Jugendliche im Museum «Der Himmel brennt am Horizont» Kunst in der Ostschweiz im Banne des 2. Weltkrieges 17. Januar – 30. August 2015 Adolf Dietrich, Abend am See, 1939; Öl auf Karton © Kunstmuseum Thurgau Kriegszeiten treffen Künstler hart. Wer interessiert sich für das Schöne, wenn die Welt vom Untergang bedroht ist? Während des 2. Weltkriegs war die Situation in der Schweiz eine besondere. Das Land war eingeschlossen durch feindliche Mächte. In ganz Europa, ja, auf der ganzen Welt tobte ein Krieg, der jeden Moment auch auf das eigene Land übergreifen konnte. Nahrungsmittelknappheit, Flüchtlingsströme aber auch die unsichere Nachrichtenlage bestimmten den Alltag im Land. Künstlerinnen und Künstler reagieren in ihrem Schaffen, aber auch in ihrem alltäglichen Verhalten ganz unterschiedlich auf solche besonderen Situationen. Die Ausstellung «Der Himmel brennt am Horizont» präsentiert Bilder und Dokumente, die einen Einblick geben, wie Kunstschaffende mit der schrecklichen Wirklichkeit des nahen Kriegs umgingen. Die Ausstellung ist ab etwa der 6. Klasse empfohlen und für die Oberstufe und Berufsschule besonders geeignet. Kunstmuseum Thurgau Museumspädagogik / Kulturvermittlung: Brigitt Näpflin weitere Informationen sind zu finden unter: Kartause Ittingen, 8532 Warth [email protected] www.kunstmuseum.ch und www.kartause.ch Inhalt Kurzinformationen zu einzelnen Künstlerinnen und Künstlern 3 Bilderbogen 4 Annäherung, Einstieg ins Thema… 6 Vorbereitung vor dem Museumsbesuch 6 Stichwort 1 – «Das Boot ist voll» Stichwort 2 – «Charlie Hebdo» Stichwort 3 – Berichterstattung früher und heute? Stichwort 4 – Recherchen zur Ausstellung Stichwort 5 – Texte aus Tagebüchern Recherchen in der Ausstellung «Der Himmel brennt am Horizont!» 7 Vorschlag 1 – Ein Thema und verschiedene Gattungen Vorschlag 2 – Bedrohung, Furcht, Schrecken künstlerisch ausgedrückt Vorschlag 3 – Facetten einer Zeitspanne Vorschlag 4 – Hörstationen Eindrücke der Ausstellung vertiefen 8 Vorschlag 1 – Nachhaltig wirkendes Werk Vorschlag 2 – Kurztext Vorschlag 3 – Haiku Vorschlag 4 – Biografie eines Künstlers oder einer Künstlerin Vorschlag 5 – Text- / Bildcollage Publikationen, Informationen zur Ausstellung 9 2 Kurzinformationen zu beteiligten Künstlerinnen und Künstlern Adolf Dietrich (1877 – 1957) ist beim Ausbruch des Kriegs schon über 60 Jahre alt. Trotz des hohen Alters fürchtet er sich davor, zum Hilfsdienst eingezogen zu werden. Seine Malerei verändert sich kaum durch den Krieg. Allenfalls entstehen anteilmässig mehr von den eisigen Winterlandschaften. Hans Baumgartner (1911 – 1996) ist Lehrer und Fotograf in Steckborn. Er kann ab 1935 regelmässig Fotoreportagen publizieren. 1939 wird er zum Aktivdienst eingezogen. In seinen Fotografien spiegelt sich die gedämpfte Stimmung der Kriegszeit in Grenznähe, nicht spektakulär, aber nahe an den Menschen. Ernst Graf (1909 – 1988) zieht 1935 nach einer Grafikerlehre in Laupen BE und einem Studium an der Staatlichen Kunstgewerbeschule München nach Ermatingen. Hier arbeitet er in der Dosenfabrik Ermatingen als Gestalter. Während des Kriegs leistet er Aktivdienst. Frans Masereel (1889 – 1972) wächst in Belgien auf, erlebt den 1. Weltkrieg in Genf, wo er zahlreiche Kontakte zu Exponenten einer pazifistischen Weltanschauung auch in die Deutschschweiz knüpft. In seinem grafischen Werk nimmt er immer wieder Stellung gegen den Irrsinn einer kapitalistischen Weltanschauung, die unweigerlich in die Kriegskatastrophe führen muss. Hedwig Scherrer (1878 – 1940) wächst in St.Gallen auf, wo sie eine Ausbildung an der Zeichnungsschule des St.Galler Gewerbemuseums erhält. Sie arbeitet als Landschaftsmalerin und Gestalterin. Scherrer setzt sich für die Gleichstellung der Frau ein und nimmt explizit Stellung gegen die aggressive Expansionspolitik von Faschisten und Nationalsozialisten. So gestaltet sie schon 1934 zur Ausstellung „Krieg oder Frieden?“ für die schweizerische Sektion der IFFF (Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit) eine Plakatserie. Carl Walter Liner (1914 – 1997) verlässt bei Kriegsbeginn Paris und kehrt nach Appenzell zurück. Er leistet Aktivdienst. Seine Palette, vor dem Krieg beeinflusst durch die Impressionisten, verdüstert sich im Krieg. Sein Blick über den Bodensee zeigt eine dunkle Landschaft. Carl Böckli (1889 – 1970) ist der wohl wichtigste Karikaturist für den Nebelspalter. Unter dem Kürzel „Bö“ arbeitet er seit 1922 für die Satirezeitschrift, die er ab 1927 bis 1966 redigiert. In seinen Zeichnungen nimmt er explizit Stellung gegen totalitäre Staatsformen und ihre Exponenten von Mussolini über Hitler zu Stalin. Wie kaum ein anderer kritisiert er die Kleinlichkeit des Schweizer Bünzli in liebeswürdiger Offenheit. Theo Frey (1908 – 1997) entschliesst sich um 1935 Fotograf zu werden. Seine Fotoreportagen werden in Zeitschriften abgedruckt und für die Schweizerische Landesausstellung realisiert er eine Serie von zwölf Gemeindeporträts. Seinen Aktivdienst leistet er als Fliegersoldat in Spreitenbach und von 1940 bis 45 als Fotoreporter im Pressebüro des Armeestabes. Hermann Knecht (1893 – 1978) arbeitet nach einer künstlerischen Ausbildung in München und Basel und verschiedenen Brotberufen ab 1926 als freier Künstler hauptsächlich in Stein am Rhein. Seine Bilder aus den 1930er und -40er Jahre sind Visionen einer surreal verdüsterten Welt. Carl Roesch (1884 – 1979) kann 1939 eines seiner grössten Projekte im öffentlichen Raum, die Rekonstruktion der Fresken von Tobias Stimmer am Haus zum Ritter in Schaffhausen abschliessen. Der Krieg verhindert Reisen ins Ausland und so konzentriert sich der Künstler auf seine nächste Umgebung. Ernst Emil Schlatter (1883 – 1954) lebt in Uttwil und ist während des Kriegs vor allem als Porträtzeichner bedeutender Persönlichkeiten erfolgreich. Robert Wehrlin (1903 – 1964) studiert Jura, lernte bei einem Sanatoriums-Besuch seiner Mutter in Davos 1922 zufällig Ernst Ludwig Kirchner kennen. Dieser begeistert ihn mehr und mehr für die Malerei. 1924 lässt er sich in Paris nieder und studiert Malerei. Zur Zeit des 2. Weltkriegs lebt er in Paris. 3 Bilderbogen 2 1 1 Hedwig Scherrer, Mordindustrie, 1934/35 2 Bö, Optima-Forma, undatiert 3 Jakob Greuter, Der zweite Weltkrieg, undatiert 3 4 5 4 6 8 4 Robert Wehrlin, Le Mauvais Peintre, um 1940 5 Carl Roesch, Bleu de France, 2011 6 Carl Walter Liner, Hottingerstrasse im Winter, 1944 7 Carl Walter Liner, Winter am See, 1943 8 Ernst E. Schlatter, Porträt von Oberst-Divisionär E. Bircher, 1940 7 5 MUSEUMSPÄDAGOGISCHE ANREGUNGEN Annäherung, Einstieg ins Thema… Den 2. Weltkrieg mit den wichtigsten Ereignissen thematisieren. Dem Stichwort «Entartete Kunst» nachgehen… Vorbereitung vor dem Museumsbesuch Stichwort 1 – «Das Boot ist voll» Der Film von Markus Imhoof (1981) thematisiert die Mitschuld an jahrzehntelang verschwiegene Wahrheit über die Mitschuld am Tod von über 30'000 Menschen. Einer zufällig zusammengewürfelten Gruppe von Flüchtlingen ist während des letzten Krieges der heimliche Grenzübertritt in die Schweiz gelungen. Sie alle können nicht wissen, dass diese Zuflucht trügerisch ist, dass Flüchtlinge «nur aus Rassengründen» kein Anrecht auf Asyl haben und dass seit einiger Zeit die Grenzen für Fremde verschlossen sind. Halbherzig von Schweizern aufgenommen und halb wieder verraten, sind die Flüchtlinge sogar bereit, sich selber preiszugeben um sich zu retten. Sie formieren sich zu einer grotesken Familie, um so die polizeilichen Voraussetzungen zu erfüllen. Aufgabe vor dem Museumsbesuch: Zur Einstimmung den Film «Das Boot ist voll» von Markus Imhoof (1981) ansehen und die Kriegssituation aus Sicht der Einzelschicksale betrachten. Stichwort 2 – «Charlie Hebdo» Bei einem Terroranschlag auf das Redaktionsbüro von Charlie Hebdo am 7. Januar 2015 wurden zwölf Menschen, darunter fünf prominente Karikaturisten aus dem Redaktionsteam der Zeitschrift ermordet. Aufgabe vor dem Museumsbesuch: Zeitungsartikel und Reaktionen zum Ereignis lesen und über die Meinungsfreiheit diskutieren. Was darf Satire? Wo sind die Grenzen? Stichwort 3 – Berichterstattung früher und heute Zur Zeit des 2. Weltkrieges waren mitunter die unregelmässige, nur bruchstückhafte Berichterstattung und das Wissen um die politische Weltlage ein Verunsicherungsfaktor, der auch Angst auslöste. Aufgabe vor dem Museumsbesuch: Der Frage nachgehen, wie damals über die Weltpolitik informiert wurde und auf welchen Kanälen heute Informationen fliessen. Dabei auch die Faktoren Zeit und Wahrheitsgehalt ansprechen. Stichwort 4 – Recherchen zur Ausstellung Alle Museen bieten reichliche und vielfältige Informationen zu ihren Ausstellungen. Aufgabe vor dem Museumsbesuch: Sich via Museumswebsite www.kunstmuseum.ch auf die Ausstellung im Kunstmuseum Thurgau einlesen. Es sind Informationen zum Thema, zu einzelnen Kunstschaffenden und einzelnen Werken zu finden. Stichwort 5 - Texte aus Tagebüchern Die Zeit des 2. Weltkrieges wurde in vielen Büchern aus der persönlichen Sicht und Betroffenheit beschrieben und verarbeitet (z.B. von Käthe Vordtriede oder Carl Roesch, siehe auf S.9.). Aufgabe vor dem Museumsbesuch: Einzelne Kapitel aus Tagebüchern oder Briefe aus jener Zeit lesen und die Situationen vergegenwärtigen. 6 Recherchen in der Ausstellung «Der Himmel brennt am Horizont» Vorschlag 1 – Emotionaler Ausdruck der verschiedenen Techniken Techniken: Malerei / Fotografie / Radierung / Holzschnitt / Dokument / Zeichnung / Karikatur / Druck / Hörtext. Zu zweit ein Stichwort wählen und in der Ausstellung Werke dieser Kategorie genauer untersuchen. Dabei auf die emotionale Ausstrahlung der Werke achten und, inwiefern die Wirkung mit der Technik in Verbindung steht. Erkenntnisse stichwortartig festhalten und später der Klasse anhand ausgewählter Beispiele vorstellen. Vorschlag 2 – Bedrohung, Furcht, Schrecken künstlerisch ausgedrückt Die Ausstellung zu zweit durchstreifen. Mit grosser Aufmerksamkeit ein Werk bestimmen, das besonders eindringlich Bedrohung, Furcht, Schrecken darstellt. Was stellt das Werk dar? Womit wird die Ausdruckskraft erreicht? Das ausgewählte Werk und die Erkenntnisse der Klasse vorstellen. Vorschlag 3 – Facetten derselben Zeitspanne Die Ausstellung thematisiert nicht Krieg per so, sondern geht auf versch. künstlerische Positionen ein, welche die Zeit des 2. Weltkriegs sichtbar macht. Zu zweit durch die Ausstellung gehen und fortlaufend notieren, welche unterschiedlichen Facetten derselben Zeitspanne zu sehen sind (z.B. Alltag, Militär, Kinder usw.) Der Klasse die Beobachtungen vorstellen, mit einzelnen Beispielen illustrieren. Vorschlag 4 – Hörstationen Alleine oder zu zweit sich in eine der Hörstationen setzen und ca. 10 Minuten zuhören. Zusammen austauschen, was zu vernehmen war. Was erfährt man über die Zeit, was über die Person? Der Klasse mitteilen was zu hören war und von wem die Aufzeichnungen stammen. 7 Eindrücke der Ausstellung vertiefen Vorschlag 1 – Nachhaltig wirkendes Werk Material: Papier und Bleistift Aufgabe: sich ein Werk der Ausstellung, das in Erinnerung geblieben ist, vergegenwärtigen. Möglichst genau aufschreiben, was auf dem Bild dargestellt ist. Ev. skizzieren. Ergründen weshalb ausgerechnet dieses Werk in Erinnerung haften bleibt. In der Klasse austauschen. Gibt es ein mehrfach gewähltes Werk? Welche Rolle spielt die Gattung (Fotografie, Karikatur, Malerei…?) Vorschlag 2 – Kurztext Material: Notizmaterial, Schreibzeug Aufgabe: Eindrücke der Ausstellung in losen Notizen festhalten. Zu zweit die Texte austauschen und je den fremden Text lesen. Was fällt beim Lesen des anderen Textes auf? Gibt es inhaltliche Übereinstimmungen, resp. markante Unterschiede? Vorschlag 3 – Haiku Material: Notizpapier, Bleistift und ev. kostbareres Papier, Feder, Pinsel und Tusche Ein Haiku (traditionelle japanische Gedichtform) besteht aus drei Zeilen mit der Silbenfolge 5-7-5. In drei Zeilen mit ungefähr 17 Silben wird ein genau beobachtetes Geschehen und eine Stimmung zum Ausdruck gebracht. Die Sprache ist dabei einfach und im Präsens geschrieben. Aufgabe: Gedanken, Worte suchen und in Form eines Haiku bringen. Ev. mit Feder oder Pinsel und Tusche auf kostbares Papier schreiben/malen. Vorschlag 4 – Biografie eines Künstlers oder einer Künstlerin Material: Bücher, Kunstkataloge, Bücher, Internet… Aufgabe: Ein Werk aus der Ausstellung wählen, das einen besonderen Eindruck hinterliess und sich über die Autorenschaft informieren. Über die Herkunft und Biografie nachlesen. Verändert das Wissen um die biografischen Hintergründe den Blick auf das Werk? Vorschlag 5 – Text-/ Bildcollage Material: Papier A4 und A5, diverse Zeitschriften, Zeitungen, farbiges Papier, Leim Aufgabe: Werkzeug sind nur die Hände. Aus Zeitungen und Zeitschriften Bilder auswählen, ev. auch Textstellen oder einzelne Worte, und sorgfältig herausreissen oder ausschneiden. Zusammen mit farbigen Flächen zu einer Bildcollage zusammenfügen und auf den Papiergrund kleben. Dem Werk einen Titel geben. 8 Publikationen, Informationen zur Ausstellung Diverse Kataloge zu einzelnen Kunstschaffenden (siehe im Büchershop des Kunstmuseums Thurgau) «Adolf Dietrich und die neue Sachlichkeit in Deutschland.» Mit Texten von Dieter Schwarz, Reinhold Heller et al (1994). «Werkkatalog Adolf Dietrich» mit Texten von Heinrich Ammann, Christoph Vögele (1994). Adolf Dietrich. «Seine Themen. Sein Leben.» Mit Texten von Beatrix Ruf et al (1994). Tagebuchauszüge in der Publikation: «Carl Roesch. eigenwillig - angepasst.» Hrsg.: Kunstmuseum Thurgau / Carl und Margrit Roesch Stiftung. Mit Texten von Urs Roesch, Markus Landert und anderen. Sulgen: Niggli (2006). Käthe Vordtriede: «Mir ist es noch wie ein Traum, dass mir diese abenteuerliche Flucht gelang…». Mein Leben in Deutschland vor und nach 1933. Briefe nach 1933 aus Freiburg i. Br., Frauenfeld und New York an ihren Sohn Werner. Hrsg. von Manfred Bosch, Lengwil (1998). Informationen aus dem Historischen Lexikon der Schweiz «Weltkrieg, Zweiter» http://www.hls-dhs-dss.ch/index.php Barbara Bonhage, Peter Gautschi, Jan Hodel und Gregor Spuhler: «Hinschauen und Nachfragen». Die Schweiz und die Zeit des Nationalsozialismus im Licht aktueller Fragen. Zürich: Lehrmittelverlag des Kantons Zürich (2006). (Umstrittenes Geschichtslehrmittel für die Sekundarstufen I und II). 9
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