Grippewelle - Patka Knowhow

HEGEL 4/2016
Wenn die Grippewelle über die Mitarbeiter rollt…
… SOS aus dem Personalbüro
„Europaweite Grippewelle: Jetzt in Österreich angekommen“. Diese und andere besorgniserregende Schlagzeilen verbreiten Medien in den letzten Wochen. Auch an den Dienstgebern
geht die Grippewelle nicht spurlos vorbei, denn zahlreiche Krankmeldungen überfluten die
Personalbüros.
Unter-
In diesem HEGEL informieren wir Sie gemäß unser bewährten U.N.I.-Methode (
N
I
haltsam &
achhaltig & nformativ) über Fälle aus der Praxis hinsichtlich der Folgen der
Grippewelle aus der Sicht eines Dienstgebers.
Verpflichtende Grippeimpfung – Darf dies der Dienstgeber anordnen?
Herr Mag. Seltsam, Geschäftsführer der Frisch & Gut GmbH legt besonderen Wert auf die
Gesundheit seiner Mitarbeiter. Er ist davon überzeugt, dass die Grippeschutzimpfung ein
wirksames Mittel ist, um zu verhindern, an der Grippe zu erkranken.
Herr Mag. Seltsam organisiert einen Arzt, der alle Mitarbeiter im Betrieb verpflichtend
gegen die Grippe impfen soll.
Frau Grün und einige andere Dienstnehmer sind Impfgegner. Sie wollen sich keinesfalls gegen die Grippe impfen lassen. Frau Grün vertraut darauf, ohne Schulmedizin, nur mit gesunder Lebensweise und Ingwertee mit Zitrone die Grippe von ihr fernzuhalten.
Auch nach mehreren Versuchen des Herrn Mag. Seltsam und des Arztes, Frau Grün von der
Sinnhaftigkeit der Grippeschutzimpfung zu überzeugen und trotz Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen, weigert sich Frau Grün den Impfstoff injizieren zu lassen.
Darf Herr Mag. Seltsam seine Mitarbeiter verpflichten,
sich gegen Grippe impfen zu lassen?
Gesunde Dienstnehmer arbeiten und erhalten für ihre Arbeit ein Entgelt. Kranke Dienstnehmer arbeiten nicht, erhalten aber trotzdem (für einen bestimmten Zeitraum) Entgelt.
Dass Herr Mag. Seltsam die Gesundheit seiner Dienstnehmer am Herzen liegt, ist menschlich lobenswert, wenn auch finanziell nicht ganz uneigennützig (Dienstnehmer erhalten ihr
Entgelt, obwohl sie nicht arbeiten).
Es ist daher aus Dienstgebersicht verständlich, dass Herr Mag. Seltsam seine Dienstnehmer
zur Grippeschutzimpfung „überreden“ möchte.
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Demgegenüber steht allerdings das Interesse des Dienstnehmers auf körperliche Integrität.
Das bedeutet: Jeder Mensch hat das Recht über seinen eigenen Körper zu bestimmen.
Verletzt jemand den Körper eines anderen Menschen (ohne dessen Einwilligung), ist das einerseits strafrechtlich verboten und führt andererseits dazu, dass der Dienstnehmer Schadenersatz (Schmerzensgeld) verlangen kann. Die Einstichstelle bei einer Impfung ist eine
Verletzung des Körpers (wie im Übrigen auch andere „Heilbehandlungen“, die zu einer Schädigung des Körpers führen).
Es treffen daher zwei sich widersprechende Interessen aufeinander.
Herr Mag. Seltsam meint, sein Interesse an gesunden (arbeitenden) Dienstnehmern rechtfertigt einen kleinen Nadelstich und die Injektion eines Impfstoffes allemal.
Frau Grün sieht das anders.
Ergebnis der Interessensabwägung: Das Interesse an der körperlichen Integrität wiegt
schwerer als das finanzielle Interesse des Herrn Mag. Seltsam, weil in der österreichischen
Rechtsordnung das menschliche Leben (und die körperliche Integrität) Vorrang hat gegenüber
dem Vermögen.
Konsequenz aus der Interessensabwägung: Herr Mag. Seltsam darf Frau Grün nicht zur
Grippeschutzimpfung zwingen.
Hinweise
Kündigt Herr Mag. Seltsam Frau Grün, weil sie sich der Grippeschutzimpfung widersetzt,
kann Frau Grün diese Kündigung mit sehr guten Erfolgsaussichten wegen motivwidriger
Kündigung (wegen offenbar nicht unberechtigter Geltendmachung vom Dienstgeber in Frage
gestellter Ansprüche aus dem Dienstverhältnis durch den Dienstnehmer [= Anspruch auf Unversehrtheit der körperlichen Integrität]) anfechten.
Kosten der Grippeimpfung übernimmt Dienstgeber  lohnwerter Vorteil?
Die Kosten für die Grippeschutzimpfung übernimmt die Frisch & Gut GmbH. Einige
Dienstnehmer der Frisch & Gut GmbH freuen sich über das Angebot und lassen sich impfen.
Sozialversicherungsrechtlich handelt es sich bei der Grippeschutzimpfung um eine freiwillige soziale Zuwendung, die gemäß § 49 Abs 3 Z 11 ASVG beitragsfrei ist.
Lohnsteuerlich sind Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsvorsorge, die der Dienstgeber seinen Dienstnehmern (nicht nur einem Einzelnen!) kostenlos oder verbilligt anbietet
(zB Zecken-, Grippeschutzimpfungen, Gesundenuntersuchungen etc) steuerfreie geldwerte
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Vorteile aus Einrichtungen im Sinne des § 3 Abs 1 Z 13 EStG (Randzahl 77a der Lohnsteuerrichtlinien 2002).
Mit der Steuerreform 2015/16 wurde im Gesetz ausdrücklich klargestellt, dass präventive
Leistungen – wie beispielsweise Impfungen oder andere Gesundheitsförderungsmaßnahmen, soweit diese Maßnahmen vom Leistungsangebot der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst sind – steuerfrei sind.
Herr Mag. Seltsam bietet die Grippeschutzimpfung allen Dienstnehmern an (er möchte dies
ja sogar verpflichtend machen!). Die vom Dienstgeber übernommenen Kosten der Grippeimpfung sind kein lohnwerter Vorteil und daher abgabenfrei.
Abgabenpflichtig wäre hingegen ein allfälliger Dienstgeberzuschuss (oder die vollständige
Kostenübernahme) der vom Dienstnehmer bezahlten Impfkosten an dessen Hausarzt.
Die, das Grippeimpfungs-Angebot ablehnende Dienstnehmerin erkrankt an
Grippe  Ist die Grippeerkrankung aufgrund der Impfverweigerung grob
fahrlässig?  keine Entgeltfortzahlung?
Es kommt, wie es kommen musste und Frau Grün erkrankt an der Grippe.
Als Herr Mag. Seltsam die Krankmeldung von Frau Grün erhält (als Grund der Arbeitsunfähigkeit wurde „Krankheit“ angegeben), erinnert er sich, dass Frau Grün die Impfung verweigert hat. Er ruft Frau Grün an, um nach dem Grund der Krankheit zu fragen.
Darf Herr Mag. Seltsam Frau Grün im Krankenstand anrufen und nach der Krankenstandsursache fragen?
Es gibt kein Verbot, Frau Grün im Krankenstand anzurufen und Genesungswünsche zu
übermitteln. Genesungswünsche können – so sie ehrlich gemeint sind – eine beschleunigende
Wirkung auf die Heilung haben, wenn Dienstnehmer das Gefühl vermittelt bekommen, dass
sie am Arbeitsplatz wichtig sind und gebraucht werden.
In diesem Gespräch darf Herr Mag. Seltsam auf eine nette Art und Weise auch die Gründe für
den Krankentstand erfragen. Frau Grün muss die Frage nach der Diagnose allerdings keinesfalls (richtig) beantworten!
Frau Grün ist positiv überrascht vom Anruf des Geschäftsführers. Sie erzählt ihm – ohne viel
Nachzudenken – dass sie an der Grippe erkrankt ist.
Herr Mag. Seltsam wünscht Frau Grün eine gute Besserung und er informiert sie so nebenbei
– nun kommt sein „finanzieller Erbsenzähler-Charakter“ zum Vorschein –, dass er kein
Krankenentgelt bezahlen werde, denn schließlich hat sie die Grippeschutzimpfung verweigert und damit die Grippeerkrankung grob fahrlässig herbeigeführt, schließlich wurde eine
Grippewelle medial angekündigt – herbeigeführt.
Da Frau Grün zu diesem Zeitpunkt hohes Fieber hat, fällt ihr gar nicht auf, was ihr Vorgesetzter soeben gesagt hat und kümmert sich weiter um ihre Genesung.
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Gebührt Frau Grün für die Dauer der Krankheit Krankenentgelt?
Trifft Frau Grün ein Verschulden an der krankheitsbedingten Dienstverhinderung, weil sie die
Arbeitsunfähigkeit vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat, entfällt der Anspruch auf Entgeltfortzahlung (Krankenentgelt).
Hat Frau Grün durch die verweigerte Grippeschutzimpfung grob fahrlässig oder sogar
vorsätzlich gehandelt? Verweigert daher Herr Mag. Seltsam in diesem Fall zu Recht die Auszahlung des Krankenentgeltes?
Vorsätzlich hätte Frau Grün die Grippeerkrankung herbeigeführt, wenn sie die Grippeschutzimpfung verweigert hätte, um gezielt an einer Grippe zu erkranken.
Das kann man Frau Grün nicht vorwerfen. Sie war der Meinung, dass sie mit einer gesunden
Lebensweise und Ingwertee mit Zitrone der Grippeerkrankung entgehen kann.
Die Weigerung von Frau Grün, sich gegen Grippe impfen zu lassen, führt zu einem „freiwilligen Inkaufnehmen einer besonderen Gesundheitsgefährdung“1. Im Einzelfall kann eine
Impfverweigerung grob fahrlässig sein, nämlich dann, wenn private oder intime Handlungen ein besonderes Risiko mit sich bringen. Gemeint sind damit aber beispielsweise Reisen in
Malaria-Gebiete ohne sich gegen Malaria impfen zu lassen.
Eine Grippeerkrankung ist ein ganz normales Lebensrisiko. Verweigert die Dienstnehmerin an der Grippeimpfaktion des Dienstgebers teilzunehmen, liegt regelmäßig kein grob
fahrlässiges Verhalten vor.
Ähnlich wie das Fahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln, obwohl bekannt ist, dass man sich
in öffentlichen Verkehrsmitteln wahrscheinlicher mit Grippe anstecken kann, als bei einer
Fahrt im Auto, ist auch die Weigerung, sich gegen Grippe impfen zu lassen, bloß ein normales Lebensrisiko, zumal die Grippeschutzimpfung nach wie vor keinen 100%-igen Schutz
bietet (weil gar nicht immer der richtige Virenstamm mit dem Impfserum abgedeckt wird,…).
Frau Grün hat daher Anspruch auf Krankenentgelt.
Hinweis
Verweigert ein Dienstnehmer eine in einer gesetzlichen (Arbeitnehmerschutz)Vorschrift vorgesehene Impfung in einem besonders gefährdeten Beruf (denkbar wäre bspw. eine Sprechstundenhilfe eines Allgemeinmediziners) könnte uU ein grob fahrlässiges Verhalten des
Dienstnehmers vorliegen, das einen Entfall des Krankenentgelts rechtfertigt.
In diesem Fall treffen den Dienstgeber uE besonders strenge Beweispflichten.
1
Reissner (Hrsg.), Angestelltengesetz², 2015, 116.
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Pflegefreistellung fürs Kind der Partnerin
nach eigenem Krankenstand möglich?
Als es Frau Grün endlich besser geht und sie wieder arbeiten gehen möchte, erkrankt das 4jährige Kind ihrer eingetragenen Partnerin, das mit ihr und ihrer Partnerin im gemeinsamen Haushalt lebt, an der Grippe.
Die Partnerin von Frau Grün muss zu einem wichtigen Geschäftstermin nach New York und
kann daher keinesfalls die Betreuung des erkrankten Kindes übernehmen.
Frau Grün ruft daher Herrn Mag. Seltsam an und erklärt ihm, dass sie nun noch eine Woche
im „Pflegeurlaub“ ist. Da brennen bei Herrn Mag. Seltsam die Sicherungen durch: Pflegefreistellung für ein Kind, das nicht mal das ihre ist, das kann doch nicht sein!
Hat Frau Grün Anspruch auf Pflegefreistellung?
Herr Mag. Seltsam irrt rechtlich auch in dieser Frage.
Ein Anspruch auf Pflegefreistellung besteht seit 2013 auch für leibliche Kinder des anderen Ehegatten, sofern diese im gemeinsamen Haushalt leben.
Selbst wenn die leibliche Mutter des 4-jährigen Kindes (also die eingetragene Partnerin von
Frau Grün) in Wien wäre und hier ihrer Arbeit nachginge, könnte Frau Grün die Pflegefreistellung beanspruchen. Es besteht ein Wahlrecht hinsichtlich der betreuenden Person.
Frau Grün kann – soferne die Pflegebedürftigkeit des Kindes nachgewiesen wird – eine
Woche Pflegefreistellung beanspruchen, wenn die Pflege für das Kind so lange notwendig
ist.
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Gute Besserung allen grippegeplagten HEGEL-Lesern!
Wir wünschen einen erfolgreichen Arbeitstag.
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… unserer Top News auch an jene Freunde, Bekannte oder Geschäftspartner, die möglicherweise ebenfalls Interesse an diesem Thema haben könnten.
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