Ich ermahne euch nun, liebe Brüder, durch die Barmherzigkeit

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Ich ermahne euch nun, liebe Brüder,
durch die Barmherzigkeit Gottes,
dass ihr eure Leiber hingebt als ein Opfer,
das lebendig, heilig und Gott wohlgefällig ist.
Das sei euer vernünftiger Gottesdienst.
Und stellt euch nicht dieser Welt gleich,
sondern ändert euch
durch Erneuerung eures Sinnes,
damit ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist,
nämlich das Gute und Wohlgefällige
und Vollkommene.
Denn ich sage durch die Gnade,
die mir gegeben ist, jedem unter euch,
dass niemand mehr von sich halte,
als sich's gebührt zu halten,
sondern dass er maßvoll von sich halte, ein jeder,
wie Gott das Maß des Glaubens ausgeteilt hat.
Römer 12,1-3
Eigentlich ein ganz normaler Paulustext.
Unbequem, weil kompliziert.
Man muss mehrfach lesen, um zu verstehen.
Paulus eben.
Lange Sätze.
Wahrheiten in komplizierte Konstrukte verpackt.
Wie also ist ein solch spröder Text zu übersetzen?
Was steckt darin?
Was will sich entwirren lassen,
verständlich machen?
In diesen Tagen
klingen die 3 Verse anders als früher.
Paulinische Theologie,
gut und richtig und hilfreich,
wenn man sie denn verstanden hat… ja.
Im Hören, im Empfinden aber
hat sich etwas verändert.
Es bleiben einige Worte hängen –
wie mit Widerhaken setzen sie sich fest,
drängen sich in den Vordergrund.
Und mit ihnen kommen dunkle Gedanken.
Es sind Worte, wie wir sie
aus anderen Zusammenhängen kennen.
Sie sind unbequem,
erschreckend unbequem,
bedrohlich.
„Ich ermahne euch,
dass ihr eure Leiber hingebt als ein Opfer, das
lebendig und heilig und Gott wohlgefällig ist.“
Nach einem Jahr voller Terror
klingen diese Worte schrecklich bekannt.
Sie könnten von einem vermummten
IS Terroristen stammen.
Wir würden es ihm so abnehmen.
Es ist seine Sprache.
Vor ziemlich genau einem Jahr
hat mit dem Attentat auf die Redaktion
von Charlie Hebdot in Europa eine Zeit
voller Terror und zunehmender Sorge begonnen.
Und nun hören wir diesen Satz
in einem Abschnitt aus dem Römerbrief.
Neues Testament.
Paulus hat ihn geschrieben.
Gebt euren Leib als ein Opfer hin…
Ein Zusammenhang, der keiner ist.
Der Apostel passt da nicht hinein.
Paulus meint anderes.
Wir wissen das.
Er spricht von Hingabe, von Nachfolge.
Was wir zur Zeit erleben ist Terror,
Verbrechen, feiger Mord.
Und das ist etwas, das Gott nicht gefällt.
Das ist entgegengesetzt zu seinem Willen.
2
Paulus folgt Jesus, dem Christus.
Er folgt ihm konsequent.
Und der redet vom Frieden.
Der redet von der anderen Wange,
die wir dem Schläger hinhalten sollen.
Der spricht den Friedfertigen selig.
Der Glaube, der auf ihm beruht, ist friedlich.
Sind wir es auch?
Der erste Impuls ist ein deutliches JA.
Wir leben im Frieden.
Wir leben in Freiheit.
Doch dann wird relativiert.
Wenn es nach meiner Nase geht,
dann bin ich der friedlichste Mensch auf der Welt.
Es geht eben doch nicht friedlich zu –
auch wenn kein Streit, kein Krieg herrscht.
Wir sind eben nicht friedlich,
wenn es nicht nach unserer Nase geht.
Wenn unsere Interessen berührt sind.
Wenn wir meinen,
das Stück vom Kuchen fällt kleiner aus,
als es uns zusteht.
Es geht um das Ich.
Es geht um die Meinen und um das Meine.
Und das nicht nur im engen privaten Bereich.
Menschen sind schnell gern bereit, abzuurteilen.
Urteile sind blitzschnell gefällt.
Das Fremde ist bedrohlich.
Die Fremden sind gefährlich.
Vielleicht sind sie auch kriminell?
„Sie dürfen nicht hinein ins Land“, sagen die einen.
„Sie müssen wieder weg“, sagen die anderen.
Schau hin, es sind Menschen – wie du und ich.
Gute und weniger gute,
freundliche und weniger freundliche
und einige von ihnen
haben sich auch kriminalisiert.
Die allermeisten sind Menschen,
die vor Krieg und Terror fliehen.
„Gib dem Flüchtling ein Dach, gib ihm zu essen,
sei ihm ein Mensch“ – sagt Jesus.
Wir leben im Frieden –
aber wir bestimmen gern, wie es zu sein hat
3
und wie unser Friede aussieht.
Paulus sagt dazu:
Niemand halte mehr von sich,
als es ihm gebührt zu halten.
Mit anderen Worten,
mach dich nicht größer als du bist.
Stell dich nicht auf ein Podest,
das dir nicht zusteht.
Sieht von dir ab und schau umher.
Du bist nicht der Mittelpunkt der Welt.
Schau auf die Menschen neben dich,
schau hin, hör hin –
und du merkst: Der Apostel hat Recht.
Nicht wir sind das Fundament,
sondern wir stehen auf dem Fundament Gottes.
Deshalb:
Ändert euch.
Prüft, was Gottes Wille ist.
Sucht das Gute, das Wohlgefällige,
das Vollkommene.
Neues Denken braucht das Land, die Welt.
Es braucht diejenigen, die auch im Lärm der Welt
auf die stillen Stimmen hört,
es braucht die, die auch im Trubel des Lebens
auf die unscheinbaren, auf die da draußen sieht.
Es braucht die Unbequemen,
Leute, die gegen den Strom schwimmen
und das bestehende in Frage stellen.
Es braucht die, die ihren Glauben leben.
Ändere dich,
deine Blickrichtung, deine Idee vom Leben –
und schau auf Gott, schaut auf Jesus.
Und schlag seinen Kurs ein,
bleib in seiner Fährte,
geh ihm nach – mit dem was du tust,
was du denkst und wie du lebst.
Du bist in Gottes Augen wertvoll.
Egal was du im neuen Jahr bringen wirst
und was das neue Jahr dir bringt.
Aber der andere, die andere ist das auch:
Voller Wert!
Schau hin.
Und lebe wie Gott das Maß des Glaubens
wie er deine Gaben und Fähigkeiten
ausgeteilt hat.
Wir sind nicht ohne Gnade in dieser Welt,
die sich so oft als gnadenlos erweist.
Wir sind Dienende und Lehrende,
Tröstende und Gebende,
Barmherzige und Friedliebende.