Predigt am 6. So nach Trinitatis, 12.07.15, St. Andreaskirche

Predigt am 6. So nach Trinitatis, 12.07.15, St. Andreaskirche Abschluss Farbenreihe: Grün Liebe Gemeinde, (Pfr. Büttel erzählt von seinem FSJ in Israel, als er erlebte, wie nach der Trockenzeit, in der alles staubig und trocken und braun war, nach dem ersten Regen alles explosionsartig grün wurde.) Ich denke, genau dieses Bild hatte der Prophet Joel vor Augen als er an die Menschen in Jerusalem folgende Sätze schrieb (Joel 2,21f): Fürchte dich nicht, liebes Land, sondern sei fröhlich und getrost; denn der HERR kann auch Gewaltiges tun. Fürchtet euch nicht, ihr Tiere auf dem Felde; denn die Auen in der Steppe sollen grünen und die Bäume ihre Früchte bringen, und die Feigenbäume und Weinstöcke sollen reichlich tragen. Wer die „Explosion in Grün“ im heiligen Land einmal erlebt hat, der wundert sich nicht darüber, dass der Prophet dieses Grünen mit den gewaltigen Taten Gottes vergleicht. Denn es ist wahrhaft gewaltig, was da geschieht, wenn der Regen fällt. Das Grün sprosst aus der braunen Erde, es bedeckt sie, bekleidet und erfüllt sie mit Leben. All dieses Grün – es steckt schon im Braun der Erde drin. Es ist schon da. Es wartet nur noch auf eines – den Regen. Das Wasser macht aus dem erstorben scheinenden, staubigen, versengten Boden den Nährboden für das aufbrechende, grüne Leben. Darum ist Grün die Farbe des Lebens. Nicht nur, dass, was grün ist, lebt, sondern auch, dass es Leben ermöglicht. Denn wo es grün ist, wird Sauerstoff produziert (Photosynthese), die wir zum Atmen, zum Leben brauchen. Grün – Farbe des Lebens. Aber auch: Farbe der Hoffnung. Wo etwas zu grünen beginnt, da ist es der Vorbote, die Verheißung auf Blüte und Frucht. Was grünt, bringt Frucht. Noch sehen wir sie vielleicht nicht und es mag eine ganze Weile dauern, aber wir wissen: am Ende steht die Frucht. Nicht umsonst steht die Trinitatiszeit, in der wir uns befinden, im Zeichen der liturgischen Farbe grün und dauert von Trinitatis bis zum Ende des Kirchenjahrs. Grün ist die Farbe des Wachsens und Reifens. All das bringt der Prophet Joel mit Gott zusammen: Grün ist Ausdruck der gewaltigen Taten Gottes. Grün erinnert an den, der es grünen lassen kann und wird, an den, dessen gewaltige, segensreiche Hand Wachstum und Gedeihen gibt für Mensch und Tier. Gott liebt grün! Fürchte dich nicht, liebes Land, sondern sei fröhlich und getrost; denn der HERR kann auch Gewaltiges tun. Fürchtet euch nicht, ihr Tiere auf dem Felde; denn die Auen in der Steppe sollen grünen und die Bäume ihre Früchte bringen, und die Feigenbäume und Weinstöcke sollen reichlich tragen. Beim zweiten Lesen dieser Verse stutze ich nun aber unwillkürlich. Irgendetwas scheint hier nicht so ganz zu passen: Warum schickt der Prophet dieses „Fürchte dich nicht, sondern sei fröhlich und getrost!“ an Mensch und Tier voraus? Als ich damals in Israel die Explosion in Grün erlebt habe, musst mich niemand auffordern, begeistert und fröhlich zu sein. Das passierte einfach. Alle waren hin und weg, ob Mensch, ob Tier. Alle hatten das Bedürfnis zu singen, zu jubeln und zu tanzen. Warum also diese Aufforderung vorneweg? Antwort: Weil der Prophet auf etwas hinweist, was noch in der Zukunft liegt. Oder, um im Bild zu bleiben, weil der Regen noch nicht gekommen und die Erde noch staubig und leblos ist, von der Sonne versengt. Joels Worte sind vermutlich an die jüdische Gemeinde in Jerusalem gerichtet, die nach der Rückkehr aus dem babylonischen Exil zwar den Tempel wieder aufgebaut hatte, mit dem Aufbau der Stadt aber nicht so recht vorankam. Die Mauern standen noch nicht, deshalb war die Bevölkerung ständig bedroht und das, was sie vor der Stadt anbauten, konnte jederzeit geraubt oder zerstört werden. Und die Viehherden fanden oft fast nicht genug zum Fressen. Gedrückte Stimmung. Hier grünt und blüht nicht viel. Die Jerusalemer machen im Gegenteil gerade ziemlich dürre Zeiten durch. Und nun malt der Prophet all denen, die gerade Dürre und Wüste erleben, ein Bild der Verheißung und Hoffnung in sattem Grün: Fürchte dich nicht, liebes Land, sondern sei fröhlich und getrost; denn der HERR kann auch Gewaltiges tun. Fürchtet euch nicht, ihr Tiere auf dem Felde; denn die Auen in der Steppe sollen grünen und die Bäume ihre Früchte bringen, und die Feigenbäume und Weinstöcke sollen reichlich tragen. Das ist die grüne Botschaft! Gott wird deine Wüste in frische Auen verwandeln. Das ist auch die Botschaft an uns Nachgeborene und zum Volk Gottes Hinzugekommene: Wir Christen sind Menschen, die daran festhalten, dass Gott unsere Wüsten in frische Auen verwandeln wird. Wir halten daran fest, auch und gerade dann, wenn unsere Erfahrungen eine ganz andere Sprache zu sprechen scheinen. Wenn der Boden steinig, staubig, ausgedörrt und hart erscheint. Genau dort verlassen wir uns auf das Wort, das Versprechen Gottes: die Auen in der Steppe sollen grünen und die Bäume ihre Früchte bringen, und die Feigenbäume und Weinstöcke sollen reichlich tragen. Christen sehen das Grün auch dort schon, wo andere nur Staub und Dürre sehen. Wir singen schon mitten in der Nacht das Lied vom neuen Tag, weil wir wissen, dass er bald kommt das Licht des Morgens die Nacht vertreibt. Der Glaube ist der Vogel, der schon singt, wenn die Nacht noch finster ist. Wie Paulus und Silas (vgl. Apg 16) im Gefängnis. >> kurz zusammenfassend erzählen Das ist die Joel-­‐Situation. Und sie jammern und klagen nicht. Sie beten weder um Befreiung, noch um Bestrafung der Menschen, die sie in dieses Loch gebracht haben. Sie singen Gott Loblieder. Warum? Weil sie glauben – und das tun sie offensichtlich tatsächlich! –, dass es keinen Grund gibt sich zu fürchten, sondern allen Grund fröhlich und getrost zu sein; denn der HERR kann auch Gewaltiges tun. Das setzt einen bewussten Entschluss voraus: Ich entscheide mich bewusst dafür, von Gott größer zu denken, als jede noch so große Not. Ich entscheide mich bewusst dafür, mich nicht in der Opferrolle zu sehen und mich dort einzurichten. Ich schließe einen Pakt mit mir selbst und Gott, und sage: „Ich bleibe nicht bei dem stehen, was unmittelbar vor Augen ist und das Herz beschwert. Im Dunkel meiner Nacht schaue ich auf das Licht Gottes. In der Enge meiner Lage blicke ich auf die Weite und Größe Gottes. An meinen Grenzen denke ich an die grenzenlosen Möglichkeiten Gottes.“ (Karl-­‐
Heinz Michel) Und das tue ich nicht nur für mich, sondern für alle Menschen, mit denen ich zu tun habe. Ich übe mich darin ein, bei allem, was ich tue. Ich wage bewusst, den Tropfen auf den heißen Stein zu gießen. Ich weigere mich, dem Gedanken Raum zu geben, der Tropfen bringe sowieso nichts und es würde sich sowieso nie etwas ändern. Vielmehr gieße ich den Tropfen, den ich habe, auf das dürre Land um mich her mit dem Glauben und dem Gebet, dass Gott ihn zu dem Wasser macht, das die trockene Erde zum Grünen bringt; denn der HERR kann Gewaltiges tun. Mit einem einzigen freundlichen Blick; mit einem guten Worten, das ich einem anderen (oder über einen anderen) sage; mit ein wenig Zeit, die ich meinem Nachbarn oder einem Asylanten zu Verfügung stelle; mit dem Wenigen (oder dem Überfluss!), den ich mit anderen teilen kann. Egal wie groß der Tropfen ist – Gott kann daraus den Regen machen, der die trockene Erde in uns und um uns zum Grünen bringt. Daran will ich mich halten, mich nicht fürchten, sondern getrost und fröhlich sein und ihm singen. Das ist die Botschaft und Einladung der Farbe grün. Darum, wer grün gestimmt ist, blickt nach vorne, der ist gerade nicht Kandinsky-­‐artig satt und selbstzufrieden, sondern weiß, dass das Grün der Vorbote der Frucht in ihrer ganzen Buntheit ist (vgl. Erntedankfest!). Grün die Farbe der Hoffnung, erst recht für uns Christen. Nicht nur die Hoffnung darauf, dass Gott unsere persönlichen Wüsten wieder zu grünen Oasen macht, sondern die die Hoffnung darauf (vgl. Ende der Trinitatiszeit/des Kirchenjahrs), dass einmal alles neu machen wird: neuer Himmel, neue Erde. In seiner neuen Welt werden dann alle unsere Wüsten in grüne Auen und Oasen verwandelt sein und alles Seufzen wird ein Ende haben. Nicht ausgeschlossen, dass Joel selbst schon dieses große Bild im Blick hatte, schließt er doch auch die Tiere in seine Botschaft mit ein. Die ersten Christen jedenfalls waren sich sicher: Das, was Joel verheißen hat, nämlich die Verwandlung der Welt, hat schon begonnen mit dem Tod und der Auferstehung Jesu Christi und der Gabe seines Geistes an Pfingsten. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis Gott sein Werk vollenden wird. Das ist die Botschaft und die Hoffnung der Farbe grün. Aber bis es soweit ist, wollen wir unsere Köpfe heben, auf Christus sehen und in der Kraft seines Geistes wagen, ihm unsere Lieder zu singen und sei es mitten in Staub und Dürre. So wie Paul Gerhardt das getan hat in seinen wahrhaft grünen Versen: Dein Zion streut dir Palmen und grüne Zweige hin, und ich will dir in Psalmen ermuntern meinen Sinn. Mein Herze soll dir grünen in stetem Lob und Preis und deinem Namen dienen, so gut es kann und weiß. Amen, so sei es. Pfr. Friedemann Büttel