Es gibt Stimmen, die einen berühren

Es gibt Stimmen, die einen berühren - egal was sie singen, egal wo man sie hört. Alina besitzt so
eine Stimme. Natürlich hat sie schon als Kind gesungen und in ihrem Heimatort im Schwarzwald
jede Geburtstagsfeier und jede Hochzeit zu ihrer Bühne gemacht. Songs geschrieben, Bands gegründet, sich ins Rampenlicht geträumt. Im Rückblick betrachtet – jetzt, vor der Fertigstellung ihres
Debütalbums – war ihr Weg sicher vorgezeichnet.
Aber wenn man vor den einzelnen Weggabelungen steht, gibt es weder Beschilderung noch Schicksalswinke, nur Hoffnungen, Zufälle und immer wieder Zweifel. Natürlich ist Musik die große Liebe –
aber darauf zu vertrauen, dass man für immer davon leben kann? Ein bisschen zu viel für die 19jährige Alina, zumal es in ihrer Umgebung auch keine Vorbilder (schon gar keine weiblichen!) gibt, die
ihr hierfür Mut machen könnten. Da erscheint ein Studium sicherer. Und so schreibt sie sich an der
Uni Konstanz für Literatur-, Kunst- und Medienwissenschaften ein. Bis zum Bachelor zieht sie durch,
dann beginnt erneut ein Flirt mit der Musik als Fulltime-Beschäftigung. Doch wieder, allerdings zum
letzten Mal,obsiegt der Wunsch nach Sicherheit: Die Popakademie in Mannheim soll Alina ihrem
Traum näher bringen. Das tut sie auch, jedoch in unerwarteter Form. Denn im Laufe ihres zweiten
Jahres wird eine Ahnung zur Gewissheit: Es ist Zeit, ins kalte Wasser zu springen und Universitäten
und Akademien hinter sich zu lassen, diesmal auch ohne Abschluss. Auf nach Berlin!
Hier beginnt jedoch die härteste Phase ihrer Ausbildung. Denn obwohl Alina sicher weiß, dass sie
auf die Bühne gehört, dass ihr Songs zu schreiben, aufzunehmen und zu produzieren lebenswichtig geworden ist, bleibt der Weg zum ersten Album steinig und langwierig. Eine Zeit der Suche
beginnt - nach dem richtigen Sound, dem richtigen Team, einer Vision für das Große und Ganze.
Dass Irrwege sich im Nachhinein als wichtige Erfahrungen herausstellten, schmälert im Moment des
Erlebens nicht den Grad an Frustration. Macht das alles überhaupt Sinn? Komme ich jemals vom
Fleck? Einzelne Highlights geben ihr Kraft, wie zum Beispiel ein Auftritt im Vorprogramm von Elif, bei
dem sie im ausverkauften Berliner Lido umjubelt wird. In dieser Zeit des Wartens zeigt sich jedoch,
was wirklich in Alina steckt: mehr Mut, Kraft und Ausdauer als geahnt.
Daneben ist es aber ein einziger, ganz besonderer Song, der zum Kompass für diese schwierige
Zeit der Sinnsuche wird. Ein Song, der in jeder Phase seine Gültigkeit behält, Gutes bewirkt und
Menschen in Bewegung setzt: „Kind sein“ heißt er und ist der allererste Text, den Alina auf Deutsch
geschrieben hat. In ihm steckt so viel Wahrheit, so viel Allgemeingültigkeit und so viel Erfahrung
- gerade deswegen musste es vielleicht sein, dass die Protagonistin dieses Liedes tatsächlich erst
noch ein paarmal „auf die Knie fallen“ musste, um ihren eigenen Worten in diesem Song gerecht zu
werden. Aber: Sie steht wieder auf – und wie!
Als Alina im Frühjahr 2015 auf das Produzentenduo Dasmo & Mania trifft,geht alles plötzlich ganz
schnell. Die beiden Producer, in deren Kreuzberger Studio vor allem HipHop-Artists ein- und ausgehen, remixen einen ihrer Songs. Auch dieser ist einer, den Alina schon lange mit sich herumträgt:
„Stadt aus Gold“. Die Frische und Furchtlosigkeit, mit der die beiden ans Werk gehen, indem sie
dem großen, balladesken Melodiebogen einen Drum’n’Bass-Beat gegenüberstellen, beeindruckt Alina. Damit fallen alle Teile an ihren Platz, nun ist es klar: Hier ist sie richtig. Spätestens jetzt wird die
lange Zeit des Wartens zum Vorteil – denn eine prallgefüllte Schublade voll fertiger Songs wartet
nur auf eine endgültige Form. Eine Form, die sich in der Zusammenarbeit mit ihren neuen Produ-
zenten endlich gefunden hat. Und wenn man beschreiben müsste, wie sie nun klingt, die Musik von
Alina, dann vielleicht so:
Große Melodien, denen ebenso wie den Texten jede gewollte Coolness oder trendige Indie-Attitüde
fehlt. Ein absolut zeitgemäßes Soundgewand mit Grooves zwischen HipHop, Downbeat und D’n’B.
Im wahrsten Sinne des Wortes unverschämte Emotionalität: echt, gefühlt, wahrhaftig. Diese Stimme,
die einen alleine schon durch ihr wunderschön altmodisches Timbre anfasst, aber dann, wenn sie
wirklich loslegt, einfach nur umhauen kann. Ja, und ohne dieses doofe und abgeschmackte Wort
geht es leider nicht: von der man Gänsehaut bekommt.
Und so hat sie es nun erst einmal geschafft – Alina aus dem Schwarzwald, deren Weg wahrscheinlich wirklich vorgezeichnet war. Ihre Musik wird von einem immer größeren Publikum gehört, sie
spielt Konzerte, ihr Debütalbum erscheint. Wer weiß, wo das noch alles hinführt? Es werden wieder
Weggabelungen kommen, sie wird sich entscheiden müssen für rechts oder links, bergauf oder bergab. Doch egal was passiert, sie wird nie aufhören zu singen – und sicher nie aufhören, die Menschen zu berühren.
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