Eine kleine Geschichte zum ersten Advent

Eine kleine Geschichte zum ersten Advent
„Zum ersten Advent gehörte unsere Großtante
Midl. Eigentlich hieß sie Maria. Tante Midl, mit
ihren himmelblauen Augen, ihrem silbergrau
gezopften Haar, das wie eine kleine Krone ihr
freundliches Gesicht umrahmte, lebte in Salzburg. Solange es ihre Kräfte erlaubten, besuchte
sie uns jedes Jahr am ersten Advent in Südtirol. Gespannt erwarteten wir am
Stubenfenster ihr Kommen. Die erste Kerze des Adventkranzes war bereits
entzündet. Tante Midl kam im grünen Käfer, was für uns Kinder schon ein großes
Spektakel war, denn unsere Eltern besaßen kein Auto. Endlich hörten wir das
Knattern des Motors. Unsere Wangen glühten. Mit einiger Mühe schälte sie sich
aus dem Fahrzeug, schüttelte ihre Kleider zurecht und kam schnurstracks auf
unsere Haustür zu. Reihum drückte Tante Midl uns innig. „Mein Gott, wie groß
ihr geworden seid!“, waren immer ihre Begrüßungsworte. Mutter ermahnte uns,
Tante Midl nicht so zu bedrängen und sie in die Stube zu begleiten. Endlich kam
der besondere Moment, auf den wir ein Jahr lang gewartet hatten. Tante Midl
kramte umständlich in ihrer verheißungsvollen Tasche. Wir Kinder platzten fast
vor Glück. Feierlich überreichte sie jedem einen Lebkuchen mit reichlich
Zuckerguss und eine Orange. Wir rochen an den Kostbarkeiten, befühlten sie.
Tante Midl indes begann, die Orangen hastig zu schälen. Der Saft der Schalen
spritzte, und Weihnachtsduft erfüllte unsere Stube. Es bereitete uns höchstes
Entzücken, die Orangenschalen zwischen unseren Fingern zu quetschen. Saft und
Duft legten sich auf unsere Kinderhände. Selbst am Morgen danach haftete der
Duft der Weihnachtsorangen noch an ihnen. Mein erster Advent ist immer erfüllt
von diesen Kindheitserinnerungen.“ Erzählung einer Wohltäterin von FRANZ HILF
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FRANZ HILF – Franziskaner für Menschen in Not.
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Jg. 19 Nr.6
Wien, November 2015
Liebe Freunde und Wohltäter!
Es ereignete sich im letzten Jahr am späten Nachmittag des Heiligen Abends. In
einem kleinen Dorf in Niederösterreich hat sich die Gemeinde zum Familiengottesdienst mit Krippenspiel, das die Kinder der dritten Volksschulklasse
vorführen werden, versammelt. Während die letzten Sätze des Evangeliums von
der Geburt Christi vorgelesen werden, erheben sich Hanna und Elias von ihren
Plätzen ganz hinten am Kircheneingang. Langsam schreiten sie durch den
Mittelgang vor zum Altar. Hanna trägt ein langes helles Tuch über ihrem Haupt,
das sie vollends einhüllt und fast bis zum Boden reicht.
Als die Bibelworte ausklingen, tritt das Paar zur letzten Stufe neben dem Altar,
wo die Herbergstür aufgebaut steht. Noch einen Schritt, und sie sind in
„Bethlehem“. Joseph klopft zweimal energisch. Da öffnet sich die Tür einen
Spalt, und das rotbackige Gesicht mit den kugelrunden braunen Augen von Paul
- dem Wirt - schaut Joseph und Maria versucht griesgrämig an. Es gelingt ihm
nicht so recht, weil Paul ein fröhlicher Lausbub ist. Mit dunkler Stimme fragt er:
„Was wollt ihr hier?“ Josef bittet um Einlass, während er mit einer unterstreichenden Geste auf den Zustand seiner Frau aufmerksam macht. Paul, der
Wirt, schaut sie lange an und schweigt. Unruhiges Murmeln beginnt im
Kirchenschiff. Plötzlich leuchtet sein Gesicht wie die aufgehende Sonne. Er
schmeißt die Tür auf, dass sie fast aus den Angeln fällt, breitet seine Arme aus
und ruft Joseph und Maria zu: „Kommt nur herein, ihr lieben Leut!“
Diese drei Kinder haben der Weihnachtsgeschichte eine neue Bedeutung gegeben. Die Herbergssuche von Joseph und Maria wird schon zweitausend Jahre
erzählt und aufgeschrieben. Heute sind sie zum ersten Mal aufgenommen worden.
Jetzt gehören sie bedingungslos dazu. Sie haben eine Heimat auf Zeit, in der sie
sich geborgen fühlen können. In der Christus geboren wird, das „Licht der Welt“.
Ein Bettchen fürs „Christkindl“
Wie sehr berührt mich das unglaubliche Schicksal von Angelina. Wie gut ist es,
dass auch sie offene Türen gefunden hat. Pater Jan-Kanty schreibt uns aus
Ternopil in der Westukraine: „Angelina kauerte eines Morgens an einer kleinen
Seitentür unseres Konvents. Erschöpft, verzweifelt und verängstigt konnte sie
kaum sprechen. Schnell sah ich, dass sie ein Kind erwartet. In der Nacht ist sie
vor Ehemann und Familie geflüchtet. In wochenlanger psychischer und
physischer Gewalt haben sie versucht zu erzwingen, dass Angelina ihr Kind
abtreibt. In ihrer verzweifelten Not ist sie zu uns gekommen.“ Pater Jan-Kanty
berichtet uns weiter, dass Angelina kein Einzelfall ist und sich immer häufiger
schwangere Frauen an sie wenden. Die Franziskanerinnen im ländlich gelegenen
Ort Drahanivka haben ihre Hilfe angeboten. Sie möchten für diese Frauen und
ihre ungeborenen Kinder in ihrem Konvent ein Frauenhaus eröffnen. Angelina
und drei weitere Frauen leben bereits dort. Sie können ihre Kinder da zur Welt
bringen und mit ihnen ein Jahr lang bleiben. In Zukunft soll für insgesamt 10
Frauen mit ihren Kindern Platz geschaffen werden. Die Franziskanerinnen und
Pater Jan-Kanty bitten uns um eine Hilfe von 13.000,-- Euro für 6 Kinderbettchen
und Kinderwagen, 6 Baby-Badewannen, Wäsche, Handtücher, Hygieneartikel, 6
Kleiderschränke, ein Waschbecken für die Küche. Auch die Krankenhausaufenthalte bei der Entbindung können damit finanziert werden. Angelinas Kind
soll Ende Dezember geboren werden. Vielleicht wird es ein „Christkindl“.
Flog ein Vogel
… blauer Vogel von den Bergen hoch herab, und er sah das Jesuskind, wie es in
einer Krippe lag … Das ist die erste Strophe eines Weihnachtsliedes, das die
Kinder in Ascensión de Guarayos in Bolivien an Weihnachten gerne singen
möchten. Der Chor mit 42 Sängerinnen und Sängern ist schon im Aufbau. Die
Kinder können es kaum erwarten, mit den Proben zu beginnen. Täglich bedrängen
sie Schwester Martha. „Un poco de paciencia“, beruhigt die Franziskanerin sie
dann, „ein bisschen Geduld“. Sie möchte 223 Kindern im Alter von 6 bis 18
Jahren aus armen, zum Teil zerrütteten Familien nachmittags drei Kurse anbieten,
damit sie in ein soziales Gefüge eingebunden werden, das sie von den Gefahren
wie Alkohol, Drogenkonsum und Prostitution fernhält. Besonderes Augenmerk
gilt dabei den Mädchen. 56 Mädchen
können einen Kurs zur Herstellung von
Textilien und 125 Mädchen einen für
Stickerei besuchen. Schwester Martha
bittet uns um eine Unterstützung von
1.500,-- Euro für den Kauf einiger
Instrumente wie Trommeln und Flöten, für
Arbeitsmaterial wie Nadeln, Faden,
Wolle, Stoffe sowie für die Honorare von
zwei Kursleiterinnen.
„Die Glückliche“
… heißt Tashima. Vor dem
Erdbeben im April war Tashima
der Sonnenschein der Familie.
Heute ist sie ernst, zurückgezogen
und verängstigt. Im September kam
ein Fremder in ihr Dorf Chokamagu. Er versprach ihr ein besseres
Leben in Indien als seine Ehefrau.
Tashima und ihre Familie haben beim Erdbeben im April ihre gesamte Existenz
verloren und hausen seither unter einer Zeltplane. Aus Verzweiflung haben ihre
Eltern zugestimmt. Tashima ging mit. Grenzbeamte sind auf die beiden
aufmerksam geworden. Und das Glück kehrte für Momente zurück. Durch das
Eingreifen der Beamten entkam sie den Händen eines Menschenhändlers und dem
grauenvollen Schicksal der Zwangsprostitution in einem indischen Bordell. Der
Menschenhandel in Nepal blüht nach dem verheerenden Erdbeben auf. Es ist so
wichtig, dass die Kinder schnell wieder die Möglichkeit zum geregelten
Schulbesuch erhalten und so die Gefahr verringert wird, dass sie Opfer von
Menschenhändlern werden. Es ist uns ein großes Anliegen, mit unserem Beitrag
von 10.000,-- Euro die Reparatur und Renovierung der Schulgebäude in
Chokamagu zu unterstützen. Die Freude von 75 Mädchen und Buben ist unser
Licht.
Liebe Freunde und Wohltäter, am nächsten Wochenende beginnt die Adventzeit.
Die Zeit der inneren Vorbereitung auf die Geburt Christi. Eine Zeit der
Besinnung, des Miteinanders und des Friedens. Von ganzem Herzen wünsche ich
Ihnen lichtvolle Momente, offene Türen in Ihrem Herzen wie auch in Ihrer
Umgebung und eine gesegnete Adventzeit.
In Dankbarkeit
Ihr
P. Oliver Ruggenthaler ofm
FRANZ HILF –
FRANZISKANER FÜR MENSCHEN IN NOT