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GESELLSCHAFT
Seuzach | 17.12.2012
Sie hat den Dreh gefunden
Quelle:mdu
Eine Ovomaltine im Einkaufszentrum Rosenberg
schlürfen. Das gefällt Maja Zimmermann. «Bei uns
gibt es dieses köstliche Getränk nicht», sagt die 47jährige Filmproduzentin und nimmt genüsslich einen
grossen Schluck. Die in die USA ausgewanderte
Seuzacherin beobachtet die Leute. Aber nicht
musternd, eher so nebenbei und entspannt. Auf die
amerikanische Art eben. Natürlich vergleicht sie – als
immer wieder Heimkehrende – stets auch die beiden
unterschiedlichen Kulturen. Für sie als
Filmproduzentin ist ohnehin nichts uninteressant.
Menschen, Mimik, Verhaltensweisen gehören zu
ihrem Business.
Maja Zimmermann lebt in Los Angeles. Als junge
Werbefotografin ist sie nach Hollywood ausgezogen.
«Ich wollte nach draussen, in die grosse, weite Welt.»
Und wo konnte man sich als gelernte Fotolaborantin
und Fotografin eine bessere berufliche Plattform
vorstellen als in der Filmstadt aller Filmstädte?
Vor 20 Jahren war die damals 27-Jährige in einem
November voller Hoffnung über den grossen Teich
geflogen. Sie war schnell ernüchtert. «Ich bin hart
gelandet und wäre am liebsten bald wieder nach
Hause gereist.» Das liess ihr Stolz aber nicht zu. Also
redete sie sich und ihrer Familie ein, wie toll es in L.A.
sei. Hätte sie aber gewusst, wie schwer es werden
würde, wäre sie wohl nicht ausgewandert, sagt sie
heute. «Du bist ganz allein auf dich gestellt, niemand
hat auf dich gewartet, keiner will etwas von dir.»
Die Schweizerin biss sich durch. Sie studierte Film an
der Kunstschule in Pasadena und spezialisierte sich
auf narrative Kurzfilme. Danach arbeitete sie
unentgeltlich, um irgendwo einen Fuss in die Türe zu
bekommen. Ihr Motto war: «Du darfst dich nicht
verkrampfen, wenn du einen Schritt geschafft hast,
machst du den nächsten.»
Und mit dem wachsenden Bekanntenkreis kehrte
auch die Fröhlichkeit in ihr Leben zurück. Das
Durchhalten in der «Stadt der Engel» hat sich
gelohnt: Maja Zimmermann wirkt heute zufrieden und
aufgestellt. Jedes ihrer zwölf Filmprojekte, das sie
anpackte, wurde ausgezeichnet. Die Schweizerin
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22.07.2014
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erhielt für ihr Talent, Leute und Geschichten zu
erkennen, Lob: so etwa letztes Jahr in Cannes für
den von ihr mitproduzierten Spielfilm «Porfirio» über
einen Mann im Rollstuhl, der von Polizeikugeln
getroffen worden war. Oder am Filmfestival in Buenos
Aires für ihre aktuelle Produktion «Jardin de
Amapolas» (Das Mohnblumenfeld), die gerade in
Deutschland anläuft und zeigt, wie ein zehnjähriger
Junge zwischen die Fronten der kolumbianischen
Drogenmafia und des Militärs gerät.
Die Kunst, als Filmproduzentin in den USA zu
bestehen, liegt laut Maja Zimmermann vor allem
darin, stets mehrere Projekte gleichzeitig
voranzutreiben. «Irgendetwas gelingt immer.» So
unterrichtet sie neben ihren eigenen
Filmproduktionen, die sie mit professionellen Teams
ausführt, an der Universität in Bogotá und betreibt in
Los Angeles eine Servicestelle, in der sie ihre Dienste
als Produzentin anbietet. Ihre Stärke sei, das
Endprodukt im Kopf zu haben und zu wissen, wie
man es vermarktet, sagt sie.
Der grosse Geldsegen hat sie noch nicht
heimgesucht, wie sie lachend eingesteht. «Ich lebe
eher auf schmalem Fuss.» Dies allerdings in einer
schmucken, gemütlichen Wohnung in einem
Vierfamilienhaus mit Garten in Los Angeles. Die
sympathische Selfmadefrau hat zurzeit keinen
Partner, dafür aber einen grossen Freundeskreis.
Einsam ist sie als Single in L.A. definitiv nicht. «Sehr
oft bin ich ja nicht daheim.» Zu Hause fühlt sie sich
auf mehreren Kontinenten: in Nordamerika,
Südamerika und Europa.
Wenn immer möglich macht die Wahlkalifornierin
einen Abstecher in die Schweiz, wo ihre Familie –
ihre 81-jährige Mutter, die beiden Geschwister sowie
die Neffen und Nichten – lebt. «Diesmal dauerte mein
Aufenthalt in Seuzach etwas länger als sonst, weil
mein Vater nach acht Jahren mit der Diagnose
Alzheimer vor Kurzem gestorben ist.» Es sei aber gut
so, sagt die Tochter von Kurt Zimmermann. «Die
Krankheit hat auch ihr Gutes, man hat viel Zeit, um
Abschied zu nehmen.» Zuerst sei es für sie sehr
schwierig gewesen, mitanzusehen, wie sich der
ehemalige Lehrer «mit dem sagenhaften Gedächtnis
und dem guten Orientierungssinn» zusehends nicht
mehr auf seinen Verstand verlassen konnte. «Doch
der Mensch ist viel mehr als sein Intellekt», sagt Maja
Zimmermann, die ihrem Vater nach eigenen Worten
sehr ähnlich ist. Es sei die Essenz im Wesen eines
Menschen, die bis zum Schluss bleibe und sich in
einem Lächeln oder einem Händedruck ausdrücke.
«Für alles, was ich von meinem Vater bis zuletzt
lernen konnte, bin ich sehr dankbar.»
Dagmar Appelt
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