Dieter Romberg - Dresdner Seniorenakademie Wissenschaft und

IG Zeitzeugen
7.3 Reisen und Urlaub
2014
Unser „Westbesuch“
Über die Jahre hatten sich unsere Verwandtschaftsbeziehungen zwischen Ost und West zum Einen vom
reinen Briefverkehr und den Paketen zu Weihnachten auf einen “besuchsweisen Aufenthalt in der DDR“
und zum Anderen von der älteren auf die jüngere Generation in der DDR verlagert.
So kam es, dass wir als junges Ehepaar als Gastgeber anstelle der Eltern bzw. Großeltern für den Besuch
von Tante und Onkel eintraten. Da die sogenannte „Chemie“ trotz der Altersunterschiede sofort stimmte,
blieb es nicht bei einem Besuch, sondern intervallmäßig oder bei Familienfesten von Anfang 1970 bis
Mitte/Ende 1980.
Beide nahmen als Senioren die Unbilden der Reise, wie Grenzkontrollen, Umtausch eines Mindestsatzes
DM in Mark der DDR, Anmeldung auf der Volkspolizei u.a. in Kauf, um uns zu besuchen. Das ist wichtig zu
wissen, weil meine Tante mir bei jedem Besuch für mich unergründlich versicherte, dass wir eines Tages
auch sie im „Westen“ besuchen könnten.
Wir gaben uns bei jedem Besuch Mühe, ihnen den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten, um
ein wenig für die mitgebrachten Geschenke und das „Taschengeld “ in anderer Währung zurückzugeben. Da
wurde selbstverständlich das eheliche Schlafzimmer in der 3-Zimmer AWG-Wohnung (ArbeiterWohnungsbau-Gesellschafts-Wohnung) zur Verfügung gestellt und Wochen vorher Plätze in markanten
Gaststätten bestellt, damit man sich nicht in die Warteschlange einreihen musste, die der Ober, wenn man
Glück hatte, dann „platzierte“. Für die Freizeit wurden Ausflugspläne geschmiedet, Verwandtenbesuche
organisiert und auch hier und da ein Urlaubstag genommen, sofern das möglich war. Nicht zu vergessen die
„Jagd“ nach ein paar Flaschen gutes Bier, wie zum Beispiel Radeberger oder beim Fleischer vielleicht mal
etwas Extras. Kurz gesagt, wir taten alles, was wir mit unseren Möglichkeiten tun konnten und wir taten es
gerne. Irgendwie war es auch für uns sowas wie eine Ehrensache.
Es sei an dieser Stelle klargestellt, dass unsere Gäste dies nicht erwarteten, bescheidene Menschen waren,
unsere Bemühungen würdigten und es uns dankten.
Trotz allem Für und Wider unseres damaligen Lebens, was ja unseren Verwandten
wiederholten sich bei den Besuchen oft zwei ihrer Eindrücke:
bekannt war,
Zum Ersten Immer wieder das Erstaunen von Onkel und Tante über die aus ihrer Sicht billigen Speisen
(zumal „immer mit Gemüsebeilage“!) in der Gaststätte.
Das Zweite bezog sich auf die Jugend der DDR (Onkel und Tante waren auch bei der Schuleinführung und
Jugendweihe unserer Tochter dabei). Zitat der Tante, vom Onkel unterstützt: „….wenn auch politisch
beeinflusst, aber eure Jugend ist weg von der Straße und von den Drogen….hier herrscht Ordnung….“.
Wir kannten es nicht anders.
Ich muss heute noch oft an meinen Besuch von damals denken, weil wir ja nun auf Dauer zu „Besuch“ bei
Onkel und Tante sind!
Dieter Romberg
Dieter Romberg, 2015-05-12
Dresdner Seniorenakademie Wissenschaft und Kunst