Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Urs Kindhäuser Skript zur Vorlesung Strafrecht AT § 44: Konkurrenzen (Grundlagen) Im Rahmen der Konkurrenzen ist zu klären, ob und ggf. wie ein Gesetz neben anderen Gesetzen anzuwenden ist. Logische Prüfungsreihenfolge: 1. Vorfrage: Bei mehreren tatbestandlichen Handlungen ist schon bei der jeweiligen Deliktsprüfung zu klären, ob der betreffende Tatbestand einmal oder mehrmals verwirklicht wurde. Exemplarisch: Rowdy R sticht mit seinem Messer mehrmals auf das Opfer O ein – ist § 223 StGB einmal od. mehrmals verwirklicht? Zur Entscheidung sind die Regeln der Bildung von tatbestandsverwirklichenden Handlungseinheiten – nämlich natürliche und tatbestandliche Handlungseinheit – heranzuziehen (näher § 45). 2. Eine Prüfung der Konkurrenzen ist erforderlich, wenn der Täter gegen mehrere Gesetze oder dasselbe Gesetz mehrmals verstoßen hat: Zunächst ist zu fragen, ob diese einzelnen Gesetzesverletzungen zu einer einheitlichen Tat zu verbinden sind oder nicht – Regeln der Bildung von Tateinheiten (Identität, Teilidentität, Klammerwirkung und natürlichen Handlungseinheit; dazu § 47): Sind mehrere Gesetze oder dasselbe Gesetz mehrmals durch eine einheitliche Tat verletzt, so ist weiterhin zu prüfen, ob die jeweiligen Gesetze nebeneinander anwendbar sind. Beispiel: Rowdy R sticht auf sein Oper O ein, wobei er sowohl dessen Jackett beschädigt (§ 303 Abs. 1 StGB) als auch eine tiefe Schnittwunde verursacht (§§ 223, 224 I Nr. 2 StGB). Es gelten die Regeln der Gesetzeskonkurrenz bei tateinheitlicher Begehung (Spezialität, Subsidiarität, Konsumtion – näher § 46): o unechte Tateinheit: Gesetzesverletzungen, die nicht neben anderen zu ahnden sind, werden ausgeschieden und bleiben beim Schuldspruch unberücksichtigt. o echte Tateinheit oder Idealkonkurrenz: Für Gesetzesverletzungen, die nebeneinander ahndbar sind, wird nach Maßgabe von § 52 StGB eine Strafe festgesetzt. Sind mehrere Gesetze oder dasselbe Gesetz mehrmals durch verschiedene Taten (oder Tateinheiten), die untereinander nicht tateinheitlich verbunden sind, verletzt, so stehen diese Gesetzesverletzungen im Verhältnis der Tatmehrheit zueinander und es ist zu fragen, ob die jeweiligen Gesetze nebeneinander anwendbar sind. Exemplarisch: Um sein Opfer O niederzustechen (§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB), steigt Rowdy R zunächst in dessen Wohnung ein (§ 123 StGB). Es gelten die Regeln der Gesetzeskonkurrenz bei tatmehrheitlicher Begehung (Konsumtion – näher § 46): o unechte Tatmehrheit: Gesetzesverletzungen, die nicht neben anderen zu ahnden sind, werden ausgeschieden und bleiben beim Schuldspruch unberücksichtigt. o echte Tatmehrheit oder Realkonkurrenz: Für Gesetzesverletzungen, die nebeneinander ahndbar sind, wird nach Maßgabe von §§ 53 f. StGB eine Gesamtstrafe festgesetzt. 1 3. Schematischer Überblick: Täter verwirklicht… …nur einen Tatbestand. …mehrere Tatbestände… …in Tateinheit. …in Tatmehrheit. Verdrängung von Delikten durch… Verdrängung von Delikten durch… Spezialität Subisidiarität Konsumtion Konsumtion Konkurrenzen: 2
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