Welches Gehalt ist angemessen?

Personalentwicklung
Welches Gehalt ist angemessen?
Gehaltsstrukturen werden zum Top-Thema
In Zeitungen, Zeitschriften und
im Internet werden häufig Gehaltsvergleiche veröffentlicht. Allerdings
sind sie aus Sicht der Personalverantwortlichen meist wenig
aussagekräftig.
asselbe gilt für viele Gehaltsstudien,
die Personalberatungen zu Marketingzwecken publizieren. Was nutzt beispielsweise die Info, dass die Gehälter von
Sekretärinnen zwischen 17.000 und 56.000
Euro pro Jahr liegen?
Oder dass ein Controller zwischen 56.000 und
98.000 Euro verdient? Wenig! Denn bei solchen Klassifizierungen werden alle Angehörigen einer Berufsgruppe in einen Topf geworfen
– unabhängig davon,
welche Vorerfahrung sie haben,
in welcher Branche sie arbeiten und
welche Anforderungen an sie gestellt
werden.
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Bauchgefühl allein reicht nicht
Dessen ungeachtet gilt: Für eine erfolgreiche
Personalpolitik gewinnen Studien und Benchmarks an Bedeutung. Denn je rarer und begehrter qualifizierte Arbeitskräfte werden,
desto wichtiger wird es, sie angemessen bezahlen, damit sich ein Stellenwechsel aus Gehaltsgründen nicht lohnt.
Noch orientieren sich viele Betriebe bei der
Entgeltfindung fast ausschließlich an Tarifverträgen und -abschlüssen sowie den Erfahrungen, die sie bei Neueinstellungen in der
Vergangenheit gesammelt haben. Entsprechend groß ist zuweilen das Erstaunen, wenn
ein Top-Bewerber plötzlich deutlich mehr Gehalt fordert, als im Budget kalkuliert. Oder
wenn sie bei der Personalsuche registrieren:
Wir zahlen einer Gruppe von Mitarbeitern
deutlich weniger Lohn als es – zumindest bei
Neueinstellungen – im Markt inzwischen üblich ist.
Gerade in florierenden mittelständischen Unternehmen ist das Gehaltsniveau deutlich
niedriger als in Unternehmen, mit denen sie
letztendlich um die Gunst der hochqualifizierten Fach- und Führungskräfte konkurrieren.
Hieraus resultiert zunehmend die Gefahr,
Leistungs- und Know-how-Träger an die
Konkurrenz zu verlieren und offene Stellen
nicht mehr adäquat besetzen zu können. Diese Entwicklung gefährdet mittelfristig den Erfolg. Deshalb wird es zunehmend wichtiger zu
wissen: Inwieweit entspricht unsere Vergütung (noch) der Marktsituation?
Aussagekräftige Daten gefragt
Also sind auch Gehaltsvergleiche wichtig,
denn sie bieten eine Orientierung in der Gehaltspolitik. Zugleich liefern sie Argumente,
um beispielsweise bei Gehaltsdiskussionen einen Handlungsbedarf zu skizzieren. Auch im
Gespräch mit dem Betriebsrat sind sie oft
nützlich. Denn Arbeitnehmervertreter behaupten häufig pauschal, dass zu wenig gezahlt werde. In diesem Fall ist es hilfreich,
belegen zu können, dass diese Aussage nicht
oder nur auf gewisse Aspekte der Vergütung
zutrifft.
Damit Gehaltsvergleiche diese Funktionen erfüllen können, müssen sie den Personalverantwortlichen valide Daten liefern. Das heißt
unter anderem: Es dürfen nicht Äpfel mit Birnen verglichen werden. Denn es macht einen
Unterschied, ob beispielsweise eine Sekretärin
Personalentwicklung
ausschließlich nur eine Empfangsdame ist
oder eine hochqualifizierte Arbeitskraft, die
das Büro des Geschäftsführers eines multinational agierenden Unternehmens managt.
Entsprechendes gilt für die meisten Funktionen in Unternehmen. Ohne eine Analyse der
Anforderungen und Aufgaben lässt sich in
der Regel nur schwer bestimmen, welches Gehalt angemessen ist. Wenig differenzierte Gehaltsvergleiche machen aus Belegschaften
sozusagen einen Einheitsbrei, der letztlich
niemandem schmeckt.
Differenzierter Überblick wichtig
Um zu einem differenzierten Bild zu gelangen,
ist etwas Mehrarbeit nötig. Unter anderem gilt
es, in den Gehaltsvergleichen schärfer bezüglich Alter, Berufserfahrung und Ausbildung
und Aufgabe zu unterscheiden. So sollte in der
Regel zwar ein Betriebswirt mehr als ein Bürokaufmann verdienen und ein Buchhalter mit
20 Jahren Berufserfahrung mehr als ein Buchhalter mit fünf Jahren Erfahrung – selbst
wenn sie formal dieselbe Position haben.
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nwieweit entspricht
unsere Vergütung (noch)
der Marktsituation?
Doch im Betriebsalltag führen genau solche
Pauschalisierungen beziehungsweise starren
Vergütungsregeln ins Abseits. Denn im konkreten Einzelfall kann einem jungen Mitarbeiter, der zum Beispiel ein dringend benötigtes
Spezial-Know-how mitbringt, selbstverständlich ein deutlich höheres Gehalt gezahlt werden als einem Berufskollegen, der bereits Jahrzehnte für das Unternehmen tätig ist. Um
solche Entscheidungen zu treffen und die Gehaltsunterschiede firmenintern begründen zu
können, benötigen Personaler harte Daten und
Fakten. Denn sonst stellt sich bei Teilen der
Belegschaft schnell das Gefühl einer Ungleichbehandlung ein – und das mindert die Ar-
beitsmotivation und Identifikation mit dem
Unternehmen.
Auch eine stärkere regionale Differenzierung
der Gehaltsdaten ist wichtig. In städtischen
Ballungsräumen werden in der Regel – auch
wegen der höheren Lebenshaltungskosten –
höhere Löhne gezahlt als im ländlichen Raum.
Im Einzelfall kann es aber auch nötig sein,
einem hochqualifizierten Spezialisten ein weit
überdurchschnittliches Gehalt zu bieten, um
ihn aus einer Metropole in die Provinz zu
locken.
Gerade mittelständische Unternehmen müssen
sich künftig mit solchen Zusammenhängen intensiver befassen. Denn in der Regel haben sie
beim Kampf um hochqualifizierte Arbeitskräfte gegenüber multinationalen Konzernen einen
Wettbewerbsnachteil. Umso wichtiger wird es
für sie, zu wissen, welche Vergütung für welche Qualifikationen im Markt üblich sind – damit sie ihre Mitarbeiter angemessen entlohnen
und ihnen nicht zugleich die Personalkosten
aus dem Ruder laufen.
Klaus Scholbeck,
www.conciliat.de
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