Darf man mit Lügen Hoffnung machen? Erster „Lesezeichen"-Gottesdienst: Persönliche Einblicke mit „Jakob, der Lügner" Von Frank Jaursch SYKE • Volle Kirchenbänke in den Sommerferien sind ein untrügliches Zeichen, dass die Syker Pastoren ziemlich viel richtig gemacht haben müssen mit der Planung ihrer „Lesezeichen"-Reihe. Das Konzept: Jeder Gottesdienst steht im Zeichen eines Romans, den Pastoren bleibt die Aufgabe vorbehalten, in ihrer Predigt einen stimmigen Bogen des Inhalts zu Glaubensfragen zu spannen. Wie das funktionieren kann, erlebten am Sonntag rund 100 Besucher in der Barrier Kirche. Pastorin Susanne Heinemeyer hatte sich Jurek Beckers „Jakob der Lügner" ausgesucht. Ihren Erkenntnissen stellte sie eine sehr persönliche Sicht des Glaubens und des Zweifelns voran. In den Nachrichten im Fernsehen laufen Bilder von Zerstörung, Verzweiflung, Tod, hinzu kämen die „kleinen Katastrophen" im persönlichen Umfeld: Krankheit, Trennung, Tod. Manchmal, so Heinemeyer, frage sie sich, ob ihr Glaube, ihre Hoffnung nur „irrationale Gefühlsduselei" seien. Anschließend stieg die Pastorin in die Geschichte von Jakob, dem Lügner, ein. Der lebt gegen Ende des Zweiten Weltkriegs in ei- Den Roman „Jakob der Lügner" von Jurek Becker stellte Pastorin Susanne Heinemeyer in den Mittelpunkt des ersten „Lesezeichen"-Gottesdienstes in Barrien. • Foto: Husmann nem Ghetto und schnappt zufällig im Polizeirevier der Deutschen eine Radionachricht auf, die Hoffnung auf Freiheit verheißt: Die Rote Armee nähert sich. Doch seine Freunde glauben ihm erst, als er sich einer Notlüge bedient: „Ich habe ein Radio", behauptet er. Die Neuigkeit schafft Hoffnung im Ghetto, sie setzt Kräfte frei, lässt die Menschen Pläne schmieden. Gefangen in seiner Lüge, versorgt Jakob die Bewohner mit neuen Nachrichten, lässt die Russen Tag für Tag ein Stückchen näher vorrücken. Hier kehrte Heinemeyer wieder zu ihrer Glaubensfrage zurück. „Mein Glaube ist keine Radiosendung", erklärt sie. „Aber wie Jakob kann auch ich nicht dafür einstehen, dass das, was ich glaube, wahr ist. Ich kann keine Garantie dafür übernehmen, dass Gott sein Versprechen einer guten Zukunft wahr macht." Doch der Glaube gebe eine Perspektive nach schweren Zeiten. „Selbst wenn ich einem Irrtum aufgesessen wäre - was ich nicht glaube -, es hätte sich gelohnt, wegen der Hoffnung, die enorme Kräfte freisetzt." Ist es redlich, einer Hoffnung durch eine Lüge Nahrung zu geben? Diese Frage stand auch im Anschluss an den Gottesdienst in den Gesprächen beim Kirch-Kaffee im Turmraum im Mittelpunkt. An einem Büchertisch gab es alle Bücher der „Lesezeichen"-Reihe zu kaufen, und eine ganze Reihe von Exemplaren wurden gekauft. Es werden auch in diesem Jahr nicht die letzten gewesen sein., Fünf weitere Lesezeichen wollen die Syker Pastoren hinterlassen. Am kommenden Sonntag ab 9.30 Uhr stellt Katja Hermsmeyer in der Heiligenfelder Kirche das Buch „Silver Linings" von Matthew Quick vor.
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