Kapitel 17

INSTITUTIONENGESCHICHTE
(RÖMISCHES P RIVATRECHT)
SOMMERSEMESTER 2015
PROF. DR . JOHANNES PLATSC HEK
XVII.
Zur Irrtumslehre beim Kauf: D. 18, 1, 9/10/11
Kaser, RPR § 8.20-23
1. consensus
2. Identitätsirrtum:
fehlender
consensus in
corpore,
kein Vertrag
9. Ulpian im 28. Buch seines Sabinus-Kommentars
„Es ist unzweifelhaft, dass bei Verkäufen und Käufen ein Einverständnis
(consensus) vorliegen muss. Andernfalls, wenn sie entweder über den
(Vertragstyp) Kauf selbst, über den Preis oder über etwas anderes nicht
einverstanden sind, ist der Kauf nicht wirksam zustande gekommen
(„imperfekt“).
Wenn ich also glaubte, das Cornelianische Grundstück zu kaufen, du aber
geglaubt hast, mir das Sempronianische zu verkaufen, so ist der Kauf
unwirksam („nicht vorhanden/nichtig“), weil wir über die Sache (corpus) kein
Einverständnis erreicht haben.
[dasselbe]
Dasselbe gilt, wenn ich den Stichus zu kaufen geglaubt, und du den Pamphilus,
der nicht zur Stelle ist, zu verkaufen geglaubt hast: Denn wenn über die Sache
kein Einverständnis herrscht, so ist klar, dass der Kauf nicht wirksam ist.
3. Falschbezeichnung
unerheblich bei consensus in corpore,
Vertrag wirksam
Wenn wir freilich in der Bezeichnung (nomen) nicht übereinstimmen, die
Sache (corpus) dagegen aber feststeht, dann besteht kein Zweifel, dass der
Kauf und der Verkauf wirksam ist: Der Irrtum über den Namen macht nämlich
nichts aus, wenn über die Sache Einigkeit herrscht.
4. Unwirksamkeit
wegen error in
substantia
trotz consensus in
corpore?
Daher fragt es sich, ob der Kauf und der Verkauf wirksam ist, wenn ein Irrtum
über die Sache selbst nicht vorliegt, wohl aber darüber, woraus sie besteht /
über den Stoff (substantia), wie z. B. wenn man beim Verkauf Essig für Wein
hält, Kupfer für Gold oder Blei für Silber oder irgendetwas anderes, was dem
Silber ähnlich ist.
4a) Marcellus:
error in materia
(= in substantia?)
unerheblich
Marcellus schreibt im sechsten Buch der Digesten, der Kauf und Verkauf sei
wirksam, weil man über die Sache Einverständnis erzielt hat, wenn auch ein
Irrtum über den Stoff (materia) vorlag.
4b) Ulpian:
error in materia
- unerheblich,wenn
fast dieselbe usia
(= substantia?)
gemeint
- ansonsten erheblich
Ich (Ulpian) stimme dem zu, was den Wein anbelangt, weil das „kind of being“
(usia; gr. „das Seien/Wesen“) nahezu dasselbe ist, allerdings nur, wenn der
Wein sauer geworden ist. Wenn der Wein jedoch nicht sauer geworden ist,
sondern schon von Anfang an Essig war, wie die Essigbrühe (embamma), so
scheint beim Verkauf etwas für etwas anderes (aliud pro alio) gehalten
worden zu sein. In den übrigen Fällen glaube ich, dass der Verkauf unwirksam
ist, soweit ein Irrtum über den Stoff (materia) vorliegt.“
4c) Paulus: error in
materia
unerhebl.,
wenn
geringerer
Gehalt der vorgestellten materia
4d) Ulpian: Irrtum des
Blinden/
Unerfahrenen/
bei fehlendem Augenschein
10. Paulus im 5. Buch seines Sabinus-Kommentars
„Anders (ist es) auch (zu beurteilen), wenn es zwar Gold war, aber
schlechteres, als der Käufer meinte. Denn dann gilt der Kauf. “
11. Ulpian im 28. Buch seines Sabinus-Kommentars
„Was werden wir andernfalls/in dem anderen Fall (alioquin) sagen, wenn der
Käufer blind war <und> über den Stoff irrte, oder im Fall dessen, der im
Unterscheiden von Stoffen keine Erfahrung hat?
Werden wir sagen, dass sie sich auf die Sache geeinigt haben (in corpus eos
consensisse dicemus)? Und wie (hat?) sich einer geeinigt/zugestimmt (hat?),
der nicht gesehen hat (et quemadmodum consensit, qui non vidit) [---“