DOSSIER Hallo Wach! Foto: Hendrik Haase Kaffee, Tee & Trendgetränke 48 Slow Food | 02/2016 TRINK DICH WACH! Muntermacher sind den ganzen Tag über gefragt. Aber was gibt wem den dringend benötigen Kick? Wir haben uns umgeschaut – unter angesagten kalten und heißen Trendgetränken ebenso wie bei klassischen und neuen Arten der Kaffeezubereitung. Nicht zu vergessen die Tees. Und alle enthalten sie den einen anregenden Wirkstoff: Koffein. Slow Food | 02/2016 49 DOSSIER Trends bei koffeinhaltigen Getränken Ob Greis, ob Teen – wir lieben Koffein Wer ein koffeinhaltiges Getränk bestellen möchte, darf in den meisten Cafés und Gaststätten zwischen Coca-Cola, Beuteltee und immerhin meist auch der einen oder anderen Kaffeevariante wählen. Andernorts – namentlich in den Metro polen – ist aber ein riesiges Angebot an Alter nativen zu den alten Platzhirschen entstanden. Torsten Mertz hat den Trends flüssiger KoffeinBrew ist das neue Brüh: Der Filterkaffee ist wieder en vogue. D ass sich koffeinhaltige Getränke einer so hohen Beliebtheit erfreuen, liegt an ihrer Wirkung: Koffein gilt als Wachmacher und kann Leistungsfähigkeit und Konzentration steigern. Das ist vormittags am Arbeitsplatz genauso gefragt wie nachts im Club. Und ob es der Senior mit dem Filterkaffe ist oder der Teenager mit dem Energydrink: Koffein ist ein wichtiger Begleiter unserer Getränkekultur. Die ständige Neuerfindung des Kaffees Beginnen wir mit dem Kaffee, der Statistikern zufolge das Lieblingsgetränk der Deutschen ist. Wie auch andere Konsumgewohnheiten bietet die Vielfalt der Kaffeevarianten im Café oder an der Coffee-to-go-Ausgabestelle die Möglichkeit, Trendbewusstsein oder Trendverweigerung zu offenbaren. Auch die technische 50 Slow Food | 02/2016 quellen nachgespürt. Ausstattung für die heimische Kaffeezubereitung taugt als Statussymbol: Vor einigen Jahren noch waren – bisweilen sündhaft teure – Vollautomaten angesagt, die jede denkbare italienische Kaffeespezialität auf Knopfdruck zubereiten konnten. Da aber nicht jeder das Zeug zum Barista hat, folgten extrem praktische Kaffee-Pads und Metall-Kapseln, bei denen der Kaffee pro Kilogramm mal eben 40-60 Euro kostete, freilich ohne dass auch nur ein einziger Kaffeebauer vernünftig bezahlt worden wäre. Ganz zu schweigen von der absurden Rohstoffverschwendung. So wie in Italien schmeckte der Kaffee zu Hause dann trotzdem nicht. Wer sich heute für einen Kaffee-Experten hält, zahlt zwar noch immer gern mehr als zehn Euro pro Pfund, kauft dafür aber in einer lokalen Rösterei, deren Chef persönlich regelmäßig die Kaffeeplantage begutachtet und auf eine faire Bezahlung Wert legt. Eine solche Rösterei hat neben Espressokaffee auch hellere Bohnen für Filterkaffee im Sortiment, denn seit Kurzem trinkt man wieder Handgebrühten. Einhergehend mit einem gerüttelt Maß Entschleunigung mausert sich »Brewed-Coffee« zum Gegentrend der To-go-Getränke. Der wahre Genießer mahlt – zu Hause oder gar im Café – seinen Kaffee vor dem Aufbrühen selbst. Dazu gibt es natürlich passende neue Brühgerätschaften; es darf aber auch TRINK DICH WACH! Nischenprodukte: Fair gehandelte Kaffeekirschen-Schalen zum Aufbrühen, Kakao mit Guarana, grüner Kaffee im Filterbeutel und kalt extrahierter Kaffee zum Mixen. Fotos: Torsten Mertz, Fotolia, vadymvdrobot, Grafvision Matcha: Einst Bestandteil der Teezeremonie, heute giftgrünes Superfood. der klassische Melitta-Kaffeefilter sein. Und für alle, die abseits hipper Metropolencafés verkehren: Letzten Sommer trank man »Cold Brew«. Das ist wie der Name vermuten lässt, mit kaltem Wasser aufgesetzter Kaffee, der etliche Stunden zieht, dann gefiltert wird, aber letztlich kaum pur getrunken werden kann. Daher wird er auf Eis, mit Milch oder Sahne oder auch als Cocktail serviert. Nicht Kaffee, nicht Tee Menschen, die klassischen Kaffee nicht gut vertragen, aber die anregende Wirkung des Koffeins nicht missen möchten, brauchen sich nicht auf die verschiedenes Tees (dazu weiter unten) beschränken. Sie können auf – bei viel gutem Willen kaffeeähnlich schmeckenden – Getreidekaffee zurückgreifen, dem mit dem Pulver aus den Samen der stark koffeinhaltigen Guaraná-Frucht eine wachmachende Wirkung eingehaucht wurde. Oder sie können Kakaopulver mit Koffein verwenden – das beispielsweise programmatisch »Kaowach« heißt. Oder sie können sich ein zunehmend auch bei uns angebotenes Getränk aus den fleischigen Schalen der Kaffeekirsche brühen, das als »Cascara« oder »Quishar« schon seit Jahrhunderten in Kaffeeländern wie Bolivien, Panama oder dem Jemen getrunken wird. Ob letzteres eine Art Kaffee oder doch eher Tee ist, darüber muss man nicht streiten. Der Koffeingehalt der Kaffeeschalen, die eigentlich Abfälle der Kaffeeproduktion sind, ist auf jeden Fall sehr hoch. Und auch kalt schmeckt der Aufguss: als Schorle mit einem Spritzer Fruchtsaft. Und seit Kurzem trinkt mancher auch – und jetzt wird es wahrlich verrückt – grünen Kaffee. Vor wenigen Jahren galt der noch als ungenießbar. Der grüne Kaffee, dem man nachsagt, er würde beim Abnehmen helfen, wurde daher als Pulver schnell geschluckt, um einen Kontakt mit der Zunge zu vermeiden. Seit wenigen Monaten gibt es den ungerösteten Kaffee allerdings auch zum Aufbrühen im Teebeutel. Pur schmeckt er ein wenig nach Heu, aber nicht wirklich gut. Daher gibt es ihn auch mit Kardamom oder Pfefferminze. Slow Food | 02/2016 51 DOSSIER KLEINE TABELLE DER KOFFEINGEHALTE (angegeben in Bezug auf eine typische Getränkemenge) Getränk ungefährer Koffeingehalt in mg Filterkaffee (Tasse 125 ml) Espresso (Tasse 50 ml) Schwarzer Tee (Tasse 150 ml) Grüner Tee (Tasse 150 ml) Matcha (mittlere Portion) Coca-/Pepsi-Cola (500-ml-Flasche) alternative Cola (330-ml-Flasche) Mate-Limo (500-ml-Flasche) Kaffeekirschen-Limo (330-ml-Flasche) Energydrink (250-ml-Dose) 80-120 50-60 20-60 40-80 140 50 mg 82 mg 100 mg 66 mg 80 mg Grün ist gesund Damit wären wir schon fast in der Welt des Tees angelangt. Hier machte vor einigen Jahren der Matcha Furore, ein zu feinstem Pulver vermahlener, edler Grüntee, der in der japanischen Teezeremonie verwendet wird. Anfangs war es wohl das exotische Zubereitungszeremoniell mit einem feinen Bambusbesen, welches Matcha hip gemacht hat. Dazu nimmt sich heute kaum noch jemand Zeit. Geblieben ist aber das Versprechen eines positiven Effekts für die Gesundheit – Stichwort Antioxidantien–, das den teuren, leuchtend grünen Matcha als Zutat von Smoothies, Riegel, Cupcakes oder als »Green Chai« oder »Matcha Latte« empfiehlt. Matcha ist in jedem Fall ein sehr guter Koffeinlieferant, denn anders als bei normalem grünen Tee schluckt man das ganze – wenn auch gemahlene – Blatt. Anregende Softdrinks Auch eine andere traditionell zur Anregung verwendete Teesorte erobert aktuell den heimischen Getränkemarkt: der in Südamerika weit verbreitete Mate-Tee. Wer nun einen Argentinier vor Augen hat, der mit einem metallenen »Strohhalm« Tee aus einem ausgehöhlten Flachenkürbis schlürft, wird sich getäuscht sehen. Mate ist vielmehr im Softdrinksektor zu einem veritablen Cola-und Energydrink-Konkur52 Slow Food | 02/2016 renten herangewachsen. Erste Generationen Studierender haben ihre Abschlüsse bereits der anregenden Wirkung der stark koffeinhaltigen Mate-Limonade zu verdanken, die sich mit verschiedenen Rezepturen und Geschmacksvarianten von den Getränke-Innovationsmetropolen im deutschen Norden und Osten aus in Clubs und Kioske – und auch in die Bioläden – des ganzen Landes vorgearbeitet hat. Entwickelt aber werden die Innovationen häufig in der Provinz, so wie die bekannteste Marke Club-Mate aus dem fränkischen Dietenhofen. Schon vor einigen Jahren begann die Ära der kleinen Cola-Labels. Das, was man getrost als Revolution bezeichnen kann, begann im Jahr 1999. Damals wurde eine alternative Cola namens »Premium« von einer »Bande beleidigter Kunden« gegründet, die gegen die Heimlichkeit von Rezeptänderungen bei der damaligen Afri-Cola protestiert haben«. So lautet der Gründungsmythos. Die deutsche Wirtschaftswunder-Softdrink-Legende Afri war bis dato das Erfrischungsgetränk mit dem höchsten Koffeingehalt von 25 Milligramm pro 100 Milliliter gewesen – und auch geschmacklich und vom Markenauftritt her die einzige ernstzunehmende Alternative zu den marktbeherrschenden amerikanischen Cola-Giganten. Neben der Premium-Cola, die von einem nicht-profitorientierten hierarchiefreien Kollektiv produziert und vertrieben wird, gibt es Dutzende weitere alternative – häufig nur regional erhältliche – Cola-Marken, die der vergleichsweise hohe Koffeingehalt verbindet (Coca-Cola kommt mit nur 10 mg pro 1000 ml aus). Ursprünglich stammte das Koffein in der Coca Cola übrigens aus der Kolanuss. Mittlerweile verwenden die Hersteller – mit wenigen Ausnahmen – jedoch das deutlich billigere Koffein, das bei der Herstellung von entkoffeiniertem Kaffee anfällt. Bei Mate-Limo, Icetea, Cola und Co. muss man übrigens genau hinsehen, was die Zutaten angeht. So alternativ die Labels meist rüberkommen: Die Rohstoffe sind nicht automatisch bio, fair oder gesund. ● Foto: Torsten Mertz Coole Softdrinks: Dutzende alternative Colagetränke, Eis-Tees, Mate- und Guaranalimonaden rollen den Getränkemarkt auf.
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