1 Experten wollen Paradigmenwechsel: COPD oder Asthma? Egal – „es wird behandelt, was da ist“ Manuela Arand QUELLE: Medscape Deutschland, 14.10.2015 http://www.medscapemedizin.de/artikelansicht/4904136 Amsterdam – Es klingt ein bisschen nach Palastrevolution: Statt sich an der Differenzialdiagnose zwischen Asthma und COPD abzuarbeiten, sollen Patienten mit obstruktiver Atemwegserkrankung künftig detailliert auf behandelbare Krankheitsaspekte (Treatable Traits) untersucht und diese dann gezielt therapiert werden. Im Kern gehe es darum, die Behandlungsergebnisse vor allem bei der COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung) zu verbessern, erklärte Prof. Dr. Alvar Agusti, Direktor der Thoraxklinik am Universitätsklinikum Barcelona, beim Kongress der European Respiratory Society [1]. Erster Schritt müsse sein, das Problem genau zu definieren, das man angehen will: „Die COPD ist eine sehr komplexe und heterogene Erkrankung mit unterschiedlichen Symptombildern, Exazerbationsrisiken, Begleiterkankungen – wir sollten aufhören, alles über einen Kamm zu scheren.“ Statt sich primär an der individuellen Symptomatik zu orientieren, also am Phänotyp der Erkrankung, sollte die Therapie künftig vor allem Biomarker-gesteuert erfolgen, so der Pneumologe. Biomarker können Zellen oder Moleküle sein, aber auch Krankheitsphänomene wie etwa häufige Exazerbationen. Agusti ist überzeugt, dass Biomarker eine präzisere Therapiesteuerung erlauben werden als Symptome und deshalb auch ein besseres Outcome bringen werden. Die COPD ist eine sehr komplexe und heterogene Erkrankung … wir sollten aufhören, alles über einen Kamm zu scheren. Prof. Dr. Alvar Agusti Pragmatische Strategie für Atemwegserkrankungen Die aktuelle GOLD (Global Initiative on Chronic-Obstructive Lung Disease) Klassifikation habe bereits den richtigen Weg eingeschlagen, weil sie die Patienten nicht mehr allein anhand der Lungenfunktion stratifiziert, sondern auch Symptome und Exazerbationsrisiko einbeziehe, meinte Agusti. Mit ihrer Vierfeldertafel in 3 Dimensionen ist sie zum einen aber relativ kompliziert und in der Praxis nicht ganz einfach zu handhaben. Zum anderen reicht das Modell 2 nicht aus, um die Krankheit im Einzelfall wirklich exakt zu beschreiben, weil eben doch viele Details keinen Platz darin finden. Agusti hat deshalb zusammen mit 11 weiteren renommierten Pneumologen, darunter aus Deutschland Prof. Dr. Claus Vogelmeier, Chef der Pneumologie am Universitätsklinikum Marburg, einen Vorschlag erarbeitet, wie Atemwegserkrankungen künftig angegangen werden könnten. Wohlgemerkt Atemwegserkrankungen: Das Konzept geht über die COPD allein hinaus. Die Präsenz eines Phänotyps schließt einen zweiten nicht aus. Prof. Dr. Alvar Agusti Grundlage ist die Erkenntnis, dass die theoretisch so wohlgeordnete Welt der Phänotypen sich zwar wunderbar für Forschungszwecke eignet, mit der klinischen Realität aber wenig gemein hat. Die Natur trennt schließlich nicht sauber in Klasse A bis D. „Die Präsenz eines Phänotyps schließt einen zweiten nicht aus“, formulierte es Agusti. Ein und derselbe Patient kann Charakteristika mehrerer Phänotypen in sich vereinen. Die Gruppe schlägt deshalb ein pragmatisches Vorgehen vor: Zunächst sollte aufgrund von Anamnese, klinischer Untersuchung, Spirometrie, vielleicht noch Messung von NO im Exhalat und Eosinophilenzahl im Blut, eine hohe Wahrscheinlichkeit bestehen, dass der Patient tatsächlich eine Atemwegserkrankung hat. Behandeln, was der Patient an Traits bietet Dann beginnt die Suche nach den Treatable Traits, wobei bisher 3 Tabellen vorliegen zu pulmonalen, extrapulmonalen und Lebensstil-Charakteristika – spätere Erweiterung unbedingt erwünscht. Es geht also keineswegs darum, sich Diagnostik zu ersparen. Die strategische Ausrichtung soll sich ändern. Es soll behandelt werden, was da ist. Wir glauben, dass dieses Konzept die Patientenversorgung verbessern wird. Prof. Dr. Alvar Agusti Bei den pulmonalen Traits wird zum Beispiel die Atemflusslimitierung aufgeführt und in obstruktive Ursache oder Elastizitätsverlust des Lungenparenchyms unterschieden. Im ersten Fall gelten lang wirksame Bronchodilatatoren als Therapie der ersten Wahl, einzeln oder als LAMA/LABA-Kombination. Im zweiten Fall gilt Rauchstopp als zentrale Maßnahme. In der zweiten Linie stehen Ausgleich eines Alpha-1-AntitrypsinMangels, Lungentransplantation oder Lungenvolumenreduktion. Als extrapulmonale Charakteristika werden beispielsweise Adipositas, Dekonditionierung, Kachexie oder Herzkreislaufleiden aufgeführt – mit entsprechenden Therapiemaßnahmen. Beim Lebensstil steht naturgemäß das Rauchen auf der Liste, aber auch Exposition gegen Allergene und Luftverschmutzung, Therapieadhärenz und Inhalationstechnik. 3 Diverse Treatable Traits können und werden wahrscheinlich in ein und demselben Patienten koexistieren: „Es soll behandelt werden, was da ist“, so Agusti. „Wir glauben, dass dieses Konzept die Patientenversorgung verbessern wird.“ Zunächst ist das Ganze als Anregung und Diskussionsgrundlage gedacht. Das entsprechende Papier ist bereits zur Veröffentlichung eingereicht. REFERENZEN: 1. Jahreskongress der European Respiratory Society (ERS), 26. bis 30. September 2015, Amsterdam QUELLE: Medscape Deutschland, 14.10.2015 http://www.medscapemedizin.de/artikelansicht/4904136
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