Kaffee, Tee & Trendgetränke

DOSSIER
Hallo
Wach!
Foto: Hendrik Haase
Kaffee, Tee & Trendgetränke
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Slow Food | 02/2016
TRINK DICH WACH!
Muntermacher sind den ganzen Tag über gefragt.
Aber was gibt wem den dringend benötigen Kick?
Wir haben uns umgeschaut – unter angesagten
kalten und heißen Trendgetränken ebenso wie bei
klassischen und neuen Arten der Kaffee­zubereitung.
Nicht zu vergessen die Tees. Und alle enthalten
sie den einen anregenden Wirkstoff: Koffein.
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Trends bei koffeinhaltigen Getränken
Ob Greis,
ob Teen –
wir lieben
Koffein
Wer ein koffeinhaltiges Getränk bestellen möchte,
darf in den meisten Cafés und Gaststätten
zwischen Coca-Cola, Beuteltee und immerhin
meist auch der einen oder anderen Kaffeevariante
wählen. Andernorts – namentlich in den Metro­
polen – ist aber ein riesiges Angebot an Alter­
nativen zu den alten Platzhirschen entstanden.
Torsten Mertz hat den Trends flüssiger KoffeinBrew ist das neue Brüh: Der Filterkaffee ist wieder en vogue.
D
ass sich koffeinhaltige Getränke
einer so hohen Beliebtheit erfreuen,
liegt an ihrer Wirkung: Koffein gilt
als Wachmacher und kann Leistungsfähigkeit und Konzentration steigern. Das ist
vormittags am Arbeitsplatz genauso gefragt
wie nachts im Club. Und ob es der Senior
mit dem Filterkaffe ist oder der Teenager
mit dem Energydrink: Koffein ist ein wichtiger Begleiter unserer Getränkekultur.
Die ständige Neuerfindung
des Kaffees
Beginnen wir mit dem Kaffee, der Statistikern zufolge das Lieblingsgetränk der
Deutschen ist. Wie auch andere Konsumgewohnheiten bietet die Vielfalt der Kaffeevarianten im Café oder an der Coffee-to-go-Ausgabestelle die Möglichkeit,
Trendbewusstsein oder Trendverweigerung zu offenbaren. Auch die technische
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quellen nachgespürt.
Ausstattung für die heimische Kaffeezubereitung taugt als Statussymbol: Vor einigen Jahren noch waren – bisweilen sündhaft teure
– Vollautomaten angesagt, die jede denkbare italienische Kaffeespezialität auf Knopfdruck zubereiten konnten. Da aber nicht jeder
das Zeug zum Barista hat, folgten extrem praktische Kaffee-Pads
und Metall-Kapseln, bei denen der Kaffee pro Kilogramm mal eben
40-60 Euro kostete, freilich ohne dass auch nur ein einziger Kaffeebauer vernünftig bezahlt worden wäre. Ganz zu schweigen von
der absurden Rohstoffverschwendung. So wie in Italien schmeckte
der Kaffee zu Hause dann trotzdem nicht.
Wer sich heute für einen Kaffee-Experten hält, zahlt zwar noch
immer gern mehr als zehn Euro pro Pfund, kauft dafür aber in
einer lokalen Rösterei, deren Chef persönlich regelmäßig die Kaffeeplantage begutachtet und auf eine faire Bezahlung Wert legt.
Eine solche Rösterei hat neben Espressokaffee auch hellere Bohnen für Filterkaffee im Sortiment, denn seit Kurzem trinkt man
wieder Handgebrühten. Einhergehend mit einem gerüttelt Maß
Entschleunigung mausert sich »Brewed-Coffee« zum Gegentrend
der To-go-Getränke. Der wahre Genießer mahlt – zu Hause oder
gar im Café – seinen Kaffee vor dem Aufbrühen selbst. Dazu gibt
es natürlich passende neue Brühgerätschaften; es darf aber auch
TRINK DICH WACH!
Nischenprodukte: Fair gehandelte
Kaffeekirschen-Schalen zum Aufbrühen,
Kakao mit Guarana, grüner Kaffee im
Filterbeutel und kalt extrahierter Kaffee
zum Mixen.
Fotos: Torsten Mertz, Fotolia, vadymvdrobot, Grafvision
Matcha: Einst Bestandteil der Teezeremonie,
heute giftgrünes Superfood.
der klassische Melitta-Kaffeefilter sein. Und für alle, die abseits
hipper Metropolencafés verkehren: Letzten Sommer trank man
»Cold Brew«. Das ist wie der Name vermuten lässt, mit kaltem
Wasser aufgesetzter Kaffee, der etliche Stunden zieht, dann gefiltert wird, aber letztlich kaum pur getrunken werden kann. Daher
wird er auf Eis, mit Milch oder Sahne oder auch als Cocktail
serviert.
Nicht Kaffee, nicht Tee
Menschen, die klassischen Kaffee nicht gut vertragen, aber die
anregende Wirkung des Koffeins nicht missen möchten, brauchen
sich nicht auf die verschiedenes Tees (dazu weiter unten)
beschränken. Sie können auf – bei viel gutem Willen kaffeeähnlich schmeckenden – Getreidekaffee zurückgreifen, dem mit dem
Pulver aus den Samen der stark koffeinhaltigen Guaraná-Frucht
eine wachmachende Wirkung eingehaucht wurde.
Oder sie können Kakaopulver mit Koffein verwenden – das beispielsweise programmatisch »Kaowach« heißt. Oder sie können
sich ein zunehmend auch bei uns angebotenes Getränk aus den
fleischigen Schalen der Kaffeekirsche brühen, das als »Cascara«
oder »Quishar« schon seit Jahrhunderten in Kaffeeländern wie
Bolivien, Panama oder dem Jemen getrunken wird. Ob letzteres eine Art Kaffee oder
doch eher Tee ist, darüber muss man nicht
streiten. Der Koffeingehalt der Kaffeeschalen, die eigentlich Abfälle der Kaffeeproduktion sind, ist auf jeden Fall sehr hoch.
Und auch kalt schmeckt der Aufguss: als
Schorle mit einem Spritzer Fruchtsaft.
Und seit Kurzem trinkt mancher auch
– und jetzt wird es wahrlich verrückt – grünen Kaffee. Vor wenigen Jahren galt der
noch als ungenießbar. Der grüne Kaffee,
dem man nachsagt, er würde beim Abnehmen helfen, wurde daher als Pulver schnell
geschluckt, um einen Kontakt mit der
Zunge zu vermeiden. Seit wenigen Monaten gibt es den ungerösteten Kaffee allerdings auch zum Aufbrühen im Teebeutel.
Pur schmeckt er ein wenig nach Heu, aber
nicht wirklich gut. Daher gibt es ihn auch
mit Kardamom oder Pfefferminze.
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KLEINE TABELLE DER KOFFEINGEHALTE
(angegeben in Bezug auf eine typische Getränkemenge)
Getränk ungefährer Koffeingehalt in mg
Filterkaffee (Tasse 125 ml)
Espresso (Tasse 50 ml)
Schwarzer Tee (Tasse 150 ml)
Grüner Tee (Tasse 150 ml)
Matcha (mittlere Portion)
Coca-/Pepsi-Cola (500-ml-Flasche)
alternative Cola (330-ml-Flasche)
Mate-Limo (500-ml-Flasche)
Kaffeekirschen-Limo (330-ml-Flasche)
Energydrink (250-ml-Dose)
80-120
50-60
20-60
40-80
140
50 mg
82 mg
100 mg
66 mg
80 mg
Grün ist gesund
Damit wären wir schon fast in der Welt des
Tees angelangt. Hier machte vor einigen
Jahren der Matcha Furore, ein zu feinstem
Pulver vermahlener, edler Grüntee, der in
der japanischen Teezeremonie verwendet
wird. Anfangs war es wohl das exotische
Zubereitungszeremoniell mit einem feinen
Bambusbesen, welches Matcha hip gemacht hat. Dazu nimmt sich heute kaum
noch jemand Zeit. Geblieben ist aber das
Versprechen eines positiven Effekts für die
Gesundheit – Stichwort Antioxidantien–,
das den teuren, leuchtend grünen Matcha
als Zutat von Smoothies, Riegel, Cupcakes
oder als »Green Chai« oder »Matcha Latte«
empfiehlt. Matcha ist in jedem Fall ein sehr
guter Koffeinlieferant, denn anders als bei
normalem grünen Tee schluckt man das
ganze – wenn auch gemahlene – Blatt.
Anregende Softdrinks
Auch eine andere traditionell zur Anregung verwendete Teesorte erobert aktuell
den heimischen Getränkemarkt: der in
Südamerika weit verbreitete Mate-Tee.
Wer nun einen Argentinier vor Augen hat,
der mit einem metallenen »Strohhalm« Tee
aus einem ausgehöhlten Flachenkürbis
schlürft, wird sich getäuscht sehen. Mate
ist vielmehr im Softdrinksektor zu einem
veritablen Cola-und Energydrink-Konkur52
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renten herangewachsen. Erste Generationen Studierender haben
ihre Abschlüsse bereits der anregenden Wirkung der stark koffeinhaltigen Mate-Limonade zu verdanken, die sich mit verschiedenen Rezepturen und Geschmacksvarianten von den Getränke-Innovationsmetropolen im deutschen Norden und Osten aus
in Clubs und Kioske – und auch in die Bioläden – des ganzen Landes vorgearbeitet hat. Entwickelt aber werden die Innovationen
häufig in der Provinz, so wie die bekannteste Marke Club-Mate
aus dem fränkischen Dietenhofen.
Schon vor einigen Jahren begann die Ära der kleinen Cola-Labels. Das, was man getrost als Revolution bezeichnen kann, begann
im Jahr 1999. Damals wurde eine alternative Cola namens »Premium« von einer »Bande beleidigter Kunden« gegründet, die
gegen die Heimlichkeit von Rezeptänderungen bei der damaligen
Afri-Cola protestiert haben«. So lautet der Gründungsmythos. Die
deutsche Wirtschaftswunder-Softdrink-Legende Afri war bis dato
das Erfrischungsgetränk mit dem höchsten Koffeingehalt von 25
Milligramm pro 100 Milliliter gewesen – und auch geschmacklich
und vom Markenauftritt her die einzige ernstzunehmende Alternative zu den marktbeherrschenden amerikanischen Cola-Giganten. Neben der Premium-Cola, die von einem nicht-profitorientierten hierarchiefreien Kollektiv produziert und vertrieben wird,
gibt es Dutzende weitere alternative – häufig nur regional erhältliche – Cola-Marken, die der vergleichsweise hohe Koffeingehalt
verbindet (Coca-Cola kommt mit nur 10 mg pro 1000 ml aus).
Ursprünglich stammte das Koffein in der Coca Cola übrigens aus
der Kolanuss. Mittlerweile verwenden die Hersteller – mit wenigen Ausnahmen – jedoch das deutlich billigere Koffein, das bei der
Herstellung von entkoffeiniertem Kaffee anfällt. Bei Mate-Limo,
Icetea, Cola und Co. muss man übrigens genau hinsehen, was die
Zutaten angeht. So alternativ die Labels meist rüberkommen: Die
Rohstoffe sind nicht automatisch bio, fair oder gesund. ●
Foto: Torsten Mertz
Coole Softdrinks: Dutzende alternative Colagetränke, Eis-Tees,
Mate- und Guaranalimonaden rollen den Getränkemarkt auf.