: VORBEUGEN IST BESSER! Welches unserer vier Szenarien eintreten wird, ist schwierig vorherzusagen – alle sind zunächst einmal (gleich) wahrscheinlich, keines kann mit Wahrscheinlichkeit verneint werden. Es kann also schlechter oder auch besser laufen, und schon deswegen sollten wir F RÜCKLÄUFIGE WACHSTUMSDYNAMIK: Aktuelle Wachstumsprognosen für China (reales BIP-Wachstum in %) 2015 2016 OECD 7,4 6,9 Weltbank 7,1 7,0 IWF 6,8 6,3 Goldman Sachs 6,8 6,4 Economist 6,8 6,5 Roubini Economics 6,8 5,4 uns wirtschaftspolitisch vorbereiten – vorbeugen ist besser als überrascht werden! Aus unserer Sicht gibt es dafür drei robuste Ansatzpunkte: Erstens: Für einen freien Marktzugang einsetzen Auch wenn es besser laufen sollte, müssen wir wirtschafts- und außenpolitisch und am besten europäisch koordiniert darauf hinwirken, dass Chinas neuer Wirtschaftsplan zu keinen weiteren Schwierigkeiten im Marktzugang für ausländische Unternehmen führt. Die erkennbar aggressiven industriepolitischen Maßnahmen deuten ja darauf hin, dass China ausländische Marktteilnehmer künftig noch stärker und systematischer benachteiligen könnte. Wichtig sind deshalb die Details: Wie wird Local Content in Zukunft konkret 12 THINK ACT Unser China-Szenario THINK ACT 13 Unser China-Szenario G UNSERE CHINA-SZENARIEN: Vier mögliche Entwicklungspfade bis 2020 hoch Globale Marktdynamik STABILITÄT AUF PUMP NEUES WACHSTUM dynamisch Chinas Reformpolitik langsam KOLLAPS "NEW NORMAL" niedrig Source: Roland Berger-Szenarioanalyse ausgelegt? Und die erkennbaren Benachteiligungen im Bereich der Elektromobilität? Kommt es dazu, dass ausländische Unternehmen mit digitalen Geschäftsmodellen vom Markt ausgeschlossen werden, wenn sie nicht bereit sind, ihre Programmcodes offenzulegen? Zu welchen belastbaren Regelungen führen die politischen Gespräche mit China um einen verbesserten Schutz geistigen Eigentums? Was ist mit Geschäftsgeheimnissen? Und verpflichtet sich China endlich, Online-, Produkt- und Markenpiraterie wirksam zu bekämpfen? Zweitens: Ein EU-China-Freihandelsabkommen verhandeln Sollte es schlechter kommen, sind wir zu unserem eigenen Nutzen gut beraten, China in seiner Entwicklung zu unterstützen, beispielsweise durch die zügige Aufnahme von Verhandlungen über ein EU-China- Freihandelsabkommen. China fordert dies bereits seit dem EU-China-Gipfel Ende 2013, aber die EU-Kommission bremst und verweist – nicht zu Unrecht, siehe Punkt 1 – auf die laufenden Verhandlungen über ein Investitionsschutzabkommen (Comprehensive Agreement on Investment, CAI). In bisher sechs Verhandlungsrunden seit November 2013 wurden einige Fortschritte erzielt, aber zentrale Diskussionspunkte wie die Bedingungen für Joint Ventures oder Chinas Investitionskatalog, der ausländischen Firmen Beteiligungen in vielen Bereichen untersagt, sind nach wie vor ungeklärt. Einen Schritt weiter sind wir immerhin mit dem fertig verhandelten europäisch-chinesischen Zollabkommen, das im November 2015 in Kraft treten und zügigere Kontrollen und einen geringeren Verwaltungsaufwand bringen wird. Drittens: Unsere eigenen Hausaufgaben machen Da es auch ganz schlimm kommen könnte, ist es immer richtig, rechtzeitig alternative Wachstumschancen zu erschließen – jedes Prozent Wachstum, das wir woanders gewinnen, reduziert unsere Abhängigkeit von einem ungewissen China. Und führt im besseren Fall zu einer zusätzlichen Wachstumsdynamik. Die Themen dafür sind so bekannt wie richtig: > TTIP mit Hochdruck zu Ende verhandeln: Die zu erwartenden Synergien und Wohlfahrtsgewinne für Europa von etwa 120 Mrd. Euro pro Jahr oder 0,5% des Bruttoinlandsprodukts haben ohne weiteres das Potential, die negativen Bremseffekte eines schwachen chinesischen Wachstums weitgehend abzufangen. > Den europäischen Binnenmarkt voranbringen: Gezielte Investitionen in neue Fertigungskonzepte, die Digitalisierung, intelligente Mittelstandsförderung und innovative Mobilitätslösungen können zu einem weiteren Wachstums-Prozentpunkt führen – und gleichzeitig unsere industrielle Kompetenz stärken, was uns noch widerstandsfähiger machen wird. > Das europäische Infrastrukturprogramm beschleunigen: Schon 80 Mrd. Euro zusätzlicher Infrastrukturinvestitionen (Verkehr, Wasser, Energie, Breitband) können einen Wachstumseffekt von einem weiteren Prozentpunkt auslösen – und dazu führen, dass unsere Wettbewerbsfähigkeit durch leistungsfähige und effiziente Transport-, Versorgungs- und Kommunikationsnetze weiter gestärkt wird. Das heißt also: Mit einer klugen Investitionspolitik, den richtigen Prioritäten, einer geschickten Diplomatie – und vor allem einem geeinten europäischen Vorgehen – können wir spürbare Wachstumsimpulse für und in Europa setzen. Zusammen genommen ergibt sich ein Wachstumspotential von sicher mehr als 2% – groß genug, um ein chinesisches Worst-Case-Szenario zu bewältigen. Und ohnehin dringend erforderlich, um einen Sicherheitspuffer aufzubauen, denn mit hoher Wahrscheinlichkeit werden auch für die nächsten Jahre Wachstumsimpulse aus Russland (vgl. unser think:act zu den Auswirkungen der Wirtschaftssanktionen) oder anderen BRIC-Staaten, vor allem Brasilien, ausfallen. Die Prioritäten sind also klar gesetzt! WAS UNTERNEHMEN JETZT TUN KÖNNEN: VORBEUGEN IST BESSER (ZUM ZWEITEN!) Auch für Unternehmen gilt: Keines unserer vier Szenarien sollte zum jetzigen Zeitpunkt ausgeschlossen wer- den! Das fordert unsere Strategie heraus: Soll man sich auf einen Rückzug aus China einstellen? Oder eröffnet der neue Wirtschaftsplan doch Chancen? Wären überhaupt alternative Absatzmöglichkeiten denkbar? Ist Überwintern die richtige Strategie, wenn es nicht gut laufen sollte? Oder ist es besser, China als Absatzmarkt abzuschreiben und mit voller Kraft andere Märkte zu erschließen? Und was bedeutet das für Unternehmenspolitik und Finanzierung? In jedem Fall ist es angesichts der Ungewissheit richtig, das China-Engagement auf den Prüfstand zu stellen – auch hier gilt: Vorbeugen ist besser! Aus unserer Sicht helfen drei robuste Schritte: Erster Schritt: Footprint und Impact analysieren Die beste Reaktion auf Ungewissheit ist eine objektive, ungeschminkte Analyse. Relevante Fragen sind vor allem: > Wie flexibel ist das China-Geschäft organisiert? (nur Exportgeschäft, mit Infrastruktur, mit hohen Investitionen und langfristigen Joint Ventures) > Wie groß sind die Einflussmöglichkeiten? (Einzig artigkeit der angebotenen Leistung, Bedeutung für China, Netzwerke, politische Kontakte) > Wie wichtig ist das China-Geschäft überhaupt, global und in Asien? (Umsatz-, Kosten- und Ergebnisanteile) > Wie verflochten ist es mit anderen Aktivitäten? (Kapazitätsauslastung, Einkaufsvolumen, Materialkosten, Vorprodukte, Forschung und Entwicklung) > Wie reagibel sind die Gesamt-Geschäftsaktivitäten? (Skaleneffekte und Fixkosten, kurz- und mittelfristige Kompensationsmöglichkeiten für wegbrechende Geschäftsfelder) > Wie robust ist die allgemeine Unternehmens- und Finanzsituation? (Cash-Flow-Konsequenzen, Finanzierungssituation, Auswirkung auf Kapitalmärkte) Zweiter Schritt: Szenarien durchspielen Da wir aktuell keines der vier Szenarien ausschließen sollten, macht es Sinn, alle vier auf ihre unternehmens politischen Konsequenzen zu analysieren. Eckpunkte sind die folgenden: "Kollaps": Im Worst Case sind die Schritte (leider) so klar wie dramatisch: Neue Investitionsprojekte sofort stoppen, laufende Investments sofort reduzieren, einen geordneten Rückzug aus China einleiten, auf lokale Finanzierung umstellen und thesaurierte Gewinne wenn möglich ausschütten, die Finanzierung absichern und die (Kapitalmarkt-) Kommunikation vorbereiten. Paral- 14 THINK ACT Unser China-Szenario lel dazu mit Hochdruck alternative Absatzmärkte "aufbohren", um wegbrechendes Geschäft zu kompensieren – oder rechtzeitig Anpassungsmaßnahmen einleiten. Jetzt geht es darum, schnell eine neue und umfassende Strategie zu entwickeln, zu der China nicht mehr gehört. "Stabilität auf Pump": Unser zweites Szenario kann mit etwas Zeitverzögerung ebenfalls im Kollaps münden. Im Unterschied zu Szenario 1 gibt es jedoch mehr Zeit, einen Rückzug aus China vorzubereiten: Alle Aktivitäten auf Ertrag optimieren, "aus-cashen" und langsam in Deckung gehen, Projekte mit einer Laufzeit von über 5 Jahren kürzen, keine größeren Investitionen mehr tätigen, unprofitable und auf Wachstum setzende Geschäfte sofort zurückfahren. Auch hier gilt natürlich: Notwendig ist eine neue Strategie, in der China auf mittlere Frist keine oder nur noch eine geringe Rolle spielt. "New Normal" und "Neues Wachstum": Für unsere beiden Positivszenarien gehen die Handlungsempfehlungen in eine ähnliche Richtung, denn beide Entwicklungspfade bieten ausländischen Unternehmen auch in Zukunft Wachstumschancen (Szenario 4 natürlich mehr als Szenario 3) – vorausgesetzt, sie stellen sich auf das neue Umfeld und den neuen Fünfjahresplan ein. Relevante Fragen sind: > Wie stark verändert das neue Wirtschaftsmodell die Chancen und Risiken in China? Unternehmen im B2C-Geschäft werden große neue Kundengruppen erschließen können, wenn sich die Kaufkraft ihrer chinesischen Konsumenten verdoppelt. Unternehmen mit hohen Wertschöpfungsanteilen werden prüfen müssen, ob ihr Footprint und ihre Kooperationsmodi mit chinesischen Partnern noch tragen, wenn neue LocalContent-Anforderungen gelten. > Welche Folgen ergeben sich auf Branchenebene? Viele industriepolitische Maßnahmen (Subventionen, Regulierungen) werden die Attraktivität von Branchen gravierend ändern: Chinesische Unternehmen dürften in einer ganzen Reihe von Geschäften weitere Wettbewerbsvorteile erhalten. In anderen wird die staatliche Lenkung enorme Wachstumschancen für alle Marktteilnehmer eröffnen. > Wie schnell werden die einzelnen Maßnahmen greifen? Und welche politischen Handlungsmöglichkeiten sind denkbar/realistisch, um unfaire industriepolitische Maßnahmen zu korrigieren? Verbandsarbeit und koordiniertes politisches Vorgehen werden eine große Rolle spielen. THINK ACT 15 Unser China-Szenario > Welche unternehmensindividuellen Chancen und Risiken ergeben sich daraus? Welche Veränderungen bringen Vorteile, welche gefährden Marktstellung und Geschäftsmodell konkret? Analysen der Branchenattraktivität und insbesondere der neuen/erstarkenden chinesischen Wettbewerber können an dieser Stelle helfen, die Folgen greifbar zu machen. Dritter Schritt: Kluge Strategien entwickeln Die Ungewissheit über Chinas zukünftiges Wachstum und die positiven oder negativen Auswirkungen des neuen Wirtschaftsmodells fordern unsere Strategien zweifellos heraus. Mehr Sicherheit und eine erste Einschätzung über die konkrete Wahrscheinlichkeitsverteilung unserer Szenarien können wir nur gewinnen, wenn wir die Entwicklung eng und sorgfältig beobachten. Konkrete "Tipping Points" könnten sein: > Das Wachstum Chinas sinkt im 3. Quartal 2015 erstmals unter die kritische Schwelle von 7% (Zahlen werden im Oktober veröffentlicht). > Der neue Fünfjahresplan fällt angesichts der aktuellen Probleme Chinas weniger ambitioniert aus als bisher allgemein erwartet (Text wird im Oktober vorstellt). > Die Exporte entwickeln sich zum Ende 2015 doch noch positiv – genauso wie Europas Exporte nach China (Zahlen sind im Januar 2016 verfügbar). > Die binnenwirtschaftlichen Indikatoren bleiben auf niedrigem Niveau (Transportvolumen, Bauprojekte und Stromverbrauch). > Der Durchschnitt aller Wachstumsprognosen für die Weltwirtschaft in 2016 geht spürbar zurück (monat liche Durchschnittswerte z.B. von Bloomberg, Consensus). Hinzu kommt ein weiteres: Gelingt der neue Wirtschaftsplan, werden in kurzer Zeit neue chinesische Konkurrenten entstehen, die weltweit reüssieren und die Wettbewerbssituation in vielen Branchen verändern können. Bereits in den vergangenen Jahren waren Unternehmen wie Lenovo (IT), Huawei (Telekom), Haier (Hausgeräte), Xiaomi (Smartphone, Elektronik), Geely (Automobil) und Sany (Baumaschinen) international auf dem Vormarsch. Über 2.000 chinesische Unternehmen unterhalten bereits Dependancen in Deutschland. Allein in den letzten Jahren haben chinesische Unternehmen mehr als 46 Mrd. Euro in Europa investiert. Mit entsprechendem "politischen Rückenwind" dürfte die Zahl chinesischer Weltmarktführer in den kommenden Jahren sprunghaft ansteigen. ÜBER UNS Roland Berger, 1967 gegründet, ist die einzige der weltweit führenden Unternehmensberatungen mit deutscher Herkunft und europäischen Wurzeln. Mit rund 2.400 Mitarbeitern in 36 Ländern ist das Unternehmen in allen global wichtigen Märkten erfolgreich aktiv. Die 50 Büros von Roland Berger befinden sich an zentralen Wirtschaftsstandorten weltweit. Das Beratungsunternehmen ist eine unabhängige Partnerschaft im ausschließlichen Eigentum von rund 220 Partnern. WEITERFÜHRENDE LEKTÜRE Links & Likes BESTELLEN UND HERUNTERLADEN www.rolandberger.com BEYOND MAINSTREAM Eine europäische Studie von Roland Berger Strategy Consultants im Auftrag des BDI DIE DIGITALE TRANSFORMATION DER INDUSTRIE Was sie bedeutet. Wer gewinnt. Was jetzt zu tun ist. DIE AUSWIRKUNGEN DER WIRTSCHAFTSSANKTIONEN Unser Konjunktur-Update 9/2014 SEPTEMBER 2014 DIE AUSWIRKUNGEN DER WIRTSCHAFTSSANKTIONEN Unser Konjunktur-Update 9/2014 In unserem Konjunkturszenario analysieren wir die Folgen der Russland-Sanktionen auf Branchen- und Unternehmensebene. Die Wachstumseinbußen sind spürbar, unsere Prognosen für die deutsche Wirtschaft revidieren wir leicht nach unten. DIE DIGITALE TRANSFORMATION DER INDUSTRIE Was sie bedeutet. Wer gewinnt. Was jetzt zu tun ist. Die in Kooperation mit dem BDI entstandene Studie beschreibt Ursachen und Wirkungen der digitalen Transformation auf das "industrielle Herz" Deutschlands und Europas und gibt konkrete Handlungsempfehlungen für Industrie und Politik. INFORMIERT BLEIBEN www.twitter.com/ RolandBerger LIKEN UND TEILEN www.facebook.com/Roland BergerStrategyConsultants Weitere aktuelle Studien und Beiträge von Roland Berger finden Sie auf unserer neuen Microsite new.rolandberger.com Herausgeber ROLAND BERGER GMBH Sederanger 1 80538 Munich Germany +49 89 9230-0 www.rolandberger.com IHRE FRAGEN BEANTWORTEN DIE AUTOREN GERNE PROF. DR. BURKHARD SCHWENKER Chairman of the Advisory Council Hamburg +49 40 37631-4100 [email protected] DR. TOBIAS RAFFEL Senior Expert Berlin +49 30 39927-3559 [email protected] Die Angaben im Text sind unverbindlich und dienen lediglich zu Informationszwecken. 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