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BERUFE FALLEN NICHT
VOM HIMMEL
JUGENDLITERATUR ALS WEGWEISER
ZUR BERUFSORIENTIERUNG
Material ab der 8. Schulstufe
Jutta Kleedorfer
Berufe fallen nicht vom Himmel
Jugendliteratur als Wegweiser zur Berufsorientierung
2. überarbeitete Auflage 2010
Die Deutsche Bibliothek - CIP- Einheitsaufnahme
Ein Titeldatensatz für diese Publikation ist bei
Der Deutschen Bibliothek erhältlich.
IMPRESSUM
ISBN: 978-3-7063-0396-5
2. Auflage 2010 (Erstauflage 2000)
Copyright ©, Herausgeber, Verleger: Kammer für Arbeiter und Angestellt für Wien,
Abteilung Bildungspolitik – AK Wien, ÖGB – Arbeitswelt & Schule
Hersteller: Eigenvervielfältigung
Autorin: Jutta Kleedorfer
Layout: Oona Kroisleitner
Foto Titelseite: fotolia.com
EINLEITUNG
Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen!
Die vorliegende Broschüre „Berufe fallen nicht vom Himmel“ erschien erstmals im Jahr 2000 und wurde seitdem als Begleitmaterial für die Berufsorientierung in Schule und Unterricht vielfach eingesetzt.
Die Schnelligkeit der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen legten nun 2010 eine
Aktualisierung der Begleitmaterialien nahe, die im Auftrag der Bildungspolitischen Abteilung der AK
erfolgte: Dynamische Märkte, globaler Wettbewerb, vernetzte Organisationsformen, Berufsprofile ohne
klare, d.h. berufsspezifische Identität sind Merkmale des Wirtschaftslebens geworden.
Die Zahl der unqualifizierten Arbeitsplätze ist gesunken, es steht schlecht um die beruflichen Chancen
für unzureichend ausgebildete junge Menschen. Damit werden höhere und vielfältigere Anforderungen
an Bildung und Ausbildung gestellt. Eine professionelle Vorbereitung auf die Berufs- und Arbeitswelt
im Rahmen der Berufsorientierung im Pflichtschulbereich ist notwendiger als je zuvor.
Nach wie vor kann themenspezifische realistische Jugendliteratur ein guter Begleiter bei der Berufsorientierung, bei der Berufsfindung wie bei der Berufsentscheidung sein, da sie reale Lebens- und Arbeitssituationen unmittelbar widerspiegelt, Erfahrungswissen wie Denkanstöße altersadäquat vermittelt und zum eigenen Handeln ermächtigen kann. Jugendliterarische Texte können jungen Menschen
einen individuellen, selbstbestimmten und differenzierten Zugang zur beruflichen Orientierung eröffnen
und eine metakognitive wie bewusstseinserweiternde Entscheidungshilfe sein.
Diese Neuauflage bietet mit einem breiten Spektrum von „Berufen, wie sie im Buche stehen“ eine reiche Auswahl an handverlesenen jugendliterarischen Texten, die den Spielraum möglicher Berufs- und
Bildungsentscheidungen informativ, emotional und kognitiv erweitern. Didaktisch-methodische Impulse
für einen handlungsorientierten Unterricht können als Lern- und Trainingsmodelle auch fächerübergreifend eingesetzt werden.
Acht themenzentrierte Kapitel bieten eine ausgewogene Auswahl an belletristischen wie sachinformativen Textproben aus Büchern der Kinder- und Jugendliteratur.
Eine bunte Mischung aus Textsorten, literarischen Formen und Botschaften mit unterschiedlichen
Schwierigkeitsgraden lädt ein zu lustvollem Schmökern, zu interessensgeleitetem Ankern und vertiefendem Weiterlesen.
Nutzen Sie auch die in dieser Handreichung angeführten themenspezifischen Broschüren, Arbeitsmaterialien und Links, die von der AK für den Unterricht in der Berufsorientierung zur Verfügung gestellt
werden.
Viel Freude und Erfolg mit diesen Begleitmaterialien
Jutta Kleedorfer
AK Berufe fallen nicht vom Himmel
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1. ARBEIT – WAS IST DAS?
Texte
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Arbeit - eine Sinnfrage?
Traumberuf
Jobs
Arbeit
oaweit
Das Pferd, das ein Pferd werden will
Der Bär, der ein Bär bleiben will
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Sachinfos
Seite
Kleines Begriffslexikon
Muster eines Dienstzettels
Entwicklungen und Trends in der Arbeitswelt und auf dem Arbeitsmarkt
Tipps & Anregungen & Training Was ist Arbeit?
Assoziationsspirale
Arbeit oder Spiel? Oder beides zugleich?
Beruf – Was bedeutet das? Arbeit – Wie sie im Lexikon steht Lyrisierung von Arbeit und Beruf 4
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2. OHNE FEHLSTART INS BERUFSLEBEN
Texte
Seite
Beppo Straßenkehrer
Kleingeld fürs tägliche Gemüse
Vorstellungsgespräch
Vom Umgang mit Tests
Der Sprachtest
Ärger als jeder Computer
Wollen Sie einen Superjob?
Der wichtigste Beruf der Welt
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Sachinfos
Seite
Lehrlingskompass
Schule / Lehre ?
Schule
Lehre
Richtig bewerben – gewusst wie
Bewerbungsschreiben
Lebenslauf
Vorstellungsgespräch
Kurzbewerbung
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Tipps & Anregungen & Training
Seite
Elfchen
Akrostichontechnik
Kurzgeschichten & Co.
Haiku
Warnung an alle Zauberlehrlinge
Pragmatisches und kreatives Schreiben
Große und kleine Vorbilder
Und Wo stehst du? Spiel
Rollenspiel: Bewerbung
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3. DIE QUAL DER (BERUFS-) WAHL
Texte
Seite
Rosalinde hat Gedanken im Kopf
Schulversager
Alles Meier, oder was?
Rat eines erfahrenen englischen Teenagers
Teenage – Think – Tanks
Zwischenwände
AMS
Das Maulwurf-System
Eine Entscheidung fürs Leben
Nicht der letzte Dreck sein
„Rausweg“
Tipps & Anregungen & Training Was soll ich tun?
Entscheidende Punkte
Beziehungen sind wichtig
Spiel „Arbeitsmarkt“
Beruf „Schüler/in“
idealen Arbeitsplatz
Typischer Männerberuf, typischer Frauenberuf
Gefühle bei der Arbeit
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4. MODERN TIMES – MODERN JOBS
Texte
Seite
Telearbeit
Teleisolation
Marketing & Sick Building Syndrome
Wanted!
Alles ist beruf. Und dann ist feierabend.
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Sachinfos
Seite
Telearbeit
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Tipps & Anregungen & Training Seite
Alles nur eine Frage der Planung?
Pro und Kontra: Telearbeit – Zukunft der Arbeit?
Übung zu selektivem Lesen:
Wenn dich der Beruf verrückt macht.....
Alles oder Nichts?
Stress lass nach!
Es ist verdammt hart, der Beste/die Beste zu sein!
Nichts motiviert mehr als Erfolg!
Schwierigkeiten? Du schaffst es!
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5. WORKING WOMEN
Texte
Seite
Spruch des Tages:
Du bist immer <in>
Dem Tüchtigen gehört die Welt
Traumjob: Model
Berufswunsch: Tänzerin
Musicalstar
Reif für die Insel:
„Eine Frau heiratet sowieso und kriegt Kinder“
Kollegin und Freundin
Polizistin
Wir basteln uns einen Mann !
Tipps & Anregungen & Training Frauenrollen – Männerrollen
Harte Traumjobs
A star is born
Ausbildung oder gleich Geld verdienen?
Aus Ohnmacht wird Stärke
Standpunkte
Praktische und „unpraktische“ Gedanken
Ein starkes Ding
Modell Aquarium
Mach dir selbst ein Bild
Vorbilder – Antibilder Arbeitsklima
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6. WORKING MEN
Texte
Seite
Aus dem Takt
Streiks
Arbeitskonflikte
Automechaniker
Elektriker
Arbeitskampf
Neue Techniken
Fernfahrer
Berufe der Väter
Arbeitslosigkeit
Lohnritual
Facharbeiter
Kommissar
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Tipps & Anregungen & Training Seite
Texte zum Hören
ROBOTER als Jobknüller oder Jobkiller?
Wozu braucht ein Automechaniker ein Huhn?
Kombiniere!
Rechte und Pflichten
Elterninterview
Erstellung eines Finanzierungsplans
Anleitung zum „kriminellen“ Schreiben
Es ist (k)ein Geheimnis
Welche Berufe - welche Fähigkeiten?
Schikanen der Arbeitswelt
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7. WIE MAN DAS WIRD, WAS MAN IST
Texte
Seite
TierpflegerIn
Biobauer
Ein astrologischer Installateur
Monsterjäger
Der Brieftaubenbeamte
Tipps & Anregungen & Training Was ist für dich im zukünftigen Beruf wichtig? Arbeit adelt!
Was gibt es da zu lachen?
Spiegelbilder
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8. SCHÖNE (BERUFS-) AUSSICHTEN
Texte
Seite
Wo die Zukunft liegt
Die geheime Werkstatt
Die Entscheidung
Fragen
Grauer Alltag
Das „buchstäbliche“ Ende
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Tipps & Anregungen & Training Seite
Ausbildung oder gleich Geld verdienen?
Was interessiert dich?
Präsentationsmappe
Mach dir ein Bild von dir selbst!
„Klasse Typen!“
Das Berufs-Leben ist ein Hit?
Wo liegt deine Zukunft? Karriere-Barometer
Und wo stehst du?
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1. ARBEIT – WAS IST DAS?
Texte
Arbeit - eine Sinnfrage?
In einem Hafen an einer westlichen Küste Europas liegt ein ärmlich gekleideter Mann in seinem Fischerboot und döst. Ein schick angezogener Tourist legt eben einen neuen Farbfilm in seinen Fotoapparat, um das idyllische Bild zu fotografieren: blauer Himmel, grüne See mit friedlichen, schneeweißen
Wellenkämmen, schwarzes Boot, rote Fischermütze. Klick. Noch einmal: klick, und da aller guten
Dinge drei sind und sicher sicher ist, ein drittes Mal: klick.
Das spröde, fast feindselige Geräusch weckte den dösenden Fischer, der sich schläfrig aufrichtet,
schläfrig nach seiner Zigarettenschachtel angelt; aber noch bevor er das Gesuchte gefunden, hat
ihm der eifrige Tourist schon eine Schachtel vor die Nase gehalten, ihm die Zigarette nicht gerade in
den Mund gesteckt, aber in die Hand gelegt, und ein viertes Klick, das des Feuerzeuges, schließt die
eilfertige Höflichkeit ab.
Durch jenes kaum messbare, nie nachweisbare Zuviel an flinker Höflichkeit ist eine gereizte Verlegenheit entstanden, die der Tourist – der Landessprache mächtig – durch ein Gespräch zu überbrücken
versucht.
„Sie werden heute einen guten Fang machen.“
Kopfschütteln des Fischers.
„Aber man hat mir gesagt, dass das Wetter günstig ist.“
Kopfnicken des Fischers.
„Sie werden also nicht ausfahren?“
Kopfschütteln des Fischers, steigende Nervosität des Touristen.
Gewiss liegt ihm das Wohl des ärmlich gekleideten Menschen am Herzen, nagt in ihm die Trauer über
die verpasste Gelegenheit.
„Oh, Sie fühlen sich nicht wohl?“
Endlich geht der Fischer von der Zeichensprache zum wahrhaft gesprochenen Wort über.
„Ich fühle mich großartig“, sagt er, „ich habe mich nie besser gefühlt.“
Er steht auf, reckt sich, als wolle er demonstrieren, wie athletisch er gebaut ist.
„Ich fühle mich phantastisch.“
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Der Gesichtsausdruck des Touristen wird immer unglücklicher, er kann die Frage nicht mehr unterdrücken, die ihm sozusagen das Herz zu sprengen droht.
„Aber warum fahren Sie dann nicht aus?“
Die Antwort kommt prompt und knapp. „Weil ich heute Morgen schon ausgefahren bin.“
„War der Fang gut?“
„Er war so gut, dass ich nicht noch einmal auszufahren brauche, ich habe vier Hummer in meinen
Körben gehabt, fast zwei Dutzend Makrelen gefangen...“
Der Fischer, endlich erwacht, taut jetzt auf und klopft dem Touristen beruhigend auf die Schultern.
Dessen besorgter Gesichtsausdruck erscheint ihm als ein Ausdruck zwar unangebrachter, doch rührender Kümmernis.
„Ich habe sogar für morgen und übermorgen genug“, sagt er, um des Fremden Seele zu erleichtern.
„Rauchen Sie eine von meinen?“
„Ja, danke.“
Zigaretten werden in Münder gesteckt, ein fünftes Klick, der Fremde setzt sich kopfschüttelnd auf den
Bootsrand, legt die Kamera aus der Hand, denn er braucht jetzt beide Hände, um seiner Rede Nachdruck zu verleihen.
„Ich will mich ja nicht in Ihre persönlichen Angelegenheiten mischen“, sagt er, „aber stellen Sie sich
mal vor, Sie führen heute ein zweites, ein drittes, vielleicht ein viertes Mal aus und Sie würden drei,
vier fünft, vielleicht sogar zehn Dutzend Makrelen fangen ...stellen Sie sich das mal vor.“
Der Fischer nickt.
„Sie würden“, fährt der Tourist fort, „nicht nur heute sondern, morgen, übermorgen, ja an jedem günstigen Tag, zwei-, dreimal, vielleicht viermal ausfahren- wissen Sie, was geschehen würde?“
Der Fischer schüttelt den Kopf.
„Sie würden sich in spätestens einem Jahr einen Motor kaufen können, in zwei Jahren ein zweites
Boot, in drei oder vier Jahren könnten Sie vielleicht einen kleinen Kutter haben, Sie würden ...“, die
Begeisterung verschlägt ihm für ein paar Augenblicke die Stimme, „Sie würden ein kleines Kühlhaus
bauen, vielleicht eine Räucherei, später eine Marinadenfabrik, mit einem eigenen Hubschrauber rundfliegen, die Fischschwärme ausmachen und ihren Kuttern per Funk Anweisungen geben. Sie könnten
die Lachsrechte erwerben, ein Fischrestaurant eröffnen, den Hummer ohne Zwischenhändler direkt
nach Paris exportieren – und dann...“, wieder verschlägt die Begeisterung dem Fremden die Sprache.
Kopfschüttelnd, im tiefsten Herzen betrübt, seiner Urlaubsfreude schon fast verlustig, blickt er auf die
friedlich hereinrollende Flut, in der die ungefangenen Fische munter springen.
„Und dann“, sagt er, aber wieder verschlägt ihm die Erregung die Sprache.
Der Fischer klopft ihm auf den Rücken, wie einem Kind, das sich verschluckt hat.
„Was dann?“, fragt er leise.
„Dann“, sagt der Fremde mit stiller Begeisterung, dann könnten Sie beruhigt hier im Hafen sitzen, in
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der Sonne dösen – und auf das herrliche Meer blicken.“
„Aber das tu ich ja schon jetzt“, sagt der Fischer, „ich sitze beruhigt am Hafen und döse, nur ihr Klicken hat mich dabei gestört.“
Tatsächlich zog der solcherlei belehrte Tourist nachdenklich von dannen, denn früher hatte er einmal
geglaubt, er arbeite, um eines Tages einmal nicht mehr arbeiten zu müssen, und es blieb keine Spur
von Mitleid mit dem ärmlich gekleideten Fischer zurück, nur ein wenig Neid.
(Heinrich Böll: Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral. Entnommen aus: „Deutsche Kurzgeschichten.
Arbeitstexte für den Unterricht. Reclam : Stuttgart 1973, S.16-18)
Traumberuf
„Der Traum vom Traumberuf, wer träumt ihn nicht?
Lokomotivführer sind mittlerweile out, Piloten und Werbefachleute stehen auf der Hitliste ganz oben.
Geld, Image und der Reiz zu den Erfolgreichen zu gehören – sind das wirklich die Kriterien bei der
Entscheidung für einen Job?
Wie es dann letztendlich hinter den Kulissen aussieht, erfährt man erst viel später, meistens zu spät.
Vorbei sind die Zeiten, in denen der einmal gewählte Job auch der Beruf fürs Leben bleiben kann.
Bereitschaft zur Flexibilität ist heute gefragt, die Anforderungen verändern sich ständig.
Als ich vor vier Jahren meinen neuen Traumberuf Lehrerin anstrebte, lachten mich einige meiner
Freunde aus.
‚Wie kannst du nur von der Lufthansa zur Schule wechseln, das ist doch verrückt.‘
Scheinbar haben sie Recht, meine skeptischen Freunde, denn vor nicht ganz zwanzig Jahren ging ich
den Weg in die umgekehrte Richtung – von der Schule zur Lufthansa.
Ich war eine Business-Lady in Nadelstreifen. Plötzlich aber wurde mir klar, dass ich etwas völlig anderes wollte. Ich hatte verstanden, dass es im Leben viele unterschiedliche Traumberufe geben kann.
Und jetzt hieß es für mich: heraus aus der Bürowelt und wieder dort arbeiten, wo ich vor siebzehn Jahren einmal angefangen hatte.
Nach dem Abitur wollte ich unbedingt Stewardess werden, aber meine Eltern drängten mich, eine
ordentliche Ausbildung abzuschließen. Also studierte ich notgedrungen meine Lieblingsfächer und
absolvierte zwei Staatsexamen, fertig war die Lehrerin. Das Studium kam mir erschreckend langweilig
vor und weit weg von der Praxis...Ich empfand mich eingesperrt in einem ungeliebten Beruf.
So bewarb ich mich schließlich doch bei Lufthansa und endlich erfüllte sich mein lang ersehnter
Traum. Ich wurde Stewardess.
Nach sechs Wochen Schnellkurs für Flugbegleiter durfte ich endlich auf die Strecke. Meinen ersten
Flug nach New York werde ich nie vergessen. Es folgten Reisen nach Kenia, Australien, Nord- und
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Südamerika, Japan und China. Ich erhielt Einblicke in fremde Kulturen und lernte Menschen kennen,
die mir auch politisch ein anderes Verständnis der Welt vermittelten.
Schon bald aber wurde ich auch mit den Schattenseiten des Traumberufs Stewardess konfrontiert und
der Traumberuf wurde zum Alltagsjob.
Nach fast vier Jahren Fliegerei suchte ich mir den nächsten Traumberuf. Eines wusste ich genau, mit
Reisen sollte der Job in Verbindung stehen.
Ich hatte Glück, zufällig suchte man bei Lufthansa jemanden, der eine Zeitschrift für Flugbegleiter
auf die Beine stellen sollte. Da ich schon immer ein Faible fürs Schreiben hatte, bewarb ich mich. Ich
bekam die Stelle und genoss es, intellektuell gefordert zu werden und kreativ arbeiten zu können. Die
Leidenschaft fürs Fliegen blieb, nur jetzt flog ich im Urlaub zu immer neuen Zielen.
Es machte Spaß, eine Zeitung aus dem Nichts aufzubauen, weniger Spaß machte es aber, plötzlich
zu bemerken, dass ich Teil einer bürokratischen Hierarchie eines Großkonzerns wurde.
Mein Arbeitsfeld wuchs, ich powerte Tag und Nacht, die Firma veränderte sich. Mit meinen erweiterten
Aufgaben innerhalb der Hierarchie stieg zwar mein Gehalt, aber der kreative Teil meiner Arbeit wurde
immer weniger. Ich musste Personal führen, Rechnungen und Budgets unterschreiben, während ich
die inhaltliche Arbeit immer mehr an andere delegieren musste. Ich merkte, der Traum näherte sich
dem Ende.
Ich sehnte mich nach einer neuen Tätigkeit, nach echtem Kontakt zu Menschen.
Und plötzlich musste ich meinen Eltern danken, dass sie mich damals zu einer ordentlichen Ausbildung genötigt hatten, denn ich bewarb mich jetzt um eine Stelle in meinem ursprünglichen Beruf.
Nach 17 Jahren Lufthansatätigkeit wurde ich wieder Lehrerin.
Und siehe da, der Job, aus dem ich einst als junge Frau geflohen war, ist heute mein Traumberuf geworden. Denn jetzt fühle ich mich reif für die Schule, jetzt kann ich den Schülern nicht nur Lehrpläne,
sondern eigene Erfahrungen über die Welt und auch über verschiedene Berufe vermitteln...“
(Textausschnitt aus: Christine Lüders, Der Traum vom Traumberuf. Ueberreuter: Wien 1998, S. 6-8)
Jobs
„Ein Job ist das, was jemand den ganzen Tag lang macht und dafür Geld bekommt. Ich schicke das
voraus, weil es heute viele Teenager gibt, die keine Jobs finden, weshalb es unfair wäre vorauszusetzen, dass jeder weiß, was ein Job ist.
Jobs sind naturgemäß sehr wichtig, damit man nicht von der LIEBE allein leben muss. Außerdem geht
selbst der größten Leidenschaft bald einmal die Puste aus, wenn sie neben dem Lagerfeuer der Armut
gedeihen muss...
Letty Chubb sagt: Fordert Jobs JETZT. Wir könnten der Gemeinde die halbe Woche nützliche Dienste
erweisen, mit unseren alten Mitbürgern spazieren gehen, ihre Wohnungen tapezieren, all die gelben
und pissebefleckten Sozialbauten neu anstreichen, um die sich kein Schwein mehr kümmert und den
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Rest der Woche Cybernauten sein.“
(Textausschnitt aus: Ros Asquith. Die einzige, die wahre, die schreckliche Liebe. Ueberreuter: Wien
1997. S.134ff.)
Arbeit
„Waaaaaaaaaaaahhhh, Horror.
‚Paps, ein Job, eine Arbeit, was issn das?‘ –
‚Keine Ahnung, frag deinen Großvater.‘ etc., etc...“
(Textausschnitt aus: Ros Asquith (1997), S.5)
oaweit
i bastld ma an glan konpjuta
oda i zicht ma a mikroelektronikl,
des dressiarema elektronisch gscheidad so,
dass von alane und gaunz alane
mei gaunze oaweit mocht,
zufalessig, fölalos....
i liig in da sun mid ana frau
und schau in de woikn,und mei göd, mei loon fia mei oaweit,
de mei mikroelektronikl gaunz alane mocht,
mei oawitsloon loesema aufs konto üwaweisn...
(Sepp Tessar: a wision. Entnommen aus: Projektbuch zur Arbeitswelt. Hrsg. Buchklub der Jugend.
Wien o.J., S. 56)
Das Pferd, das ein Pferd werden will
„Der Beamte schaute über seinen Lesebrillenrand auf das Tier.
‚Sie wünschen?‘
Es war eher gemurmelt als gesprochen.
‚Ich komme auf Ihre Annonce in der Zeitung‘‚ antwortete das Tier artig. ‚Ich möchte mich um die Stelle
als Pferd bewerben.‘
‚Aha‘, sagte der Beamte. Er stand auf, ging um das Tier herum und beäugte es misstrauisch. Dann
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setzte er sich wieder auf seinen angestammten Platz hinter dem Schreibtisch.
‚Soso‘, sagte er, ‚Sie wollen sich um den ausgeschriebenen Posten als Pferd bewerben. Zeigen Sie
mir Ihre Zeugnisse.‘
‚Zeugnisse? Was für Zeugnisse?‘, fragte das Tier erstaunt.
Der Beamte schwieg ebenso vorwurfsvoll wie er blickte.
‚Ich habe keine Zeugnisse!‘, gestand das Tier kleinlaut.
Der Beamte stieß hörbar die verbrauchte Atemluft aus. ‚Und da kommen Sie so mir nix dir nix her und
wollen sich um den Posten bewerben! Wer sind Sie? Was können Sie?‘
‚Ich bin ein Tier‘, sagte das Tier. ‚ Homo quadrohaxiensis.‘
Das allein berechtigt Sie zu gar nichts‘, sagte der Beamte indigniert. ‚Da könnte ein jeder Quadrohaxiensis kommen und eine Karriere als Pferd machen wollen!‘
‚Was heißt Karriere?‘, fragte das Tier und kriegte vor Erstaunen ganz runde Augen. ‚Ich will keine Karriere machen. Ich möchte einfach nur ein Pferd werden.‘
‚Na ja‘, sagte der Beamte und seine Stimme wurde sinister, wie immer, wenn er Belehrungen aussprach, ‚so einfach, wie Sie sich das vorstellen, ist das nicht. Keine Zeugnisse, keine Referenzen.‘
Nachdenklich kratzte er sich am erkahlenden Kopf. ‚Kennen Sie zufällig ein hohes Tier?‘
Das Tier kriegte noch rundere Augen als zuvor, und der Beamte fühlte sich zu einer Erklärung genötigt. ‚Nun – ein leichter Tritt von so einem hohen Tier könnte Sie möglicherweise in den Posten befördern.‘
‚Ich kenne kein hohes Tier‘, sagte das Tier kleinlaut.
‚Dann kann ich leider nichts für Sie tun!‘, sagte der Beamte schroff.
Des Tieres Augen verloren ihre Rundheit, und in der Tiefe ihres Grundes schimmerte es feucht. ‚Ich
möchte aber so gern ein Pferd werden. Meine ganze tierische Kindheit hab ich davon geträumt. Ich
habe sogar zwei Jahre lang Privatunterricht im Wiehern genommen.‘
Das Tier gab dem Beamten eine kleine Kostprobe in dieser Kunst, und der Beamte zeigte sich ziemlich beeindruckt.
‚Also‘, sagte er, in viel wohlwollenderem Ton als zuvor, ‚ich will Ihnen noch eine Chance geben und
mich für Sie verwenden. Aber, wie gesagt, so einfach, wie Sie sich das vorstellen, ist es nicht. Sie
können nicht gleich ein Pferd werden, also nein .... Wenn Sie die langjährige und mühsame Pferdelaufbahn ergreifen wollen, müssen Sie zunächst als Esel beginnen. Wenn Sie sich auf diesem Posten
bewähren, werden Sie Hilfspferdanwärterassistent.‘
Das Tier wieherte leise.
‚Dort‘, fuhr der Beamte fort, ‚ machen Sie sozusagen Ihre ersten Schritte. Wenn diese glücken, werden
Sie Hilfspferdanwärter, nach einer gewissen Zeit Hilfspferd, und wiederum nach einer gewissen Zeit
Pferdanwärter.‘
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Das Tier wieherte ein bisschen lauter.
‚Ihre Karriere‘, sagte der Beamte unbeirrt, ‚ist dann schon auf Trab, und wenn Sie sich selbst an die
Kandare nehmen, können Sie zwei Jahre später – nach Ablegung einer Dressurprüfung – ein Pferd
werden.‘
Das Tier wieherte freudig. Der in Fahrt gekommene Beamte war nun nicht mehr zu bremsen. ‚ Ja,
und dann galoppiert Ihre Karriere dahin‘, sagte er und rang nach Luft, bevor er zur nächsten Suada
ansetzte:‘ Pferd. Oberpferd, Hofpferd, Amtshofpferd, Amtshofschimmel....‘
Das Tier sprang auf die Hinterbeine, rieb sich die Vorderhufe, rollte vor Vergnügen die Augen und
brach in ein entsetzlich vergnügliches dröhnendes und nicht enden wollendes Gewieher aus.
Der Beamte, beeindruckt und fassungslos, lehnte sich in seinen Sessel zurück und stieß zwischen
den Zähnen hervor:
‚Amtsschimmel! Mein Gott, der Bursche hat Talent!‘“
(Jutta Treiber: Ein Tier will nach oben. In: Zeitschrift Buchkultur 6A/98, S. 44)
Der Bär, der ein Bär bleiben will
„Er lebte in den Wäldern und lebte frei und allein,
sein Reich ging von den Hügeln bis tief ins Land hinein.
Vom Bach bis an die Ufer seines Flusses und von da
hinab bis in die Täler, soweit sein Auge sah.
Er kannte jede Höhle und fast jeden Blaubeerstrauch,
die Lieblingsplätze der Forellen selbstverständlich auch.
Und abends liebte er es sehr, im hohen Gras zu stehn,
an einen Fels gelehnt und ins Land hinauszusehn.
So stand der Bär auch an jenem Nachmittag auf dem Fels,
recht deutlich spürte er den Herbstwind schon in seinem Pelz.
Am Himmel sah er Wildgänse in Scharen südwärts ziehn,
er gähnte oft und er war müd‘ und es fröstelte ihn.
Er trottete zu seiner Lieblingshöhle durch das Laub,
verschaffte noch den Eingang hinter sich und sprach: ‚Ich glaub‘
es riecht nach Schnee‘, während er letzte Vorkehrungen traf.
Legte sich auf sein Lager und begann den Winterschlaf.
Er sollte recht behalten, es begann noch nachts zu schnei’n.
Der Winter zog in seinen Wald, der Boden fror zu Stein.
Ein eis’ger Wind sang in den klaren Nächten im Geäst.
Dem Bär’n in seinem Unterschlupf war warm, und er schlief fest.
Doch mit dem Winter kamen auch Menschen in den Wald.
Sie fällten Baum um Baum, vermaßen, zäunten ein und bald
brachten sie Kräne, Rohre, Bagger Stahlbeton. Schon stand
genau über der Höhle eine Fabrik im Land.
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AK Berufe fallen nicht vom Himmel
Der Frühling kam, und gut gelaunt erwachte auch der Bär
tief unten in der Höhle, nur das Aufstehn fiel noch schwer.
Und als er dann schlaftrunken durch den engen Ausgang stieg,
stand er ungläubig mitten auf dem Vorhof der Fabrik.
Da kam auch schon ein Pförtner brüllen auf ihn zu marschiert.
‚Los, du da, an die Arbeit, statt hier ‚rumzustehen, kapiert!‘
‚Verzeihung‘, sprach der Bär verstört, ‚aber ich bin ein Bär.‘
‚Jetzt reicht’s mir!‘, schrie der Mann, ‚zum Personalchef, kein Wort mehr!‘
Der Personalchef war ein muffiger, verhärmter Mann.
‚Ich bin ein Bär‘, sagte der Bär, ‚ das sieht man mir doch an.‘
‚Was ich sehe, ist meine Sache‘, sprach der Mann, ‚ und du
bist ein dreckiger Faulpelz und noch unrasiert dazu.‘
Dann schubste er ihn zum Vizedirektor, der aktiv
und sehr ergeben unterwürfig den Direktor rief.
Der sprach und ließ dabei seinen Managersessel drehn,
‚Unser Herr Präsident wünscht das faule Subjekt zu sehn.‘
‚Soso‘, sagte der Präsident. ‚Sie sind also ein Bär‘.
Er hatte das größte Büro und langweilte sich sehr.
Er war so mächtig, dass er keinen Schreibtisch mehr besaß,
keine Krawatte tragen musste und nur Comics las.
‚Wenn Sie ein Bär sind, bitte, dann beweisen Sie das auch!‘
Der Bär kratzte sich vor Verlegenheit über den Bauch.
‚Nein, Bären gibt es nur in Zoo und Zirkus kurz und klein.
Genau dort hol‘n wir jetzt ein Gutachten über Sie ein.‘
Die Präsidentenlimousine fuhr den Bär’n zum Zoo,
und seine Artgenossen musterten ihn schadenfroh.
Und einstimmig erklärten sie, wer Auto fährt, und wer
nicht hinter Gittern lebt, sei alles andere als ein Bär.
Die Tanzbären im Zirkus urteilten genauso prompt,
weil wer nicht tanzt und radfährt, nicht als Bär infrage kommt.
Die Heimfahrt über dachte er:‘ Und ich bin doch ein Bär,
ich weiß es doch, ich weiß es, doch er wehrte sich nicht mehr.
Er ließ sich Arbeitszeug anzieh’n, und als man ihm befahl,
sich zu rasier’n, rasierte er sich seine Schnauze kahl.
Stempelte seine Stechkarte wie jeder andere Mann
und lernte, dass der Tag mit einem Hupsignal begann.
Er ließ sich an eine Maschine setzen, wo ein Griff
von rechts nach links zu dreh’n war, wenn eine Sirene pfiff.
Und wenn man das versäumte, leuchtete ein rotes Licht,
das zeigte, ob der Man daran grad‘ arbeitet oder ob nicht.
So stand er Tag für Tag an der Maschine, dreht stumm
den Griff von rechts nach links und danach wieder rechts herum.Nur in der Mittagspause musst‘ er zum Fabrikszaun geh’n,
um durch Maschinen und Stacheldraht ins Land hinaus zu seh’n.
Die Osterglocken blühten und verblühten vor dem Zaun.
Ein Sommer kam und ging, der Herbst färbte die Wälder braun.
Am Himmel sah er Wildgänse in Scharen südwärts zieh’n.
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Er gähnte oft und er war müd‘ und es fröstelte ihn.
Er gähnte immer mehr, je mehr er sich zusammennahm.
Er wurde immer müder, je näher der Winter kam.
Vom Wachen taten ihm oft mittags schon die Augen weh,
er stand am Zaun und sagte vor sich hin: ‚Es riecht nach Schnee.‘
An dem Nachmittag schlief er glatt an der Maschine ein,
hörte nicht die Sirene, nur den Personalchef schrei’:
He, du da, raus! Du bist entlassen, hier ist dein Restlohn!‘
‚Entlassen?‘, jubelte der Bär und machte sich davon.
Ein Bündel auf der Schulter wanderte er ohne Ziel
einfach gradaus im Schnee, der schon in dicken Flocken fiel.
So ging er einen Tag, einen nach und noch einen Tag
auf der Standspur der Autobahn, wo nicht so viel Schnee lag.
Mal zählte er die Autos, die er sah, doch fiel ihm ein,
dass er nur bis fünf zählen konnte und so ließ´ er es sein.
Und dann am zweiten Abend sah er in der Ferne hell,
im dichten Schneegestöber Neonbuchstaben :“MOTEL“.
Durchfroren, nass und müde trat der Bär an den Empfang.
Der Mann hinter dem Tresen rührte sich nicht und schwieg lang.
Tat unheimlich beschäftigt, um beiläufig zu erklär’n:
‚Wir haben keine Zimmer frei für Landstreicher und Bär’n!‘
‚Habe ich das Wort BÄR gehört? Sagten Sie Bär vorhin?
Das heißt, Sie sind der Meinung, dass ich wirklich einer bin?‘
Der Mann griff kreidebleich zum Telefon, der Bär ging schnell
zur Tür und er verschwand im Wald, gleich hinter dem Motel.
Er stapfte durch den Wald, der ihm jetzt fremd und feindlich schien.
Er ging und nach und nach verließen seine Kräfte ihn.
Ich muss jetzt darüber nachdenken, dachte sich der Bär,
was mit mir werden soll, wenn ich nur nicht so müd‘ wär‘.
Er setzte sich vor eine Höhle und starrte noch lang
ins Leere, hörte, wie der Schneesturm in den Bäumen sang.
Er spürte ihn nicht mehr und ließ sich ganz und gar zuschnei’n
und vor dem dritten Morgen seiner Reise schlief er ein.
(Text von Reinhard May im Schallplattenalbum „Menschenjunges“, Intercord, 1977. Entstanden nach
dem Bilderbuch von Jörg Müller/ Jörg Steiner: Der Bär, der ein Bär bleiben wollte. Verlag Sauerländer:
Aarau - Frankfurt am Main 1976)
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Sachinfos
Dietrich Jiricka:
Kleines Begriffslexikon
Erwerbsarbeit
Arbeit nimmt in unserer Gesellschaft einen zentralen Stellenwert ein. Sie ist ökonomische Existenzgrundlage, und wir verbringen einen großen Teil unserer Lebenszeit mit Arbeit. Darüber hinaus ist
sie auch bestimmend für unsere Identität (unser Selbstverständnis) und unser Sozialprestige (gesellschaftliches Ansehen).
Nicht jede Arbeit gilt als gleich wertvoll. Erst wenn Arbeit einen Ertrag abwirft, weil die Arbeitsleistung
von einem Arbeitgeber nachgefragt und gekauft wird, also wenn es sich um „Erwerbsarbeit“ handelt,
verspricht sie gesellschaftliches Prestige und Anerkennung.
Als Erwerbsarbeit bezeichnet man berufliche Tätigkeiten, die bezahlt werden.
ArbeitgeberIn – ArbeitnehmerIn
„Arbeitgeber – Arbeitnehmer: Geber gibt und Nehmer nimmt.
Besehn wir uns den Fall genauer, stelln wir fest,
dass das nicht stimmt.
Arbeitgeber – Arbeitnehmer: Geber nimmt die Arbeitskraft.
Nehmer gibt, weil er sie hat, also ist er hier der Geber.
Arbeitgeber – Arbeitnehmer: Nehmer gibt und Nehmer nimmt.
Besehn wir uns den Fall genauer, stelln wir fest,
dass das nicht stimmt.“
(Originalzitat aus: Bausteine für die Unterrichtspraxis. Hrsg. AK – ÖGB, Arbeitswelt und Schule, Wien
1983)
Zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern bestehen unterschiedliche, ja oft gegensätzliche Interessen: Arbeitgeber wollen mit Gütern und Dienstleistungen möglichst hohe Gewinne erzielen, Arbeitnehmer wollen gute Einkommen, sichere Arbeitsplätze und humane Arbeitsbedingungen.
Zur kollektiven Durchsetzung ihrer Interessen sind Arbeitnehmer und Arbeitgeber in Interessenvertretungen organisiert.
Ein Instrument des Interessenausgleiches ist die Wirtschafts- und Sozialpartnerschaft.
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Interessensverbände ArbeitgeberInnen
Interessensverbände ArbeitnehmerInnen
Wirtschaftskammer Österreich
Österreichischer Gewerkschaftsbund
PräsidentInnenkonferenz der
Bundeskammer
Landwirtschaftskammern
Die Wirtschafts-und Sozialpartner
Die Sozialpartner verhandeln Lohnfragen, erarbeiten Lösungsmodelle im beriech der Sozial-und Wirtschaftspolitik und unterstützen die Regierung bei Gesetzesentwürfen und Sachthemen, die von den
sozialen Interessengruppen mitzutragen sind.
Ein Bund mit
Ein
mit
Bund mit
8 Gewerkschaften
7Gewerkschaft
8 Gewerkschaften
Gewerkschaften
der Privatangestellten,
Druck, Journalismus, Papier
Gewerkschaft der Privatangestellten,
Gewerkschaft
¶ffentlicher
Dienst
Druck, Journalismus,
Papier
Gewerkschaft ¶ffentlicher
der Gemeindebediensten
Gewerkschaft
Dienst
- Kunst, Medien, Sport, freie Berufe
Gewerkschaft der Gemeindebediensten
Bau
- Holz
-Gewerkschaft
Kunst, Medien,
Sport,
freie Berufe
Gewerkschaft der
BauChemiearbeiter
- Holz
Gewerkschaft der
vidaChemiearbeiter
Gewerkschaft der
vidaPost- und Fernmeldebediensteten
Gewerkschaft der
Metall
– pro.ge
Textil
- Nahrung
Postund Fernmeldebediensteten
Produktionsgewerkschaft
Gewerkschaft Metall – Textil - Nahrung
-
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AK
ÖGB
  Rechtsberatung, Rechtsund Konsumentenschutz
  Informationsgewinnung
und -aufbereitung
  Schwerpunkt der
Interessenvertretung gegenüber staatlichen Institutionen
  Lohn- und Gehaltsabschlüsse, Kollektivverträge
Arbeitsteilung
und
Zusammenarbeit
  gesetzliche Mitgliedschaft
  ExpertInnenstab
  Unterstützung und
Betreuung der Betriebsräte
  Schwerpunkt der
Interessenvertretung gegenüber Betrieb und Branche
  freiwillige Mitgliedschaft
  Kampforganisation
Die Interessensvertretungen der ArbeitnehmerInnen
Die Arbeiterkammern vertreten in Kooperation mit dem Österreichischen Gewerkschaftsbund die Interessen von rund 3 Millionen ArbeitnehmerInnen und KonsumentInnen in Österreich.
Die Aufgaben der AK sind in § 1 des Arbeiterkammergesetz (AKG) umschrieben: „Die Kammern für
Arbeiter und Angestellte und die Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte sind berufen, die sozialen, wirtschaftlichen, beruflichen und kulturellen Interessen der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen
zu vertreten und zu fördern.“
Zu ihren Tätigkeiten zählen insbesondere:
•
die Vertretung der Interessen der ArbeitnehmerInnen gegenüber Staat und Wirtschaft
•
die Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften?
•
ein breites Serviceangebot für Mitglieder, insbesondere Rechtsberatung und Rechtsschutz
•
Expertise im Interesse der ArbeitnehmerInnen
•
die Wissenschaftliche Aufbereitung arbeitnehmerInnenrelevanter Themen
•
die Ausbildung und spezielles Service von BetriebsrätInnen und FunktionärInnen der AK und
ÖGB
In Anlehnung an die föderalistische Struktur Österreichs besteht in jedem der neun Bundesländer eine
eigene Arbeiterkammer auf gesetzlicher Grundlage. Die Wiener Arbeiterkammer führt zudem die Geschäfte der Bundesarbeitskammer, der Dachorganisation der neun regionalen Arbeiterkammern.
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Lehrlings und Jugendschutz:
Bedeutung für Lehrlinge und Jugendliche haben die Kammern für Arbeiter und Angestellte insofern,
als ihnen die Aufgabe obliegt:
•
Lehrlings- und Jugendschutzstellen zu errichten,
•
durch diese die Einhaltung der arbeitsrechtlichen, sozialversicherungsrechtlichen
und arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften bei der Beschäftigung von Jugendlichen und Lehrlingen zu überwachen,
•
die Arbeits- und Wohnverhältnisse (Quartier am Arbeitsort) von Lehrlingen
•
und Jugendlichen zu überprüfen,
•
die Abstellung gesetzwidriger Zustände zu begehren,
•
die fachliche Ausbildung von Lehrlingen zu überwachen,
•
Mitglieder in die Prüfungskommission der Lehrabschluss-, Ausbilder-, Meister- und sonstigen
Befähigungsprüfungen zu entsenden,
•
im Einvernehmen mit den Wirtschaftskammern über Anträge auf die Befreiung von der Weiterverwendungspflicht zu entscheiden
•
Anträge auf Verbot der Ausbildung von Lehrlingen beziehungsweise der Beschäftigung von
Jugendlichen bei den zuständigen Behörden zu stellen,
•
Mitglieder in die Berufsbildungsbeiräte, Schulausschüsse und sonstige für die Beschäftigung
und Ausbildung Jugendlicher wichtige Organe zu entsenden,
•
Mitwirkung bei der Abwicklung von Förderungen der betrieblichen Ausbildung von Lehrlingen
durch die Lehrlingsstellen.
Quelle: Lehrlings-und Jugendschutz (Broschüre)
Selbständig und unselbständig Beschäftigte
Insgesamt waren 1. Quartal 2010 durchschnittlich 4.023.100 Personen erwerbstätig, davon waren
durchschnittlich 3.471.000 Personen unselbständig erwerbstätig. Die Zahl der selbständig Beschäftigten beträgt 467.000 Das Verhältnis von selbständig und unselbständig Erwerbstätigen beträgt also
grob 1:10 (Die Zahlen stammen aus dem Jahr 2010: http://www.statistik.at/web_de/statistiken/arbeitsmarkt/erwerbstaetige/index.html).
Die unselbständig Beschäftigten bilden folgende Arbeitnehmergruppen: Angestellte, Arbeiter, Lehrlinge, Beamte, Vertragsbedienstete, Land- und Forstarbeiter
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Arbeitsvertrag oder auch „echter Dienstvertrag“:
Ein Arbeitsvertrag ist eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeberln und ArbeitnehmerIn. Der/Die ArbeitnehmerIn verpflichtet sich zur Erbringung einer Arbeitsleistung, der/die Arbeitgeberln zur Bezahlung
des Lohnes oder Gehalts. Ob ein Arbeitsvertrag schriftlich oder mündlich abgeschlossen wird, ist egal.
Sollte kein schriftlicher Arbeitsvertrag vorliegen, so muss der/die ArbeitgeberIn einen Dienstzettel ausstellen. Ausnahme: die Beschäftigungsdauer beträgt maximal 1 Monat.
Quelle: Ein Job viele Rechte (Broschüre)
Lehrvertrag
Der Lehrvertrag stellt die rechtliche Grundlage für das Lehrverhältnis dar. Er ist ein Arbeitsvertrag mit
besonderen Vereinbarungen über die Ausbildung. Neben den arbeits- und sozialrechtlichen Vorschriften (Kinder- und Jugendlichenbeschäftigungsgesetz, Allgemeines Sozialversicherungsgesetz, Arbeitsplatzsicherungsgesetz, Mutterschutzgesetz, Urlaubsgesetz etc.) gelten hinsichtlich der Ausbildung das
Berufsausbildungsgesetz sowie hinsichtlich der Berufsschulpflicht die einschlägigen Schulgesetze.
Für Lehrlinge mit nicht österreichischer Staatsbürgerschaft sind außerdem die Vorschriften des Ausländerbeschäftigungsgesetzes zu beachten. Nur wenn eine nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz erlaubte Beschäftigung vorliegt, kommt ein rechtsgültiger Lehrvertrag zustande.
Der Lehrvertrag ist für die im betreffenden Lehrberuf festgesetzte Dauer der Lehrzeit (zwischen zwei
und vier Jahren) abzuschließen (befristeter Arbeitsvertrag). Bei minderjährigen Lehrlingen bedarf der
Abschluss des Lehrvertrages außerdem noch der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters des Lehrlings. Der Lehrvertrag muss schriftlich abgeschlossen werden (in der Praxis werden Lehrvertragsvordrucke verwendet) und ist gebührenfrei. Die Nichteinhaltung der Schriftform sowie der Bestimmungen,
die den Inhalt des Lehrvertrages betreffen, bewirken jedoch keine Nichtigkeit des Lehrvertrages.
Quelle: Broschüre Lehrlings- und Jugendschutz
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In welchen Berufen arbeiten Menschen?
Das Arbeitsmarktservice (AMS) Österreich fasst die Vielzahl der Berufe zu insgesamt 23 Berufsbereichen zusammen.
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•
Bau, Baunebengewerbe und Holz
•
Büro, Wirtschaft und Recht
•
Chemie, Kunststoffe, Rohstoffe und Bergbau
•
Elektro und Elektronik
•
Garten-, Land- und Forstwirtschaft
•
Gesundheit und Medizin
•
Glas, Keramik und Stein
•
Grafik, Foto und Papier
•
Handel, Verkauf und Werbung
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•
Hilfsberufe und Aushilfskräfte
•
Hotel- und Gastgewerbe
•
Informationstechnologie
•
Körper- und Schönheitspflege
•
Lebensmittel
•
Maschinen, KFZ und Metall
•
Reinigung und Haushalt (anzeigen)
•
Reise, Freizeit und Sport
•
Sicherheitsdienste
•
Soziales, Erziehung und Bildung
•
Textil, Mode und Leder
•
Umwelt
•
Verkehr, Transport und Zustelldienste
•
Wissenschaft, Forschung und Entwicklung
(Quelle www.ams.at)
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Muster eines Dienstzettels
Dienstzettel
gemäß § 2 Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, BGBl. 459/1993 (AVRAG)
1. Name und Anschrift des Arbeitgebers:
............................................................................................................................
2. Name und Anschrift des Arbeitnehmers:
............................................................................................................................
3. Beginn des Arbeitsverhältnisses:
.............................................................................................................................
4. Probezeit ja*/nein*; Dauer der Probezeit: ......................................................
5. Befristung ja*/nein*; Dauer der Befristung: ....................................................
6. Kündigungsfrist: .............................................................................................
Kündigungstermin: ............................................................................................
7. Anzuwendende Normen der kollektiven Rechtsgestaltung (Bezeichnung von Kollektivvertrag, Satzung, Mindestlohntarif, Lehrlingsentschädigung und Betriebsvereinbarung): .........................................
8. Kollektivvertrag*, Satzung*, Mindestlohntarif*, Betriebsvereinbarungen* liegen im
.................................................... zur Einsichtnahme auf.
9. Arbeits-(Einsatz-)ort:
.........................................................................................................................
10. Tätigkeit:
............................................................................................................................
11. Einstufung lt. Kollektivvertrag*/Betriebsvereinbarung*/innerbetrieblichem Lohnschema*:
............................................................................................................................
Kollektivvertragslohn/-gehalt:
............................................................................................................................
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12. Entgelt:
a) Bruttostundenlohn: ........................................................................................
b) Bruttomonatslohn/gehalt: ..............................................................................
c) Zulagen: ........................................................................................................
d) Provisionen/Prämien: ....................................................................................
e) Überstundenpauschale in Höhe von: ............... für ........Überstunden/Monat
f) Reisekosten- u. Reiseaufwandsentschädigung, Diäten, Trennungsgeld etc.
...........................................................................................................................
g) Sonderzahlungen (Urlaubszuschuss, Weihnachtsremuneration etc):
..........................................................................................................................
h) sonstige Entgeltansprüche:
............................................................................................................................
13. Fälligkeit des monatlichen Entgelts und der Sonderzahlungen:
.................................................................................................................................
14. Urlaubsausmaß pro Arbeits-*/Kalenderjahr*: ........ Werktage*/Arbeitstage*
15. Arbeitszeit: ........................................................................................................
a) wöchentliche Normalarbeitszeit: ...................................................................
b) Verteilung der Normalarbeitszeit auf die einzelnen Wochentage:.................
16. Name und Anschrift der Mitarbeitervorsorgekasse des Arbeitnehmers bzw. im Geltungsbereich
des Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetzes (BUAG) Name und Anschrift der Bauarbeiter- Urlaubs- und Abfertigungskasse
............................................................. .....................................................
Unterschrift des Arbeitgebers
Ort und Datum
(Firmenmäßige Zeichnung)
Quelle: AK Wien
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Entwicklungen und Trends in der Arbeitswelt von Irene Wondratsch
überarbeitet von Richard Meisel 2010
Entwicklungen und Trends in der Arbeitswelt
und auf dem Arbeitsmarkt
Wie wird die Arbeitswelt der Zukunft aussehen?
Wie wird sich der Arbeitsmarkt entwickeln?
Diese Fragen sollten bei einer Berufs- oder Bildungswahlentscheidung mitgedacht werden.
Gegenwärtig befindet sich die Arbeitswelt in einem konstanten Umbruch, der durch ständige technologische Erneuerungen, fortschreitende Globalisierung der Wirtschaft und zunehmende soziale und
ökologische Probleme gekennzeichnet ist.
Natürlich war die Arbeitswelt immer einem Wandel unterworfen, d. h. Veränderungen hat es immer
gegeben, nur das Tempo ist neu, die Hochgeschwindigkeitsdynamik, welche die Lösung von neu auftretenden Problemen erschwert.
(Jemand der sehr schnell läuft, hat im Allgemeinen wenig Zeit und Ruhe nachzudenken).
Was sind nun die wesentlichen Merkmale dieser Veränderungen?
Rationalisierung
Der Einsatz der neusten Technologien und die fortschreitende Digitalisierung haben zur Folge, dass
Betriebe mit weniger MitarbeiterInnen mehr Produkte herstellen oder Dienstleistungen anbieten können.
Während im Jahr 1950 30.000 Beschäftigte 0,9 Millionen Tonnen Roheisen erzeugten (das sind 30
Tonnen pro Beschäftigten), stellten im Jahr 1995 nur mehr 15.000 Beschäftigte bereits 4 Millionen
Tonnen Roheisen her (das sind 267 Tonnen pro Beschäftigten). Man bezeichnet die Steigerung der
Produktion bei Verringerung des Beschäftigtenstandes als Produktivitätssteigerung.
Am steirischen Erzberg waren noch in 6oer Jahren für den Abbau von Erz 4000 Arbeiter beschäftigt.
Dieselbe Menge wird heute durch maschinellen Einsatz mit nur 200 Arbeitern abgebaut.
Arbeitslosigkeit
Rationalisierung und die Veränderung der Wirtschaftsbereiche (z.b. weniger Industrie, mehr Dienstleistung) sind Ursachen von zunehmender Arbeitslosigkeit.
In Österreich wird jede/r Erwerbstätige im Durchschnitt einmal im Jahr arbeitslos.
Leider steigt nicht nur die Zahl der Arbeitslosen, sondern auch die Dauer der Arbeitslosigkeit (Langzeitarbeitslosigkeit).
Während früher in Zeiten von Wirtschaftswachstum (guter Konjunktur) auch der Bedarf an Arbeitskräften gestiegen ist, ist das jetzt vielfach nicht mehr so. Auch bei guter Wirtschaftslage kann die Zahl der
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Arbeitslosen weiter steigen, sodass man von einer Entkoppelung von Konjunktur und Beschäftigung
sprechen kann. Gewinnsteigerungen gehen dann oft auf Kosten von Arbeitsplätzen. Das Ansteigen
der Aktienkurse ist von einem Abbau der Beschäftigten in den Betrieben begleitet.
Flexibilisierung und Deregulierung
Das Arbeitsverhältnis, in dem sich die meisten ArbeitnehmerInnen in den industrialisierten Ländern
noch befinden, bezeichnet man als das sog. Normalarbeitsverhältnis. Es bedeutete, dass die Beschäftigten einen meist unbefristeten Arbeitsvertrag haben, der ihnen einen Vollarbeitsplatz (d. h. ein
Beschäftigungsverhältnis mit 40- oder 38-Stundenwoche) mit Anspruch auf Urlaub, Krankenstand,
Pflegeurlaub für Angehörige im engsten Familienverband, Karenzzeit für Eltern, Anspruch auf Alterspension garantiert.
Dieses arbeits- und sozialrechtlich relativ gut abgesicherte „Normalarbeitsverhältnis“ beginnt sich aufzulösen. Man spricht in diesem Fall von Deregulierung. und sog. prekären Arbeitsverhältnissen.
Die Digitalisierung ermöglicht den Betrieben Flexibilität (Beweglichkeit) bezüglich Arbeitsort und
Arbeitszeit und eine Auslagerung der Arbeitsplätze aus den Betrieben. So ist es z. B. möglich, dass
Mitarbeiter gar nicht mehr im Büro anwesend sein müssen, um ihre Arbeit zu verrichten, sie können
das auch daheim an ihrem Computer (Telearbeit). Dadurch sind starre Arbeitszeiten auch nicht mehr
unbedingt notwendig.
Für die betroffenen ArbeitnehmerInnen kann das sowohl Vorteile als auch Nachteile haben. Ein Vorteil
z.B. liegt sicher darin, dass oft lange Anfahrtszeiten (v. a. für PendlerInnen!) entfallen, oder dass man
sich die Arbeitszeit selber einteilen kann.
Ein Nachteil ist, dass man, wenn nicht anders geregelt, den Computer und die Software selbst anschaffen muss, die Telefonrechnung, die Strom- und Heizkosten etc., die ja für die Arbeitsleistung
benötigt werden, selbst bezahlen muss. Da der Betrieb oft keine Notwendigkeit sieht „ausgelagerte“
MitarbeiterInnen anzustellen (die Grundlage des Arbeitsverhältnisses ist dann oft nur mehr ein Werkvertrag mit dem man dann „selbständig“ ist), besteht auch kein Anspruch auf Urlaub, Krankengeld. Die
auf diese Weise Beschäftigten müssen dann selbst für den Krankheitsfall oder Unfall Vorsorge treffen.
Ein weiterer Nachteil liegt darin, dass keine Kontakte mehr zu ArbeitskollegInnen bestehen, wenn man
allein daheim arbeitet.
Teilzeitjobs, Arbeit auf Abruf, Leiharbeit u.ä. Formen von geringfügiger Beschäftigung nehmen immer
mehr zu.
In Großbritannien zum Beispiel ist nur noch etwa ein Drittel der erwerbsfähigen Bevölkerung vollbeschäftigt. In den USA brauchen manche Menschen bereits mehrere Arbeitsplätze, um wirtschaftlich
überleben zu können.
Viele ArbeitnehmerInnen in den USA haben zwei oder mehrere Jobs. Man spricht von „Multiple Jobs“.
Teilzeitjobs und geringfügige Beschäftigung boomen aber auch in Europa und in Österreich, vor allem
im Handel, im Beherbergungs- und Gaststättenwesen, aber auch in anderen Dienstleistungsbranchen.
Wie zu sehen ist, sind Frauen davon in weit höherem Maß als Männer betroffen.
Eine Auswirkung der Deregulierung ist auch die wachsende Gruppe der sog. Neuen Selbständigen,
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das sind oft in die Selbständigkeit Gedrängte, z. B unselbständig Beschäftigte, die ihren Arbeitsplatz
verloren haben, oder SchulabgängerInnen, die keinen finden.
Viele von ihnen sind Scheinselbständige. Diese arbeiten zwar auf eigene Rechnung, sind aber von
ihrem – oft vormaligem – Arbeitgeber, der sich plötzlich „Kunde“ nennt, unmittelbar abhängig. Damit
wird das Auftragsrisiko vom Unternehmen abgewälzt, arbeitsrechtliche Absicherung gibt es nicht.
Bei der Flexibilisierung der Arbeitszeit ist zu bedenken, dass sie nur dann mehr Freiheit und Selbstbestimmung für ArbeitnehmerInnen bedeutet, wenn sie nicht einseitig nur zugunsten der Unternehmen
erfolgt, d.h. wenn nicht nur der Arbeitgeber die Arbeitszeiten nach den Bedürfnissen des Betriebes
bestimmt, sondern auch die Wünsche der MitarbeiterInnen berücksichtigt.
Ein für ArbeitnehmerInnen negatives Beispiel sind die ausgeweiteten Öffnungszeiten im Einzelhandel.
So angenehm diese für die KonsumentInnen auch sein mögen, so belastend sind sie für die VerkäuferInnen.
Eine vollkommene Flexibilisierung der Arbeitszeiten würde auch die vorhandenen Sozialkontakte
schwer beeinträchtigen. Wenn jeder/r zu einer anderen Zeit frei hat, wird es schwierig, ein gemeinsames Familienleben (vor allem wenn schulpflichtige Kinder da sind) und ein Zusammentreffen im
Freundeskreis zu organisieren. Im Hinblick darauf sind gemeinsame freie Wochenenden ein nicht zu
unterschätzender Vorteil.
Globalisierung der Wirtschaft
Der volle Ausbau der Infrastruktur für die Telekommunikation schafft die Möglichkeit einer engen Zusammenarbeit der Unternehmen auch auf internationaler Ebene sowie große Mobilität.
Wenn weite Teile der Welt technisch so vernetzt sind, dass eine Verständigung und ein Datentransfer
über Internet auf einfache und rasche Weise möglich sind, können Unternehmen Arbeitsplätze überall
ansiedeln. Sie tun es dort, wo der meiste Profit zu erzielen ist. Die Arbeitsplätze wandern in Billiglohnländer, die auch noch andere „Standortvorteile“ wie geringere Arbeitnehmerschutzbestimmungen und
Umweltauflagen sowie steuerliche Vergünstigungen für Unternehmen bringen.
Im Wettkampf um die Industriestandorte unterbieten sich die Staaten mit immer niedrigeren Löhnen,
geringeren Sozialabgaben und Steuervorteilen.
Solange es so gravierende Unterschiede gibt, dass z.B. eine Textilarbeiterin in Asien, Afrika oder
Lateinamerika einen Bruchteil eines europäischen TextilarbeiterInnengehalts verdient, am Tag nicht
8, sondern 12-16 Stunden arbeiten muss, der Betrieb ihr keinen Gehörschutz zur Verfügung stellen
muss, wenn sie an einer lärmenden Maschine arbeitet oder keinen Atemschutz, wenn sie giftigen
Dämpfen ausgesetzt ist, der Betrieb weiters keine Kläranlage für seine giftige Abwässer errichten
muss und dann noch etwa ein Drittel weniger Abgaben an den Staat zahlt (der das Geld wiederum für
die Sozialversicherung der Arbeiterin, für das Gesundheitswesen, Schulwesen, aber auch den Ausbau
der Verkehrswege, was letztlich auch der Wirtschaft zugutekommt, verwendet), solange es also so
große Unterschiede gibt, werden immer einzelne Länder und Bevölkerungsgruppen gegeneinander
ausgespielt werden.
Eine Lösung könnte die Schaffung weltweiter (Mindest)Standards sein.
Neoliberale Wirtschaftspolitik
Wie weit der Staat in das Wirtschaftsgeschehen eingreifen soll, darüber bestehen unterschiedliche
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und auch gegensätzliche Meinungen. Die Auffassung, die derzeit das Wirtschaftsleben bestimmt, ist
der Wirtschaftsliberalismus, der den Markt (die Wirtschaft) den staatlichen Eingriffen entziehen und
dem „freien Spiel der Kräfte“ überlassen will. Der freie Wettbewerb dürfe durch nichts und niemanden
eingeschränkt werden. Die Wirtschaft besitze Selbstheilungskräfte.
Von Neoliberalismus spricht man, weil er eine Renaissance (Wiedergeburt) des bereits im 18. Jahrhundert theoretisch von Adam Smith begründeten Wirtschaftsliberalismus ist.
Demgegenüber steht die Auffassung, dass es sinnvoll und hilfreich ist, wenn der Staat in das Wirtschaftsgeschehen regulierend eingreift, z. B. indem er bei schlechter Wirtschaftslage Aufträge vergibt
(Bauvorhaben, Forschungsprojekte
u .a m.), um die Konjunktur (Wirtschaftsentwicklung) anzukurbeln und auf diese Weise Beschäftigung
(Arbeitsplätze) zu schaffen, oder indem er von den Einnahmen der Wirtschaft Abgaben und Steuern
einhebt, um damit öffentliche Einrichtungen wie Schulen, Kindergärten, Spitäler, Verkehrsmittel und –
wege, Müllabfuhr usw. , die allen und auch der Wirtschaft zugutekommen und sozialpolitische Einrichtungen wie z. B. Mietzinsbeihilfe, Schülerfreifahrt, Krankenschein, Karenzgeld u.v.m zu finanzieren.
Die Sozialpolitik ist ein Instrument, um öffentliche Güter, die sonst aufgrund ihrer Anschaffungs- und
Unterhaltskosten Privileg weniger wären, bereitzustellen, dadurch materielle (ökonomische) Ungleichheit zu entschärfen, und dem einzelnen ein Minimum an sozialer Sicherheit zu gewähren und vor
Armut zu bewahren.
Veränderung der Arbeitsmarktstruktur
So wie sich um die Jahrhundertwende und in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts die Arbeitsplätze
vom primären Sektor (Landwirtschaft) in den sekundären (Produktion) verlagerten, findet nun schon
seit einige Jahrzehnten eine Verlagerung in den tertiären Sektor (Dienstleistungsbereich) statt. Während im vorigen Jahrhundert noch etwa 80 % der Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig waren, sind
das heute bereits nur mehr 5 %. In der Produktion sind 30 % der Erwerbstätigen beschäftigt, im
Dienstleistungsbereich 65 %.
Zu den Gewinnern am Arbeitsmarkt zählen nach einer Erhebung bzw. Prognose des Wirtschaftsforschungsinstituts zur sektoralen Beschäftigungsentwicklung 2006-2010 Gesundheitsberufe, Unternehmensbezogene Dienstleistungen. Informationstechnologien, Unterrichtswesen und Tourismus
Die Verlierer am Arbeitsmarkt finden sich alle im Sekundärsektor, nämlich in Bekleidung, Textil, Bergbau, Grundstoff/Metall, Erdöl, Papier, Chemie und Bau.
Nachgefragt sind also u.a. Arbeitskräfte in hochqualifizierten Berufsbereichen, also in anspruchsvollen
Berufen mit guter Ausbildung (z. B. im IT-Bereich). Die geringste Nachfrage besteht im Niedrigqualifikationsbereich
Es zeichnet sich eine Polarisierung in Modernisierungsgewinner und –verlierer ab. Wer sind die Gewinner?
Tüchtige, kreative, flexible, einsatzfähige und einsatzbereite MitarbeiterInnen, die bei enormer Arbeitsintensität ihr gesamtes Leben der Berufstätigkeit unterordnen.
Aus irgendeinem Grund weniger leistungs- und einsatzfähige MitarbeiterInnen, z. B. Mütter mit Kindern oder Frauen, die alte oder kranke Familienangehörige betreuen, oder Menschen mit physischen
oder psychischen Beeinträchtigungen bleiben auf der Strecke.
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Viele Bildungs- und Berufsforscher prophezeien das Ende des Berufssystems, das sich auch bereits
abzeichnet: Die bestehende Einteilung nach Branchen und Berufen wird sich auflösen. Es wird bereits
der Versuch unternommen, die Arbeitslandschaft nicht mehr nach Berufen, sondern nach Tätigkeiten
zu erfassen.
Siehe auch die Übersicht über Tätigkeiten mit ansteigenden, stagnierenden und abnehmenden Beschäftigungsmöglichkeiten.
Der Zwang, sich ständig an beschleunigte Veränderungen anzupassen - bei immer unsicher werdenden Arbeitsverhältnissen, führt zum „Jobsurfen“. Die Dauer der Betriebszugehörigkeit für ArbeitnehmerInnen nimmt immer mehr ab, d. h. die Betriebe werden zwangsläufig immer öfter gewechselt.
Einmal erworbene Qualifikationen werden rasch wieder wertlos.
Das bedeutet, dass die Weiterbildung zu einer ständigen Notwendigkeit im Arbeitsleben wird. Das wiederum heißt, dass vom Staat und der Wirtschaft Maßnahmen gesetzt werden müssen, die laufende
Fortbildung ermöglichen und erleichtern, wie z. B. Weiterbildung während der Arbeitszeit (Bildungsfreistellung) und kostengünstige Angebote, Schulungen dürfen nicht zu teuer sein.
Arbeit und Bildung
Obwohl ein deutlicher Zusammenhang zwischen Bildungsabschlüssen und Arbeitslosigkeit besteht (je
höher der Bildungsabschluss, desto größer die Beschäftigungschancen am Arbeitsmarkt und umgekehrt, siehe auch Grafik „Arbeitslosigkeitsrisiko und Bildungsabschluss“), muss doch gesagt werden,
dass (höhere) Bildung zwar die Chancen für einzelne verbessert, aber das Problem der Arbeitslosigkeit gesamtgesellschaftlich allein nicht lösen kann.
Selbst wenn alle ein Universitätsstudium absolvierten, gäbe es doch nicht genug Arbeitsplätze. Es
wird ein Verdrängungswettbewerb in Gang gesetzt. Die HochschulabsolventInnen verdrängen die
AbsolventInnen berufsbildender und allgemeinbildender höhere Schulen, diese wieder die AbsolventInnen berufsbildender mittlerer Schulen und diese die AbsolventInnen von Pflichtschulen, die eine
Lehre beginnen wollen.
So bilden z. B. heute Optiker und Buchhändler fast nur mehr Jugendliche mit Maturaabschluss aus.
Oder Jobs, die früher noch an HTL- oder HAK-AbgängerInnen vergeben wurden, werden nun von
AbsolventInnen der Technischen und der Wirtschaftsuniversität besetzt:
Um in den Arbeitsmarkt einzusteigen ist im Vergleich zu früher eine höhere Qualifikation erforderlich.
Gleichzeitig müssen die ArbeitnehmerInnen, die einen Job haben, mit ständiger Weiterbildung ihren
Arbeitsplatz absichern.
Der rasante technologische Wandel zieht einen ebenso schnellen Wandel der Qualifikationsanforderu
ngen(geforderte Fähigkeiten und Fertigkeiten) an die Beschäftigten nach sich.
Am Arbeitsmarkt gefragt sind flexible ArbeitnehmerInnen, die ständig umlernen.
Die Schule ist immer weniger imstande, die Qualifikationen zu vermitteln, die die Wirtschaft gerade
braucht, weil sie sich dauernd ändert. Sie kann nur mehr den Grundstein für eine ständige berufliche
Weiterbildung legen. Die Ausweitung der Anforderungen von Unternehmen an ihre MitarbeiterInnen
von hauptsächlich fachlichen auch auf soziale Fähigkeiten (die sog. Schlüsselqualifikationen wie z. B.
Teamfähigkeit, sprachliche Ausdrucksfähigkeit, Kreativität u.a.m.) bedeutet, dass neben einer breiten
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Allgemeinbildung der Persönlichkeitsbildung ein größeres Gewicht zukommen wird.
TIPP: Entsprechende Statistiken sind in dem jährlich erscheinenden „Wirtschafts- und sozialstatistischen Taschenbuch“ , hrg. von AK, Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte, zu finden. Es ist
kostenlos erhältlich.
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Tipps & Anregungen & Training TAT 1
Was ist Arbeit?
Versuche folgende Sätze1 zuerst in Einzelarbeit zu vervollständigen:
•
Arbeit ist ...
•
Es ist keine Arbeit, wenn ...
•
Arbeit sollte ...
•
Harte Arbeit ist ...
•
Arbeit bringt mir ...
•
Meine Arbeit ist ...
•
Meine Arbeit sollte ...
•
Meine Freunde (Bekannten, Eltern) meinen, Arbeit sei ...
•
Es gäbe genug Arbeit für alle, wenn ...
Vergleicht in Kleingruppen eure persönlichen Ergebnisse, diskutiert eure Meinungen.
Die Gruppen wählen dann SprecherInnen, die die Ergebnisse dem Plenum vorstellen.
Es können die Ergebnisse auf einem Plakat visualisiert und diskutiert werden.
Zusätzliche Diskussionspunkte:
•
Wofür zahlt ein/e DienstgeberIn?
•
Für eine bestimmte Zeit?
•
Für eine geleistete Arbeit, auch wenn z.B. kein Ergebnis daraus folgt?
•
Für ein Ergebnis, egal wie viel Zeit oder Arbeit damit verbunden ist?
Welche Erfahrungen habt ihr gemacht? (z.B. beim Babysitten, beim Autowaschen, beim Unkrautjäten
im Garten, bei der Reparatur eines Gegenstandes, bei der Vorbereitung auf eine Prüfung, etc.) Berichtet darüber!
„Der Mensch braucht eine Beschäftigung, aber sie soll nicht in Arbeit ausarten!“
(Sprichwort)
1 Quelle: Berufsorientierung auf neuen Wegen (1998), IfB-Institut für Berufsorientierung Klagenfurt
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TAT 2
Assoziationsspirale
Das geht so:
In die Mitte eines Blattes (OH-Folie/ einer Schultafel) wird das Wort ARBEIT geschrieben. Jede/r in der
Gruppe (Klasse) ruft dem/der Schreibenden ein Wort zu, das ihm/ihr dazu einfällt.
Dann werden Radien gezogen, und mit dem Wortmaterial der so entstandenen Ausschnitte werden
Kurzgeschichten geschrieben.
Die so entstandenen Geschichten werden - auf freiwilliger Basis - vorgelesen und besprochen. Nach
nochmaliger Überarbeitung werden sie nochmals in Reinschrift (mit PC, auf färbigem Papier, in einem
besonderen Format) geschrieben und unter einem eigenen Buchtitel als Magazin oder Kurzgeschichtenbändchen herausgegeben.
(Schreibvorschlag nach Renate Welsh: Schreibwerkstatt)
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TAT 3
Arbeit oder Spiel? Oder beides zugleich?2
Kreuze die Tätigkeiten an, bei denen es sich deiner Meinung nach um Arbeit handelt:
Nr. Tätigkeit
Ja
1. Ein Priester trinkt nach der Taufe mit der Familie Kaffee
2. Ein Schüler beobachtet den Sekundenzeiger seiner Uhr, um das Läuten der Pausenglocke
exakt festzustellen.
3. Kinder bauen am Strand eine Burg.
4. Der Buschauffeur wartet bei der Endstation auf die nächste Abfahrt.
5. Zeitsoldaten robben durchs Gelände.
6. Ein Angestellter liest die Zeitung während seiner Arbeitszeit.
7. Ein Deutschlehrer geht abends ins Theater.
8. Frau Mayer hat Teilzeitarbeit und strickt einen Pullover.
9. Spanische Bauern kippen Obst ins Meer, um den Preis anderer Waren hoch zu halten.
10. Schüler diskutieren in der Pause über die Unterrichtsmethoden in einem bestimmten Fach.
11. Ein Mann gräbt ein Loch in die Erde und schüttet es wieder zu.
12. Ein Hund bellt den Briefträger an.
13. Eine Ehefrau macht sich jeden Abend für ihren Mann schön.
14. Eine Empfangsdame achtet täglich auf gepflegtes Aussehen.
15. Eine Ameise repariert mit anderen ihren Bau, den ein Spaziergänger zerstört hat.
2 Anregung aus: CD-ROM zur Berufsorientierung, Hrsg. IFB u BMUK, Klagenfurt 1998
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TAT 4
Beruf – Was bedeutet das?3
BERUF JOB BESCHÄFTIUNG
KARRIERE ANSTELLUNG
ARBEIT
BROTERWERB
1. Wähle unter den oben angeführten Wörtern jenes aus, welches am ehesten mit deiner Vorstellung
über deine berufliche Zukunft übereinstimmt!
Schreibe zu diesem „Reizwort“ einen kleinen Text.
2. Welches der Wörter stimmt am ehesten damit überein, was dein Vater/deine Mutter macht?
Versuche zu erklären, warum es zutrifft.
3. Welches Wort würden deiner Meinung nach deine Eltern auswählen, wenn sie über deine Zukunft
sprechen? Kannst du dir denken warum?
4. Welches Wort würden deiner Meinung nach deine LehrerInnen auswählen, wenn sie über deine
Zukunft sprechen? Was haben sie für Gründe?
5. Welches Wort würden deiner Meinung nach deine MitschülerInnen auswählen, wenn sie über
deine Zukunft sprechen?
3 Quelle: Berufsorientierung auf neuen Wegen, Hrsg. Institut für Berufsorientierung (IFB), Klagenfurt 1998, CD-ROM
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TAT 5
Arbeit – Wie sie im Lexikon steht
Im Folgenden gibt es nicht nur für SprachwissenschaftlerInnen interessante Worterklärungen:
Arbeit w: Das gemeingerman. Wort mhd. ar[e]beit, ahd. ar[a]beit....ist wahrscheinlich eine Bildung zu
einem im german. Sprachbereich untergegangenen Verb mit der Bed. „„verwaist sein, ein zu schwerer
körperlicher Tätigkeit verdingtes Kind sein“, das von idg. * orbho-s „verwaist; Waise“ abgeleitet ist (vgl.
Erbe).
Eng verwandt ist die slawische Wortgruppe von polnisch robota „Arbeit“ (siehe den Artikel Roboter).
Das gemeingerman. Wort bedeutete ursprünglich, im Dt. noch bis in das Nhd. hinein, „schwere körperliche Anstrengung, Mühsal, Plage“. Den sittlichen Wert der Arbeit als Beruf des Menschen in der Welt
hat Martin Luther mit seiner Lehre vom allgemeinen Priestertum ausgeprägt. Er folgte dabei Ansätzen
zu einer Wertung der Arbeit, wie sie sich in der Ethik des Rittertums und in der mittelalterlichen Mystik
finden. Dadurch verlor das Wort Arbeit weitgehend den herabsetzenden Sinn „unwürdige, mühselige
Tätigkeit“.
Es bezeichnete nun die zweckmäßige Beschäftigung und das berufliche Tätigsein des Menschen. Das
Wort bezeichnet außerdem das Produkt einer Arbeit.
Abl.: arbeiten (mhd. ar[e]beiten, ahd. ar[a]beiten „[sich] plagen, [sich] quälen, angestrengt tätig sein;
dazu Arbeiter m (mdh. arbeiter „Taglöhner, Handwerker“; seit dem 19. Jh. besonders Standesbezeichnung des Lohnarbeiters in Industrie und Landwirtschaft; weiters: arbeitsam „fleißig, reich an Arbeit“.
Im Wörterbuch unterscheidet man den Begriff Arbeit so:
1. die Arbeit (an etwas (Dat)) die Tätigkeit, bei der man geistige od./u. körperliche Kräfte einsetzt und mit der man einen bestimmten Zweck verfolgt <eine leichte, interessante, geistige,
körperliche Arbeit; seine Arbeit organisieren, erledigen, verrichten; an die Arbeit gehen>: die
Arbeit an einem Projekt
|| K-: Arbeitsablauf, Arbeitseifer, Arbeitsleistung, Arbeitsmaterial, Arbeitspensum, Arbeitsplan, Arbeitstechnik, Arbeitstempo, Arbeitsweise,
|| -K: Büroarbeit, Feldarbeit, Gartenarbeit, Hausarbeit, ; Kopfarbeit, Muskelarbeit,
2. nur Sg; die Tätigkeit, die man als Beruf ausübt
|| K-: Arbeitsanweisung, Arbeitsatmosphäre, Arbeitsbedingungen, Arbeitsbeginn, Arbeitserfahrung, Arbeitserlaubnis, Arbeitserleichterung, Arbeitsgerät, Arbeitskleidung, Arbeitskollege, Arbeitslohn, Arbeitspause, Arbeitsschluss, Arbeitsstunde, Arbeitsunfall, Arbeitsvertrag,
Arbeitswoche, Arbeitszimmer,
|| -K: Halbtagsarbeit, Ganztagsarbeit, Schichtarbeit,
3. nur Sg ≈ Arbeitsplatz <Arbeit finden, suchen; seine Arbeit verlieren; zur/in die Arbeit gehen>
|| K-: Arbeitssuche, Arbeitsvermittlung,
4. Arbeit (mit jemandem/etwas) nur Sg; die Mühe od. Anstrengung, die man hat, wenn man
sich mit jemandem/etwas beschäftigt <viel Arbeit mit jemandem/etwas haben; keine Mühe
und Arbeit scheuen>: E-e Mutter hat mit einem kleinen Kind viel Arbeit
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5. das Ergebnis einer planvollen Tätigkeit <eine wissenschaftliche Arbeit; seine Arbeit vorlegen>: die Arbeiten eines Künstlers ausstellen
|| -K: Bastelarbeit, Häkelarbeit, Handarbeit, ; Qualitätsarbeit, Stümperarbeit, Wertarbeit, ;
Diplomarbeit, Doktorarbeit,
6. eine schriftliche od. praktische Prüfung, ein Test: Der Lehrer ließ eine Arbeit schreiben
|| -K: Abschlussarbeit, Prüfungsarbeit,
7. seine Arbeit tun/machen so (fleißig und sorgfältig) arbeiten, wie man es von einem erwarten
kann
8. etwas in Arbeit geben etwas (von einem Handwerker) anfertigen od. machen lassen: einen
Schrank, einen Mantel in Arbeit geben
9. etwas in Arbeit haben (als Handwerker) gerade mit der Herstellung einer Sache beschäftigt
sein
10. etwas ist in Arbeit etwas wird gerade bearbeitet od. hergestellt
11. einer (geregelten) Arbeit nachgehen geschr; berufstätig sein, einen Beruf ausüben
|| ID ganze/gründliche Arbeit leisten etwas sehr gründlich und exakt tun od. durchführen; die
Arbeit nicht gerade erfunden haben gespr iron; faul sein
Beruf m: Die Präfixbildung (mhd. beroufen) zu dem unter >rufen behandelten Verb wird heute in drei
verschiedenen Bedeutungen gebraucht:
Personen werden in ein Amt berufen (eigentl. „herbeigerufen, eingeladen“), Versammlungen [ein]
berufen. In diesem Sinn verwendet Luther das Wort in der dt. Bibel, wenn vom Ruf Gottes an den
Menschen die Rede ist.
Aus der Gerichtssprache stammt ‚sich auf jemanden oder etwas berufen‘, das eigentl. den Sinn von
„appellieren“ hat, wofür heute „Berufung einlegen“ gilt.
Die Bedeutung „beschreien“ geht auf die Form der öffentlichen Anklage im mittelalterlichen Recht
zurück (siehe „Gerücht), enthält aber auch die abergläubische Vorstellung, dass unbedachtes Reden
Unglück bringe (dazu das häufig gebrauchte Partizip ‚unberufen‘).
Abl.: Beruf m (mhd. berouf „Leumund“; die nhd. Bedeutung hat Luther geprägt, der es in der Bibel zunächst als „Berufung“ durch Gott, für gr. klesis, lat. vocatio, gebrauchte, dann auch für Stand und Amt
des Menschen in der Welt, die schon Meister Eckart als göttlichen Auftrag erkannt hat.
Dieser ethische Zusammenhang von Berufung und Beruf ist bis heute wirksam geblieben, wenn das
Wort jetzt auch gewöhnlich nur die bloße Erwerbstätigkeit meint.
(Der Große Duden. Herkunftswörterbuch. Etymologie. Duden Verlag : Mannheim 1963, S. 31, S. 60f.)
Im aktuellen Wörterbuch wird der Beruf so definiert:
1. eine Tätigkeit in einem bestimmten Aufgabenbereich, mit der man seinen Lebensunterhalt
verdient und zu der man meist eine spezielle Ausbildung braucht <ein technischer, kauf44
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männischer Beruf; einen Beruf erlernen, ergreifen, ausüben, wählen; einem Beruf nachgehen; den Beruf wechseln; keinen festen Beruf haben>: Was sind Sie von Beruf?; Er ist Arzt
von Beruf; die doppelte Belastung durch Haushalt und Beruf; Erfolg im Beruf haben
|| K-: Berufsanfänger, Berufsausbildung, Berufsbezeichnung, Berufserfahrung, Berufskleidung, Berufswahl, ; Berufsbildungszentrum, Berufsschule (Berufsbildungszentrum, Berufsfachschule),
2. (die) freie(n) Berufe bestimmte selbstständige Berufe, besonders Arzt und Rechtsanwalt
|| ID im Beruf stehen einen Beruf ausüben; meist Du hast deinen Beruf verfehlt gespr, meist
iron; wegen deiner Fähigkeiten (auf einem bestimmten Gebiet) hättest du einen anderen
Beruf wählen sollen
Auf, auf zur fröhlichen Wortjagd!
Bildet zum Begriff ARBEIT möglichst viele Zusammensetzungen, Ableitungen und schreibt diese
etwa so auf einen Streifen Packpapier, der dann als „Bandfries“ euer Klassenzimmer oder den Gang
schmückt.
Tipp: Verwendet verschiedene Lexika und Wörterbücher, schneidet Begriffe aus Zeitungen, Zeitschriften aus, verwendet unterschiedliche Schriftgrößen und Farben, aber das Wort ARBEIT sollte immer
vorkommen.
Beispiel: KinderARBEIT ARBEITslos SchwerARBEIT ARBEITskraft SchulARBEIT
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TAT 6
Lyrisierung von Arbeit und Beruf
•
Versucht in Form eines „Elfchens“ euren Berufswunsch zu gestalten!
Das geht so:
Ein Elfchen ist ein kurzes Gedicht aus nur elf Wörtern, die auf fünf Zeilen verteilt sind:
1. Zeile: ein Wort, irgendeine Farbe
2. Zeile: zwei Wörter, z.B. etwas, das diese Farbe hat; ein Gegenstand, der diese Farbe hat
3. Zeile: drei Wörter, z.B. der Gegenstand in genauerer Bestimmung. Wo ist er? Was tut er?
4. Zeile: vier Wörter – erzähle noch mehr darüber, vielleicht in Verbindung mit „ich“
5. Zeile: ein Wort – fasst zusammen, bildet den Abschluss
Beispiel:
Tierpflegerin
im Zoo
Affen, Pandas, Elefanten
füttern, putzen, pflegen
das gefällt mir sehr
Traumberuf
•
Gestalte Textbilder:
„Male“ mit Wörtern ein Bild.
Denke z.B. an ein Werkzeug oder einen bestimmten Beruf.
Beispiel:
Hammer, Säge, . . .
•
Überlege dir allein oder in einer Kleingruppe ein Tautogramm:
Das ist ein Schreibspiel, bei dem alle Wörter eines Satzes mit demselben Buchstaben beginnen. Tipp:
Nimm dazu ein Wörterbuch zu Hilfe!
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Beispiel:
Emsige Elektriker erden elektrostatische Elefanten.
Monatelang malen mutige Maler monumentale Muster.
Risikofreudige Rennfahrer rasen Richtung Russland.
•
Verfasse ein HAIKU: Ein Haiku ist eine japanische Gedichtform, die aus drei Zeilen besteht und
insgesamt 17 Silben hat.
1. Zeile: Wort oder Wörter haben zusammen 5 Silben
Das ist meine Welt
2. Zeile: Wort oder Wörter haben zusammen 7 Silben
aus Stahl und Eisen gebaut
3. Zeile: Wort oder Wörter haben zusammen 5 Silben wo ich glücklich bin
•
Wenn man das Haiku um zwei weitere Zeilen verlängert, dann entsteht ein TANKA. In diesen Zeilen soll die Grundaussage des Haikus entweder vertieft oder aber genau in das Gegenteil verkehrt
werden. Ein Tanka besteht aus einer zweizeiligen Unterstrophe und hat insgesamt 31 Silben.
1. Zeile: Wort oder Wörter haben zusammen 5 Silben
Das ist meine Welt
2. Zeile: Wort oder Wörter haben zusammen 7 Silben
aus Stahl und Eisen gebaut
3. Zeile: Wort oder Wörter haben zusammen 5 Silben
wo ich glücklich bin.
4. Zeile: Wörter haben zusammen 7 Silben
Doch die Rohstoffe sind knapp
5. Zeile: Wörter haben zusammen 7 Silben
Das Ende unsrer Freiheit?
•
Gestalte eine Collage / ein Plakat zu Themen wie „Arbeitsalltag“ oder „Beruf heute“ mit verschiedenen Bildmaterialien aus Zeitschriften/ Magazine/ Prospekte/ AMS/ AK/ ÖGB-Materialien.
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2. OHNE FEHLSTART INS BERUFSLEBEN
Texte
Beppo Straßenkehrer
Der Alte hieß Beppo Straßenkehrer. In Wirklichkeit hatte er wohl einen anderen Nachnamen, aber da
er von Beruf Straßenkehrer war und alle ihn deshalb so nannten, nannte er sich selbst auch so...
Manche Leute waren der Ansicht, Beppo Straßenkehrer sei nicht ganz richtig im Kopf. Das kam daher,
dass er auf Fragen nur freundlich lächelte und keine Antwort gab. Er dachte nach. Und wenn er eine
Antwort nicht nötig fand, schwieg er. Wenn er aber eine für nötig hielt, dann dachte er über diese
Antwort nach. Manchmal dauerte es zwei Stunden, mitunter aber auch einen ganzen Tag, bis er etwas
erwiderte. Inzwischen hatte der andere natürlich vergessen, was er gefragt hatte, und Beppos Worte
kamen ihm wunderlich war. Er nahm sich deshalb so viel Zeit, um niemals etwas Unwahres zu sagen.
Denn nach seiner Meinung kam alles Unglück in der Welt von den vielen Lügen, den absichtlichen,
aber auch den unabsichtlichen, die nur aus Eile oder Ungenauigkeit entstehen.
Er fuhr jeden Morgen lange vor Tagesanbruch mit seinem alten, quietschenden Fahrrad in die Stadt
zu einem großen Gebäude. Dort wartete er in einem Hof zusammen mit seinen Kollegen, bis man ihm
einen Besen und einen Karren gab und ihm eine bestimmte Straße zuwies, die er kehren sollte.
Beppo liebte diese Stunden vor Tagesanbruch, wenn die Stadt noch schlief. Und er tat seine Arbeit
gern und gründlich. Er wusste, es war eine sehr notwendige Arbeit.
Wenn er so die Straßen kehrte, tat er es langsam, aber stetig: Bei jedem Schritt einen Atemzug und
bei jedem Atemzug einen Besenstrich.
Schritt – Atemzug – Besenstrich. Schritt – Atemzug – Besenstrich.
Dazwischen blieb er manchmal ein Weilchen stehen und blickte nachdenklich vor sich hin.
Und dann ging es wieder weiter – Schritt – Atemzug – Besenstrich - - - .
Während er sich so dahinbewegte, vor sich die schmutzige Straße und hinter sich die saubere, kamen
ihm oft große Gedanken. Aber es waren Gedanken ohne Worte, Gedanken, die sich so schwer mitteilen ließen wie ein bestimmter Duft, an den man sich nur gerade eben noch erinnert, oder wie eine
Farbe, von der man geträumt hat.
Nach der Arbeit, wenn er bei Momo saß, erklärte er ihr seine großen Gedanken. Und da sie auf ihre
besondere Art zuhörte, löste sich seine Zunge, und er fand die richtigen Worte.
‚Siehst du, Momo‘, sagte er dann zum Beispiel, ‚ es ist so: Manchmal hat man eine sehr lange Straße
vor sich. Man denkt, die ist so schrecklich lang; das kann man niemals schaffen, denkt man.‘
Er blickte eine Weile schweigend vor sich hin, dann fuhr er fort: ‚Und dann fängt man an, sich zu
beeilen. Und man eilt sich immer mehr. Jedesmal, wenn man aufblickt, sieht man, dass es gar nicht
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weniger wird, was noch vor einem liegt. Und man strengt sich noch mehr an, man kriegt es mit der
Angst zu tun und zum Schluss ist man ganz außer Atem und kann nicht mehr. Und die Straße liegt
immer noch vor einem. So darf man es nicht machen,‘
Er dachte einige Zeit nach. Dann sprach er weiter: ‚Man darf nie an die ganze Straße auf einmal denken, verstehst du? Man muss nur an den nächsten Schritt denken, an den nächsten Atemzug, an den
nächsten Besenstrich. Und immer wieder nur an den nächsten.‘
Wieder hielt er inne und überlegte, ehe er hinzufügte: ‚Dann macht es Freude; das ist wichtig, dann
macht man seine Sache gut. Und so soll es sein.‘
Und abermals nach einer langen Pause fuhr er fort: ‚Auf einmal merkt man, dass man Schritt für
Schritt die ganze Straße gemacht hat. Man hat gar nicht gemerkt wie, und man ist nicht außer Atem.‘
Er nickte vor sich hin und sagte abschließend: ‚ Das ist wichtig!‘“
(Ausschnitt aus: Michael Ende, Momo. Stuttgart, Wien: Weitbrecht, S. 35ff.)
Kleingeld fürs tägliche Gemüse
VORSPIEL
„Sincerely Yours....
Liebe Fans, treue Stammhörer, verehrte Zaungäste,
seit ich die Gitarre spielen kann, will ich freier Musiker werden, das hört ihr jetzt schon die ganze Zeit
und ich nehme an, es gefällt euch. Das Wort passabel ist mir im Hinblick auf meine Fingerakrobatik zu
minder, ich bin Underground, habe ich das bereits erwähnt, und es müssen sich Geben und Nehmen
nur auf Null ausgehen, so lautet das Hardcoreprinzip:
Todesverachtung für alle Major-Labels und jede Profitgier.
Aber, und jetzt bin ich beim Punkt, von irgend etwas muss der Mensch auch leben; bisher esse und
wohne ich noch frei, aber ich habe aus vertraulichen Gesprächen erfahren, dass es nicht immer so
sein wird. Und also werde ich mir ein Standbein suchen, um das nötige Kleingeld zu verdienen fürs
tägliche Gemüse.
Was das Feed-back betrifft, so setze ich auf eure Slamdance-Unterstützung und die Todesverachtung,
mit der ihr die Großkotzigen der Musikbranche straft.
Beiliegend findet ihr mehrere Bewerbungsschreiben an Konzernmultis, Baufirmen, Installateurbetriebe, an das Ministerium für Inneres, das heißt die chirurgische Abteilung des städtischen Krankenhauses, sowie einen Lebenslauf, der meine fachliche Eignung speziell für das Accountmanagement
aufzeigt. Wir sehen uns dann später hinter der Bühne:
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Sincerely yours,
and of course
greetings to the hardcore types
in the land with the red & white stripes.
Beispiele von Indie Undergrounds BEWERBUNGSSCHREIBEN:
Geehrter Direktor,
ich bewerbe mich auf Ihr Inserat im „Wochenendzine“, wonach Sie einen Schauer suchen, der die
Qualität Ihrer Textilien hinsichtlich stofflicher Druckfehler visuell überprüft. Meine seherischen Qualitäten kann ich mittels augenärztlicher Tests belegen, die bestens mein Kleinbuchstabenerkennen auf
große Distanz herausstreichen. Da die von Ihnen angebotene Stelle auch zukunftsorientiert ist, weil
Sie besonders trendwendige Produkte herstellen, die überdies beidseitig tragbar sind, fühle ich mich
für diesen Posten wie berufen.
Den Futurismus habe ich in meiner Ausbildung zwar nur am Rande gestreift, schaue mir jedoch leidenschaftlich gerne alle Sciencefiction Serien an und behalte auch in besonders schwierigem Gelände
meistens den Überblick.
Wie ich mir vorstelle, können Sie sich in Ihrem innovativen Unternehmen keine Schwarzseher leisten,
deswegen habe ich mein Fernsehgerät angemeldet. Gerne bestreite ich anhand einer mir überlassenen Musterkollektion den Aufnahmetest und bin auch bereit, zur vertiefenden Weiterbildung diverse
Webereisymposien zu besuchen. Ich würde mich freuen, diese verantwortungsvolle Aufgabe übernehmen zu dürfen, und füge ein Lichtbild bei, versehentlich leider mit geschlossenen Augen wegen einer
akuten Bindehautentzündung.
Sincerely yours
and of course
greetings to your executive board
with good luck for the textile export.
Nächste Bewerbung beim Sanitärgroßhandel,
Unterabteilung Badezimmereinrichtungen.
Die Nummer, die ich dabei abgezogen habe, lautet wie folgt:
Werter Herr Allibert,
der Arbeitsmarktservice, kurz AMS, hat mich über die Vakanz in Ihrer Duschkabinennische informiert.
Da ich in meinem Leben schon einige Trennwände zum verschiedentlichen Abstandhalten eingezogen
habe und auch mehrmals bereits vom Regen in die Traufe gespült wurde, ist mir der Brausenbereich
kein fremdes Terrain.
Mein Lebensgrundsatz lautet außerdem, dass alles Gut von oben kommt, biologisch betrachtet wird
schließlich das Wachstum mit Strahlen vorangetrieben. Auch ich bin in den letzten Jahren durch Sonnenbäder und regelmäßiges Duschen ziemlich in die Höhe geschossen. Die langen Winter überstehe
ich nur, indem ich prickelnde Vitaminbrausetabletten aufgelöst schlucke, und auch zu Schaumbädern
habe ich ein ausgewogenes Verhältnis von fünf Verschlusskappen auf fünfzig Liter Wasser.
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Was die Mischbatterien für Waschbecken betrifft, so kann ich eine perfekte Soundmixpraxis vorweisen, der zeitweilig überreiche Kalkgehalt ist auf die schlechte Akustik zurückzuführen und lässt sich in
Ihrem Bäderstudio sicherlich verbessern.
Es bleibt mir nur noch zu hoffen, dass Sie, Herr Allibert, mir Tür und Tor in Ihrer Verkaufsabteilung
öffnen – ich werde ein Spiegel für Ihr Firmenimage sein.
Sincerely yours,
and of course
have a good shower
after the rush-hour.
Der dreiflügelige Hängeschrank hat nichts von sich hören lassen und ich streiche das sanitäre Gewerbe von meiner Liste.
Beim Schreiben an eine Fertigteilhaus-Corporation versuche ich einen anderen Ton anzuschlagen:
Ehrenwerte anonyme Gesellschafter,
ich beantworte ihre Chiffreanzeige aus dem Handelsblatt, welche dahingehend zu entschlüsseln ist,
dass Sie einen Teilzeitmonteur für Ihre partiell zu errichtenden Häuser suchen. Schon längere Zeit bin
ich auf der Jagd nach einer durch zwei teilbaren Arbeit, und da ich ein direkter Nachkomme der Generation X bin, habe ich es natürlich auf einen sogenannten McJob abgesehen.
Ich nenne es einen Glücksfall, gerade auf Ihre Branche gestoßen zu sein, denn besonders die Fertigteilmontage erlaubt es einem, durch die Einzelverpackungstechnik der Bauelemente jeden Moment
alles liegen und stehen zu lassen, wodurch eine enorme Arbeitszeitflexibilität gewährleistet ist. Entsprechend Wert lege ich natürlich auf eventuelle Beförderungsmaßnahmen, denn ich habe gehört,
dass BMW-Managern das Recht auf unbegrenzten Urlaub zugestanden wird, was letztlich das Berufsziel jedes erfolgsbewussten Karrieristen ist.
Weiters möchte ich noch meine Schlüsselfertigkeit hervorheben, die sich bekanntlich im Baugewerbe
sehr bezahlt macht. Aus Ihren Gesellschaftsstatuten ist zu entnehmen, dass die Montur für Monteure
bereitgestellt wird, ich bevorzuge schwarze Jams mit Firmenaufdruck. Als ersten Treffpunkt schlage
ich die Baustellenkantine vor.
Yours sincerely,
and: a bit more clearly,
um den Job zu sampeln,
geh ich im Winter stempeln.
Nachbemerkung:
Drei Tage später bekomme ich von den anonymen Gesellschaftern die Eintrittsformulare zugeschickt.
Bei genauerem Lesen finde ich aber, dass ich mich zur Leistung von wöchentlich zwanzig Überstunden verpflichten muss, und ich retourniere die Bögen blanko.“
(Textauszüge aus: Adelheid Dahimené, Indie Underground. Jugendroman in LP-Form. Verlag Grosser:
Linz 1997, Seite B 54-B 58)
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Vorstellungsgespräch
„Gabi saß vor Herrn Hofmayer und wusste, dass sie die Lehrstelle in der Buchhandlung kriegte. Kein
Test, ihre Zeugnisse – auch das vom Reisebüro, das gar nicht schlecht war – genügten. Er wollte
sogar mehr zahlen als kollektiv-vertraglich vorgeschrieben war. Weil der Job eben mehr verlangte als
die normale Buchhändlerausbildung und weil sie sich dieses Fachwissen zusätzlich selbst aneignen
musste.
Gabi dachte leicht beklommen an die vielen technischen Fachzeitschriften und daran, dass sie Wilfried (ihren Freund) brauchen würde. Dann sagte sie sich: Na und? Er braucht mich ja auch! Wenn
erst sein Kurs beginnt, dann ist er acht Stunden am Tag eingedeckt, mit Lernen sogar länger.
Es würde für sie beide eine anstrengende Zeit werden.
‚Noch eine Frage‘, begann Herr Hofmayer, ‚Sie entschuldigen, Fräulein Wortner, aber können Sie mir
versichern, dass Sie zur Zeit nicht schwanger sind?‘
Gabi starrte ihn an. Dann sagte sie: ‚Nein. Ich meine, ja. Ich meine, nicht schwanger.‘
‚Na gut‘, sagte Herr Hofmayer. Er erhob sich und streckte ihr die Hand hin. ‚ Wir sehen uns also dann
am ersten August.‘
Gabi fühlte sich verletzt und wütend, dann beschloss sie die Erinnerung an die dumme Frage abzuschütteln. Denn eine dumme Frage war es ohne Zweifel. Wenn sie eine Schwangerschaft verheimlichen hätte wollen, dann hätte sie ihn halt angelogen.
Ach was, Hauptsache, ich hab die Stelle!“
(Textausschnitt aus: Monika Pelz, Reif für die Insel. Jungbrunnen: Wien 1987, S. 122f.)
Vom Umgang mit Tests
„Ein Test, den hunderttausende Psychologen ausgetüftelt haben, kann einen ganz schön nervös machen, dachte Lissi. Andererseits ist es verständlich, dass man die Leute überprüft, ehe...
Lissi nannte ihren Namen und ihr Alter und ihre Adresse und vergaß auch nicht, Tante Romina zu
erwähnen. Damit war der Automat aber noch nicht zufrieden. Es waren vor allem Zahlen, die er von
ihr wissen wollte: Passnummer, Kontonummer, Kreditkartennummer, Versicherungsnummer, Versicherungs-, Kreditkarten- und Kontonummer der Tante. Tante Rominas jährliches Einkommen und sonstige
Vermögenswerte. Ferner Schul- und Berufszertifikate, politische und religiöse Zugehörigkeit, ärztliches
Gutachten und polizeiliches Führungszeugnis, Referenzen und Angaben von Verbindungen, Klubs,
Vereinen, Wohltätigkeit.
Die Hälfte von dem, was der Automat fragte, verstand Lissi nicht, hatte noch nie davon gehört. Lissi
hatte keine Ahnung gehabt, was ein Mensch alles brauchte, um sich auszuweisen.
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‚Weiß nicht!‘, tippte sie ein, ‚weiß nicht.‘ Und bei jedem ‚weiß nicht‘ hatte sie das Gefühl, ein Stückchen
kleiner geworden zu sein. ‚Weiß nicht‘, ‚weiß nicht‘. Schließlich gab sie auf. Es kamen noch weitere
Fragen, aber Lissi wusste längst, dass sie den Test nicht bestanden hatte.“
(Monika Pelz: Lissi im Wunderland. Jungbrunnen : Wien 1999, S. 18)
Der Sprachtest
Computer: IHRE IDENTITÄTSNUMMER.
Bauer: Wos?
Computer: IHRE IDENTITÄTSNUMMER.
Bauer: I bin koa Numma nit! Sepp Schipflinger hoaß i!
Computer: NICHT VERSTANDEN. SPRECHEN SIE DEUTSCH.
IHRE IDENTITÄTSNUMMER.
Bauer:
Wos? Deutsch soll i sprechn? Wos soll denn des hoaßn?
I red jo Deutsch! Bist terrisch, oda wos?
Computer:
NICHT VERSTANDEN. SPRECHEN SIE DEUTSCH.
IHRE IDENTITÄTSNUMMER.
Bauer:
Des pockst nit! Der Trottl vasteht mi nit!
Jo, wos glaubst, wos i red?
Chinesisch, oda wos?
Computer:
NICHT VERSTANDEN. SPRECHEN SIE DEUTSCH.
SIE ERHALTEN EINEN STROMSTOß.
Bauer:
Wos? Brrr! Wos soll denn des? Spinnst du?
Computer:
IHRE IDENTITÄTSNUMMER.
Bauer:
Bist du nit recht bei Trost, sog amol?
Setzt mi der unter Strom!
Computer: IHRE IDENTITÄTSNUMMER.
Bauer: Loß mi amol in Ruah mit deina deppatn Numma! I woaß si nit!
Sepp Schipflinger hoaß i!
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Computer:
NICHT VERSTANDEN. SPRECHEN SIE DEUTSCH.
IHRE IDENTITÄTSNUMMER. SIE ERHALTEN EINEN STROMSTOß.
Bauer:
Scho wieda?! Brrr!
Computer:
IHRE IDENTITÄTSNUMMER.
Bauer:
Mei, gehst du mir aufn Wecka! Ich weiß sie nicht, die Identitätsnummer!
Verstehst mi?
Computer:
IDENTITÄSNUMMER STEHT AUF IHRER AUSWEISKARTE.
Bauer:
Auf da Ausweiskortn? Mei Gott, wo woaß i, wo i de hob?! I brauch koa Ausweiskortn!
Computer:
NICHT VERSTANDEN. SPRECHEN SIE DEUTSCH.
IHRE IDENTITÄSNUMMER. SIE ERHALTEN EINEN STROMSTOß.
Bauer:
Brrr! Glaubst, des mocht mir wos aus, du Depp?!
Auf mein Hof kumm i dauernd in die Liachtleitungen!
Bin i scho gwohnt! Do muaßt wos zualegn, dass mit ordentlich reißt!
Computer:
KOMMUNIKATIONSDIFFERENZEN. STÖRUNG.
Bauer:
Wos?
Computer:
KOMMUNIKATIONSDIFFERENZEN. STÖRUNG.
Bauer: Wos is los?
Computer:
STÖRUNG SELBSTTÄTIG BEHOBEN. IHR NAME?
Bauer: Jo, Herrschoftszeitn, den hob i da eh schon zwoamol gsogt! Sepp Schipflinger hoaß i!
Computer:
NICHT VERSTANDEN. SPRECHEN SIE DEUTSCH.
IHR NAME.
Bauer:
Fix eini! Sepp Schirflinger! Wia oft denn no?!
Computer:
NICHT VERSTANDEN. SPRECHEN SIE DEUTSCH.
IHR NAME. SIE ERHALTEN EINEN STROMSTOß.
Bauer: Brrr! Du, moch mi net narrisch! Zum letzten Mol:
Sepp Schirflinger! Host mi! Josef Schiopflinger!
Computer:
JOSEF SCHIPFLINGER.
Bauer:
No, endlich! Des braucht wos!
Dir hobn a schon die Mäus a poor Kabln ongfressen, wos?
Computer:
NICHT VERSTANDEN. SIE WISSEN, WARUM SIE HIER SIND?
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AK Berufe fallen nicht vom Himmel
Bauer: Nix woaß i! A Sauerei is des! Holn mi mittn aus da Orbeit weg!
Mit da Polizei a no! Und bindn mi auf den Stuahl do und legn Kabl um mei Hinrkastl.
A Sauerei is des, a bodenlose!
Computer: NICHT VERSTANDEN. SIE SIND HIER, UM SICH EINEM SPRACHTEST ZU UNTERZIEHEN.
WARUM BESUCHEN SIE NICHT DEN VORGESCHRIEBENEN SPRACHKURS IN
IHREM ORT?
Bauer: Sprachkurs? I brauch koan Sprachkurs! I konn eh reden!
Computer: NICHT VERSTANDEN.
Bauer: Nocha muaßt holt du an Sprachkurs besuachen!
Computer:
NICHT VERSTANDEN. SPRECHEN SIE DEUTSCH.
SIE ERHALTEN EINEN STROMSTOß.
Bauer:
Brrr! Du konnst mi kreuzweis!
Computer:
NICHT VERSTANDEN.
DIE REGIERUNG HAT MIT BEGINN DES JAHRES GESETZLICH DIE EINFÜHRUNG DER DEUTSCHEN EINHEITSSPRACHE BESCHLOSSEN. DIALEKT,
MUNDART, UMGANGSSPRACHE, SLANG SIND VERBOTEN.
Bauer: Jo, und? Des is ma Wurscht!
I red, wia ma’s Maul gwochsn is! Glaubst, i red noch da Schrift, weil a poor
Großkopferte des so wollen? I loß mir mei Sproch nit verbieten! Wo samma denn?
Soll i mit meine Küah Hochdeutsch redn?
Computer:
NICHT VERSTANDEN. SPRECHEN SIE DEUTSCH.
SIE ERHALTEN EINEN STROMSTOß.
Bauer: Brrr! du, Mandl, jetzt reichts ma bold!
I zerleg di in deine Einzelteile, wennst nit aufhörst mit dem Schmorrn!
Mir ist die Zeit schod für so an Blödsinn!
Dahoam wortet die Orbeit auf mi!
Computer:
NICHT VERSTANDEN. WIEDERHOLEN SIE DAS WORT
DIVERISIFIKATIONSQUOTIENT.
Bauer: Wos soll i?
Computer:
WIEDERHOLEN SIE DAS WORT DIVERISIFIKATIONSQUOTIENT.
Bauer:
Warum denn?
Computer:
DAS IST EIN SPRACHTEST. WIEDERHOLEN SIE DAS WORT
DIVERISIFIKATIONSQUOTIENT.
Bauer:
Oachkatzlschwoaf!
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Computer:
NICHT VERSTANDEN. WIEDERHOLEN SIE DAS WORT
DIVERISIFIKATIONSQUOTIENT.
Bauer:
Blunzn.
Computer:
NICHT VERSTANDEN.
Bauer:
Grammln!
Computer:
NICHT VERSTANDEN.
Bauer:
Kuttln!
Computer:
NICHT VERSTANDEN. SIE ERHALTEN EINEN STROMSTOß.
Bauer:
Brrr! Plentn!
Computer:
NICHT VERSTANDEN. WIEDERHOLEN SIE DAS WORT
DIVERISIFIKATIONSQUOTIENT.
Bauer:
Du flachhoorats Dirndl, i hob di so gern,
i möcht wegn deine Flachshoor a Spinnradl wern!
Computer:
NICHT VERSTANDEN. SIE ERHALTEN EINEN STROMSTOß.
Bauer:
Brrr! Mei Dirndl hoaßt Nandl, hot schneeweiße Zahndl, hot schneeweiße Knia,
oba gsechn ho i‘s nia!
Computer:
SIE ERHALTEN EINEN STROMSTOß.
Bauer: Brrr! Annamirl, Zuckerschnürl, geh mit mir in Keller, um a Weindl,
um a Bier, um an Muskateller!
Computer:
SIE ERHALTEN EINEN STROMSTOß.
Bauer:
Brrr! Kloan bin i gwochsn, groß mog i nit wern,
mei Muatta hot mi züglt aus an Hoslnusskern!
Computer: SYSTEMFEHLER.
Bauer:
Wos?
Computer:
SYSTEMFEHLER.
Bauer:
Wer? Wo?
Computer: SYSTEMFEHLER.
Bauer:
Aso is des? Is a Radl locker worn bei dir, ha?
Computer: SYSTEMFEHLER.
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Bauer: Nojo, i sogs jo imma, des neumodische Maschinenzeug is nix wert.
Hebt nix aus! Olles a Glump!
Computer:
SYSTEMFEHLER.
Bauer:
Jo, nocha! Donn bin i dahin! Zagg! Die Gurtn san a nix wert!
Hoscht‘s gsechn? A bissl druckn und scho zrissn seins!
Schlechts Material! Sollst amol mei Zaumzeug sechn!
Des hebt hundert Johr!
Computer:
SYSTEMFEHLER.
Bauer:
Diversifikationsquotient! Damits an Trost host!
Computer:
SYSTEMFEHLER.
Bauer:
Genau! Pfiat Gott, Maschindl!
(Quelle: Felix Mitterer, Der Sprachtest. in: Gaismaier-Kalender 1980, S. 122f.)
Ärger als jeder Computer
Der Berufsberater war gut gepolstert, um nicht zu sagen dick. Er betrachtete Lissi gedankenvoll, er betrachtete gedankenvoll seinen Bildschirm. Er langte in die Schublade, holte eine angebissene Wurstsemmel heraus und aß sie. Als er die Wurstsemmel, die übrigens auch noch mit Käsescheiben und
Gürkchen angereichert war, verdrückt hatte, fing er an, Lissi Fragen zu stellen. Sie erzählte nur das
Notwendigste. Dass sie gerade intensiv über eine Beschäftigung nachdächte; am liebsten wäre ihr
eine Anstellung als Kellnerin in einem schicken Szenelokal.
‚So einfach ist das nicht‘, sagte der Berufsberater, ‚ sind Sie überhaupt geeignet für diesen Beruf?
Sind Sie denn mit den speziellen Anforderungen dieses Berufs vertraut? War es immer schon Ihr
Wunsch Kellnerin zu werden oder sind Sie eher zufällig darauf verfallen?‘
‚Eher gefallen – ich meine, verfallen.‘
‚Mhm‘, der Berufsberater dachte über ihre Antwort nach. ‚Das ist die Note 5 für Informiertheit, also
‚Ungenügend‘, Note 3 für Motivation, Note 1 für Flexibilität.
‚Sie geben mir Noten?‘, rief Lissi aufgebracht. ‚Ich dachte, das hier ist eine Servicestelle, ich dachte,
ich krieg das alles von Ihnen: Information und Motivation, stattdessen geht es hier wieder einmal um
so eine Scheißprüfung?‘
‚Note 5 für Frustrationstoleranz‘, versetzte der Berufsberater ungerührt.
Lissi hatte keine Ahnung, was das Wort bedeutete, und regte sich nur noch mehr auf.
‚Ist denn alles in diesem Land ein einziger unaufhörlicher Test? Sie sind ja ärger als jeder Computer!‘
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Das schien dem Berufsberater zu schmeicheln. Er versuchte Lissi zu beschwichtigen:‘ Hören Sie,
immerhin haben Sie die Bestnote in Flexibilität. Und Flexibilität ist heutzutage das Allerwichtigste.‘
‚Wirklich?‘
‚Glauben Sie mir: Wandlungsfähigkeit und Beweglichkeit sind im Grunde alles, was Sie fürs Berufsleben brauchen. Man muss eben immer imstande sein, sich auf Neues einzustellen.‘
‚Aber ich bin enorm wandlungsfähig!‘, rief Lissi erfreut. ‚ Einmal bin ich SO, im nächsten Augenblick
wieder SO! Wenn Sie wüssten, auf was ich mich in letzter Zeit alles habe einstellen müssen!‘
‚Gratuliere! Sie sind die Berufstätige der Zukunft‘, sagte der Berufsberater. Er nahm die zweite Wurstsemmel aus der Lade und biss gierig hinein. Lissi lief das Wasser im Mund zusammen. Sie hatte
grässlichen Hunger, und er nervte sie mit seiner unsensiblen Gefräßigkeit. Sie gab dem Berufsberater
eine Eins in Beweglichkeit beim Beißen, Kauen und Schlucken und eine Note 1 für Wandlungsfähigkeit. Falls die schleichende Verwandlung in eine Speckrolle auch was zählte.
(Pelz Monika. Lissi im Wunderland. Jungbrunnen: Wien: 1999 S. 48f.)
Wollen Sie einen Superjob?
Nach einer halben Stunde Schlange stehen wurde Lissi von so einem mobilen Agenten angeredet.
Er blickte vorsichtig nach allen Seiten, ob auch keiner ihnen zuhörte und flüsterte: „Wollen Sie einen
Superjob?“
„Klar“, sagte Lissi.
„Was für einen Superjob wollen Sie? Vollzeit? Teilzeit? Viertelzeit, Achtelzeit? Zwölftelzeit oder ganz
ohne?“
„Was ist ganz ohne?“
„ohne Zeitvorgabe! Sie sind ihr eigener Unternehmer!“
„Unternehmerin!“, korrigierte Lissi.
„Wäre das nicht fein? Sie können sich Ihre Zeit dann selbst einteilen.“
„Klingt gut.“
„Sie haben Ihre eigene Firma, kriegen Ihre eigenen Arbeitsmittel – alles!“
„Hören Sie nicht auf den“, sagte die freundliche Dame von vorhin. „Alles, was Sie kriegen, sind Pinsel
und Farbkasten, und dann können Sie in Ihren eigenen vier Wänden Gartenzwerge bemalen.“
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„Stimmt nicht“, widersprach der Agent. „Bei meinem Job kriegen Sie einen Supertisch und vier Superstühle. Diese Supermöbel stehen in der Filiale einer weltberühmten Fastfoodkette in bester Citylage.
Haben Sie das Bild?“
„Einstweilen schon“.
„An Ihrem Tisch nehmen garantiert regelmäßig hungrige Mittagsgäste Platz. Alles, was sie tun müssen, ist, ihnen Essen zu servieren und den Rechnungsbetrag zu kassieren, das ist der ganze Aufwand, den Sie dabei haben. Ist das nicht toll? Ja, und Sie müssen sich noch um ein immer fleckenloses und gebügeltes Tischtuch und Blumenschmuck kümmern. Das fällt in Ihre Verantwortung. Dafür
dürfen Sie die Trinkgelder der Gäste als Einkommen behalten!“
„Die Trinkgelder sind alles, was ich kriege? Darf ich wenigstens das Essen auffangen, wenn es durch
die Luft fliegt?“
„Hören Sie: Ich rede von einem Job, nicht vom Schlaraffenland!“
„Und was ist, wenn ich einmal kein Trinkgeld kriege?“
„Naja, in diesem Fall müssten Sein an Ihrer sozialen Kompetenz arbeiten. Sie verstehen schon:
Freundlichkeit, Frohsinn, Zuvorkommenheit, Demut, Hüftschwung, Frisur...“
(Monika Pelz: Lissi im Wunderland. Jungbrunnen: Wien 1999, S. 78f.)
Der wichtigste Beruf der Welt
„‘Aber es MUSS einfach neue Erfindungen geben!‘, mischte sich Lissi ein. Das wehleidige Gejammer
(der abgelegten Spielsachen) ging ihr auf die Nerven. ‚Wo wären wir ohne neue Erfindungen?! Erfinden ist der wichtigste Beruf der Welt!
Denkt an den legendären Prometheus, den Erfinder des Frühstückstoasts!
An Attila Tataro, den Erfinder von Beef Tatar!
Oder an Tullio Sinedentris, den Erfinder der sämigen Suppe!
Denkt an Orlando Furioso, den Erfinder von Katapult und Steinschleuder!
An Chevalier de Baleine, der das Siegelwachs erfunden hat!
An Haimo Maier, den Erfinder der Basisdemokratie!‘
‚Hat man das denn wirklich gebraucht?‘, fragte der Teddybär.
‚Eine Zeit lang zumindest!‘
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Energisch fuhr Lissi fort: ‚Wo wärt ihr, wenn Theodor Roosevelt nicht den Teddy erfunden hätte? Mist
Land nicht die Polaroid-Kamera und Hugh Hefner nicht den Gameboy?
Ohne neue Erfindungen kein Fortschritt! Ihr selbst seid Produkte des Fortschritts. Und irgendwann rollt
der Fortschritt schließlich über euch hinweg.“
(Monika Pelz: Lissi im Wunderland. Jungbrunnen: Wien 1999, S. 30)
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Sachinformationen
Lehrlingskompass
Kurzinfo für Lehrer/innen: Schule oder Lehre?
Der Lehrlingskompass bietet eine erste Orientierung und Anregungen für die Berufswahl bieten. Er ist
sehr einfach gestaltet. Er ist leicht anwendbar und gibt den Schülern verständlich und adressatenspezifisch aufbereitet Kriterien an die Hand, sich über die eigenen Vorlieben, Stärken und Schwächen klar
zu werden. Da es sich hier um ein österreichisches Angebot handelt, können Abweichungen in den
Berufsbezeichnungen auftreten.
Medium:
online, www.berufskompass.at/lehre/
Testumgebung:
Arbeitsmarktservice Österreich
Anbieter:
Arbeitsmarktservice Österreich
Name des Tests: Lehrlingskompass
Testart:
Berufseignungstest
Zeitaufwand:
ca. 15 Minuten
Zielgruppe:
Jugendliche vor der Berufswahl
Schule / Lehre ?
Eine Gegenüberstellung der Vor- und Nachteile
Schule
Vorteile
Nachteile
bessere Arbeitsmarktchancen durch höhere
Qualifikation
längere Ausbildungszeit
höhere Flexibilität durch breitere Ausbildung
(mehr Allgemeinbildung, mehr Vermittlung von
Schlüsselqualifikationen)
höhere Ausbildungskosten
mehr Möglichkeiten zur weiteren Ausbildungen
weniger Praxisbezug,
Lernen erfolgt theoretisch, kognitiv
normierte Ausbildungsinhalte (Lehrplan) bewirkt
höhere Garantie der Ausbildungsqualität
plötzlicher Übergang ins Berufsleben
ängere Schonfrist für die
Persönlichkeitsentwicklung (gilt v.a. für AHS)
kein eigenes Einkommen
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Lehre
Vorteile
Nachteile
kürzere Ausbildungszeit 3-4 Jahre
größeres Risiko, arbeitslos zu werden:
Zusammenhang zwischen Qualifikationsniveau
und Beschäftigungschance:
Viele Lehrberufe finden sich in Bereichen, in
denen nach der Lehre schwer ein Arbeitsplatz zu
finden ist, z.B. FriseurIn, KFZ-MechanikerIn.
Zwei Drittel aller unselbständig Erwerbstätigen
sind im Dienstleistungssektor tätig, aber zwei
Drittel aller Lehrberufe bilden für den Produktionsbereich aus.
Missverhältnis zwischen Ausbildung und Arbeitskräftebedarf.
In bestimmten Lehrberufen nehmen geringfügige
Beschäftigungsverhältnisse immer mehr zu.
Doch es gibt eine Reihe von neuen Lehrberufen,
z.B. im EDV-Sektor und im sozialen Dienstleistungsbereich mit guten Arbeitsmarktchancen.
Lehrlingsentschädigung (eigenes Einkommen
schon während der Ausbildung) und
Sozialversicherung
Die Qualität der Ausbildung hängt stark vom
Einzelbetrieb ab:
In bestimmten Betrieben und Branchen, wie z.B.
GlaserIn, MalerIn, im Bauhilfs- und –Nebengewerbe) werden Lehrlinge als HilfsarbeiterInnen
eingesetzt.
Der Einstieg ins Berufsleben ist „sanfter“. Leichtere Einübung in die Arbeitswelt.
Der Anschluss an weiterführende Schulen ist
schwierig, wird aber durch die Möglichkeit der
Berufsreifeprüfung etwas gemildert.
Praxisorientierte, anwendungsbezogene Ausbildung - sie kommt jenen Jugendlichen entgegen,
die leichter praktisch als theoretisch lernen.
Wenig Flexibilität und Mobilität wegen hoher
Spezialisierung, auch in den Betrieben selbst.
Gruppenlehrberufe (Flächenberufe) könnten
etwas Abhilfe schaffen, z.B. KommunikationstechnikerIn, FertigungstechnikerIn, (MaschinenschlosserIn, MechanikerIn, Werkzeug-macherIn
...Metallbereich); Elektro-anlagentechnikerIn
(Starkstromberufe).
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Richtig bewerben – gewusst wie
Bewerbungsschreiben
Das Bewerbungsschreiben ist die erste Kontaktaufnahme mit einem Unternehmen. Aus diesem Grund
sind der inhaltliche Aufbau und die Form dieses Schreibens von besonderer Wichtigkeit. Ziel ist es,
den Eindruck zu vermitteln, dass du eine gute Wahl für die angebotene Stelle bist, damit du zu einem
persönlichen Gespräch eingeladen wirst.
Form des Bewerbungsschreibens:
Verfasse eine Bewerbung in Form eines Geschäftsbriefes und achte auf folgende Punkte:
•
Sauberes Schriftbild: Geschrieben am Computer oder mit der Schreibmaschine, handschriftliche Fassung nur auf Verlangen
•
Übersichtliche Gestaltung
•
Klare, sachliche und zugleich gewinnende Ausdrucksweise
•
Fehlerlosigkeit in Grammatik und Rechtschreibung
Inhaltlicher Aufbau:
•
Titel, Name, Wohnadresse, Telefonnummer und Datum (links oben am Briefkopf)
•
Anschrift des Adressaten, persönliche Ansprechpartnerin/persönlicher Ansprechpartner soweit
bekannt
•
Bezugszeile: Angabe der Stelle, für die du dich bewirbst, der Stellenanzeige oder gegebenenfalls der Kennnummer des Inserates
Anrede:
Sofern dir eine Ansprechpartnerin/ein Ansprechpartner bekannt ist, richte die Bewerbung persönlich
an diese Person, sollte dies nicht der Fall sein, an die Personalabteilung.
Bewerbungsgrund:
Formuliere kurz, warum dich diese Stelle besonders interessiert.
Betonung der eigenen Stärken und Fähigkeiten, kurze Beschreibung des schulischen Werdegangs,
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welcher deine Eignung für die zu besetzende Stelle unterstreicht
Bekanntgabe des frühesten Eintrittstermins, falls ein zu früher oder zu später Eintrittstermin für dich
persönlich ein Grund wäre, diese Stelle abzulehnen
Ersuchen um ein persönliches Gespräch
Grußformel: Üblich ist die Formulierung „mit freundlichen Grüßen“
Beilagenübersicht
Beilagen:
•
Lebenslauf – nach Möglichkeit mit Foto, Kopien von Zeugnissen, Arbeitsbestätigungen, Bescheinigungen über absolvierte Seminare etc.
•
Die Bewerbungsunterlagen sollten ordentlich in eine Bewerbungsmappe in der Reihenfolge
•
Bewerbungsschreiben
•
Lebenslauf
•
Zeugnisse
•
eventuell Arbeitsproben (das sind Beispiele für bereits durchgeführte Arbeiten oder Werkstücke,
die für den zukünftigen Arbeitsbereich relevant sein könnten)
•
weitere Unterlagen einsortiert werden.
Downloads für korrekte Muster von Bewerbungsschreiben, Lebenslauf und Vorstellungsgespräch
unter:
http://www.help.gv.at/Content.Node/k17/Seite.171000.html
http://wien.arbeiterkammer.at/jugend
TIPP
Weitere Tipps zur Bewerbung bietet Ihnen auch das Arbeitsmarktservice (AMS) mit dem Online-Bewerbungscoach und der Praxismappe für die Arbeitsuche.
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Lebenslauf
Der Lebenslauf (Muster-Lebensläufe zum Herunterladen) sollte übersichtlich verfasst und logisch
aufgebaut sein.
Es ist üblich, ihn dem Bewerbungsschreiben beizulegen, nehmen Sie aber trotzdem einen Lebenslauf
zum Bewerbungsgespräch mit.
Stellen Sie auch im Lebenslauf Fähigkeiten und Erfahrungen in den Vordergrund, welche für die ausgeschriebene Stelle vermutlich wichtig sind.
Inhaltlicher Aufbau:
•
Persönliche Daten:
Name und Titel
Wohnadresse
Telefonnummer
Geburtsdatum
Geburtsort
Staatsbürgerschaft
•
Bildungsweg: Schulbildung, Berufsausbildung, beruflicher Werdegang und eventuell Praktika
•
Präsenzdienst
•
Besondere Kenntnisse (z.B. absolvierte Kurse)
Fremdsprachen eventuell auch Auslandsaufenthalte
Datum
Unterschrift
TIPP
Weitere Tipps zur Bewerbung bietet Ihnen auch das Arbeitsmarktservice mit dem Online-Bewerbungscoach und der Praxismappe für die Arbeitsuche.
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Vorstellungsgespräch
Das Vorstellungsgespräch ist normalerweise der erste persönliche Kontakt mit dem Unternehmen. Die
zuständige Mitarbeiterin/der zuständige Mitarbeiter der Personalabteilung, in kleineren Betrieben oft
die zukünftige Chefin/der zukünftige Chef persönlich, will in diesem Gespräch herausfinden, ob Sie die
geeignete Mitarbeiterin/der geeignete Mitarbeiter für das Unternehmen sind.
Bereiten Sie sich daher gut und rechtzeitig auf diesen Termin vor.
Vorbereitung auf das Gespräch:
•
Informieren Sie sich über den Unternehmenszweck: Was produziert dieser Betrieb oder welche
Dienstleistungen bietet er an?
•
Überlegen Sie, welche Anforderungen an Sie gestellt werden können.
•
Welche Gehaltsvorstellungen wollen Sie durchsetzen? Wodurch könnte ein niedrigeres Anfangsgehalt kompensiert werden? (Arbeitskleidung, Dienstwagen, Aufstiegschancen)
•
Richten Sie sich bereits am Vorabend angemessene Kleidung her. So vermeiden Sie zusätzlichen Zeitdruck am Morgen.
•
Bereiten Sie rechtzeitig alle nötigen Unterlagen wie Lebenslauf, Zeugnisse, Schreibunterlagen
und Terminkalender vor.
•
Planen Sie genug Zeit für die Anfahrt ein.
Gesprächsablauf:
•
Vergessen Sie in der Aufregung nicht zu grüßen und Ihren Namen zu nennen.
Schütteln Sie Ihrer Gesprächspartnerin/Ihrem Gesprächspartner die Hand, aber erst dann, wenn
er oder sie sie Ihnen reicht.
•
Warten Sie, bis Ihnen ein Platz angeboten wird und behalten Sie vorerst Ihre Unterlagen in der
Hand.
•
Versuchen Sie natürlich und ruhig zu bleiben. Verschränken Sie nicht die Arme vor der Brust, das
wirkt oft abweisend und distanziert.
•
Schauen Sie Ihre Gesprächspartnerin/Ihren Gesprächspartner an und vermeiden Sie es, besonders bei unangenehmen Fragen, wegzuschauen.
•
Bedanken Sie sich am Ende für das Gespräch.
TIPP
Weitere Tipps zur Bewerbung bietet Ihnen auch das Arbeitsmarktservice mit dem Online-Bewerbungscoach und der Praxismappe für die Arbeitsuche.
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Kurzbewerbung
Gut vorbereitet,
ist schon halb gewonnen!
NUR PLUSPUNKTE:
Bereite dich auf ein Vorstellungsgespräch gut vor, indem du dir Antworten zu folgenden Fragen überlegst:
•
Was weißt du schon über deinen Wunschberuf und die Ausbildung?
•
Wie hast du dich über diesen Beruf informiert?
•
Kannst du dir noch andere Ausbildungs- und Berufsmöglichkeiten als Alternative dazu vorstellen?
•
Weshalb bewirbst du dich gerade in diesem Betrieb/ um diese Stelle?
•
Was möchtest du selbst bei einem Vorstellungsgespräch fragen?
Überlege dir Antworten auf typische Fragen, die bei einem Bewerbungsgespräch immer wieder gestellt werden:
•
Erzählen Sie etwas von sich selbst!
•
Sind Sie oft krank?
•
Was waren Ihre letzten großen Erkrankungen?
•
Arbeiten Sie gerne in der Gruppe?
•
Schulnoten? Lieblingsfächer?
•
Haben Sie Hobbys?
•
Wie stehen Sie zu Ihren Eltern, Ihren Geschwistern?
•
Sind Vater, Mutter, Geschwister berufstätig?
•
Wie sind Sie auf diesen Beruf gekommen?
•
Haben Sie sich schon woanders beworben?
•
Was wissen Sie über diesen Beruf?
•
Was erwarten Sie sich von der angestrebten Stelle?
•
Welche Vorstellungen haben Sie von den damit verbundenen Tätigkeiten - über die Licht- und
Schattenseiten des Berufs - oder über Arbeitszeit, Bezahlung, etc.
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Üben ist hilfreich und gut:
Bei einem Rollenspiel kannst du beispielsweise erste Erfahrungen sammeln, wie du auf bestimmte
Fragen zur Berufswahl reagierst. Es ist auch interessant, andere MitschülerInnen dabei zu beobachten, um allgemeine Fehler bei solchen Gesprächen zu erkennen. Sehr gut ist es auch, dabei VideoAufnahmen zu machen und danach darüber zu sprechen, was gut und was weniger gelungen ist. Das
Ganze ist ja noch ein „Spiel“ , gibt dir aber Sicherheit und Zuversicht für den „Ernstfall“.
Was alles in einen LEBENSLAUF gehört:
Zu den Bewerbungsunterlagen gehört auch ein Lebenslauf, in dem du Auskunft über deine Person
und über deinen schulischen Werdegang gibst. Der Lebenslauf soll dem Empfänger der Bewerbung
eine erste genauere Vorstellung von dir vermitteln. Meist ist ein tabellarischer Lebenslauf üblich und
soll beispielsweise folgende „Daten“ enthalten:
LEBENSLAUF
Name:
Adresse:
Tel./Fax Nr.
Geburtsdatum:
Geburtsort:
Staatsbürgerschaft:
Eltern:
Ausbildung:
Schulabschluss:
Lieblingsfächer:
Besondere Kenntnisse:
Hobbys:
Datum
Unterschrift
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Du bist ein E-Mail Freak?
Dann schau dir die Jobbörsen im Internet an und versuche Bewerbungsschreiben in Form einer EMail zu schreiben.
Schätzungsweise eine halbe Million Jobs werden derzeit im deutschsprachigen Internet angeboten.
Diese verteilen sich auf tausende verschiedener Jobbörsen. Wenn du einmal schnuppern möchtest,
versuche folgende Adressen:
www.jobpilot.at : Da findest du durchschnittlich 1.000 Stellenangebote.
www.austropersonal.com : Austropersonal ist der Marktführer im österreichischen Stellenmarkt.
Stellensuchende können kostenlos den VIP-Service nutzen, der ein
Stellengesuch und E-Mail-Abo einschließt.
10 goldene Regeln für erfolgreiche E-Mail-Kurzbewerbungen1
Verschicke niemals unaufgefordert „Attachments, das heißt angehängte Dateien. Viele Firmen sortieren solche Mails aus Angst vor Virengefahr automatisch aus.
Schreibe nur Emails, wenn auf eine persönliche Kontaktadresse verlinkt ist. Sei vorsichtig, wenn steht
[email protected]
Immer nur Klartext (plain text) schreiben, niemals als HTML abspeichern.
Auch wenn die sprachlichen Formulierungen im Internet oft ungezwungen und lässig sind, achte bei
Bewerbungen auf die Höflichkeitsanreden.
Verwende wie bei der Snail-mail (herkömmliche Briefe) die üblichen Gruß- und Schlussformeln, d.h.
Sehr geehrte/r; Guten Tag, Frau/ Herr,...
Formuliere klar und deutlich in kurzen Sätzen, übertreibe nicht, aber weise auch auf deine besonderen
Fähigkeiten hin, denn du willst dich ja bestens „verkaufen“.
Formuliere eine aussagekräftige Betreffzeile, damit die E-Mail auch gelesen wird.
Vergiss nicht die Kontaktadresse anzugeben: Telefon/Fax und Anschrift
Unterschreibe mit vollem Namen (Vor- und Familienname, keine Abkürzungen) und schließe mit
„freundlichen Grüßen“.
Wenn du es ernst mit deiner Bewerbung meinst, frage telefonisch nach, wenn du nach mehr als einer
Woche keine Antwort bekommen hast.
1 Materialien entnommen aus: Tips zur Berufswahl, hg. vom Arbeitsmarktservice Österreich, Wien 1996, 10. Aufl.
Diese Broschüre ist kostenlos bei allen Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservice erhältlich.
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Tipps & Anregungen & Training TAT 1
Versuche die Texteindrücke in „besondere Worte“ zu fassen:
Elfchen
Schreibe ein „ELFCHEN“ , z.B. zu Arbeit, Freude und Zufriedenheit!
Das geht so: Ein Elfchen ist ein kurzes Gedicht aus nur elf Wörtern, die auf fünf Zeilen verteilt sind:
1. Zeile: ein Wort, irgendeine Farbe
2. Zeile: zwei Wörter, z.B. etwas, das diese Farbe hat; ein Gegenstand, der diese Farbe hat
3. Zeile: drei Wörter, z.B. der Gegenstand in genauerer Bestimmung. Wo ist er? Was tut er?
4. Zeile: vier Wörter – erzähle noch mehr darüber, vielleicht in Verbindung mit „ich“
5. Zeile: ein Wort – fasst zusammen, bildet den Abschluss
Beispiel:
Mausgrau
mein Computer
ein braves Arbeitstier
schnurrt vor sich hin
meistens
TAT 2
Akrostichontechnik
AKROSTICHON-Gedicht
Du kannst auch ein AKROSTICHON-Gedicht schreiben – klingt schwierig, ist es aber nicht:
Schreibe ein Wort deiner Wahl senkrecht von oben nach unten. Dann bilde mit jedem Buchstaben ein
Wort (Haupt-, Zeit- oder Eigenschaftswort), das deiner Meinung nach gut dazu passt.
F wie Freiheit
R wie Reichtum
E wie Erlebnis
U wie Unfug
D wie Disco
E wie Erfolg
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F wie fröhlich
R wie riesig
E wie ehrlich
U wie urgut
D wie durstig
E wie endlich
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F wie feiern
R wie reden
E wie essen
U wie urlauben
D wie dichten
E wie erleben
AK Berufe fallen nicht vom Himmel
TIPP:
Nimm das Wörterbuch zur Hand und schlag nach!
TAT 3
Kurzgeschichten & Co.
Es können daraus auch herrliche Kurzgeschichten entstehen, indem du mit den einzelnen Wörtern
Sätze bildest, die eine kleine Geschichte ergeben.
Oder du baust die Wörter in Sprechblasen zu einem Comic-Strip ein – das geht prima in Kleingruppen
mit Arbeitsteilung in „Zeichner“ und „Texter“.
Sogar ein Fotoroman lässt sich auf diese Weise zusammenstellen:
Sammelt aus (alten) Zeitschriften, Hochglanzmagazinen, Illustrierten Bildmaterial, schneidet die Bilder
aus, klebt sie auf A-4 Blätter und schreibt dazu kurze Bildtexte, die zu einem ganz bestimmten Thema
passen.
TAT 4
Haiku
Magst du es lieber exotisch? Dann probier doch einmal ein HAIKU!
Haikus sind 17-silbige japanische Gedichte mit Silbenverteilung 5-7-5 pro Zeile; sie werden in Japan
vor allem für Naturbeschreibungen und Stimmungen verwendet, aber auch die Humanic-Schuhwerbung hat sie erfolgreich entdeckt:
Beispiel:
1. Zeile: 5 Silben Ich bau mir ein Nest
2. Zeile: 7 Silben
ganz allein für mich daheim
3. Zeile: 5 Silben
darf niemand hinein.
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TAT 5
Warnung an alle Zauberlehrlinge
Einen Prinzen in einen Frosch zu verwandeln ist nichts Besonderes und gelingt verhältnismäßig leicht.
Jeder übellaunige Abteilungsleiter bringt es täglich fertig. Aber einen Frosch in einen Prinzen zu verwandeln, das erfordert große Kunst oder Kraft – oder Liebe.
(Aus: Michael Ende, Michael Endes Zettel-Kasten. Skizzen & Notizen. Stuttgart Wien: Weitbrecht
1994)
Bitte Eindruck schinden!
Versuche obigen Text drucktechnisch wirkungsvoll zu gestalten, z.B. als Poster.
Löse den Blocksatz auf und arbeite mit verschiedenen Druckanordnungen, unterschiedlichen Schriftgrößen und Schrifttypen.
Nimm dazu ein Blatt Papier in A-4 Format, einen Bogen Packpapier, verschiedene Schreibmaterialien
oder arbeite am Computer und nütze dessen Möglichkeiten der Textgestaltung, auch Layout genannt.
Einige Vorschläge für verschiedene Druckanordnungen und grafische Gestaltungen:
•
Großschreibung der Verszeilenanfänge
•
Kleinschreibung aller Wörter
•
Einrückungen
•
Anordnungen nach einer senkrechten Mittelachse
•
Setzung von isolierten Zeilen
•
Strophenbildung
•
Fettdruck
•
Visualisierungen von Wörtern
Sei selbst kreativ! (Zeichne, male, rahme ein, experimentiere mit Farben, montiere dazu Fotos, Zeitungsausschnitte, Stoff-Materialien, etc.)
Begründe deine Entscheidungen: z.B. warum du an einer bestimmten Stelle einen Absatz machst, die
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Schrift größer werden lässt, eine bestimmte Farbe verwendest.
Klebt eure Arbeiten/Plakate/ Poster an die Wand und vergleicht die verschiedenen Wirkungen und
Eindrücke. Beobachtet, was wie „ankommt!“
TAT 6
Pragmatisches und kreatives Schreiben
Indie Underground „verwechselt“ in seinen Bewerbungsschreiben das pragmatische mit dem kreativen
Schreiben.
Das pragmatische Schreiben ist eine zweckgerichtete, nützliche, im praktischen Leben anwendbare
und notwendige Form des Schreibens.
Dazu gehören folgende Textsorten: Bewerbungsschreiben, Lebenslauf, Gebrauchsanweisung, Inserat,
Geschäftsbrief, Protokoll, Antrag, Bestellung, Unfallbericht, Leserbrief, u.a.m.
Bestimmte Normen und Formen sind dabei zu beachten und müssen daher auch in der Schule geübt
werden.
Das kreative Schreiben ist oft phantasieerfüllt, emotional und ichbezogen. Es fördert die Kreativität
und diese ist als Schlüsselqualifikation in der Berufswelt sehr gefragt. Es gehört in den Bereich der
Persönlichkeitsentwicklung, der literarischen Bildung oder zur Poesietherapie.
Unterstreicht in den drei Bewerbungsschreiben mit Grün, was zum pragmatischen Schreiben gehört;
unterstreicht mit Rot, was in den Bereich des kreativen Schreibens gehört.
Indie spielt mit der Sprache und kritisiert gleichzeitig das Sprachverhalten:
Suche „Wortungetüme“ heraus, die nur beeindrucken wollen, aber eigentlich nichts aussagen.
Suche „Mode- und Trendwörter“ heraus.
Suche „Worte“ mit doppeltem Boden:
Was bedeuten einzelne Aussagen, wie z.B. „den Futurismus in der Ausbildung nur gestreift haben“,
„sich keine Schwarzseher leisten können“, „trendwendige Produkte, die beidseitig tragbar sind“, „alles
Gute kommt von oben“, etc.
Welche Ausdrücke gehören zur Jugendsprache?
Woran ist zu erkennen, dass die Texte „verdichtet“ und in einer „Kunstsprache“ geschrieben sind?
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TAT 7
Große und kleine Vorbilder
Erforscht die Biografien und die Lebensumstände berühmter Erfinder. Wählt euch einige Bereiche,
z.B. Technik, Medizin, Sport etc. aus und erarbeitet in Gruppen:
•
einen Steckbrief
•
ein Interview
•
oder eine Collage
TAT 8
Und Wo stehst du? Spiel2
Ablauf:
Teilung der Klasse in Spielgruppe und Beobachtergruppe, dann Rollenwechesel.
Es werden Sesselreihen aufgestellt, wobei jedoch die SchülerInnen ca. 3 Meter hinter ihrem Sessel
Platz haben sollen. Je nach Übereinstimmung mit den von SpielleiterIn/LehrerIn vorgelesenen Impulssätzen zum Thema „Beruf“ nähern sie sich ihrem Sessel oder bleiben in der maximalen Entfernung
von ca. 3 Metern bei völliger Ablehnung. Bei vollkommener Übereinstimmung mit der Fragestellung
setzt sich das betreffende Kind auf seinen Stuhl.
SpielleiterIn bereitet Impulssätze vor. Eine Beobachtergruppe macht sich während des Spiels Notizen.
Auswertung:
Die Beobachtergruppe teilt den SpielerInnen mit, was sie glauben, beobachtet zu haben. Die SpielerInnen äußern sich dazu und teilen ihre Empfindungen mit.
Mögliche Einstellungen:
Ich weiß schon genau, was ich werden will.
2 Quelle: Spielmacher. Spielen & Darstellen im Unterricht. 6. Jg. Nr. 9. Serviceblatt des ÖBV.
Redaktionsadresse: Erich Hofbauer. Schweglerstraße 11-13/14, 1150 Wien. S. 22
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Ich habe meinen Berufswunsch schon sehr lange.
Meine Mutter ist berufstätig.
Meine Eltern/ Vater/ Mutter sagen mir oft, was ich werden soll.
Ich weiß über die Arbeit meines Vaters/ meiner Mutter genau Bescheid.
Ich möchte so bald wie möglich eigenes Geld verdienen.
Ich lasse mich bei meiner Berufswahl nicht beeinflussen.
Ich habe Mutter/ Vater auf ihrem/seinem Arbeitsplatz besucht.
Ich weiß über die Möglichkeiten Schule/ Lehre nach der Pflichtschule Bescheid.
Ich könnte sofort über die Ziele der Polytechnischen Schule 3 Minuten sprechen.
Ich habe Geschwister, die bereits im Berufsleben stehen.
Ich habe mich schon über meinen Berufswunsch informiert.
Ich kenne die Einrichtungen des Arbeitsmarktservice.
TAT 9
Rollenspiel: Bewerbung3
Vorbereitung:
•
10 Akteur/innen, beliebig viele Beobachter/innen
•
Spieldauer ca. eine Unterrichtsstunde
•
Material: Rollenkärtchen für alle
Situation:
•
Die Bewerbung wird in zwei Firmen gespielt.
•
In beiden Firmen bilden der/ die Personalchef/in, der/die Abteilungsleiter/in, denen der neue
Lehrling zugewiesen werden soll, ein Team, das gemeinsam entscheidet, welche Kandidat/in
sie als Lehrling aufnehmen wollen.
3 Anregung aus: Hergovich/Mitschka/Pawek (2007), Teamarbeit. Beritas. S. 59
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•
Der/die Personalchef/in führt das Gespräch, der/die Abteilungsleiter/in hält sich im Hintergrund,
berät sich aber nach der jeweiligen Bewerbung mit dem/r Personalchef/in.
•
Drei Kandidat/innen stellen sich vor.
Sie kennen nicht die Erwartungen des Firmenteams, daher versuchen sie, sich im Rahmen ihrer Rollen möglichst positiv darzustellen. Doch ihre Vorstellung von einer erfolgreichen Bewerbung deckt sich
nur bedingt mit der der Führungsposition.
Entscheidungsfindung:
•
Die Beobachter/innen, die alle Rollenkarten vor sich liegen haben, sollen entscheiden, wen sie
eingestellt hätten. Sie können leicht eine Entscheidung treffen, weil sie über alle Informationen
verfügen.
•
Für die Personalchefs ist die Sache schwieriger. Nur wenn die Bewerber/innen offen und ehrlich
agieren, werden sie den/die Bewerber/in finden, der bzw. die für die Firma optimal ist.
Rollenkärtchen Bewerbung4
Rollenanweisung:
Personalchef/in der Firma MÖBI
(Möbel-Verkauf)
Sie sind beauftragt worden, einen neuen Lehrling
einzustellen.
Die Firmenleitung war mit den letzten Lehrlingen
sehr unzufrieden: einer hat gestohlen, einer war
ständig betrunken, ein anderer kam oft zu spät
und behandelte die Kunden unhöflich.
Nun werden auch Ihre Fähigkeiten als Personalchef/in angezweifelt.
Der nächste Lehrling, den Sie heute einstellen,
darf keinen Ärger mehr machen. Sie müssen
unbedingt einen Lehrling finden, der willig und
freundlich ist und möglicherweise auch über die
übliche Dienstzeit hinaus zur Verfügung stehen
kann.
Rollenanweisung:
Abteilungsleiter/in der Firma MÖBI
(Möbel Verkauf)
Die letzten Lehrlinge waren katastrophal, daher
ist es wichtig, heute einen Lehrling zu finden, der
sich gut in die Firma einfügen wird.
Der bzw. die Neue soll nicht arbeitsscheu wirken,
soll angepasst und höflich sein und ein freundliches Wesen haben.
4 Anregung aus: Hergovich/Mitschka/Pawek (2007), Teamarbeit. Veritas. Kopiervorlage S.68
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Rollenanweisung:
Personalchef/in und Abteilungsleiter/in der
Firma BEAU (Mode-Verkauf)
Ihre Firma braucht eigentlich keine neuen
Lehrlinge, aber sie bekommt einen großzügigen
finanziellen Zuschuss aus einer Stiftung, wenn
sie Lehrlinge ausbildet.
Der neue Lehrling soll gut in das junge Team
passen: alle Angestellten der kleinen Firma sind
sportlich und verbringen auch gerne ihre Freizeit
miteinander.
Der/die Firmenchef/in schwört auf den firmeninternen Fitnessraum, den die Mitarbeiter/innen in
der Mittagspause häufig benützen.
Der neue Lehrling soll kreativ, sportlich und an
modischen Trends interessiert sein, die Schulnoten spielen keine Rolle.
Rollenanweisung:
Kandidat/in 1
Schule war nichts für dich, weil deine Lehrer/
innen für deine Späße wenig übrig hatten, der
Sportplatz war dir schon lieber.
Du hast dich schon bei vielen Firmen beworben
und bist immer wieder abgewiesen worden. Du
bist nun sehr enttäuscht und frustriert.
Diese Stelle möchtest du unbedingt bekommen.
Deine Eltern haben dir geraten, nichts von deiner
Sportbegeisterung zu sagen, sondern zu betonen, dass du gerne liest, im Haushalt selbstverständlich mithilfst und brav und zuverlässig
arbeitest.
Rollenanweisung:
Kandidat/in 2
Du möchtest eigentlich noch gar nicht arbeiten
gehen, doch deine Eltern haben dich hergeschickt.
Du willst auf keinen Fall einen Job, bei dem man
Überstunden machen muss und das Getratsche
bei gemeinsamen Mittagspausen hasst du.
Du bist am liebsten zu Hause bei deinem Computer.
Nur wenn die Firma dir entgegenkommt, nimmst
du die Stelle an.
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Rollenanweisung:
Kandidat/in 3
Du bewirbst dich das erste Mal und hoffst, dass
du die Stelle gleich bekommst, weil du wirklich
gern arbeiten möchtest.
Du musstest einmal die Klasse wiederholen, weil
du wegen einer schweren Sportverletzung lange
im Spital warst.
Du hoffst, dass man dich nicht danach fragt.
Sonst warst du immer guter Durchschnitt, hast
dich mit deinen Lehrer/innen gut verstanden und
bist meistens recht gern in die Schule gegangen.
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3. DIE QUAL DER (BERUFS-) WAHL
Texte
Rosalinde hat Gedanken im Kopf
Manchmal hat Rosalinde Berufsgedanken. Einen Beruf braucht jede einmal, hat die Mama gesagt.
Alle müssen sich rechtzeitig überlegen, was aus ihnen einmal werden wird.
Der Fredi weiß schon genau, was aus ihm einmal wird. Fußballer wird der Fredi, sagt er. Mittelstürmer.
Wenn möglich am liebsten beim Verein „Zwietracht-Podersdorf“.
Rosalinde würde auch gern Fußballerin werden. Tor-Frau möchte sie später einmal sein. Aber alle
Buben in der Klasse lachen sie deswegen aus. „Plemplem, total plemplem“, sagen sie und tippen sich
an die Stirn.
Die Mädchen in Rosalindes Klasse finden eine Tor-Frau auch „plemplem, total plemplem“.
Darum redet Rosalinde in der Schule nicht von ihrem Lieblingsberuf. Sie denkt sich Ersatzberufe aus:
Fernlastfahrerin, Baggerführerin, Försterin, Taxifahrerin, Schornsteinfegerin, Sportreporterin...
Aber auch mit den Ersatzberufen hat Rosalinde in der Klasse nicht viel Erfolg. Mädchen, das sagen
alle in der Klasse, werden einmal andere Berufe haben: Lehrerin, Krankenschwester, Friseuse, Verkäuferin, Bürofrau, Kinderärztin...
Von den zwölf Mädchen in Rosalindes Klasse wollen vier Mädchen Lehrerin werden, zwei Kinderärztin, eine Säuglingsschwester, zwei Friseusen, eine Verkäuferin, eine Bürofrau. Nur Rosalinde mag das
alles nicht werden!
Stundenlang, tagelang, wochenlang, monatelang hat sich Rosalinde gut zugeredet. Hat sich eingeredet, dass es doch wunderschön sein könnte, kleinen Kindern sowohl das Einmaleins als auch das
Zweimalzwei zu lehren.
Sie hat sich vorgestellt, wie sie mit einem weißen Häubchen und einem gestreiften Kittel kranken Menschen Fieber misst und Medizin gibt und ihnen aufmunternd zulächelt.
Sie hat sich ausgemalt, wie sie in einem hübschen Frisiersalon steht und einer Dame prächtige Stoppellocken dreht und die Dame lobend zu ihr sagt: „Fräulein Rosalinde, das haben Sie wirklich hübsch
gemacht!“
Verkäuferin-sein hat Rosalinde ausprobiert. Den Schreibtisch hat sie abgeräumt und alles, was im
Eisschrank war, auf den Schreibtisch gelegt. Die Katze ist als Kundschaft zu ihr gekommen. Der Katze
hat Rosalinde Wurst und Käse und Butter verkauft. „Beehren Sie mich bald wieder“, hat sie gesagt,
wenn die Katze mit der Wurst oder dem Käse vom Schreibtisch gesprungen ist.
Rosalinde hat sich auch bei der Mama, die jeden Vormittag in einem Büro arbeitet, genau erkundigt,
was man dort macht. Auch den Kinderärztin –Beruf hat Rosalinde genau überdacht: Impfen, in offene
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Münder schauen, Brüste abhorchen, Puls fühlen, Medizin verschreiben, „du brauchst dich nicht zu
fürchten“-sagen, nach Spital riechen, in einem weißen Zimmer sitzen, viel Geld verdienen, Bäuche
aufschneiden, kranke Kinder zu Hause besuchen...
Nach stundenlangem, tagelangem, wochenlangem, monatelangem Nachdenken hat sich Rosalinde
gesagt: Nein! Das sind ja alles ganz nette und gute und anständige Berufe, aber das ist alles nicht für
mich!
Das ist nämlich alles nichts gegen eine Hochsee-Kapitänin, eine Düsenflieger-Pilotin, eine Raumfahrerin, eine Brückenbauingenieurin - und eine Torfrau!
Der Fredi ist bei Rosalinde zu Besuch. Sie spielen mit dem Geburtstagsbagger und mit dem Baukasten und mit der Autobahn. Rosalinde versucht dem Fredi die Sache mit den Berufen zu erklären. Der
Fredi ist ihr Freund. Der Fredi muss das verstehen.
(Christine Nöstlinger, in: Frauen. Informationsmappe für LehrerInnen, hg. von der Kammer für Arbeiter
und Angestellte in OÖ, 1994, 4. Aufl.)
Schulversager
Vorgeschichte:
Thomas, 15 Jahre alt, ist ein „Schulversager“. Er will mit allem Schluss machen. Da tritt zunächst ein
rätselhafter Fremder auf, der ihm den Weg in ein Leben mit anderen Werten weist. Thomas setzt seinen Willen durch: Er verlässt das Gymnasium und beginnt eine Tischlerlehre.
Die Rückblende setzt mit der Stimme des Lateinprofessors ein: ‚Es reicht nicht.‘ Thomas war bei der
mündlichen Entscheidungsprüfung durchgefallen. Zugleich mit der Stimme des Lehrers vernahm er
die seines Vaters:‘ Das schaffst du doch.‘ Aufmunternd, überzeugt, keinem Einwand zugänglich. Und
dazwischen, als ernüchterndes Echo:‘ Es reicht nicht.‘
Thomas verstaute Bücher und Hefte in seiner Tasche. Er tat es mit der gewohnten Sorgfalt, doch
mit dem dumpfen Gefühl, dass er es zum letzten Mal tat. Er verließ das Klassenzimmer, verließ die
Schule, eilte eine Straße entlang. Seine Schritte beschleunigen sich, ohne dass er sie bewusst schneller setzte. Eine geheimnisvolle Kraft zog ihn fort. Durch Nebelschleier nahm er die Gegenwart einiger
Klassenkameraden wahr. Wortfetzen wischten an seinen Ohren vorbei. Zurufe, die ihn zu trösten
suchten. Ein Satz bohrte sich in seinen Kopf:‘ Dein Alter wird es schon verkraften.‘
Er sah seinen Vater vor sich. Sein nachdenkliches, gutes Gesicht, das über ihn wachte, seit er auf der
Welt war. Der für ihn dachte und plante. Der die Schule für ihn ausgewählt hatte und weit in die Zukunft voraus seine Ausbildung programmierte. Nach der Reifeprüfung sollte sein Weg auf die Universität führen; auch die Studienrichtung stand schon fest: Medizin. Dass Thomas gerade in jenen Fächern
versagte, auf die es ankam, entmutigte seinen Vater nicht. ‘Das schaffst du schon‘, zerstreute er alle
Bedenken. Die zuweilen vorsichtig geäußerten Zweifel der Mutter ließ er nicht gelten.‘ Ein junger
Mensch braucht einen Vertrauensvorschuss. Wie soll er lernen, an sich selbst zu glauben, wenn wir
nicht an ihn glauben?‘
Thomas wusste längst, dass er die Reifeprüfung nie schaffen würde. In der Unterstufe der Allgemein80
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bildenden Höheren Schule war er noch zur Zufriedenheit seiner Lehrer mitgekommen. Auch später
bewältigte er den Stoff einiger Gegenstände halbwegs gut. Er war kein Rundumversager.
Mathematik lag ihm, Darstellende Geometrie machte ihm kaum Schwierigkeiten. In jenen Fächern, die
logisches Denken verlangten oder eine praktische Hand, lag er im Klassendurchschnitt. Mit Fremdsprachen plagte er sich, besonders Französisch und Latein nervten ihn.
Schicken Sie den Jungen doch auf eine andere Schule, hatte ein Professor seinem Vater vorgeschlagen. Seine Begabung liegt im Handwerklichen, das sollten Sie fördern. - Eine Begabung kann man
auch wecken, hatte sein Vater geantwortet und dann ist er über dem Berg.
Thomas sah diesen Berg vor sich. Aus Regeln und Vokabeln türmte er sich unübersteigbar vor ihm
auf. Unermüdlich war er, seinem Vater zuliebe, gegen diesen Berg angerannt. Wie Sisyphus wälzte
er den Stein hoch, glaubte sich am Ziel, da entrollte er ihm wieder. Er war ein Schulversager, das ließ
sich nicht verschleiern. Sein Vater hätte einen klügeren Sohn verdient. Gescheite Väter sollten nicht
mit dummen Söhnen geschlagen werden....“ (S.15ff.)
Thomas reißt aus und trifft unterwegs auf Mark Aurel, einen komischen Kauz, der ihn zu sich auf den
Bauernhof nimmt und zu seinem Freund wird.
„‘Ist dir noch nie der Gedanke gekommen, ein Handwerk zu erlernen?‘
‚Welches Handwerk?‘
‚Tischler zum Beispiel.‘
‚Du hast Ideen! Mein Vater würde dem niemals zustimmen. Er will einen Akademiker aus mir machen.‘
‚Lass deinen Vater aus dem Spiel. Wie du darüber denkst, möchte ich wissen.‘
‚Ich weiß nicht...‘, Thomas betrachtete abwechselnd seine Hände, die Hobelbank, den Bilderrahmen
und Mark Aurel.
‚Was bist du für ein seltsamer Bursche! Du weißt zwar, was du nicht willst, nämlich das Gymnasium
abschließen und dann auf der Universität studieren. Aber was du statt dessen willst, das weißt du
nicht.‘
‚Ich hab noch nie darüber nachgedacht.‘
‚Dann wird’s endlich Zeit.‘
‚Um die Matura komm ich nicht herum. Mein Vater ist überzeugt, dass man ohne Reifeprüfung bald
nicht einmal mehr bei der Müllabfuhr einen Posten bekommt.‘
‚Zuviel Wissen schadet keinem. Dein Vater bildet sich hoffentlich nicht ein, Schlosser, Elektriker, Maurer und Tischler müssten bloß ihre Hände gebrauchen und nicht auch ihren Verstand.‘
Tischler – ging es Thomas durch den Kopf. Mark Aurel hatte ihm damit einen Floh ins Ohr gesetzt, ein
Ziel gezeigt, das er nie erreichen würde.
‚Du musst deinen Vater dafür zu gewinnen suchen. Musst ihm klarmachen, dass du in dieser Schule
am falschen Platz bist.‘
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‚Jetzt hast du meinen Vater ins Spiel gebracht!‘
‚Ganz ohne ihn wird es nun einmal nicht gehen. Vielleicht ist er weniger stur, als du denkst. Ein solches Monstrum von Vater gibt es nicht, der hart bleibt, wenn er seinen Sohn lebend wieder sieht, der
doch um ein Haar tot gewesen wäre.‘
‚Dächte mein Vater so wie du! Aber den kann niemand davon abbringen, aus mir einen Doktor machen zu wollen, ganz egal, wie lang ich dazu auch brauche.‘
‚Und ob du dabei vor die Hunde gehst.‘
‚Er glaubt eben felsenfest daran, eines Tages wird mir der Knopf aufgehen. Aber der geht mir nicht
auf.‘
‚Aus einem Kopf, der mit praktischen Dingen vollgepackt ist, kann man keine Lateingrammatik schütteln.‘
Mark Aurel legte den Rahmen ergrimmt auf die Werkbank zurück. ‚Mein Großvater hat immer gesagt:
Wem der liebe Gott einen Hobel in die Wiege gelegt hat, der soll hobeln lernen. Jeder Mensch soll die
in ihm schlummernden Fähigkeiten entwickeln und nutzen.‘
Er musterte Thomas mit sorgenvollem Blick. ‚Ich kenn ein paar Doktoren, die chauffieren Taxis. Bis die
einmal an einen Patienten herankommen, haben sie vergessen, wo der Blinddarm sitzt. Es wimmelt ja
jetzt schon von Akademikern, deren Kenntnisse nicht gefragt sind. Aber es wird bald nicht mehr genügend Leute geben, die unsere Häuser bauen und unsere Wohnungen einrichten.‘“ (S. 73ff.)
(Textproben aus: Herbert Zinkl, Abgängig. Graz: Styria, 1992)
Alles Meier, oder was?
Int. Protokoll Rossanna Podesta (Roz 0021)
Mein Name ist – keine Ahnung, was ich da sagen soll. Meier? Na gut, Meier, Marina Meier. Ich denke,
dass ich ins Guinness-Buch der Rekorde kommen sollte. Ich glaube, es gibt niemanden, der so viele
Jobs ausprobiert hat wie ich.
Mein Problem ist, dass keiner herausfinden kann, wofür ich mich eigne. Ich stelle mir vor, wenn man
das herausfindet, dann könnte ich in so einem Beruf sehr gut sein und auch viel Geld verdienen. Ich
schaue regelmäßig bei meiner Berufsberaterin vorbei. Ich habe auch schon mehrere Tests gemacht.
Ich sage immer: Es muss doch einen Beruf geben, der für mich passt. Aber denen vom Arbeitsamt fällt
ja auch nicht viel ein. Andere stehen vielleicht auf dem Standpunkt: Ach was, bin ich eben arbeitslos.
Lebe ich eben von der Staatsknete. Ich kenne viele, die so denken. Aber ich will einen richtigen Beruf
haben. Ohne das ist man doch kein Mensch!
Also, mein erster Job, da war ich in so einer Fabrik, dort sollte ich Strümpfe in die Packung falten,
aber dafür hab ich mich nicht geeignet. Entweder die Strümpfe waren richtig gefaltet, dann war ich zu
langsam, oder ich war schnell genug, aber dann waren die Strümpfe nicht richtig gefaltet, das war das
Dilemma, nicht? Heute wird dort das Strümpfefalten von Maschinen gemacht, hab ich gehört.
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AK Berufe fallen nicht vom Himmel
Dann war ich in einem Krankenhaus. Putzen, Essen austeilen, aber das war irgendwie auch nicht
meins. Und was dort alles herumsteht! Und die vielen kranken Leute! Da wurde ich fast selber krank
dabei.
Dann habe ich in einer Haftanstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher geputzt. Da ist gleich am zweiten Tag einer über mich hergefallen.
Na, ich sage zu der Beraterin am Arbeitsamt: Da will ich lieber einen richtigen Beruf lernen, ehe ich
wieder so einen Scheiß-Job nehme. Also schickte sie mich zu einem Konditor. Nur – das war schon
gar nichts für mich, diese klebrige, heiße Schokolade! Der Geruch! Dort ist mir so übel geworden,
dass ich aufhören musste. Ich bin praktisch zusammengefallen, so schlecht war mir.
Also machen wir etwas in der frischen Luft, sagt die Beraterin, machen wir Gärtnerei. Dummerweise
war zu dieser Zeit gerade eine Hitzewelle. Ich bin nach zwei Stunden Erde-Umgraben umgekippt.
Sonnenstich.
Dann hatte ich Krach mit meiner Berufsberaterin, die hat gemeint, ich will sie verarschen. Ich hab
gesagt: Wer verarscht hier wen? Warum gibt´s eigentlich keine Bürostelle für mich?
Also Bürokurs. Und da war es wieder so: Da ging mir alles viel zu schnell! Alles musste zack zack
gehen und dann immer gleich die Frage: Haben Sie das? Nach einer Woche war ich mit den Nerven
fertig. Also sagte ich zur Beraterin: Für Büro eigne ich mich sicher nicht.
Sagte sie: Wissen Sie was, im Herbst beginnt so ein Berufsorientierungskurs. Da sah ich erst, dass es
eine Menge interessanter Berufe gibt: Fotografin, Speditionskauffrau, aber ich wollte eigentlich was
Soziales machen.
Jetzt gibt es im Kurs so ein Berufspraktikum, da hätte ich als Essensausteilerin bei der Caritas arbeiten können, aber das kannte ich schon vom Krankenhaus, das ist nichts für mich. Die Leute nörgeln immer an dem herum, was sie kriegen. Egal, was es ist, es gibt immer welche, denen es nicht
schmeckt, dabei könnten sie doch froh sein, dass sie überhaupt etwas zu essen bekommen, oder?
Als zweites Praktikum wurde mir angeboten: Aufguss machen in einer Sauna. Sicher, das war auch
etwas Soziales sozusagen. Aber das wurde mir dann fast zu viel. Es war nämlich so eine gemischte
Sauna – hm, hm wo Männlein und Weiblein aufeinander herumturnen. Nicht mein Geschmack. Und
dazu diese schreckliche Hitze! Und der Alkoholdunst! Es war nicht so arg wie bei den Schokoladentorten, aber ich hielt es trotzdem nicht aus...“
An: [email protected]
Von: [email protected]
Heute habe ich eine faszinierende Person interviewt. Sie behauptet, über hundert Jobs ausprobiert zu
haben. Von dreißig hat sie mir berichtet, dann musste ich das Interview abbrechen. Vor Erschöpfung.
Marina Meier kann nichts, weiß nichts, ist nicht, es liegt ihr nichts – ist sie nicht wie der „Nowhere
Man?“
Maria Meier wartet unverdrossen darauf, dass jemand kommt und ihr sagt, was sie eigentlich tun will.“
(Pelz Monika, True Stories, Wien: Jungbrunnen 1998, S. 24ff.)
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Rat eines erfahrenen englischen Teenagers
Die Berufsberaterin in der Schule hat mich gefragt, ob ich mir eine berufliche Laufbahn als Herstellerin
von künstlichen Gliedmaßen vorstellen könnte. Ich erzählte ihr von meinen Plänen, Filmregisseurin zu
werden. Als sie endlich aufgehört hatte, sich zu räuspern und herumzustottern, murmelte sie was von
keinen offenen Stellen und dass die Filmindustrie gerade den Bach runtergeht.
Eines muss ich meiner Mutter jedenfalls hoch anrechnen: Sie hat mich in meinem Berufswunsch
immer sehr ermutigt, auch wenn sie es sich nicht nehmen lässt, jedes Mal ihren größten, unerfüllten
Wunsch anzuhängen, der da ist: Hätte SIE doch den Mut gehabt, Filmregisseurin werden zu wollen,
als SIE in meinem Alter war, krümm, stöhn, himmelwärts-gerichteter-Blick-ob–der-verpassten-Gelegenheit ÄTC.
Außerdem herrscht ein großer Unterschied zwischen JOBS, die du für Geld machst, und einer BERUFLICHEN LAUFBAHN, die du aufgrund der langfristigen Befriedigung und hervorragenden Zukunftsaussichten machst (ergo, um jede Menge Kohle zu scheffeln – hüstel, räusper – ich meine
natürlich, um deinen Intellekt gerecht zu werden und dich für eine bessere Welt einzusetzen, ähem).
TIPP:
Mach dir Listen, die alle MÖGLICHKEITEN enthalten. Erkundige dich, welchen Abschluss du dafür
benötigst. Man wird versuchen, dir alles Mögliche ein- und auszureden, halte dich daher an einen
Durchschnittswert. Lass dir keine SEHR schlecht bezahlten Berufsplanungsförderungen einreden, außer du bist sicher, dass du später was daraus lernen kannst (eher SEHR unwahrscheinlich, aber man
weiß ja nie), oder dich mit einem Job abspeisen, bei dem du alten Menschen hilfst, was SEHR, SEHR
nützlich ist, dir aber im besten Fall nur einen zusätzlichen Streberheiligenschein einbringt – soll ja gut
für den Teint sein.
Organisiere eine Kampagne, schreib an deinen Abgeordneten im Parlament, protestiere, tanze nackt
auf den Straßen und fordere TEENAGE-THINK-TANKS mit sehr gut bezahlten Posten und sehr
angenehmen Arbeitsbedingungen ...ähem, ich meine, weil du der Gesellschaft einen Dienst erweisen
willst......
(Textausschnitte aus: Ros Asquith, Boys, Pickel und andere Megasorgen. Ueberreuter: Wien 1996, S.
121-124)
Teenage – Think – Tanks
Ich mache mir große Sorgen, dass mir die Ideen irgendwann ausgehen. Ich bin überzeugt, wenn ich
sie mal wirklich brauche, z.B. wenn ich mir meinen Lebensunterhalt mal selbst verdienen muss, und
das könnte schon sehr bald der Fall sein (waaahhh), sind sie zu Staub zerfallen wie wir eines Tages
selbst (seufz, Kreuz schlagen, mit verklärter Miene gen Himmel blicken ÄTC.).
Tatsache ist, dass Teenager jede Woche mindestens eine Million Ideen haben und Kleinkinder sogar
mindestens eine Billion...
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Meine Lösung: Gebt uns TEENAGE-THINK-TANKS, damit die Gesellschaft in den Genuss der frei
fließenden Brillanz und Energie jugendlicher Genies gelangt, bevor die Blume des Idealismus das
Köpfchen hängen lässt.
Wenn von Ideen die Rede ist, kann das natürlich alles Mögliche heißen: eine Methode, wie man
Kaugummi aus dem Teppich bekommt oder wie eine Weltorganisation auszusehen hat, die sich für ein
Höchstmaß an Frieden, Harmonie, Gerechtigkeit usw. einsetzt. Zum Thema Friede/ Harmonie/ Gerechtigkeit schlage ich vor:
1. Wenn jeder nur auf sich selbst schaut und die Regierung die Leute in Frieden lässt, regelt sich
alles von selbst, gibt es eine adäquate Versorgung mit allen notwendigen Dingen zu vernünftigen Preisen, und ALLES WIRD BESSER.
2. Wenn wir uns umeinander kümmern, alles miteinander teilen, Probleme miteinander besprechen und anstelle der Reichen und Mächtigen das Volk an der Macht ist, WIRD ALLES BESSER, und es wird eine adäquate Versorgung zu vernünftigen Preisen geben.
(Textausschnitte aus: Ros Asquith, Boys, Pickel und andere Megasorgen. Ueberreuter: Wien 1996, S.
121-124, S. 113f.)
Zwischenwände
„Karla begann mit dem Binden.
Seit sechzehn Monaten machte sie nun Kränze.
Die Beamtin auf dem Arbeitsamt hatte gesagt:‚Technische Zeichnerin willst du werden? Oder Auslagendekorateurin? Da sehe ich, ehrlich gesagt, wenig Hoffnung.‘
Sie hatte Karlas Abschlusszeugnis von der ersten bis zur letzten Zeile durchgelesen und dann kummervoll aufgeblickt.
‚Das Zeugnis ....ist nicht gerade berühmt.‘
Unter ihrem Blick trocknete Karlas Mund aus, ihre Finger begannen zu jucken.
Die Mutter hatte die Schließe der Handtasche aufgemacht, zugedrückt, aufgemacht, zugedrückt.
‚Es ist schwierig‘, hatte sie schließlich gesagt, mit ihrer Hochdeutsch-Stimme, die so ganz anders
klang als ihre normale. ‚ Wir sind nämlich beide berufstätig, mein Mann und ich...‘
Die Beamtin hatte genickt. ‚ Natürlich, verstehe ich vollkommen. Aber die Berufe, die Ihre Tochter ausgesucht hat, sind ganz besonders überlaufen. Da können die Betriebe wählerisch sein. Sogar MaturantInnen bewerben sich.‘
Die Beamtin hatte die Mutter angelächelt, obwohl es da gar nichts zu lächeln gab, und die Mutter hatte
zurückgelächelt, über Karla hinweg.
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‚Außerdem beginnt die Ausbildung eigentlich erst ab siebzehn‘, hatte die Beamtin gesagt.
Die Mutter war erschrocken. ‚Das wären ja noch zwei ganze Jahre!‘
‚Ich sehe, Sie verstehen.‘
Dann hatte die Beamtin in einem Stapel von Papieren auf ihrem Schreibtisch herumgesucht und
schließlich ein Blatt herausgezogen und hochgehalten, als sei es das Gewinnlos.
‚Hier haben wir etwas Ähnliches für Ihre Tochter. Ich wusste ja, dass wir etwas finden werden. Blumenbinderin!‘
Karla hatte nichts gesagt.
Mutter hatte sie aufmunternd angesehen und am Ärmel gezupft. Karla hatte weiter geschwiegen. Das
Lächeln auf dem Gesicht der Beamtin war langsam erstarrt und über die Mundwinkel abgerutscht.
‚Du hast doch Blumen so gern‘, hatte die Mutter gesagt.
‚Und sollte sie tatsächlich künstlerisch begabt sein, so ist das doch die ideale Beschäftigung‘, hatte die
Beamtin hinzugefügt.
Dann hatte sie ein Telefongespräch geführt, die Adresse aufgeschrieben und der Mutter gegeben.
‚Wenn sie irgendwelche Schwierigkeiten haben sollte, wenden Sie sich nur wieder an uns.‘
Draußen hatte die Mutter Karla angefahren: ‚Wie du dich benimmst! Was bildest du dir eigentlich
ein? Bist du größenwahnsinnig oder was? Die war doch wirklich nett und alles... Heutzutage muss
man froh sein, wenn man überhaupt etwas bekommt. Schau mich an! Ich wäre froh gewesen, wenn
ich überhaupt eine Lehre hätte machen dürfen. Die Zeiten sind vorbei, wo man sich’s hat aussuchen
können.‘
‚Ja‘, hatte Karla gesagt.
‚Du bist selber schuld! Es wäre ja nicht notwendig gewesen, dass du so ein Zeugnis geliefert hast. Da
darfst du dich jetzt nicht beklagen. Und überhaupt ist Blumenbinderin doch wirklich ein schöner Beruf.‘
Ja‘, hatte Karla gesagt.
Die Mutter war wütend und hatte den ganzen langen Weg gekränkt vor sich hin gestarrt.
Vor der Ladentür hatte sie Karla an der Schulter gepackt. ‚ Jetzt reiß dich zusammen! Sei wenigstens
ein bisschen freundlich, ja?‘
Dann hatten die Mutter und die Chefin miteinander geredet. Karla war daneben gestanden und war
sich vorgekommen wie eine Sache.“
(Leseprobe aus: Renate Welsh, Zwischenwände oder Warum habe ich nie gefragt? Rowohlt : Reinbeck bei Hamburg 1980, rororo rotfuchs TB 249)
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AMS
„Gabi saß vor der Tür der Arbeitsamtsberatung und versuchte sich auf ihre Zeitung zu konzentrieren.
Aber ihre Gedanken liefen immer wieder davon. So war sie auch vor einem dreiviertel Jahr hier gesessen und hatte gedacht: Na, für eine Gymnasiastin werden sie sicher eine Menge Angebote haben!
Ich muss nur aufpassen, dass ich nicht den erstbesten Job nehme! In Ruhe überlegen – mit dem
Papa besprechen...
Und dann hatte die Beraterin bloß den Kopf geschüttelt. ‚AHS-Abbruch, da schaut´s schlecht aus,
da gibt es viele! Welche Fremdsprache? Nur Englisch? Tut mir leid. Wenn Sie wenigstens noch eine
zweite Fremdsprache könnten! Warum sind Sie denn überhaupt von der Schule abgegangen? Ihr
Zeugnis ist doch gut!‘
Gabi hatte davon gesprochen, dass sie arbeiten wollte, Geld verdienen, möglichst bald auf eigenen
Füßen stehen. In der Schule lernten sie ja nichts Richtiges.
‚Da hab ich lieber mit achtzehn schon ein paar Jahre Praxis!‘
‚Es tut mir leid, eine Bürostelle haben wir jetzt nicht mehr. Eventuell im Verkauf –‚
Aber als Verkäuferin hatte Gabi damals nicht arbeiten wollen. Sie wollte lieber zuwarten – sich umsehen ...
Und jetzt? Jetzt würde sie sogar zum Ölschlegel in die Papierhandlung gehen. Nur nicht wieder zu
Hause sitzen, die Zeitungen von hinten bis vorne studieren, sehnsüchtig auf den Briefträger waren,
das enttäuschte Gesicht von der Mama sehen müssen, wenn wieder nichts dabei war, die Eltern
Abend für Abend beschwichtigen, wenn sie doch selbst Trost gebraucht hätte!
Drei Monate hatte sie sich vergeblich umgesehen.
Endlich war der Munninger gekommen, der Freund vom Papa:
Jemanden wie Gabi suchten sie im Reisebüro ‚Kosmo-Tours‘: ein intelligentes Mädchen, gute Allgemeinbildung, gutes Englisch.
Gabi war selig gewesen: Flug- und Schiffschalter‘, das hatte einen tollen Klang.
Die Wirklichkeit war weniger toll: Adressen in den Computer tippen, Prospekte falten, Postsäcke
schleppen.
Aber Marion hat schließlich auch einmal angefangen! Und jetzt verdient sie viel und fährt ein neues
Auto und hat eine Eigentumswohnung...
Die Tür des Beratungszimmers öffnete sich, Gabi war an der Reihe...
Die Beraterin studierte ihre Papiere, fütterte den Computer mit ihren Daten. Gabi hatte Angst, dass sie
schimpfen würde, weil sie aus ihrem letzten Job geflogen war, aber der Beraterin fiel es gar nicht ein
zu schimpfen. Gabi war für sie eine Klientin. Irgendetwas musste für sie getan werden.
‚Arbeitslosengeld kriegen Sie noch keines‘, sagte die Beraterin.
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‚Wieso?‘ fragte Gabi bestürzt.
‚Weil Sie nicht lang genug in einem Beschäftigungsverhältnis waren. Sie müssten ein arbeitslosenversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis von zweiundfünfzig Wochen in den letzten vierundzwanzig Monaten vorweisen.‘
Gabi war stumm. Nicht einmal Geld kriegte sie!
‚Oder haben Sie bereits einmal Arbeitslosengeld bezogen?‘
Gabi schüttelte den Kopf.
‚Sonst wären nur zwanzig Wochen arbeitslosenversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis für
die letzten zwölf Monate nötig!‘
Die Beraterin leierte die langen Wörter herunter, die sie so oft sagen musste.
Sie fuhr fort. ‚Ich könnte Ihnen einen Überbrückungskurs anbieten, da würden Sie zirka dreieinhalbtausend Schilling im Monat bekommen. Aber der beginnt erst im Herbst. Außerdem – so etwas ist eher
für Hauptschulabsolventen gedacht. Was Sie dort lernen würden, können Sie vermutlich alles schon.
Und einen Stenotypiekurs haben Sie schon im vergangenen Sommer absolviert, wie ich sehe –‚
Gabi nickte.
‚Vielleicht kann ich Sie in einem Kurs für moderne Bürotechnik unterbringen. Aber die Kurse beginnen,
wie gesagt, erst im September, und sie sind sehr überlaufen. Am besten ist es, wenn Sie sich inzwischen selbst umsehen. Oder vielleicht überlegen Sie sich eine andere Berufssparte –‚
‚In welchen Berufen gibt‘s denn mehr Chancen?‘, wollte Gabi wissen.
Die Beraterin seufzte unwillkürlich. Sie schien am Ende ihrer Weisheit.
‚Und wenn Sie eine Stelle für mich haben, werde ich benachrichtigt? Oder soll ich einmal in der Woche herkommen?‘, fragte Gabi schüchtern.
‚Ja, natürlich! Sie sind ja in unserem Computer. Wenn wir etwas haben, werden Sie angerufen!‘
Nur ein Job! dachte Gabi und wenn es Verkäuferin ist!“
(Textausschnitt aus: Monika Pelz, Reif für die Insel. Jungbrunnen: Wien 1987, S.41 f)
Das Maulwurf-System
Die Schule von Alter, Rob, Annemieke, Herman, Sjaak und Linda ist ein Experiment. An dieser Schule
gelten nur zwei Regeln. Dass diese auch eingehalten werden, dafür sorgt Maulwurf, der Klassenvorstand. Mit ehrlichem Engagement setzt er sich für seine Schüler ein und begleitet sie durch ein turbulentes „letztes“ Schuljahr. Ein Jahr, in dem in Sachen Freundschaft, Solidarität und Liebe viel passiert,
in dem die unerträgliche Leichtigkeit des Erwachsenwerdens erlebt wird und in dem Entscheidungen
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getroffen werden müssen.
„Unsere Schule war ein Experiment. Sie hatte nur drei Klassen und darin waren Jungen und Mädchen,
die ‚noch nicht wissen, was sie wollen‘.
Es scheint normal zu sein, mit dreizehn oder vierzehn schon genau zu wissen, was man mit seinem
Leben anfangen möchte, also waren wir nicht normal. Diejenigen, die nach der Grundschule in die
Regelschule gingen, glaubten wahrscheinlich, wir seien geistig minderbemittelt, aber ich selber, zum
Beispiel, bin überhaupt nicht dumm, und die anderen waren es genauso wenig....(S.5)
Maulwurf war der Chef unserer Minischule und außerdem unser Klassenlehrer. Er hieß natürlich nicht
Maulwurf, sondern Van Akker oder so. Wir nannten ihn Maulwurf, weil er so aussah: klein und sehr
breit, mit Händen wie Kohlenschaufeln – man wunderte sich, dass sie einen Stift oder ein Stück Kreide
festhalten konnten.
Wir waren vielleicht alle etwas ungewöhnlich, aber er war der Verrückteste von uns allen. Es war ihm
absolut egal, was genau man tat in der Schule; man durfte seinetwegen ein ganz eigenes Programm
zusammenstellen oder auch gar nichts machen, doch hatte er zwei Regeln:
1 Benimm dich höflich und belästige niemanden, denn deine Freiheit endet dort, wo die eines
anderen anfängt.
2 Wenn du entscheidest, etwas zu machen, dann tue es so gut du kannst.
Wir fanden das komisch, denn in unseren früheren Schulen gab es immer ellenlange Schulordnungen.
Aber wir bemerkten bald, wie genial diese Regeln waren.
Wenn man zum Beispiel sein Zeug in der Klasse herumliegen ließ oder laut quatschte, während andere arbeiteten, wurde er wütend und sagte:‘ Für wen hältst du dich, dass du meinst, jemand anders wird
dein Chaos aufräumen?
Regel Nummer 1!‘ Oder: ‘Dass du dich langweilst, ist dein Problem, aber du störst uns, du verstößt
also gegen Regel Nummer 2!‘
Annemieke wurde es irgendwann mal zu viel. ‘Diese blöden Regeln!‘, rief sie.‘Ich hätte lieber zwanzig,
die man ab und zu abschreiben muss.‘
Maulwurf sagte huldvoll:‘ Auf diesen zwei Regeln beruht die Demokratie, Mädchen. Wenn du lieber
einen Polizeistaat hast, kannst du gehen. Die gibt es genug, brauchst nur die Zeitung zu lesen.‘ (S.8f.)
‚Uns wird es nur noch dieses Jahr geben‘, sagte Maulwurf. ‚Dann ist Schluss. Wir werden uns ins
Gymnasium nebenan eingliedern müssen....Ihr sollt euch jedenfalls klarmachen, dass ihr euch an ein
anderes System gewöhnen müsst. Eine normale Schule also, mit normal großen Klassen und nicht
mehr so viel Aufmerksamkeit für euch Individualisten.‘
‚Findest du uns individualistisch?‘, fragte ich. ‚Ich finde uns stinknormal.‘
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‚Ich finde niemanden normal‘, sage Maulwurf. ‚Ich meine, dass alle Menschen in gewisser Weise Individualisten sein müssten, mit eigenen Ideen über ihr Leben. So denkt aber nicht jeder.‘
Vielleicht sollte ich noch etwas über dieses System von Maulwurf erzählen, das eigentlich kein System
war. Er war der Meinung, dass jeder Mensch gerne etwas lernt, aber nur aus eigenem Antrieb. Wenn
jemand keine Lust dazu hat, na, dann eben nicht......
Mir ging es nicht besonders gut. So auf einmal, ich wusste selber auch nicht, wie es kam. Von einem
Tag auf den anderen hatte ich mich sozusagen von einem relativ munteren Kerlchen in einen trübsinnigen Grübler verwandelt. In der Schule tat ich nicht viel. Ich starrte ins Leere, war kurz angebunden
und durchwegs ziemlich arrogant, glaube ich. Zu Hause hörte ich Platten, las stundenlang und stritt
mich mit meinem Vater herum, der fand, dass ich am Ende des Schuljahre nicht ins Gymnasium gehen sollte, sondern eine Lehre anfangen (‚in die Lehre gehen‘, wie er sagte). Dann könnte ich Tischler
werden.
Mein Vater war Tischler.
Wir wohnten über der Werkstatt, wo es nach Holz und Leim roch und wo ich es immer unheimlich
gemütlich gefunden hatte, als ich noch klein war.
Neben meinem Vater arbeitet dort noch Victor, ein alter Geselle. Victor sah aus wie ein Kobold. Er war
klein und krumm, trug immer einen Arbeitsanzug aus braunem Cord und eine Mütze und war unglaublich stark. Er priemte, erzählte immer von früher und ging nie zum Zahnarzt, wie sehr mein Vater auch
auf ihn einredete. Wenn ihm ein Zahn Ärger machte, suchte er sich eine geeignete kleine Zange aus
dem Werkzeugkasten und zog ihn selber.
Mein Vater war groß und meistens gut gelaunt, wenn auch etwas wortkarg. Wenn er bei der Arbeit
war, sah man ihm an, dass er sein Handwerk liebte: die verschiedenen schönen Holzsorten für Türen,
Fenster und Tische, das gut gepflegte Werkzeug und sogar die Nägel und Schrauben.
Als kleiner Junge spielte ich oft in der Werkstatt zwischen den Holzspänen und ich war mir sicher,
dass ich später auch Tischler werden wollte. Jetzt wusste ich ganz genau, dass ich das nie werden
wollte.
‚Was willst du dann machen, verdammt noch mal?‘, fragte mein Vater.
‚Intelligenzler‘, sagte Victor. ‚Arbeitsscheuer Tintenkleckser.‘
Grinsend ließ er seine paar übriggebliebenen braunen Zähne sehen und spuckte den Kautabaksaft in
eine alte Blechbüchse, denn mein Vater erlaubte ihm nicht, auf den Boden auszuspucken.
‚Weiß ich nicht‘, sagte ich giftig. ‚Tischler auf jeden Fall nicht.‘“ (S.59f.)
(Willem van Toorn: Karotte, Maulwurf & die erste Liebe. Mödling: Verlag St. Gabriel 1995)
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Eine Entscheidung fürs Leben
Vorgeschichte:
Die vierzehnjährige Elena muss fleißig in der elterlichen Pension eines Tiroler Ferienortes mithelfen,
soll sie doch später das Haus übernehmen. Daher halten die Eltern eine Berufsausbildung für unnötig,
obgleich Elena sich für technisch-mathematische Fächer sehr interessiert. Je mehr das Mädchen über
seine Zukunftsaussichten nachdenkt, umso mehr bedauert es, den Beruf nicht frei wählen zu können.
Erschüttert vom Freitod Susettes, der schönen, reichen, doch drogensüchtigen Hotelierstochter, erkennt sie, wie wichtig es ist, selbstverantwortlich über das eigene Leben zu entscheiden. Sie ringt sich
zu einer entscheidenden Aussprache mit den Eltern durch, die „in der Stille vor dem Sommer“ bereit
sind einzulenken.
„ ‚Ende der nächsten Woche geht die Frist für die Einschreibung zu Ende.‘
‚Für welche Einschreibung?‘, fragte die Mutter.
‚Für die Einschreibung in die HTL‘, sagte Franz (Elenas älterer Bruder).
‚Elena möchte ab Herbst die HTL besuchen. Sie hat es euch noch nicht gesagt. Aber nun ist es
höchste Zeit, dass ihr es endlich erfährt.‘
‚HTL? Einschreibung?‘, die Mutter schüttelt den Kopf. ‚Was sind denn das für Ideen? Das sind mir
Neuigkeiten! Davon höre ich heute zum ersten Mal!‘...‘Wir haben doch schon längst beschlossen,
dass Elena nach dem Poly daheimbleibt, um mir zu helfen, wenn sie doch dann die Pension übernimmt. Elena, du warst doch einverstanden! Was ist denn jetzt auf einmal los?‘
‚Und überhaupt! Denk einmal selbst! Die HTL dauert fünf Jahre! Fünf Jahre!‘
‚Und das, nachdem du praktisch ein Jahr mit dieser Polytechnischen versäumt hast‘... ‚
‚Hirnrissig ist das. Einfach hirnrissig!‘
‚Und wir, wir rackern uns ab, Vater und ich, wir arbeiten und sparen, damit du dich nur ins gemachte
Nest setzen brauchst...Aber warum, Elena? Warum willst du mir nichts, dir nichts, alle ausgemachten
Pläne über den Haufen werden? Ich komm` da einfach nicht mit!‘
‚Ja, vielleicht, ich weiß nicht, aber Mathe habe ich immer gern gehabt. Schon in der Volksschule habe
ich gespürt, dieses Gefühl, ja, wirklich das Gefühl, durch Zahlen lebendig zu sein. Durch den Umgang
mit Zahlen mich lebendiger zu fühlen. Vielleicht wäre ich deshalb schon gerne weiter auf eine richtige
Schule gegangen. Nur weil ich, also, dass auch ich, als Mädchen sozusagen, und will ich ja wirklich
die Pension..‘ Elena brach ihr Gestammel ab. Plötzlich fühlte sie sich völlig hilflos. So oft hatte sie sich
in den letzten Tagen genau zurechtgelegt, wie sie den Eltern ihr neues Vorhaben darlegen würde, wie
sie es bewerkstelligen wollte, der Mutter trotzdem weiter zu helfen, wenigstens ein bisschen. Nun war
es so weit, und sie brachte nichts zustande, als dumm herumzustottern und alles zu verderben...
Der Vater fasste sich als Erster... Dann sagte er: ‚Phantasie! Gedankenspielereien! Aber es gibt viele
triftige Gründe dafür, dass Elena diese Schule nicht besucht und statt dessen in den Betrieb einsteigt
jeder von uns kennt die Gründe. Wir haben bereits hundertmal darüber gesprochen. Die Mutter ist
nicht gesund, sie braucht Hilfe, und Elena wird einmal die Pension übernehmen. Diese HTL, das ist
einfach unnötiger Luxus. Dazu kommt noch, dass wir es uns einfach nicht leisten können, noch ein
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Kind studieren zu lassen. Wenn sie den Betrieb übernimmt, dann hat sie eine gesicherte Existenz.‘....
Elena hatte sich wieder zu Tisch gesetzt. Ihr Herz klopfte bis zum Hals. Nein, sie hatte nichts gesagt.
Sie hatte überhaupt wenig zum Thema beigetragen. Es war ja alles bereits abgesprochen und geregelt gewesen. Die Eltern hatten alles geplant. Und sie hatte sich ins unvermeidlich Scheinende gefügt.
Es war auch lange Zeit recht passabel erschienen. Die Pläne der Eltern hatten durchaus ihre positiven
Seiten. Eigenen Besitz zu haben, später einmal. Auch wenn die Arbeit fad und langweilig war, sich von
keinem Chef herumkommandieren lassen zu müssen, war auch etwas wert. Und vor allen Dingen,
die Mutter baute auf sie. Es war schwer, eine Mutter, die auf einen baut und die einen gern hat, zu
enttäuschen. Aber seit sie die Möglichkeit ins Auge gefasst hatte, diese Schule, die HTL, zu besuchen,
die ihr ermöglichte, hinter die vielen Geheimnisse der Zahlen zu kommen, und dann, nach Abschluss,
eine Arbeit zu suchen und vielleicht zu finden, die aller Mühe wert war, hatten sich Elenas Werte verschoben. Trotz des bohrenden Kummers um Franz, trotz des bitteren Mitleids mit Susettes, spürte sie
im Innersten das etwas konfuse Gefühl großer Hoffnung.
Diese Hoffnung aber hing davon ab, wie sich ihr weiteres Leben gestaltete; nicht von den finanziellen
Möglichkeiten, sondern vom eigenen Tun. Es stimmte schon, es war schwer, die eigene Mutter zu enttäuschen, aber noch schwerer, weil unheilvoller, war es, mit offenen Augen in sein Unglück zu rennen.
‚Ich möchte die Schule wirklich gerne machen... Mutti, bitte, versteh mich doch!‘, bat sie.
Die Mutter schaute Elena mit schüchternen Augen an. ‚Elena, hast du schon vergessen? Wir haben
doch oft darüber gesprochen, wie nett wir es gemeinsam haben könnten. Wir zwei zusammen, wir
sind doch ein gutes Team, oder?‘....
Vater schüttelte den Kopf, dann polterte er los: ‘Dummheit! Eine ausgesprochene Dummheit, eine
technische Schule für ein Mädchen! Als Mädchen hast du es ja noch schwerer! Wer stellt schon eine
Frau an, wenn er ums gleiche Geld einen Mann haben kann.‘
‚Darüber brauchen wir uns die allergeringsten Sorgen zu machen!‘, sagte Franz. ‚Wenn heutzutage
etwas Zukunft hat, dann sind das technische Berufe. Und da sind auch Frauen gefragt. Und mit der
richtigen Ausbildung kann sie mit jedem Mann konkurrieren.....
Der Vater rührte in seiner Tasse herum. Zuerst hatte Franz, der Sohn, der Älteste, seine Erwartungen
enttäuscht. Dann war Elena die Hoffnungsträgerin gewesen. Elena mit ihren geschickten Händen. Mit
ihrem Talent für alles Häusliche, aber auch im Umgang mit den Gästen. Nun wollte auch sie sich davonstehlen aus dem Betrieb. Er schaute die Mutter an. ‚Luisa, was meinst du? Du musst entscheiden,
denn du hast die meiste Last zu tragen.‘
Die Mutter wischte sich mit beiden Händen über die Stirn...sie schluckte ein-, zweimal, bis sie die
Kehle frei hatte, um zu sagen:
‚Du weißt, Paul, ich bin die Letzte, die sich dem Glück ihrer Kinder in den Weg stellt.‘“
(Textproben aus: Rosmarie Thüminger, Elena. Dachs Verlag: Wien 1997, S. 131f., S. 136ff.)
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Nicht der letzte Dreck sein
Vorgeschichte:
Nach Schulabschluss möchte Elisabeth Buchhändlerin werden, findet aber keine Lehrstelle. So entschließt sie sich zum Besuch der Krankenpflegeschule. Ein neues, eigenständiges Leben beginnt: Mit
einer zweiten Schwesternschülerin teilt sie ein
Zimmer im Schwesternheim und bemüht sich sehr die Ausbildung zu schaffen. Der theoretische Lernstoff ist schwierig und umfangreich, die Praxisübungen in der Kinderabteilung der Klinik sind anstrengend und oft demütigend.
Aus einem Gespräch der vier Schwesternschülerinnen Elisabeth, Paula, Rita und Anni:
„ ‚Die Vorlesung war wirklich sehr interessant‘, sagte Paula, die neben Elisabeth ging. ‚Ganz toll! Ich
bin mir wie eine richtige Studentin vorgekommen.‘
‚Ich weiß nicht. Ich habe große Schwierigkeiten gehabt. Mir war vieles zu hoch. ich glaube, ich habe
nur wenig verstanden.‘
‚Nun ja, wir benötigen ein bisschen Zeit. Ist ja klar. Wir müssen uns erst an die Vorträge gewöhnen.
Aber das kommt schon.‘
‚Glaubst du wirklich, wir brauchen für unsere Arbeit diese ganze Theorie?‘
‚Na klar! Die theoretische Ausbildung ist sehr wichtig.‘
‚Aber wir sollten doch in erster Linie gute Pflegerinnen werden. Dazu ist es doch nicht notwendig, dass
wir sämtliche Knöchelchen und Muskeln des menschlichen Körpers auf Lateinisch wissen.‘
Paula lachte auf. ‘Keine Angst! So genau lernen wird das nicht. Leider. Je höher unser Wissensstand,
desto mehr werden wir akzeptiert.‘
‚Mir kommt vor, das Wichtigste ist, dass wir lernen, unsere Patienten gut zu pflegen. Und dass wir das
dann auch tun. Verstehst du, was ich meine? Pflegen. Zuwendung geben. Geduldig sein.‘
‚O Gott, du bist aber eine Idealistin.‘
Elisabeth spürte, wie sie rot wurde. Sie wollte keine weltfremde Idealistin sein. Aber wenn sie schon
keine Buchhändlerin werden konnte, dann wollte sie wenigstens eine gute Kinderkrankenschwester
werden. Und dazu gehörte auch, dass man sich für die kranken Kinder aufopferte und seine Bedürfnisse zurücksteckte und nur die Interessen der Patienten im Auge hatte. Oder? Sie traute sich nichts
mehr zu sagen. Sie hatte Angst, von Paula missverstanden zu werden.
‚Weißt du, heute ist die Medizin auf einem so hohen technischen Stand, dass auch die theoretische
Ausbildung ein entsprechendes Niveau haben muss.‘
Elisabeth nickte. Ja, das leuchtete ihr ein. Als Schwester musste man mit komplizierten wissenschaftlichen Geräten umgehen können. Dazu gehörte nicht nur die Bedienung, sondern auch das Verständnis für ihre Funktion. Aber zurzeit lernten sie Anatomie, und nach dem Willen des Professors mussten
sie anscheinend die Namen von hunderten Knöchelchen und Knörpelchen auswendig lernen.
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‚Je mehr man weiß und kann, desto weniger braucht man sich gefallen lassen.‘
‚Wie meinst du das, Paula?‘
‚So wie ich es sage. In vielen Krankenhäusern herrscht noch immer eine starre Hierarchie. Eine wirklich fundierte Ausbildung der Schwester ist die wirksamste Waffe dagegen.‘
Waffe? Elisabeth wusste nicht, was sie darauf sagen sollte. Sie schaute Paula fragend an.
‚Ich habe keine Lust, mich mein Leben lang von Ärzten herumkommandieren zu lassen. Auch nicht
von Oberschwestern und Stationsschwestern. Deshalb mache ich ja diese Ausbildung....
Ich war zwei Jahre im Gastgewerbe beschäftigt gewesen, davon eineinhalb Jahre in einem großen
Berghotel in der Schweiz. Da bist du der letzte Dreck. Ich habe keine Lust, mein Leben lang der letzte
Dreck zu sein. Deshalb will ich das Pflegerinnendiplom machen. Verstehst du? Ich werde alles lernen,
was es zu lernen gibt, und ich werde die Schule mit Auszeichnung machen....‘
‚Hui, bist du aber ehrgeizig!‘ meinte Elisabeth.
Paula zuckte die Schultern. ‚Ehrgeizig? Ich weiß nicht. Vielleicht. Ich will einfach ein besseres Leben
für mich. Das ist alles. Und diese Ausbildung verspricht mir das. Deshalb mach´ ich sie.‘
Und die kranken Kinder? wollte Elisabeth fragen. Aber sie traute sich nicht. Womöglich hielt Paula sie
erst recht für eine hoffnungslos weltfremde Person.
Anni machte die Schwesternschule, weil sie sich von einer nützlichen Arbeit ein sinnvolleres Leben
versprach.
Paula wollte sich durch die Ausbildung ihre persönliche Situation verbessern.
Und Elisabeth selbst? War für sie diese Schule wirklich nicht mehr als eine schlechte Alternative zum
Buchhandel?‘
(Textausschnitte aus: Rosmarie Thüminger, Schwesternschülerin Elisabeth. Dachs Verlag: Wien 1993,
S. 12ff.)
„Rausweg“
„Ich wollte allein sein, hatte genug davon zu tun, was von mir erwartet wurde, zu sein, was andere
wollten: der brave Sohn ehrgeiziger Eltern. Der gewissenhafte Schüler, der büffelte, um es an die Uni
zu schaffen. Der nette Kumpel, der sich den langweiligsten Freizeitaktivitäten hingab, nur um Geselligkeit zu demonstrieren. Der treue Lover, der seit zehn Monaten mit seiner Freundin ging.. .Und das
ganze übrige Zeug, das als normal gilt.
Kurzum, ein Darsteller in anderer Leute Stücken. Und ich hatte die Schnauze voll vom Rollenspiel. Ich
wollte überhaupt nichts mehr spielen. Nicht den Sohn, nicht den Schüler, nicht den Freund und auch
nicht den Lover. Ich wollte einfach nur sein.
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Und zwar allein.
So um Weihnachten herum – Gott, was muss man zu Weihnachten für ein Theater spielen! – überkam
mich die Große Depression.
Meine Eltern erklärten es zunächst mit der Angst vor der Abschlussprüfung. Für die Lehrer war es nur
ein Nebeneffekt der Tatsache, dass ich meinen Altersgenossen ein Jahr voraus war, plus Erschöpfung
– der Preis, den jeder Überflieger im harten letzten Jahr zahlen muss.
‚Halt durch‘, sagten sie. ‚Im Sommer kannst du dann ausspannen.‘
Gegen Ostern war das, was mein Vater meine Trübsinnsanfälle nannte, nicht mehr ein gelegentliches
Abgleiten in Phasen des Schlecht-Draufseins, sondern ein einziges, monströses Elend. Selbst meine
Freundin Gill fing an sich zu beschweren. Sie war es, die mich, angestachelt von meiner Mutter, dazu
brachte zu unserem Hausarzt zu gehen. Der untersuchte mich auf Drüsenfieber, verniedlichend auch
Kusskrankheit genannt (negativ), Diabetes (o.B.), Blutarmut (vollblütig), diagnostizierte schließlich
einen chronischen Fall von guten alten Wachstumsbeschwerden und verschrieb mir eine Vitaminkur.
Eine öde tägliche Prozedur mehr.
Ergebnis: Der Trübsinn wurde immer schlimmer und brachte dräuende Wolken von Kopfschmerzen
mit sich, die sich in plötzlichen Wutausbrüchen entluden, welche wiederum damit endeten, dass ich im
Streit alles zerdepperte, was irgend zerdepperbar war, bevorzugt den Lieblingsnippes meiner Mutter.
Ansonsten verbrachte ich, wenn ich nicht für die Schule ackerte, hinter meiner verschlossenen Zimmertür Stunden damit über die befriedigenderen Aspekte des Schnauze-Vollhabens und die potentiellen Vorteile des Selbstmords zu sinnieren. Zu letzteren zählte ich unter anderem die Genugtuung andere mitzunehmen, insbesondere Gill (purer Trotz: konnte sie nicht den Grapschpfoten anderer Leute
überlassen) und ein paar von den besonders munteren Arschlöchern in der Schule (Rache, weil einen
nichts so rasend macht, wenn man deprimiert ist, wie anderer Leute gute Laune).
Einer meiner Wutanfälle trieb die Sache schließlich auf die Spitze. Jetzt, da die Prüfungen vorbei
waren, wollte niemand mehr diesen Jammerlappen betütteln (außer natürlich Mutter). Und Gill war es,
die den Sturm entfesselte, der damit endete, dass ich befand, jetzt sei Schluss.
Die Leute widerten mich an.
Ich widerte mich selbst an. Ich wollte raus.
Der Rausweg eröffnete sich bei der Lektüre der Stellenangebote.
(Tja, wenn man deprimiert ist, lässt man nichts unversucht. Gleich unter Kondom-Tester gesucht – helfen Sie einem führenden Gummi-Hersteller bei der Gestaltung der nächsten Top-Kollektion -...., stand
da:
Jg. Aufsichtspers. f. Mautbrücke
v. Priv. auf Zt. ges., besch. Entg., geringer
Arbeitsumf., fr. Unterk. in Brückenhaus
Ref. erf. Ch 365
‚Du wirst verhungern‘, frotzelte mein Vater. ‚Du kannst doch nicht einmal ein Ei kochen!‘
‚Wer soll dir die Wäsche waschen?‘, jammerte meine Mutter. ‚Ich werde mich zu Tode sorgen. Du ganz
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allein da draußen, keine Nachbarn, kein Telefon. Da kann doch sonst was passieren.‘
‚Das sind drei Stunden von hier, sogar mit dem Auto‘, zeterte Gill. ‚Wie sollen wir uns sehen?‘
‚Heiße Karriere‘, spuckten die Freunde verächtlich.
‚Den ganzen Tag rumsitzen und ein paar Autofahrern Geld abknöpfen ist wohl nicht gerade eine geistige Herausforderung‘, meinten die Lehrer. ‚Wenn Sie für eine Weile rausmöchten, dann gehen Sie ins
Ausland, schauen Sie sich die Welt an, sammeln Sie Erfahrungen, aber vergraben Sie sich nicht in
einem perspektivlosen Job mitten im Nichts.‘ “
(Textausschnitt aus: Aidan Chambers, Die Brücke. Ravensburger Buchverlag: Ravensburg 1994,
S. 10-12)
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Tipps & Anregungen & Training TAT 1
Was soll ich tun?
Wenn man eine schwerwiegende Entscheidung zu treffen hat, ob man nach Beendigung der Pflichtschulzeit weiter in die Schule oder lieber gleich arbeiten gehen soll, dann kann die Erstellung einer
Mind Map1 sehr hilfreich sein.
Sollst du JA oder NEIN sagen, „GEHEN“ oder „BLEIBEN“?
Mit einer Mind Map kannst du alle positiven und negativen Aspekte deiner Möglichkeiten abwägen.
Beachte jedoch Folgendes:
•
Überlege dir, ob es sich um eine Entscheidung mit zwei (ja/nein; entweder/oder) oder mehreren
Möglichkeiten handelt. Dementsprechend beginnst du damit, zwei oder mehrere Hauptäste zu
zeichnen.
•
Dann fügst du auf den Zweigen deiner Mind Map alle positiven und negativen Einzelheiten zu
jeder Möglichkeit hinzu. Je mehr Einzelheiten du anführst, desto offensichtlicher wird die richtige
Entscheidung werden. Übersichtlicher wird es, wenn du für die positiven und negativen Aspekte
jeweils eine eigene Farbe wählst.
•
Dann solltest du eine Pause machen.
•
Anschließend schau dir deine Skizze nochmals an. Versuche dir über die Gefühle, die die verschiedenen Möglichkeiten bei dir auslösen, klar zu werden. Schreibe sie dir eventuell dazu oder
verwende +++,++,+, o, -, --, --- !
•
Wenn etwa gleich viel für die verschiedenen Möglichkeiten zu sprechen scheint, dann triff die
Entscheidung, bei der du das beste Gefühl hast.
•
Es ist nicht gut, zu lange keine Entscheidung zu treffen und weiter nachzudenken. Sobald du
merkst, dass deine Gedanken beginnen, sich im Kreis zu drehen, solltest du ohne weitere
Verzögerung eine Möglichkeit auswählen. Es ist besser, sich irgendwie zu entscheiden, als wie
gelähmt nichts zu tun.
•
Nachdem du eine Entscheidung getroffen hast, kannst du gleich planen, wie du sie in die Tat
umsetzt – am besten gleich mit einer weiteren Mind Map.
•
Wirf deine Entscheidungs-Mind Map nicht gleich weg, sondern hebe sie dir auf und schau sie
dir nach einem halben oder einem Jahr nochmals an. Dann kannst du beobachten, was dir
deine Entscheidung gebracht hat. Würdest du nochmals diese Wahl treffen? Was hast du aus
deiner Vorgangsweise gelernt?
1 Beispiel aus: Buzan Tony/ North Vanda: Mindmapping. Der Schlüssel für deinen Lernerfolg!, Wien: hpt 1997, S. 74 f.
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ENTSCHEIDUNGSMINDMAP
“Mind Mapping ist für das Zeitalter der Raumfahrt und Computer,
was linear strukturierte Konzepte für das Mittelalter bzw. angehende Industriezeitalter waren.“ (Tony
Buzan)
„Mind Mapping“ bedeutet übersetzt etwa das «Zeichnen einer Ideenlandschaft». Hierbei werden die
Gedanken gleich sortiert. Das Prinzip ist einfach:
•
In der Mitte steht das Thema,
•
davon gehen große Äste ab, die für wichtige Unterthemen stehen;
•
von diesen Ästen gehen wieder kleinere Äste ab mit Gedanken zum Unterthema;
•
von diesen Gedankenästen gehen ebenfalls wieder Verästelungen ab, etc.
Ein Anwendungsbeispiel2 :
2 Beispiel:http://paedpsych.jk.uni-linz.ac.at/peadpsych/lernen
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Die Grundregeln der Mind-Map-Technik 3
1 Man beginnt mit einem farbigen Bild in der Mitte. Denn „ein Bild sagt mehr als tausend Worte“;
es regt kreatives Denken an und prägt sich dem Gedächtnis besonders gut ein.
2 Auch sonst kann man Bilder in die Mind Map einfügen, um alle Gehirnprozesse zu stimulieren.
3 Die Wörter sollten in Druckschrift mit Großbuchstaben geschrieben werden. Beim Nachlesen
gibt die Druckschrift ein fotografischeres, unmittelbareres und verständlicheres Bild. Die für diese Schriftart aufzuwendende zusätzliche Zeit wird durch die Zeitersparnis bei der Auswertung
mehr als wettgemacht.
4 Die Wörter sollten auf Linien geschrieben und jede Linie mit anderen Linien verbunden sein.
Dadurch wird die Grundstruktur der Mind Map deutlich.
5 Wörter sollten in Einheiten angeordnet sein, ein Wort je Linie. Das lässt für jedes Wort mehrere
offene „Haken“ und gibt den Aufzeichnungen mehr Freiheit und Flexibilität.
6 Man verwendet durchgängig Farben. Sie erhöhen die Übersichtlichkeit und lassen die Zusammenhänge deutlicher erkennen.
7 Bei kreativen Tätigkeiten dieser Art sollte der Geist möglichst „frei“ gehalten werden. Jedes
„Nachdenken“ darüber, wohin Dinge gehören oder ob sie überhaupt eingebracht werden sollen,
wird den Prozess verlangsamen. Man sollte alles, woran man im Zusammenhang mit der Zentralidee denkt, festhalten.
Nun bist du dran: Eine Mind Map zur Entscheidungsfrage „Schule oder Lehre“?
3 Erarbeitung nach: http://paedpsych.jk.uni-linz.ac.at/paedpsych/lernen
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TAT 2
Entscheidende Punkte
Wenn du willst, kannst du in deiner Entscheidungs-Mind Map auch „Punkte vergeben“, um dir die
richtige Wahl zu erleichtern:
•
bis zu 100 Pluspunkte für positive Einzelheiten,
•
bis zu 100 Minuspunkte für Nachteile.
Es würde beispielsweise so funktionieren:
•
„Freunde verlassen“ = - 40 Punkte,
•
„Wissen erweitern“= + 60 Punkte,
•
„eigenes Geld verdienen“ = + 30 Punkte,
•
„Abhängigkeit von Eltern“= - 20 Punkte
Die Gesamtsumme für jede Entscheidungsmöglichkeit SCHULE? / LEHRE? zeigt dir dann, welche
die bessere ist.
SCHULE
Pluspunkte
Minuspunkte
LEHRE
Pluspunkte
Minuspunkte
TIPP:
Vergleiche deine Entscheidung auch mit der Gegenüberstellung von Vor-und Nachteilen von „Schule
oder Lehre“!
100
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TAT 3
Beziehungen sind wichtig
Was erfährt man in dem Text „Zwischenwände“ (R. Welsh) über die Beziehungen Karlas/ Gabis
•
zur Mutter
•
zum Vater
•
zur Beamtin/Beraterin
•
zu Freundinnen ?
Sucht in Gruppen die entsprechenden Textstellen, markiert sie und tragt dazu Stichworte in das Persönlichkeits- Profil ein: z.B.
Gabi/Karla
Aussehen
(Kleidung,
Haar, etc.)
Spitzname
Gesten
Vorlieben
Hobby,
Tätigkeiten
Verhalten
Stärken,
Talente
Schwachstellen
Entwerft ein großes Plakat, auf das ihr die einzelnen Personen des Textes einzeichnet und die Beziehungen zueinander bewertet.
Zur Darstellung können folgende Zeichen verwendet werden:
•
dicker Strich> sehr gute Beziehung
•
dünner Strich > gute Beziehung
•
hauchdünne Linie > schwache Kontakte
•
keine Verbindung > keine Gemeinsamkeiten
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TAT 4
Spiel „Arbeitsmarkt“4
Bei diesem Spiel erfährst du, welche Faktoren auf dem Arbeitsmarkt bei der Stellenvermittlung eine
Rolle spielen, nämlich
•
Angebot und Nachfrage, d.h. Zahl der offenen Stellen und Zahl der BewerberInnen
•
Ausbildung/ Qualifikation/ Leistungen/ Zeugnisse
•
Berufserfahrung
•
Alter
•
Geschlecht
•
Gehaltsvorstellungen bzw. Verdienstmöglichkeiten
•
Region, in der du wohnst
•
Wirtschaftslage des Bundeslandes, des Staates
Spielbeschreibung:
12 Firmen bzw. Institutionen bieten Stellen an.
6 Stellenangebote liegen davon beim Arbeitsmarktservice auf.
Die anderen 6 Firmen bzw. PersonalchefInnen sitzen hinter ihren Tischen und haben vor sich die Firmenkarte mit Name und Adresse sowie die Branchenbezeichnung,
z.B.
BIPA
2380 Perchtoldsdorf,
Hauptplatz 8
Drogeriemarkt
18 Leute suchen Arbeit.
Die SpielerInnen erhalten eine Karte mit dem Rollenprofil, z.B.
Firma
Tätigkeitsbereich des gesuchten Mitarbeiters
Anforderungen hinsichtlich Qualifikation und
Ausbildung
Alter und Geschlecht
Arbeitszeit
ganztags/ halbtags/ Teilzeit
4 Nach: Irene Wondratsch, in: Damit es einmal Freude macht. Unterrichtsprojekte zur Berufs- und Bildungsorientierung. AK
Wien, ÖGB, Wien 1998, S. 88f
102
arbeitsweltundschule.at
AK Berufe fallen nicht vom Himmel
Wo sollten die Talente des Bewerbers liegen?
sprachgewandt, gutes Auftreten, geduldig
Persönlichkeitsmerkmale
ehrgeizig
Zusatzqualifikationen
EDV-Kenntnisse
Bezahlung
Arbeitssuchende:
Ausbildung und Qualifikation, Berufspraxis, Berufswunsch, Arbeitszeit, ev. Alter, Geschlecht, etc.
Wer nicht selbst Profile für Rollenkarten, Stellenausschreibungen entwerfen möchte, der findet gute
Kopiervorlagen in: Broschüre: Damit es einmal Freude macht. AK Wien, ÖGB, Wien 1998, S. 90-102
Zur Vorbereitung können sowohl die „Firmen“ wie auch die „Arbeitssuchenden“ bzw. das „Arbeitsmarktservice“ Zusatzinformationen5 über das Berufsbild bzw. die Ausbildungsinhalte bekommen.
Ziel des Spiels ist, dass die Arbeitsuchenden Jobs finden und die Firmen die ausgeschriebenen Stellen besetzen können. Dabei müssen beide Seiten flexibel sein und eventuell Kompromisse schließen.
Sollte die Teilnehmerzahl größer als 25 sein, empfiehlt es sich eine Beobachtergruppe einzurichten.
Bei kleinerer Gruppe ist die Zahl der Arbeitsuchenden und der Stellenausschreibungen zu reduzieren.
Spieldauer: insgesamt etwa vier Stunden, und zwar
•
Vorbereitung/ Erklärungen ca. eine halbe Stunde
•
Spielphase etwa eine Stunde
•
Auswertung etwa zwei Stunden
Auswertung des Spiels:
•
Fragen an die SpielerInnen:
Wie ist es euch in eurer Rolle gegangen? Welche Gefühle sind beim Spiel aufgetaucht?
Was war in der Spielsituation angenehm/ eher unangenehm? Was hat gestört/ war hilfreich?
•
Frage an die Arbeitssuchenden (der Reihe nach):
Wer hat einen Job gefunden? War das für dich leicht oder schwierig? Begründe!
Waren Kompromisse nötig, wurden Abstriche gemacht?
Wer hat keinen Job gefunden und warum nicht?
Wer hat Schulungsmaßnahmen/ Kurse in Anspruch genommen? Welche und warum?
Begründe deine Entscheidung!
5 Nz.B. Berufslexikon Bd. 1: Lehrberufe. Bd.2 Ausgewählte Berufe. Bd. 3 Akademische Berufe. Hrsg. BMAS. Kann beim
Abeitsmarktservice angefordert werden. ABC des berufsbildenden Schulwesens. Erscheint jährlich. Kann beim BMUK (Hrsg.)
kostenlos angefordert werden
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•
Frage an die Firmen:
Konnten die offenen Stellen besetzt werden?
Wenn nein, warum nicht?
Wenn ja, war das schwierig oder leicht?
Mussten Wünsche des Bewerbers berücksichtigt werden?
Weitere Fragen:
•
Gab es mehr Bewerber oder mehr Stellen?
•
Wie war das Verhältnis von Angebot und Nachfrage?
•
Wovon hängt es ab, ob man einen Job findet?
Schreibt auf Flipchart/ Bogen Packpapier/ OH-Folie/ Tafel auf, was euch dazu einfällt,
z. B. in Hinblick auf
•
Berufswahl
•
Ausbildung/ Weiterbildung/ Qualifikation
•
Berufserfahrung
•
Region
•
Alter
•
Geschlecht
•
Gehaltsvorstellungen bzw. Verdienstmöglichkeiten
•
Stellenandrang
•
Wirtschaftslage/ Auftragslage/ Nachfrage
•
Arbeitsbedingungen/ Arbeitszeit
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AK Berufe fallen nicht vom Himmel
TAT 5
Beruf „Schüler/in“6
1 Wie viele Jahre übst du den Beruf „Schüler/in“ schon aus?:
......................Jahre
2 Wie viele Stunden arbeitest du täglich?
Unterrichtsstunden
Hausübungen/Lernzeit
Montag
Dienstag
Mittwoch
Donnerstag
Freitag
Samstag
Stundenzahl
Arbeitsstunden pro Woche insgesamt: .........................
3 Wie viele Stunden bzw. Minuten Pause stehen dir durchschnittlich pro Arbeitstag in der Schule
zur Verfügung?
............. Stunden ...............Minuten
4 Welche Tätigkeiten (Arbeiten) musst du verrichten?
oft:.............................................................................
manchmal: ................................................................
nie: ............................................................................
5 Womit arbeitest du?
Materialien: ....................................................................
Werkzeug: ....................................................................
Maschinen: .................................................................
6 Aus: Gabriele Gstettenbauer,Ideenbörse zum Berufsorientierungsunterricht auf der Mittelstufe. Hrsg. AK Wien und ÖGB„Arbeitswelt und Schule“, 1996, S. 49-52
AK Berufe fallen nicht vom Himmel
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6 Welche Fähigkeiten / Eigenschaften setzt der Beruf „Schüler/in“ voraus?
Kreuze die Fähigkeiten an und ergänze:
Körperlich
geistig
persönlich
o körperliche Ausdauer
o Kontaktfähigkeit
o Pünktlichkeit
o Kraft
o Fähigkeit zur
Zusammenarbeit
o Ehrlichkeit
o Wendigkeit
o Reaktionsfähigkeit
o Verlässlichkeit
o Gleichgewichtsgefühl
o Konzentrationsfähigkeit
o Sauberkeit
o Tastsinn
o Gedächtnis
o Einsatzwille
o Geruchssinn
o Sprachbegabung mündlich
und schriftlich
o Freundlichkeit
o Geschmacksinn
o rechnerische Fähigkeiten
o Hilfsbereitschaft
o Farbensinn
o räumliches
Vorstellungsvermögen
o Genauigkeit
o gutes Hörvermögen
o Augenmaß
o Lernbereitschaft
o Fingerfertigkeit
o Einfallsreichtum
o Geduld
o Auge-Hand-Koordination
o technisches Verständnis
o Humor
o Allergiefreiheit
o Organisationstalent
o Teamfähigkeit
o Schwindelfreiheit
o logisches Denken
o
o
o
o
o
o
o
7 Wie arbeitest du meistens?
Kreuze an:
o allein
o zu zweit
o in Gruppen
o sitzend
o stehend
o liegend
o gebückt
o ...........
o ..................
8 Kannst du dir deine Arbeit selbst einteilen?
Kreuze an:
o immer
o oft
o manchmal
o nie
9 Wie empfindest du deine Arbeit?
Kreuze an und ergänze:
immer
manchmal
selten
nie
langweilig
schwierig
interessant
lustig
abwechslungsreich
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10 Welche Belastungen gibt es in deinem Beruf?
Kreuze an und ergänze:
immer
manchmal
selten
nie
Stress
Prüfungsangst
Lärm
Streitereien
Hackordnung
Leistungsdruck
Mobbing
11 Welche Vorteile hat dein Beruf?
viel Freizeit
lange Ferien
o
nette KollegInnen
o
nette Vorgesetzte
o
o
12 Welche Nachteile hat dein Beruf? Was magst du überhaupt nicht?
Kreuze an und ergänze:
o zu viele
Hausübungen
o Leistungsdruck
o Stress
o Bevormundung
o Unselbstständigkeit
o Langeweile
o keine Entlohnung
o wenig echte Freizeit
o
o
o
o
13 Wie würdest du das Verhältnis zu deinen ArbeitskollegInnen (MitschülerInnen) bezeichnen?
Kreuze an, was überwiegend zutrifft:
o sehr gut
Ich habe viele FreundInnen; wir verstehen uns gut, machen auch außerhalb der Schule viel
gemeinsam, haben viel Spaß
o gut
Ich verstehe mich mit den meisten; wir streiten selten;
o schlecht
Ich habe wenige FreundInnen, eigentlich nur eine/n
o sehr schlecht
Ich komme mit niemandem gut aus.
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14 Was stört dich an deinem Arbeitsplatz am meisten?
Kreuze jene 3 Punkte an, welche dich am meisten stören.
Du kannst die Liste auch noch ergänzen!
o zu viel Arbeit
o Lärm
o Streitereien
o Ungerechtigkeit
o Langeweile
o zu wenig
Freiraum
o ich verstehe
vieles nicht
o zu viele
Hausübungen/
Prüfungen
o zu wenig Zeit
und Platz zum
Spielen/Erholen
o ich kann mir die
Arbeit nicht selbst
einteilen
o weiter Schulweg/lange
Fahrzeit
o Schmutz und
Unordnung
o mangelhafte
Ausstattung (z.B.
Möbel, keine
Vorhänge, nichts
Wohnliches..)
o schlechte Beleuchtung
o
15 Wie würdest du deine/n Chef/in (Klassenvorstand bzw. Beschreibung jedes Lehrers eines Gegenstandes)?
o ganz ok
o schreit oft
o kann gut erklären
o ist ungerecht
o hilfsbereit
o oft gereizt
o nimmt sich zu wenig Zeit
o zu streng
o sympathisch
o ...............
o ....................
o
o
o
o
o
o
o
o
o
o verlangt zu viel
16 Beschreibe dein/e „Idealchef/in“:
TAT 6
Beschreibe oder zeichne deinen
idealen Arbeitsplatz
in der Schule
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TAT 7
Rollenspiel7:
Typischer Männerberuf, typischer Frauenberuf
Setzt euch mit Elenas (Thüminger, Elena) kritischer Situation auseinander und versucht im Rollenspiel Lösungen zu finden.
1
Lest still den Text durch und versucht folgende Fragen zu beantworten:
•
Wie sagst du zu Elenas Ausbildungswunsch? Ist es für Mädchen empfehlenswert, eine technische Ausbildung anzustreben?
•
Umgekehrt: Sollen Buben zum Beispiel den Beruf des Kindergärtners oder einer Sprechstundenhilfe wählen?
•
Wie findest du die Einstellung des Vaters?
•
Wie verhält sich die Mutter? Wie begründet sie ihr Verhalten?
•
Was glaubst du: Kann sich Elena durchsetzen oder lässt sie sich von den Eltern überreden?
•
Welche Rolle spielt der Bruder?
Bereitet in drei Gruppen die Positionen von Elena, der Mutter und des Vaters vor. Wenn ihr möchtet,
könnt ihr auch noch Elenas Bruder miteinbeziehen.
Jede Gruppe bearbeitet nur eine Personenrolle und formuliert Begründungen für deren Verhalten.
2. Rollenkarten:
Rollenkarte ELENA
Persönliche Daten: 14 Jahre, Schülerin der letzten Pflichtschulklasse
Rollenbeschreibung: Elena möchte eine technische Berufsausbildung.
Sie hat sich schon als Kind für technische Dinge interessiert.
Ihre Lieblingsgegenstände sind Mathematik und Geometrisch Zeichnen.
7 Spielgestaltung nach den Anregungen von: Heinz Klippert: Berufswahlunterricht. Handlungsorientierte Methoden und Arbeitshilfen für Lehrer und Berufsberater. Weinheim 1987 Cordula Pichler-Graf: Rollenspiel zur Berufsvorbereitung. In: Förderschulmagazin 5/98, S.19-24
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Sie möchte einmal auf eigenen Beinen stehen, selbstständig sein und nicht ihren Arbeitsplatz zu Hause haben.
Typischer Ausspruch: Ich fühle mich durch den Umgang mit Zahlen lebendiger.
Aufgaben: Überlegt euch in der Gruppe, welche Gründe Elena noch für ihren Berufswunsch vorbringen könnte. Schreibt diese Gründe auf.
Wählt eine von eurer Gruppe aus, die Elenas Rolle spielt.
Rollenkarte MUTTER
Persönliche Daten: 45 Jahre, Hausfrau, Zimmervermieterin, Mutter zweier Kinder
Rollenbeschreibung: Sie versteht nicht, warum die Tochter gegen alle Abmachungen nicht mehr die
Gästepension übernehmen will.
Sie selbst hat keine Berufsausbildung. Sie wünscht sich, mit der Tochter als ein gut eingespieltes
Team zusammenzuarbeiten.
Sie empfindet Elenas Ausbildungswunsch als eine Ablehnung all ihrer gut gemeinten Zukunftspläne.
Sie erhofft sich eine Entlastung durch Elenas Einstieg in den kleinen Familienbetrieb.
Typischer Ausspruch: Warum willst du alle ausgemachten Pläne über den Haufen werfen?
Aufgaben: Überlegt euch in der Gruppe, welche Gründe die Mutter noch gegen den Berufswunsch
ihrer Tochter vorbringen könnte. Welche Gründe könnte die Mutter noch nennen, damit Elena in der
elterlichen Pension mitarbeitet?
Schreibt ihre Gründe auf.
Wählt eine von eurer Gruppe aus, die die Rolle der Mutter spielt.
Rollenkarte: VATER
Persönliche Daten: 48 Jahre, verheiratet, zwei Kinder, Arbeiter in einem Betrieb, im
Nebenerwerb Führung einer Fremdenpension.
Rollenbeschreibung: Er ist eindeutig gegen den Berufswunsch seiner Tochter.
Er vertritt die Meinung, dass Elena sich den Wünschen der Eltern fügen soll.
Er hält nichts von einer technischen Ausbildung für Mädchen.
Aber er möchte auch nicht, dass sie unglücklich ist.
Typischer Ausspruch: Frauen sollen weibliche Berufe ergreifen.
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Aufgaben: Überlegt euch in der Gruppe, welche Gründe der Vater für seine Position noch vorbringen
könnte. Schreibt diese Gründe auf.
Wählt einen von eurer Gruppe, der die Rolle des Vaters spielt.
Rollenkarte: FRANZ
Persönliche Daten: Elenas großer Bruder, Studium an der Universität.
Rollenbeschreibung: Seine Freundschaft und Liebe zur reichen Hotelierstochter lassen ihn erkennen, wie wichtig es für ein Mädchen ist, nicht nur Geld, sondern auch eine Lebens- und Berufsvorstellung zu haben.
Er ist der Überzeugung, dass technische Berufe Zukunft haben.
Typischer Ausspruch: Mit der richtigen Ausbildung kann eine Frau mit jedem Mann konkurrieren.
Aufgaben: Überlegt euch in der Gruppe, warum sich Franz so sehr für seine Schwester einsetzt.
Schreibt diese Gründe auf.
Wählt einen von eurer Gruppe aus, der die Rolle des Bruders spielt.
1
Ausführung:
•
Wahl des Rollenspiels –
•
Probenarbeit in der Gruppe –
•
Zusammenstellung einer Spielgruppe –
•
Vorführung
2 Beobachtungsaufträge:
Beobachte genau die Vorführung des Rollenspiels und notiere deine Beobachtungen zu folgenden Fragen:
•
Erreicht Elena ihr Ziel, dass die Eltern die Anmeldung in die HTL unterschreiben?
•
Könnte sich diese Szene in der Wirklichkeit auch so abspielen?
•
Hat der Vater/ die Mutter/ Franz die Rolle überzeugend gespielt?
•
Welche Begründungen hast du vermisst?
•
Was hättest du anders gespielt?
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TAT 8
Gefühle bei der Arbeit8
Höre auf deine innere Stimme!
Hake an, was für dich zutrifft:
ES IST SOOO .......FAAAD, wenn....
o ich immer das Gleiche machen soll
o ich etwas nicht kann und keiner mir hilft
o die Arbeit keinen Spaß macht
o ich nichts zu tun habe
o ich eh schon alles kann und weiß
o sich niemand für mich und meine Arbeit interessiert
o ich lange auf die nächste Arbeit warten muss
o ich allein zu Hause sitze
o die Arbeit babyleicht ist
o sich niemand um mich kümmert!
ICH FIND’S SUPER, wenn....
o ich Anerkennung (Lob, Lohn) bekomme
o ich Hilfe beim Lernen und Arbeiten erhalte
o es Abwechslung gibt
o ich eine sinnvolle Beschäftigung habe
o eine Herausforderung (Reiz, Motivation) besteht
o ich gute Freunde (Kollegen) habe, mit denen ich mich auch unterhalten kann
8 Anregungen aus: Damit es einmal Freude macht. Unterrichtsprojekte zur Berufs- und Bldungswegorientierung. Hrsg. : AK
Wien und Österreichischer Gewerkschaftsbund. Wien 1998, S.22f.
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o sich meine Vorgesetzten (Lehrer, Chef) und meine Kollegen um mich kümmern
o ich Freude und Interesse an meine Arbeit habe
o ich immer etwas zu tun habe und nicht „Löcher in die Luft“ starre
Verbinde die Aussagen über LANGEWEILE mit RATSCHLÄGEN!
z.B. Was könnte man raten, wenn jemand klagt:
„Jeden Nachmittag das Gleiche: Hausübungen schreiben, lernen, .....“
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4. MODERN TIMES – MODERN JOBS
Texte
Telearbeit
„Die Eltern liebten Tom und brauchten ihn. Zugleich war er für sie ein lebender Vorwurf, ein Symbol
ihres Scheiterns und ihrer zerschlagenen Hoffnungen. Und Tom lief von einem zum anderen, wie eine
Spinne, die immer wieder einen neuen Faden spinnt. Doch das Netz blieb zerrissen.
Alicia Wunderlich, Toms Mutter, war nicht so stark, wie sie sich gab. Vielmehr war sie mit ihren Nerven nahezu am Ende. Ein Mann, der arbeitslos war – oder Versicherungsvertreter, je nachdem, wie
man die Sache betrachtete - , ein einfallsreiches , empfindsames Kind, das ständig etwas von einem
forderte oder zu fordern schien. Dazu ein Berg von Schulden und ein Übermaß an Arbeit.
Alicia machte Übersetzungen und Schreibarbeiten am Computer. Sie hatte damit begonnen, „dazuzuverdienen“ und zum Familieneinkommen beizusteuern. Doch mit der Zeit waren diese schlecht
bezahlten Arbeiten zu ihrem einzigen regelmäßigen Einkommen geworden. Heimarbeit am Computer
bedeutete zu schuften wie ein Galeerensträfling, den Haushalt straff organisieren zu müssen, sich keine Ruhepause zu gönnen und keinen Fehler zu erlauben. Es bedeutete, dass Alicia bei jeder Störung
in Panik geriet und bei jedem Zeitverlust, jeder Verzögerung ihrer Arbeit verzweifelte.
Nicht minder machte es Alicia Wunderlich zu schaffen, dass ihr Mann Walter drauf und dran war, zum
notorischen Säufer des Wohnparks zu werden...
Wenn er voll war, wankte er heim, ließ sich ins Bett fallen und schlief – vorausgesetzt, er fand das
richtige Stockwerk. Zweimal war er bereits von einer fremden Schwelle gebracht worden.
Während er dann seinen Rausch ausschlief, saß Alicia wie erstarrt am Computer, nur ihre Finger
flogen über die Tasten....
Der Text, den Alicia zu tippen hatte, handelte von der „Komplexität positiver Koordination und Möglichkeiten der Komplexitätsreduktion“.
Noch tausend Zeilen, dachte Alicia, noch neunhundertneunundneunzig Zeilen. Bis zum Abend schaff´
ich das nicht. Ich muss heute Nacht weiterschreiben...
„Hallo, Mama!“, sagte Tom.
„Ja und? Was willst du denn schon wieder?“ fuhr sie ihn an.
„Nichts“, sagte Tom, „höchstens Geld würde ich brauchen.“
„Geld!“, schrieb Alicia. Sie riss sich zusammen. „Du hast erst gestern Geld bekommen, zum Schulschluss! Sag bloß, du hast es schon ausgegeben!“
Schweigen.
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Sie tippte weiter. “.....interdependente Problemzusammenhänge wieder zerschnitten und damit möglicherweise Veränderungsstrategien zugunsten der Fortschreibung laufender Programme...“
Noch wie viele? Neunhundertvierundsechzig Zeilen.
Alicia blickte sich um. Tom war wieder gegangen. Sie konnte sich nicht auf den Text konzentrieren,
schrieb dennoch mechanisch und nahezu fehlerlos weiter.
Ich hätte Tom nicht anschreien sollen. Ich hätte mir einen Augenblick für ihn Zeit nehmen müssen. „...
diese Aussage betrifft ein Postulat der Informationsproduktion, dessen Vernachlässigung...“
Er weiß aber, dass er mich heute Nachmittag nicht stören soll, weil die Arbeit so eilig ist. Wenn ich
heute nicht damit fertig werden, kann ich morgen nicht mit der nächsten anfangen, ich komm´ zu sehr
ins Gedränge. Bis abends um sechs muss er mich in Ruhe lassen. Warum sieht er das denn nicht
ein?!
Tom sah es ein. Am liebsten ist es ihr, wenn sie mich überhaupt nicht mehr sieht, dachte er, wenn sie
ihre Ruhe vor mir hat.
Ruhe! Ruhe! dachte Alicia und schrieb wie besessen.
„...interessiert vor allem die Voraussage von Mustern, die eine Befriedigung qualitativ neuer Bedürfnisstrukturen durch qualitativ neue Produktionsstrukturen beinhalten...“
Noch siebenhundertachtundvierzig Zeilen – vielleicht schaff´ ich es doch. Wenn nichts dazwischenkommt. Wenn das Telefon nicht läutet.“
(Aus: Pelz Monika, Zauber, Verlag Jungbrunnen, Wien 1992, S.12ff.)
Teleisolation
„E-Mail/11.05./topic: neue situation, mann
:-)) hallo, ron!
wollte dich nur schnell anmailen, um dir zu sagen, dass die sache mit der firma geklappt hat. im klartext: ich habe mich von der austro-sys gmbh. heute vormittag im beiderseitigen einvernehmen getrennt. du weißt ja, dass dort die große krise ausgebrochen ist, seit wir den software-auftrag von ibm
nicht bekommen haben. meiner meinung nach stürzt die ibm ebenfalls wieder in ein umsatzloch, weißt
du da was genaueres? kannst du infos einholen? für jede schlechte nachricht über big blue kriegst du
von mir was über micrsosoft – ich hab nämlich seit kurzem einen guten link ins silicon valley.
egal, also ich bin jedenfalls weg von der firma. es war ihnen sowieso recht, wie mir der direktor heute
gestanden hat. sie wissen kaum noch, wie sie die lohnkosten tragen sollen. gottseidank gibt´s ja das
zauberwort: teleworking. immer mehr firmen steigen da voll ein: sie geben ihren mitarbeitern den
computer samt zusatzausrüstung und internet-modem mit nach hause und lassen sie von dort für
AK Berufe fallen nicht vom Himmel
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sich arbeiten. damit das ganze billiger wird, muss der angestellte natürlich auf einen teil seines lohns
verzichten, dafür kann er ja zuhause jobben. die meisten sind von sich aus damit einverstanden. bei
der austro-sys zum beispiel waren´s sechs leute allein im letzten monat. und es werden immer mehr,
na klar. ist doch eine lockere sache: du bleibst daheim und arbeitest dann, wann es dir gefällt -–und
nicht, wann´s dir irgendein häuptling befiehlt. für mich war die sache klar: sie haben mir 80 prozent
meines derzeitigen gehalts als monatliches werkvertrags-honorar angeboten, und der computer geht
nach dem nächsten auftrag in meinen besitz über. hab ich sofort unterschrieben, denn internet und
ISDN-anschluss hab ich ja schon, und es geht okay, sagen sie, wenn ich die geschäftsbezogenen
telefon- und internetkosten an die firma weiterverrechne. denen kommt das nämlich immer noch viel
billiger als die lohnnebenkosten und der fahrtspesenersatz für meine tägliche anreise. du weißt ja, ich
wohne am anderen ende der stadt und muss mit u-bahn und bus jeden tag fast eine stunde lang zur
arbeit fahren. das fällt jetzt alles weg! cool, was? außerdem kann ich neben den jobs für austro-sys
jetzt, da ich ja nicht mehr fix angestellt bin, auch aufträge von anderen firmen übernehmen. geht ganz
easy, übers netz. irgendwer braucht immer einen guten programmierer.
da hab ich´s jedenfalls ursuper getroffen: kein stress mehr, kein rumhetzen durch die city, viel freizeit
und trotzdem genug geld, eine völlig neue situation also.
ich muss jetzt los.
tina und ich (hab ich dir erzält, dass ich seit kurzem mit ihr zusammen wohne?) wollen ein paar möbel
für mein büro daheim kaufen. jetzt geht´s voll ab. see you.“
(Textausschnitt: Uwe Neuhold, Teleisolation. In: Josef Konrad (Hg.):Passwort Insel. Wien: Arachne
Verlag 1997)
Marketing & Sick Building Syndrome
Generation X – junge Menschen, die als Aussteiger im immer sonnigen Palm Springs in Kalifornien
von Gelegenheitsjobs leben. Einer von ihnen ist Dag. Er erzählt von sich und wie er am „Sick Building
Syndrome“ während seiner früheren Arbeit gelitten hat.
„‘Ich glaube nicht, dass ich ein liebenswerter Kerl war. Ich war einer dieser Angeber, die man jeden
Morgen in ihren Sportwagen ins Bankenviertel fahren sieht; so ein Typ mit offenem Dach, eine Baseballmütze auf dem Kopf, überheblich und selbstzufrieden mit seinem unternehmungslustigen und
knackigen Aussehen.
Ich war erregt und fühlte mich ziemlich geschmeichelt bei dem Gedanken, dass die meisten Hersteller von Life-style-Accessoires der westlichen Welt mich als die heißeste Zielgruppe auf dem Markt
ansahen. Aber schon bei der geringsten Provokation hätte ich mich sofort für meine Arbeit entschuldigt
– dafür, dass ich von acht bis fünf vor einem spermaauflösenden VDT-Computer saß und abstrakte
Aufgaben löste, die indirekt die Dritte Welt versklaven. Aber hinterher, Mensch! Sobald es fünf war,
war ich nicht zu halten...
Die Fenster des Bürogebäudes, in dem ich arbeitete, ließen sich an jenem Morgen nicht öffnen, und
ich saß an meinem würfelförmigen, liebevoll Kalbsmastpferch genannten Arbeitsplatz. Mir wurde von
Minute zu Minute übler, und ich bekam Kopfschmerzen, als die Mischung aus Bürogiftstoffen und
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Viren auf dem Luftweg durch die Klimaanlage zu kreisen begann.
Natürlich wirbelten diese giftigen Luftströme besonders um mich herum, unterstützt durch das laute Summen der weißen Maschinen und das Glühen der VDT-Bildschirme. Ich bekam einfach nichts
mehr auf die Reihe und starrte auf meinen IBM-Klon - umgeben von einem Berg Notizen, RockbandPostern, die ich von Bauzäunen abgerissen hatte, und einem kleinen Sepia-Foto von einem hölzernen, in das Eis der Antarktis einbrechenden Walfänger, das ich vor einiger Zeit in einem alten National
Geographic entdeckt und in einen kleinen Goldrahmen aus Chinatown gesteckt hatte.
Unaufhörlich musste ich auf dieses Bild starren, war absolut unfähig, mir die Kälte, die einsame Verzweiflung vorzustellen, die wahrhaftig in die Falle gegangene Leute spüren müssen. Und am Ende
hatte ich das Gefühl, dass meine verzweifelt Lage nicht ganz so aussichtslos war.
Jedenfalls war ich nicht sonderlich produktiv; um ehrlich zu sein: An dem Morgen entschied ich, dass
ich mir kaum vorstellen konnte, diesen Job noch zwei Jahre zu machen. Der Grund war eher zum
Lachen: Der Job machte mich depressiv.
Deshalb wurde ich ein bisschen nachlässiger als sonst, was mir gut tat. Es war die Vorfreude auf das
Hinschmeißen. Das ist mir seitdem ein paarmal so ergangen...
Jedenfalls erinnere ich mich, dass ich an einer Konzessionskampagne für Hamburger arbeitet, bei
der, nach Ansicht meines verbitterten Ex-Hippie-Bosses Martin, das große Ziel darin bestand, kleine
Monster so scharf auf einen Hamburger zu machen, dass ihre Begeisterung auch über ihr Kotzen
hinaus anhält. Martin war ein Mann über vierzig und sagte so etwas. Die Zweifel, die ich seit Monaten
an meiner Arbeit hatte, nahmen zu.
Wie es das Schicksal wollte, war das derselbe Morgen, an dem ein Inspektor der Gesundheitsbehörde, den ich zu Beginn der Woche angerufen hatte, vorbeikam, um die Qualität meines Arbeitsplatzes
zu untersuchen. Martin war außer sich, weil einer seiner Angestellten die Behörde angerufen hatte; ich
meine, er rastete echt aus...
Wie bei einem Spielautomaten blinkten in Martins Augen Banknoten auf, im Wert von mehreren zehntausend Dollars. Er rief mich in sein Büro und begann auf mich einzuschreien, wobei sein ergrauter
Teeny-Pferdeschwanz auf und nieder wippte: ‚Ich versteh´euch junge Leute einfach nicht. Kein Arbeitsplatz ist gut genug. Ihr jammert und beklagt euch, dass ihr in euren Jobs nicht kreativ sein könnt
und dass ihr zu nichts kommt, und wenn wir euch schließlich eine Gehaltszulage geben, haut ihr ab
zur Traubenlese in Queensland oder zu sonst einem Blödsinn.‘
Ich legte auf einmal richtig los. Na ja, da ich sowieso kündigte, konnte ich mir noch ein, zwei Dinge
von der Seele reden....
‚Was hast du denn zu Martin gesagt, Dag?‘ fragte mich Margret, die am anderen Ende des Büros
arbeitete. ‚Er wütet in seinem Büro herum und verflucht deinen Namen rauf und runter...‘
Ich wich ihrer Frage aus...‘Mein Gott, Margret. Du solltest dich wirklich fragen, warum wir uns die
Mühe machen, morgens aufzustehen. Ganz im Ernst: Warum sollten wir arbeiten? Nur um noch mehr
Kram zu kaufen? Das kann doch nicht alles sein. Sieh dir uns alle an! Durch welche allgemeine Anmaßung sind wir bloß an diesen Punkt gelangt? Womit haben wir unsere Eiscreme und unsere Joggingschuhe und unsere italienischen Wollanzüge verdient? Ich meine, ich sehe, wie wir alle versuchen,
soviel Kram zu ergattern; dabei habe ich immer wieder das Gefühl, dass wir es überhaupt nicht verdienen, dass...‘
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Aber da genau brachte mich Margaret auf den Teppich zurück und sagte, bevor ich jetzt anfinge, mich
in einen meiner Zorniger-Junger-Mann-Zustände hineinzusteigern, sollte ich mir erst einmal klarmachen, dass der einzige Grund, weshalb wir jeden Morgen zur Arbeit gingen, darin bestünde, dass wir
entsetzt darüber wären, was passieren würde, wenn wir es nicht täten.“
(Douglas Coupland: Generation X. Berlin und Weimar: Aufbau Verlag 1994)
Wanted!
„Ich möchte euch jetzt einmal etwas erzählen, damit ihr nicht ohne Kritik etwas macht, wo euch vielleicht nach dieser Geschichte der Appetit vergangen ist.
Also, eines schönen Tages hatte ich den sinnigen Einfall, ich könnte bei xxx (steht für den Namen
einer Fast-Food-Kette) jobben. Meine Bekannte brachte mich auf die Idee.
Assistentin bei einem Fotografen wollte ich werden.
Fand aber keine Stelle.
Musste daher arbeiten.
Meine Mutter warf mir vor, dass ich auf ihre Kosten lebe. Nur Blödsinn im Kopf habe. Der Blödsinn war
ihrer Meinung nach mein Wunsch, mir die Haare grün zu färben, zu Punkkonzerten nach München
oder Berlin...... oder sonstwo zu fahren. Ebenso bemalte ich meine Lederjacke. Schneiderte mir Kleidungsstücke ... Durfte sie aber nicht tragen. All das trieb mich zu xxx.
Weg von zu Hause, um das ständige Herumnörgeln der Mutter nicht mehr zu hören. Außerdem wäre
ich dann von meinen Eltern unabhängiger. Natürlich, eine Fotografenasisstentenstelle hätte ich gern.
Da tät‘ ich arbeiten. Aber das geht eben nicht.
Mit all diesen Gedanken stellte ich mich vor. Natürlich nicht in der Lederjacke und mit grünen Haaren. Vom Chef bekam ich einen Zettel, mit dem ich zur ärztlichen Untersuchung gehen musste. Das
Lebensmittelgesetz schreibt dies vor. Nach zwei Wochen war es dann soweit.
Hilfsarbeiterin bei xxx.
Montag, 8 Uhr, Arbeitsbeginn.
Big Boss trug dunkelblaue Hose und weißes Hemd. Er zeigte mir die Garderobe. Ich zog einen blauen
Kittel an. Danach erklärte mir eine Frau – rot angezogen –, was ich zu tun hätte. Zuerst einmal Strohhalme einsortieren. Dann wurde mir die Maschine erklärt. Um neun Uhr war ich dann beim Garnieren.
Das geht ganz einfach. Beim Hamburger ein Schuss Ketchup, ein Schuss Senf und Gurkenstücke.
Dann kam das Laibchen aus 100% Rindfleisch drauf. Wenn er Glück hat, wird er gegessen. Länger
als zehn Minuten darf so ein Sandwich nicht warm gehalten werden...Wenn die Sandwiches weggeschmissen werden, darf man vom Personal nichts davon essen. Am Abend, bevor zugesperrt wird,
werden alle weggeworfenen Sachen gezählt. Naschen ist nicht erlaubt. Das ist ein Kündigungsgrund.....
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Zwischen zwölf und zwei darf man keine Pause machen. Da sind die meisten Kunden im Lokal.
Länger als eine halbe Stunde darf sie nicht sein, die Pause. Einen Sandwich und als Nachtisch kleine
Pommes frites oder ein Eis oder eine Apfeltasche darf man essen. Dafür zahlt man die Hälfte. Cola
darf man trinken, soviel man will. Für Kaffee muss man die Hälfte bezahlen.
Man arbeitet jeden Tag etwas anderes. Einmal bei den Pommes frites, beim Garnieren oder man
bügelt.
Eines weiß ich jedenfalls, die Kleidung ist dort wichtig. An ihr erkennt man, wer man ist. Der Big Boss,
der natürlich ein Mann ist, oder die Hilfsarbeiterinnen.....
So, jetzt hab‘ ich euch ein bisschen was über den Treffpunkt Nummer 1 der Jugend erzählt. Ich arbeite
nicht mehr dort. Nach zwei Monaten hatte ich die Nase voll...“
(Leseprobe aus: Andrea Trenker,Titellos. In: Stefan Eibel: Lehr-haft, Wien 1985)
Alles ist beruf. Und dann ist feierabend.
Sprachliche Versuche,
die ganz normalen Alltagskatastrophen
irgendwie einzufangen.
„ja, unter die haut einer arbeit schlüpfen und große augen dazu machen, das macht die ganze wut
aus, die man sich heute noch gönnen darf, unter die haut einer arbeit schlüpfen, darin verschwinden,
und dann plötzlich zuschlagen, alles mit einem schlag aufessen und dabei sich nicht umschauen,
habe ich mir immer gedacht, während die andern im gang schon mit ihren zahlreichen büchern und
kopfbewegungen raschelten, den körpersäften, die, ständig in bewegung, sogar die farbe wechseln
konnten. so klopften sie sich auf die schultern, machten schnittproben für anzüge und lachten dabei.
............
alles ist beruf, und dann ist feierabend, und dann wird gegessen, und so wird das gemacht: man führt
die gabel ins hirn und sticht zu, jemand schreit auf, die erbsen kollern die straße entlang, bis sie zurück ins stammhirn sind und kinder kriegen,. dann ist nachmittag und man ist vierunddreißig.
...........
einmal morgens zu hause bleiben, sagst du, nicht dem täglichen spuk ausgesetzt sein, sich einfach
als hageren hausschlurf vorstellen, der im bett den türkensitz probt und nie den tag vor dem abend
loben will.
einmal das haus hüten und aus seinem fernbleiben ein buntes geheimnis treiben. doch gegen den
arbeitstag ist halt kein kraut gewachsen, sagst du, doch ich grüße nicht.“
(Textausschnitt aus. Kathrin Röggla, Niemand lacht rückwärts. Residenz Verlag: Salzburg: Wien 1995)
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119
Sachinformationen
Telearbeit
Lehrer/innen-Info:
Die Entwicklung der Telearbeit ist ein exemplarischer Lerngegenstand für den Wandel in der Arbeitsund Lebenswelt.
Lehr- und Lernziele:
Begreifen, dass die Anwendung von Technik unterschiedliche Anforderungen an menschliche Arbeit
und Umwelt stellt und von unterschiedlichen Normen geprägt sein kann.
Entdecken, dass Technik unterschiedlich gestaltet sein kann.
Lernen, eigene Interessen in Bezug auf die Gestaltung von Arbeit und Technik zu entwickeln und diese an literarischen wie berufspraktischen Beispielen zu erfahren.
Sachinformationen:
Die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien werden als Schlüsseltechnologien angesehen. Ihr Einsatz veränderte die bisherigen Formen von Arbeit in den Industrieländern. Weltweite
Telekommunikationsnetze ermöglichen dezentrale Unternehmensstrukturen. Betriebliche Hierarchien
wurden flacher: Arbeitsort, Arbeitsplatz und Arbeitszeit können flexibler und unabhängiger voneinander
gestaltet werden. Neue Formen der Arbeitsteilung und Arbeitsorganisation lassen die Grenzen zwischen Arbeit und Leben verschwimmen.
Aus Arbeit wird Telearbeit: Sie ermöglicht ein Arbeiten außerhalb einer Firma, zu Hause, in Nachbarschafts- oder Satellitenbüros unter Nutzung von öffentlichen Kommunikationsmitteln und Geräten
zur Erfüllung des Arbeitsvertrags. Laut europäischer Kommission zählen alle Tätigkeiten und Arbeitsformen, bei denen die Telekommunikation als Werkzeug genutzt und die Arbeit zumindest teilweise
außerhalb der traditionellen Büroumgebung praktiziert wird.
Telearbeit kann die Arbeitsqualität der Beschäftigten durch eine stärker selbst bestimmte und ganzheitliche Arbeitsgestaltung und freie Zeiteinteilung verbessern. Sie birgt aber auch Nachteile und
Risiken in sich:
•
Mangelnde organisatorische und soziale Integration in die Firma
•
Ausgrenzung von betrieblichem Geschehen und fehlende Informationen
•
Räumliche Isolierung
•
Geringer persönlicher Kontakt mit Kolleg/inn/en
•
Eingeschränkte Kommunikation
Mit der Einführung von Telearbeit in einem Unternehmen müssen auch die Beziehungen zwischen
Arbeitgeber und Beschäftigten neu geregelt werden, z.B. die Arbeitszeiten, die Einführung von Kont120
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rollsystemen, der Arbeits- und Gesundheitsschutz, die Gestaltung von Arbeitsplätzen und Qualifizierungsmaßnahmen, die Verfügung über Arbeitsmittel und vieles andere mehr.
Folgende Organisationsformen von Telearbeit gibt es:
•
Telearbeit zu Hause: Dies ist eine ausschließliche Arbeit zu Hause in Form von Heimarbeit oder
in Form einer beruflichen Selbstständigkeit.
•
Alternierende Telearbeit: Neben dem betrieblichen Arbeitsplatz gibt es einen außerbetrieblichen
Arbeitsplatz, z.B. in der eigenen Wohnung. Die Arbeitsinhalte bestimmen, wo und wann gearbeitet wird.
•
Telearbeitszentren: In Satellitenbüros oder Nachbarschaftsbüros, das sind lokale Außen- und
Zweigstellen eines Unternehmens, arbeiten Beschäftigte verschiedener Betriebe.
•
Mobile Telearbeit: Die Außendienstmitarbeiter/innen arbeiten mit Hilfe einer Telekommunikationsausrüstung direkt vom Kunden aus.
•
Offshore-Telearbeit: Bestimmte Tätigkeiten werden aus Kostengründen in Billiglohnländer
transferiert, dort bearbeitet und wieder zurückgesendet. Auf diese Weise können Beschäftigte
weltweit rund um die Uhr am gleichen Projekt arbeiten.
Fazit:
Telearbeit, Telemanagement und Teleservice sind die drei Formen von Telekooperation. Diese verbindet die Gestaltungsmöglichkeiten der Informationsgesellschaft mit unserer Arbeitswelt. Telearbeit wird
nicht der Arbeitsplatz der Zukunft sein, aber ein zentrales Element der modernen Arbeitswelt.
Weiterführender Link: www.workshop-zukunft.de
„Workshop Zukunft – Arbeit und Leben aktiv gestalten“
Themenheft 6:Telearbeit – die Jobs von morgen
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121
Tipps & Anregungen & Training TAT 1
Alles nur eine Frage der Planung?
Einfach zum Nachdenken:
•
Gibt es Unterschiede bei der Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau?
•
Was alles muss im Alltag „erledigt“ werden, damit ein normales, angenehmes Leben geführt
werden kann?
Fülle den Fragebogen aus, indem du überlegst, welchen Tagesablauf deine Eltern, haben. Der Fragebogen ist einmal für den Vater, ein zweites Mal für die Mutter auszufüllen, und zwar ohne Namensnennung; doch gib an, ob männlich (Vater) oder weiblich (Mutter):
ZEITTABELLE
o männlich
o weiblich
Tätigkeit
1h
2h
3h
4h
5h
6h
7h
8h
Schlafen
Arbeitszeit
Fernsehen
Zeitung/ Radio
Kochen
Essen
Einkaufen
Zusammenräumen
Wäsche waschen
Körperpflege
Zeit für Kinder
Computer
Weiterbildung
Freizeit/ Sport/ Hobbys
Sonstiges
Summe:
Erarbeitet in Gruppen die folgenden Fragen und wählt eine GruppensprecherIn fürs Plenum:
•
Welche Unterschiede gibt es in der Aufteilung der Zeit bei Frauen / Müttern und Männern/ Vätern?
•
Wer trägt den Hauptteil welcher Arbeit?
•
Wofür wird die meiste Zeit verwendet?
•
Sind beide Elternteile berufstätig oder nur ein Elternteil?
122
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•
Wie viele Kinder leben im Haushalt?
•
Wie gestaltet sich die Arbeitsteilung, wenn die Eltern getrennt leben?
•
Was hältst du von dem Slogan: Halbe – Halbe, mit dem die Familienministerin um gleiche Arbeitsaufteilung in der Führung des Haushalts geworben hat?
TAT 2
Pro und Kontra: Telearbeit – Zukunft der Arbeit?
Was wäre dir bei der Telearbeit angenehm oder unangenehm?
Überprüfe die folgenden Argumente auf ihre Stimmigkeit (ja/nein) und ordne sie in der Pro und
Kontra-Tabelle ein.
Telearbeit macht´s möglich:
•
Beruf und Familie lassen sich besser miteinander vereinbaren.
•
Die oft langen Anfahrtswege zur Arbeit entfallen.
•
Das eigene Wohnzimmer wird zum Arbeitszimmer.
•
Väter bzw. Mütter können neben ihrer Arbeit auf ihre Kinder aufpassen.
•
Kinder müssen dazu erzogen werden, die Eltern bei der Arbeit nicht dauernd zu stören.
•
Die Arbeit kann jederzeit von Familienmitgliedern unterbrochen werden, wenn spontan andere
Arbeiten im Haus oder für die Familie anfallen.
•
Arbeit und Privatleben lassen sich schwer voneinander trennen.
•
Man kann sich selbst die Arbeit, die Zeit und die Pausen einteilen.
•
Man wird nicht durch andere Arbeitskolleg/inn/en abgelenkt.
•
Freizeitaktivitäten können den individuellen Bedürfnissen entsprechend über den Tag verteilt
werden.
•
Man braucht nicht mehr knapp vor Geschäftsschluss rasch und teuer einkaufen.
•
Man spart Geld, weil man zu Hause keine schicke Garderobe braucht. Niemand achtet darauf,
wie man angezogen oder frisiert ist, ob man gut aussieht oder nicht.
•
Firmen sparen Büroflächen, Werksküchen, etc. ein. Diese Kosten werden auf die TelearbeiterInnen abgewälzt.
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•
Es gibt keine Arbeitskolleg/inn/en, keinen Gedankenaustausch.
•
Kommunikation mit dem Arbeitgeber bzw. Vorgesetzten erfolgt über Telefon, Fax oder E-Mail.
•
Was fällt dir noch dazu ein?
Vorteile
Nachteile
•
•
•
•
•
•
•
•
TAT 3
Übung zu selektivem Lesen:
•
Unterstreiche im Text „Telearbeit“ (Monika Pelz ‚Zauber‘) jene Stellen rot, in denen Toms Mutter
ihre Teleheimarbeit beurteilt.
•
Unterstreiche mit Grün, wie Tom darüber denkt.
•
Unterstreiche mit Blau jene scheinbar sinnlosen Zeilen, die Toms Mutter abtippt.
•
Versuche herauszufinden, in welchem Zusammenhang diese zu der wirklichen Situation der
Familie stehen. Schwierig, aber spannend!
•
Was müsste Alicia an ihrem Bildschirmjob ändern, damit sie mit ihrer Arbeit zufrieden ist? Arbeitet in Gruppen Vorschläge aus, diskutiert diese im Plenum und erstellt für sie einen „Ratgeber“!
•
Rollenspiel: Entwickelt in Partnerarbeit ein Beratungsgespräch zwischen Alicia und einer Berufsberaterin, stellt dieses vor und beurteilt die inhaltliche Gestaltung der Rolle mit Hilfe eines
Bewertungsbogens.
TAT 4
Wenn dich der Beruf verrückt macht.....
Die Arbeit hat für viele einen so zentralen Stellenwert, dass Probleme und Schwierigkeiten am Arbeitsplatz oft krank machen. Auch psychische Krankheiten wie Depressionen, Angstzustände und Sucht
sind nicht selten auf Konflikte, Druck und Stress bei der Arbeit zurückzuführen.
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Ein krankheitsauslösender Faktor am Arbeitsplatz kann z.B. auch der Umstand sein, dass man berufsspezifischen Qualifikationen, die notwendig sind, um den Job gut zu erfüllen, nicht besitzt und berufsspezifische Leistungen nicht erbringt.
Sei kreativ und....
•
Schreibe einen inneren Monolog über Alltagssituationen, z.B. in der Schule, Familie, im Freundeskreis, etc.
•
Schreibe 10 Minuten in Bewusstseinsstromtechnik schreiben, d.h. schreibe ohne Unterbrechungen, wenn dir nichts einfällt, schreibe einfach blablablalbla....
•
Diskutiert über die Jugendarbeitslosigkeit – Maßnahmen der Wirtschaft, eigene Maßnahmen,
Bewerbungstraining.
•
Gruppenarbeit:
Schneidet aus Tageszeitungen oder Zeitschriften Bilder aus der Arbeitswelt aus und klebt
daraus eine Collage; wenn ihr wollt, verwendet dazu auch Materialien, wie Draht, Stofffetzen,
Schleifpapier, Nägel, Schrauben, etc.
TAT 5
Veränderungen
Wer sich verändert – und das geschieht natürlich vom Übergang von der Schule ins Berufsleben –
muss selbst seinen Weg suchen und ein gewisses Risiko eingehen. Dabei kann einiges passieren,
aber es kostet nicht die Welt und bringt eine Menge Erfahrungen.
Ein aktives, mutiges Leben gibt es nicht zum Nulltarif.
Alles oder Nichts?
Es gibt immer wieder schwierige Situationen, in denen
•
man nicht das bekommt, was man will,
•
man nicht seinen Willen durchsetzen kann,
•
man nicht sofort beachtet wird,
•
sondern zurückstecken, nachgeben und andere Lösungen finden muss.
Was sind besonders unangenehme, stressige Situationen für dich?
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Bewerte die folgenden Beispiele nach Punkten:
5 (sehr stressig), 4 (stressig), 3 (ärgerlich), 2 (unangenehm), 1 (gleichgültig).
Situationen
Wertung
Andere Kinder mögen mich nicht.
Ich mache vor anderen Fehler.
Ich spüre, ich muss etwas ändern.
Ich werde ungerecht behandelt.
Ich beobachte ungerechtes Verhalten anderer.
Ich kann meine Ideen und Wünsche nicht durchsetzen.
Ich muss ein Risiko eingehen und weiß nicht, wie es ausgeht.
Ich muss mich gegen meine/n Freund/in stellen in einer besonderen
Frage.
Ich werde kritisiert.
Ich sehe, wie Gleichaltrige unverantwortlich und leichtsinnig handeln.
TAT 6
Stress lass nach!1
Lange bevor es zu gesundheitlichen Schädigungen kommt, zeigt dir dein Körper, dass etwas nicht in
Ordnung ist. Stell dich auf den Prüfstand, indem du für dich die folgenden Checklisten ehrlich beantwortest!
Checkliste
Fragen zum Schlaf
ja
nein
ja
nein
Kannst du in letzter Zeit schwer einschlafen?
Quälen dich unangenehme Situationen und Ereignisse deines
Arbeitsplatzes?
Hast du Alpträume bzw. wachst du davon auf?
Nimmst du Beruhigungs- und/oder Schlafmittel deshalb?
Fragen zu Änderungen der Essgewohnheiten
Hast du in letzter Zeit deutlich weniger Appetit als früher?
Hast du stark abgenommen? (Gewichtsverlust)
Hast du stark zugenommen? (Gewichtszunahme)
Hast du Heißhunger auf bestimmte Speisen (z.B. Schokolade)
oder Getränke (z.B. Cola, Kaffee )
1 Quelle: Lenert Michael, Stress in der Arbeitswelt, Entstehung, Ursachen, Abhilfen. Hrsg. AK Wien, überarbeitete und aktualisierte Auflage 2008
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Fragen zum allgemeinen Befinden
ja
nein
ja
nein
ja
nein
ja
nein
Verspürst du regelmäßig am Morgen Unlust, wenn du an deine
Arbeit denkst?
Atmest du auf, wenn du die Schule verlässt?
Fühlst du dich vor längeren arbeitsfreien Zeiten (Wochenende,
Ferien, Schikurs, Sportwoche) deutlich erleichtert?
Vergeht dir die Erleichterung, wenn du an den nächsten Schultag denkst?
Kannst du dich auch am Wochenende nicht richtig entspannen?
Bedrückt es dich, wenn du an die Schule denkst?
Bist du deutlich unzufriedener mit deiner Arbeit und deinen Leistungen in der Schule geworden?
Änderungen der Lebensgewohnheiten
Hast du in letzter Zeit zu rauchen begonnen?
Konsumierst du häufig Alkohol?
Hast du deine Familie, deine FreundInnen in letzter Zeit deutlich
vernachlässigt?
Hast du keine Zeit für deine Hobbys?
Fragen zum Gesundheitszustand
Leidest du in letzter Zeit häufiger an Infektionskrankheiten wie
Schnupfen, Halsweh oder an Kopfschmerzen?
Sind in letzter Zeit Krankheiten bei dir aufgetaucht, die du früher
nicht kanntest?
Leidest du an Bluthochdruck?
Bist du besonders nervös und zerstreut?
Hast du manchmal rasendes Herzklopfen, ohne jedoch verliebt
zu sein?
Fragen zu MitschülerInnen und „Vorgesetzten“
Distanzierst du dich in letzter Zeit deutlich von deinen MitschülerInnen als dies früher der Fall war?
Hast du deutlich mehr Probleme mit deinen MitschülerInnen als
früher?
Arbeitest du im Gegensatz zu früher jetzt lieber allein?
Gehst du Eltern, Lehrern, allen Erwachsenen, etc. lieber aus
dem Weg?
Bist du unsicher, wenn diese dich zu sich rufen?
Wenn du die Fragen überwiegend mit JA beantwortet hast, dann bist du „reif für die Insel“ und solltest
deinen Arbeits- und Lebensstil ändern!
Hinweis: Die oben gestellten Fragen decken natürlich nicht alle Lebensbereiche ab, die durch Stress
und Stressfolgen betroffen sein können.
Ausführliche weitere Informationen bzw. Link: „Impulsbroschüre“, „Impulstest“ unter
http:/wien.arbeiterkammer.at/publikationen
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TAT 7
Es ist verdammt hart, der Beste/die Beste zu sein!
Dieser Ausspruch ist nicht nur der erfolgreiche Werbespruch einer Lebensmittelkette, sondern zeigt
auch, dass einem Erfolge nicht in den Schoß fallen.
Mit diesem kleinen Test1 kannst du herausfinden, wie stark deine Lust auf Erfolg ist und ob du eine
gewisse Scheu hast, erfolgreich zu sein.
Trage eine Zahl zwischen –3 und +3 in die entsprechenden Kästchen ein. Negative Zahlen in die rechte Spalte, positive in die linke Spalte:
•
„-3“ für ein stark negatives Gefühl,„+3“ für ein stark positives Gefühl
•
„-2“ steht für ein unangenehmes Gefühl, „+2“ für angenehm
•
„-1“ für ein ungutes Gefühl, „+1“ für ein ziemlich gutes
•
Bei einem neutralen Gefühl lasse beide Felder frei.
Welche Empfindungen und Gedanken verbindest du mit Erfolg?
Vorstellung
+ Punkte
- Punkte
im Rampenlicht stehen
Verpflichtungen werden größer
Verantwortung
Dankbarkeit empfinden
Arbeit ohne Ende
Druck, es besser zu machen
Druck, keine Schwächen zu zeigen
die nächste Niederlage wird umso bitterer
gehetzt sein
Anerkennung
Bestätigung
etwas Besonderes sein
Angst, den Erfolg nicht fortsetzen können
ein peinliches Gefühl
sich über andere erheben
sich selbst wert schätzen
Freude
Lebenssinn
Anregung
Ansporn
Hoffnung auf Geld
Erfolg schafft Freunde
1 Quelle: Ute Ehrhardt, Und jeden Tag ein bisschen böser. Krüger: Frankfurt/ Main 1996, S. 124 f,
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Erfolg schafft Feinde
beruflicher Aufstieg
Sieger sein
besser sein
sich abheben
Summe:
Auswertung:
Addiere nun deine „Werte“ nach Vorzeichen +/- getrennt. Die Pluszahl zeigt, wie erfolgshungrig du
bist, der Minuswert bringt deutlich deine Scheu und Angst vor Erfolg zum Ausdruck.
Ein Pluswert über 20 bedeutet, du hast richtig Lust auf Erfolg.
Werte zwischen 12 und 20 spiegeln eine durchschnittliche Leistungsorientierung.
Werte unter 20 zeigen, dass Erfolg für dich entweder nicht wichtig ist oder du einfach zu wenig mutig
bist.
Wenn dein Minuswert über 20 liegt, dann ist dein Widerstand gegen Erfolg sehr ausgeprägt. Minuswerte zwischen 10 und 20 sind normal, denn nicht jeder ist ständig ein erfolgsgeladener Gipfelstürmer.
Wenn du weniger als 8 Minuspunkte gesammelt hast, dann hast du vielleicht ein bisschen geschummelt oder bist schon auf dem besten Weg, ein „Workaholic“ zu werden, der einfach Arbeit und Stress
braucht, um sich gut zu fühlen.
TAT 8
Nichts motiviert mehr als Erfolg!
aber:
Ohne lebenslanges Lernen geht nichts!
Möchtest du wissen, wie du erfolgreich lernst/ arbeitest, dann überlege dir folgende Fragen, um dich
selbst zu einem Lern- bzw. Arbeitsvorhaben zu motivieren:
1 Welche persönlichen Vorteile hast du, wenn du ein Buch durcharbeitest oder eine bestimmte
Arbeit auf dich nimmst?
Welche Nachteile musst du in Kauf nehmen?
2 Welchen materiellen Gewinn – Belohnung für gute Leistungen, du verdienst mehr, bekommst
einen besseren Posten, erzielst einen höheren Umsatz – bringt es dir?
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3 Hebt es dein Ansehen – du giltst als gescheit, man fragt dich um Rat, du bist als Freund/in
begehrt, etc.?
4 Diese Arbeit macht dir Freude, hebt dein Selbstbewusstsein, es macht Spaß.
5 Du gewinnst damit an Sicherheit, auch an Selbstsicherheit.
Übrigens:
Falls während des Arbeitens die Motivation nachlässt, gibt dir selbst einen Motivationsschub und sei
nett zu dir!
Kleine Belohnungen wirken Wunder!
TAT 9
Schwierigkeiten? Du schaffst es!
Rollenspiele2 können dir helfen, dich auf schwierige Situationen vorzubereiten oder diese im Ernstfall
leichter zu bewältigen.
1 KÜNDIGUNG
Der Personalchef erklärt einem/einer Angestellten, dass er leider Einsparungsmaßnahmen
durchführen muss und seine/ihre Tätigkeit dadurch überflüssig geworden ist.
2 VORSCHUSS
Ein nicht besonders engagierter Lehrling möchte um Vorschuss fragen, da er sich ein Moped
kaufen will. Der Personalchef bittet ihn, sich mehr anzustrengen.
3 ALLER ANFANG IST SCHWER
Du bist erst den ersten Tag im Betrieb, hast eine Anweisung nicht verstanden und bittest nun jemanden, der dir sehr sympathisch ist, dir zu helfen. Dieser verwickelt dich in ein Gespräch über deine Hobbys.
4 ENDLICH
Du hast nun endlich eine Lehrstelle gefunden und deine Eltern wollen dir noch immer verbieten, am
Samstag bis Mitternacht auszugehen. Du hast jedoch stichhaltige Argumente, die für deinen Wunsch
sprechen (z.B. Vertrauen, eigenes Geld, netter Freundeskreis, Nachtbus...).
5 NUR EIN KLEINER LEHRLING
2 Quelle: Spielmacher. Spielen & Darstellen im Unterricht. 6. Jg. Nr. 9. Serviceblatt des ÖBV. Redaktionsadresse: Erich Hofbauer. Schweglerstraße 11-13/14, 1150 Wien. S. 16
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AK Berufe fallen nicht vom Himmel
Du bist der/die Jüngste in der Abteilung und alle kommandieren dich herum: Du musst dies und das
holen, Dreck putzen, stundenlang die gleichen Handgriffe machen, du bekommst nur wenig hilfreiche
oder ausweichende Antworten, wenn du etwas lernen willst.
6 BEHINDERT
In deinem Betrieb befindet sich ein Lehrling mit einem geschützten Arbeitsplatz. Er trägt in beiden
Ohren Hörgeräte und kann auch schlecht sprechen. Andere Lehrlinge, mit denen du gut auskommst,
verspotten ihn. Du suchst das Gespräch mit ihm, um ihm zu helfen. Du stellst auch deine KollegInnen
zur Rede.
7 VOGELFREI?
Du bist erst seit einigen Wochen als Lehrling in der Firma und wunderst dich über die übertriebene
Freundlichkeit deines Werkmeisters. Er ist sehr oft in deiner Nähe, schaut dir bei der Arbeit über die
Schulter und beugt sich körpernah an dich, er berührt dich,.....du suchst das Gespräch mit einem
älteren Kollegen...
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5.WORKING WOMEN
TIPP: http://wien.arbeiterkammer.at/online/page.php?P=68&IP=17636&AD=2258&REFP=0
AK-Broschüre „Richtig starten besser vorankommen - Mädchenratgeber zum Berufseinstieg“.
Texte
Spruch des Tages:
Frauen, seid lieber schön als klug –
Männer können besser schauen als denken!
Du bist immer <in>
Mädchen,
wenn überall Leute fehlen,
bist du <in>:
Du wirst
Lehrerin,
Pilotin,
Managerin.
Wenn überall Arbeit fehlt,
bist du als Erste wieder <in>:
Du wirst Kurzarbeiterin,
Stellensucherin,
Stemplerin.
(Hans Manz: Die Kunst zwischen den Zeilen zu lesen. Beltz & Gelberg: Weinheim und Basel, 1986,
Gulliver TB # 5, S. 101)
Hausbackenes Märchen
„Ich bin doch nicht dämlich und spiele länger den Hausherrn“,
sagte der Hausherr und wurde Hausmann, der seiner Frau
Hausmannskost kochte.
„Gut“, sprach die Hausfrau, „dann will ich auch nicht länger
Hausfrau bleiben und schon gar keine Hausdame. Nein, ich will
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mein eigener Herr werden und im Beruf meine Begabungen an
den Mann bringen.“
So hausten sie hinfort zusammen.
(Hans Manz: Worte kann man drehen. Beltz & Gelberg: Weinheim und Basel, 1985, S. 89)
Dem Tüchtigen gehört die Welt
Und was gehört der Tüchtigen?
„Meine Generation hat es nicht mehr nötig, für die Emanzipation auf die Barrikaden zu gehen und sich
bei jeder Gelegenheit streng feministisch zu gebärden. Denn wir sind inzwischen weitgehend emanzipiert...
Gut. Da haben wir also in unserem Freundeskreis dieses begabte, gebildete und arbeitswillige junge
Mädchen, und dem werden wir jetzt beweisen, dass die moderne Berufswelt nur darauf wartet, von
talentierten Menschen, egal, welchen Geschlechtes, im Sauseschritt erobert zu werden.
Zum Zwecke der Beweisführung schlagen wir den Inseratenteil einer verbreiteten Zeitung auf.
Sofort entdecken wir einen vielversprechenden Text. Ein Zweigunternehmen einer bedeutenden österreichischen Unternehmensgruppe‘ sucht einen Organisationsleiter mit HAK-Ausbildung‘.
Da wir nicht zu diesen streng feministischen Schreckgestalten gehören, die jede Wortendung auf die
Waagschale legen, nehmen wir an, dass der Organisationsleiter auch eine Leiterin sein darf, wenn sie
über einen Handelsakademie-Abschluss verfügt.
Freudig lesen wir weiter. Freudig? Naja, ähem, direkt freudig eigentlich nicht. Wir müssen uns nämlich
ein klein wenig korrigieren. Der weitere Anzeigentext offenbart, dass Wortendungen doch nicht so
bedeutungslos sind, wie wir gedacht haben. Heißt es doch ausdrücklich: ‚Für die Weiterentwicklung
und exakte Durchführung aller innerbetrieblichen Abläufe suchen wir einen jungen Herrn zwischen 25
und 35 Jahren.‘ Hm....
Das junge Mädchen, das wir ins Arbeitsleben entsenden wollen, hat ja mehr als bloß eine Einzelhandelsausbildung (sprich: eine Ausbildung zur Verkäuferin), es hat an der Handelsakademie maturiert
und Sprachen gelernt. Auf dieser Ebene lässt sich sicher was finden...
Hier ist schon was: ‚HAK-Absolventin, jung, ambitioniert, gewandt ...Gute Englisch- oder Französischkenntnisse erforderlich...‘
Trifft alles auf die junge Dame zu, die wir vor uns sitzen haben. Bestens.
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Und wie schauen ihre Aufgaben aus, wenn sie den Posten bekommt?
‚Telefonische Kundenbetreuung, Auftragsbearbeitung und Verkaufsunterstützung.‘
Ach so.
Dann lieber das:...‘ tüchtige, jüngere Mitarbeiterin mit sehr guten Fremdsprachenkenntnissen (Englisch in Wort und Schrift sind Bedingung), Steno (englisch, deutsch), Maschinschreibkenntnissen.
Unsere zahlreichen Außenkontakte erfordern ein freundliches und sicheres Auftreten sowie die Fähigkeiten zur raschen Anpassung an die unterschiedlichsten Situationen. Wir denken an eine Dame mit
entsprechender kaufmännischer Ausbildung sowie Erfahrung mit Textverarbeitung ...‘
Um welche Führungsposition geht es da wohl?
Es geht um die Position einer Sekretärin.
Na ja.
Aber hier! Aber jetzt!
‚Steno und Maschineschreiben, perfekte Italienischkenntnisse in Wort und Schrift, Englisch und Französisch wären von Vorteil.‘
Hurra, nun erweist es sich doch als nützlich, dass wir diesem klugen Kind unserer Freunde einst
klugerweise zu einer soliden Ausbildung in mehreren Fremdsprachen geraten haben. Hechelnd lesen
wird weiter: ‚... von Vorteil. sollten Sie zufällig noch modisch interessiert sein, dann wären Sie...‘
Ja, was denn nur? Bald Abteilungsleiterin? Produktmanagerin? Sonst eine Führungskraft?
Das wieder nicht?
‚....dann wären Sie die Seele für unseren Chef.‘
Aha, aha. Seele ist ja eigentlich was Nobleres als Führungskraft, wenn wir die Angelegenheit metaphysisch betrachten, aber trotzdem wüssten wir gern, wie viele Sprache der Chef so spricht, der per
Anzeige nach einem wohlfeilen Pfingstwunder sucht...
‚We are looking for a cheerful, charming young lady ....Junge, hübsche Büroangestellte gesucht...‘
Gerade wollen wir zu einer schwungvollen Erwiderung ansetzen – das heißt, genau genommen, wollen wir uns gerade überlegen, was uns als schwungvolle Erwiderung wohl einfallen könnte, um diese
verbitterte junge Geschöpf von seiner eigentlich privilegierten Situation zu überzeugen – da kriegt das
Geschöpf verträumte Augen.
Folgende Anzeige würde es gerne einmal in der Zeitung finden, sagt es:
‚Wir suchen einen hübschen, charmanten, ungebundenen jungen Herrn als Assistenten unserer
Direktorin. Perfekte Englisch- und Japanischkenntnisse, ein Hochschulabschluss in Betriebswirtschaft
sowie Diplome in Psychologie, Kochen und Heilmassage sind Vorbedingung.‘
Und: ‚Sind Sie dynamisch und ehrgeizig, gnädige Frau? Dann spielen Sie bei uns die erste Geige!
Schulabschluss nicht erforderlich.‘
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Unsere junge Freundin lehnt sich zurück und schaut uns herausfordernd an.
Wir lächeln ihr milde zu.
Schon gut.
Weibliche Sehnsüchte darf sie natürlich haben, das ist okay.“
(Textausschnitt aus: Elfriede Hammerl, Seele für den Chef, profil, 12. Februar 1990)
Traumjob: Model
Vorgeschichte:
Das Leben als gefragtes Model hat sich Karen anders vorgestellt. Aus dem Mädchentraum wird bald
harte Arbeit. Aber dafür winkt die große Karriere, oder doch nicht?
„Today Model Agency stand draußen auf einem Messingschild. Ich klingelte, da ging die Tür auch
schon surrend auf. Kein Flur, ich befand mich sofort in einem hellen, freundlichen Raum, lauter
Grünpflanzen, zwei Schreibtische in der Mitte, gepflastert mit Akten, Mappen, Modelfotos und an die
Wände waren Sedcarts gepinnt. Ein Typ mit Ziegenbart und langen Haaren kam auf mich zu, er heiße
Peter, sagte er, und arbeite als Booker in diesem Laden.
‚Hallo, ich bin Karen‘. Schüchtern streckte ich meine Hand aus, aber Peter war schon zu einem der
Schreibtische gegangen, wo er in einem Stapel Mappen herumwühlte.
‚Testfotos?‘, fragte er ohne aufzusehen...
‚Ja... Ich hab hier eine Notiz. Du kriegst den Job. Ein junger Fotograf...‘ Er hielt inne, taxierte mich von
oben bis unten. ‚Ja, ganz nett‘, murmelte er. Und dann: ‚Weißt du überhaupt, was wir mit dir anstellen?‘
Ich schüttelte den Kopf.
‚Erst mal nehme ich deine Daten auf, danach gehen wir zu Jo rüber, der macht erste Testfotos von dir.
Da kannst du dich ein bisschen vor der Kamera ausprobieren, und wir sehen, wie du rüberkommst.‘ Er
lächelte mich freundlich an. ‚Normalerweise produzieren wir mehrere Testreihen. Für die provisorische
Sedcard und um dein Book aufzubauen.‘
Bevor er weiterreden konnte, frage ich ihn, ob mich das Ganze etwas kosten würde.
‚Im Prinzip schon. Aber die Agentur schießt die Kosten für die Fotos vor. Wenn du später Aufträge
bekommst, wird das Geld verrechnet.‘
‚Und wenn ich keine Aufträge kriege?‘
‚Das ist dann unser Risiko.‘
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‚Also muss ich jetzt keinen Pfennig bezahlen?‘, hakte ich nach.
‚Keine Angst.‘ Er lachte immer noch so nett...‘Wir sind eine seriöse Agentur.‘
Einigermaßen beruhigt ließ ich mich ins Nebengebäude bringen, wo dieser Jo noch bei einem Shooting mit einer schönen Schwarzhaarigen war.
‚Du kannst inzwischen diesen Bogen ausfüllen.‘
Schwupps, draußen war er. Ich hockte mich auf einen freien Stuhl, trug brav Namen, Adresse, Größe,
Gewicht ein – bei den Maßen musste ich passen. Als ob ich jemals auf die Idee gekommen wäre, an
meinem Körper herumzumessen! Also machte ich weiter mit Augenfarbe, Haarfarbe, Schuhgröße,
Konfektionsgröße. Englisch, Französisch trug ich bei den Sprachen ein, Führerschein hatte ich noch
nicht – fertig. Dann hieß es warten, warten und nochmals warten.....es machte doch überhaupt keinen
Sinn, stundenlang hier rumzuhocken!
Und dann ging auf einmal alles ganz schnell: Die Schwarze verließ das Studio, der Fotograf kam auf
mich zu, plötzlich war ein Haufen Menschen um mich herum, man diskutierte, taxierte mich, griff mir
in die Haare, und schon saß ich bei der Visagistin auf dem Stuhl. Als Erstes drehte sie meine Spagettihaare auf heiße Wickler, dann wandte sie sich meinem nackten, bleichen Gesicht zu. Okay, ich
schminkte mich auch manchmal, griff hin und wieder sogar ziemlich tief in den Farbtopf, aber alles in
allem war ich nach maximal sieben Minuten damit fertig. Ganz im Gegensatz zu dem, was jetzt mit
mir geschah: Zuerst massierte mir die Visagistin eine Feuchtigkeitscreme in die Haut, ließ sie eine
Weile einziehen, bevor sie eine flüssige Grundierung auftrug, dann tauchte sie einen Pinsel in transparenten Puder und bestäubte mein Gesicht. Anschließend experimentierte sie mit unzähligen dunklen
Lidschattenfarben, vollendete ihr Werk mit schwarzem Kajal, den sie rund um die Augen auftrug, als
Krönung tuschte sie noch meine Wimpern und malte meinen Mund derart pingelig aus, als restauriere
sie ein kostbares Gemälde. Zum Schluss legte sie mir ein Papiertuch über die Lippen und stäubte mit
dem Pinsel ein bisschen losen Puder drauf. Haare auf, durchbürsten, eine ordentliche Ladung Spray –
Kunstwerk Karen fertig! Über eine Stunde lang hatte die Prozedur gedauert!
Die Visagistin trat zur Seite, damit ich mich in voller Schönheit betrachten konnte. Und dann fiel mir
wirklich die Kinnlade runter: Eine etwa fünfundzwanzigjährige fremde Frau lächelte mir entgegen. Ihre
Haare fielen in weichen Wellen auf die Schultern, ihr Gesicht wirkte schmal und zart, und irgendwo
unterhalb ihrer Nase prangte ein blutroter Schmollmund.....
Die Stylistin hängte mir noch eine bunte Glaskugelkette um den Hals, dann erläuterte Jo mir seine Arbeitsweise. Er sei zwar noch neu in der Branche, habe aber sehr genaue Vorstellung davon, wie sich
ein Model zu verhalten habe. ‚Bitte alle Anweisungen befolgen, keine Starallüren.‘ Er brachte das so
grantig hervor, dass ich annahm, er habe es üblicherweise nur mit nervigen Möchtegern-Diven zu tun.
Was konnte ich denn dafür? Ich hatte doch bisher keinen Mucks von mir gegeben!
Joes Ansprache hatte jedenfalls zur Folge, dass ich ziemlich verunsichert war. Fotografiert zu werden
fand ich bisher immer klasse, aber hier im Studio unter den Argusaugen dieser Crew – allesamt Profis,
die in ihrem Leben schon tausend und mehr schöne Mädchen gesehen hatte – wenn ich da nicht
an lauter Komplexen erstickte! Mit einem komischen Gefühl im Bauch stand ich auf, ging durch den
Raum, als hätte ich gerade eben erst laufen gelernt. Alles in allem ziemlich wacklig, und wahrscheinlich zog ich auch noch die Schultern hoch und stolperte gleich über meine Füße...
‚Jetzt mal los!‘, rief irgendein Hiwi und klatschte in die Hände.
Ich ging auf meinen Platz, wartete ab, was kommen würde. Zuerst schoss Jo ein paar Polaroids, an
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denen er sehen konnte, ob das Make-up stimmte und das Licht okay war. Das dauerte nicht lange,
und kurz darauf steckten fünf Köpfe zusammen und sahen sich die Fotos an. Wen ich ehrlich war,
hätte ich auch gerne einen Blick darauf geworfen, aber ich traute mich nicht zu fragen.
Danach wurde es ernst. Die richtigen Fotos. Ich wurde frontal fotografiert, anschließend musste ich
mich auf einen Studiohocker setzen, die Haare nach hinten schütteln, den Kopf zur Seite drehen,
lächeln, ernst gucken, sinnlich, wie ein junges Mädchen ...Wieder aufstehen, die Hände in die Hosentaschen stecken, frech grinsen, einmal lasziv durch den Raum gehen, ja, super!, weiter so, guck mal
Bea an, ja, jetzt schau mal in die andere Richtung...
War ich anfangs noch unbeholfen und verklemmt, löste sich plötzlich der Knoten. Auf einmal dachte
ich nicht mehr groß darüber nach, wie ich wohl wirkte, ich lachte einfach oder guckte eben ernst, es
war wie ein Rausch, ein toller Traum, in dem man alles gut machte und gar keine andere Wahl hatte,
als eben alles gut zu machen.
Ehe ich mich versah, war Feierabend. Schade. Jetzt sollte es erst richtig losgehen, zwei Tage am
Stück hätte ich so posieren können!
‚Hat dir aber Spaß gemacht, was?‘ Jo sah begeistert aus, als er das sagte.
Ich nickte. Bestimmt glühten meine Wangen trotz der dicken Make-up-Schicht.
‚Kann ich ...ein paar Fotos sehen?‘
Jo holte die Polaroids; ich konnte nicht anders, riss sie ihm gierig aus den Händen. und dann – der
absolute Wahnsinn! Das war nicht ich, das war eine Wunderfee, schön, geheimnisvoll, dämonisch –
das konnte doch nicht ich sein!
‚Gefallen sie dir?‘
‚Sie sind super‘, sagte ich mit voller Überzeugung. ‚Ich würde gerne eins mitnehmen. Darf ich? Im
selben Moment hätte ich mir am liebsten auf die Zunge gebissen, nur eingebildete Teenager verhielten
sich so, wollten ihre Starfotos neidischen Freundinnen zeigen. Doch Jo wühlte schon in den Bildern,
gab mir dann zwei Polaroids.
‚Es hat Spaß gemacht, mit dir zu arbeiten!‘“
Karens Modelkarriere geht mit Siebenmeilenschritten voran. Nach drei Wochen muss sie schon eine
Reihe von Terminen wahrnehmen. Dies sind sogenannte Go-Sees, also Vorstellungsgespräche bei
Zeitungsredaktionen.
Bei einem dieser Termine trifft sie auf Edda, ein zweiundzwanzigjähriges Model.
„Edda war zweiundzwanzig und modelte seit ihrem fünfzehnten Lebensjahr. Als sie hörte, dass ich
gerade anfing, meinte sie plötzlich ernst, ich sollte mir bloß keine Illusionen machen. Modeln sei ein
knallharter Job, und geschenkt werde einem gar nichts.
‚Ich habe schon tagelang bei irgendwelchen Castings in Mailand rumgehockt und keinen einzigen
Auftrag gekriegt.‘
Sie guckte auf ihre perfekt manikürten Hände.
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‚Jetzt mache ich hauptsächlich Katalog in den Staaten Ziemlich öde.‘
‚Aber Amerika ist doch toll!‘, warf ich ein.
‚Ja, klar! Besonders wenn du jeden Morgen um vier aufstehst, als Erstes Lockenwickler in die Haare
kriegst und dann auf irgendwelchen Schrottplätzen fotografiert wirst, weil das bei den Kids besser
ankommt als Strandaufnahmen.‘
‚Wieso fängt man so früh an?‘
‚Ganz früh morgens ist das Licht am besten.‘
‚Au Backe.‘
Edda nickte und lachte wieder in ihrer offenen Art. Irgendwie sah sie aus, als würde sie jede Woche
auf dem Titelbilde der Elle oder Vogue abgebildet sein. Sie hatte große blaue Augen, dazu pechschwarze halblange Haare, eine schöne, schlanke, aber dennoch gerundete Figur. Toller Busen,
dachte ich neidisch, und als sie meinen Blick spürte, grinste sie nur: ‘Silikon.‘
‚Wirklich?‘
‚So wahr wie ich hier sitze und gleich einen hysterischen Anfall kriege.‘
Ich kicherte verlegen und schwieg erst mal.
‚Du bist nett‘, sagte Edda plötzlich. ‚Findet man selten in der Branche. Liegt vielleicht daran, dass du
neu bist.‘
Sie zündete sich wieder eine Zigarette an, fummelte eine Cola light aus ihrem Seesack.
‚Weißt du, wenn du dich nicht rechtzeitig nach was anderem umsiehst, bist du irgendwann der letzte
Arsch. Ich habe mir überlegt, dass Fotografin eine ganz nette Alternative wäre.‘
Sie inhalierte tief, seufzte und sah mit sehnsüchtigen Blicken zur Tür, aus der im selben Moment ein
Typ trat.....“
(Textausschnitte aus: Susanne Fülscher, Schöne Mädchen fallen nicht vom Himmel. Verlag kerle: Freiburg- Wien-Basel 1997, S. 25ff., 61f.)
Berufswunsch: Tänzerin
Vorgeschichte:
Judith und ihre Schulfreundin Lisa wollen Tänzerinnen werden. Sie brechen die Schule vor der
Reifeprüfung ab und beginnen ihre Ausbildung. Die ersten Wochen in der Theaterklasse sind hart.
Charaktertanz, Spanischer Tanz, Moderner Tanz, Pas de deux, Fechten, Tanzgeschichte, Anatomie.....
abends nach der Probe fallen sie todmüde ins Bett und stehen morgens schon wieder schwitzend an
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der Stange. Auch in ihrer knapp bemessenen Freizeit hat Judith nichts als Tanzen im Kopf und stellt
sich den Strapazen. Für Lisa bedeutet Tanzen viel, aber nicht alles. Sie leidet unter der körperlichen
Anstrengung, und in ihr wachsen Zweifel, ob der Berufswunsch Tänzerin wirklich ihr Traumziel ist.
„Judith hatte ihren Balletttrikots Namen gegeben. Das hellblaue langärmelige hieß ‚Einstein‘, das
rosafarbene mit angenähtem Rock ‚Wölkchen‘, der schwarze Ganzteiler ‚Fee der Nacht‘. Selbstverständlich besaß Judith noch viel mehr Trikots; das untere Fach ihres Kleiderschranks quoll über vor
Beintrikots, Ballettanzügen, Legwarmers und Sweatshirts, aber ‚Einstein‘, ‚Wölkchen‘ und ‚Fee der
Nacht‘ waren ihre Lieblingstrikots. Nach dem Training wusch sie sie oft im Waschbecken aus und legte
sie auf die Heizung. Vor der nächsten Ballettstunde konnte sie sich dann je nach Lust und Laune eins
aussuchen.
Heute war Judith in Wölkchenstimmung. Sie stopfte das rosafarbene Trikot in ihre Tasche, warf
Strumpfhose und Beinwärmer hinterher und zwirbelte ihre langen blonden Haare in Windeseile zu einem straffen Knoten, den sie nur mit ein paar Haarnadeln feststeckte. Diesmal saß der Knoten perfekt
am Hinterkopf....
Im Ballettsaal plapperten neunzehn Mädchen durcheinander. Sie streckten und reckten sich, versuchten ihre kalten Körper wieder auf Trab zu bringen. Judith stellte sich ganz vorne an die Stange und
dehnte ihren Oberkörper. Nach vorne, nach hinten, zu beiden Seiten....
Dann waren Schritte zu hören; die Mädchen verstummten auf der Stelle. Wie versteinert standen sie
abwartend da. Einige sahen zu Boden, andere blickten ins Leere.
Klick, klack, klick, klack! machten Frau Wandruszkas Schuhe auf dem Parkett. Als sie in der Mitte
des Saals angekommen war, klatschte sie einmal in die Hände, und die Gruppe stand akkurat in der
ersten Position an der Stange.
Es war jede Stunde das Gleiche, fast schon eine Art Ritual. Mit diesem Verhalten zeigten die Schülerinnen, dass sie vor ihrer Lehrerin Respekt hatten.
Judith fand es zwar lächerlich, aus Ehrfurcht vor der großen Diva zu verstummen, aber sie musste
dieses Spiel mitspielen, um nicht Gefahr zu laufen, ihre Gunst zu verlieren.
Judith stand ganz vorne und sah, obwohl sie schon nach wenigen Minuten schweißüberströmt war,
unendlich grazil aus. Doch dann war die Wandruszka bei Judith und fauchte: ‘Tiefer das Plié! Los,
tiefer, dein Hintern hängt wie ein Sandsack, gib dir doch mal Mühe! Und lächeln!‘
Unerbittlich gab die Lehrerin ihre Anweisungen. Judith strahlte, aber eigentlich bleckte sie nur einfach
die Zähne.
Nach einer Dreiviertelstunde war die Schinderei an der Stange zu Ende.“
(Susanne Fülscher: Berufswunsch Tänzerin. Reutlingen: Verlag Ensslin & Laiblin, 1992, S.7ff.)
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Musicalstar
Vorgeschichte:
Julia Scholl ist sechzehn und ehrgeizig. Sie will zum Theater, träumt davon ein Star zu werden. Vorher
aber muss sie die Ausbildung an einem Tanz- Gesang- Schauspiel-Studio schaffen. Und dazu muss
sie die Aufnahmeprüfung, die sogenannte Audition, bestehen. Julia bereitet sich intensiv darauf vor,
geht regelmäßig zum Ballett- und Jazztanzunterricht, nimmt Gesangstunden und Sprechtechnikstunden.
‚Glauben Sie‘, fragte Julia, und an ihrer gespannten Haltung merkte man, wie wichtig ihr diese Frage
an ihre Gesangslehrerin war, ‚dass Tanzen und Theaterspielen eher eine Sache der Begabung als der
Übung ist?‘
‚Das würde ich auch gerne wissen. Wahrscheinlich ist beides wichtig: außergewöhnliche Begabung
und sehr viel Training. Und eine Extraportion Frustrationstoleranz gehört auch noch dazu. Also, ich
würde den beinharten Kampf nicht aushalten‘, meinte Walter Kindig, der Mann ihrer Gesanglehrerin.
‚Natürlich nicht, du zarte Seele‘, sagte Eva Kindig.
‚Mach dich nur lustig!‘, sagte Walter. ‚Erst neulich hab´ ich in der Zeitung gelesen, dass in der Wiener
Oper eine große Audition stattgefunden hat. Zweihundert Tänzer haben sich gemeldet. Dabei wurden
nur zehn Tänzer fürs Corps de ballet gesucht. Ich möchte nicht bei den 190 sein, die rausfallen. Nein,
danke! Nichts für mich.‘
Er aß einen Bissen von dem Kuchen.
‚Warum wird man eigentlich Tänzer oder Schauspieler?‘ fragte er mampfend. ‚Ist es der Ruhm, den
man erstrebt, das Im-Rampenlicht-Stehen, das Bewundert-Werden? Die Sucht nach Applaus? Vielleicht sehe ich das Ganze zu negativ. Was sind deine Motive, Julia?‘
‚Ich weiß nicht‘, sagte Julia zögernd.
‚Ich tanze, seit ich fünf Jahre alt war. Es hat mir immer Freude gemacht. So wie das Theaterspielen.
Ich finde es einfach faszinierend‘, fuhr Julia fort, ‚ die Atmosphäre im Theater, die Musik, die Leichtigkeit und Perfektion der Tänzer. Diese scheinbare Mühelosigkeit. Und dann – der Applaus als Belohnung.‘
‚Ich verstehe‘, sagte Walter Kindig.
‚Aber da ich nun schon die Rolle des Buhmanns übernommen habe, muss ich gleich noch ein paar
negative Seiten dieses ehrenwerten Berufsstandes aufzeigen: Unsoziale Arbeitszeiten, Nachtarbeit,
Sonn- und Feiertagsarbeit. Warten, warten, warten – auf den vielleicht winzig kleinen Auftritt. Strapaziöse Tourneen. Hundertmalige Wiederholungen derselben Rolle, womöglich einer Rolle, mit der
man sich gar nicht identifizieren kann. Wobei nicht einmal gesagt ist, dass man überhaupt eine Rolle
kriegt.‘
‚Spießbürger‘, sagte Eva Kindig.
‚Aber eines ist sicher, Julia: Du wirst immer kämpfen müssen. Zuerst um einen Platz in diesem Studio.
Wenn es dir glückt hineinzukommen, folgt wahrscheinlich eine schöne Zeit der Ausbildung. Aber dann
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beginnt der Kampf ums Engagement, und der wird noch härter sein, glaub mir!‘ “
Und dann ist es soweit. Der Tag der Audition ist da.
(Textstellen aus: Jutta Treiber, Julia spielt Julia. Verlag Jugend & Volk, Wien 1992, S. 34f.)
Reif für die Insel:
Traumjob Reisebüro
Vorgeschichte:
Gina und Gabi sind Schulfreundinnen. Als Gabi beschließt, die Schule zu verlassen und sich in der Arbeitswelt der Erwachsenen zurechtzufinden, muss sie Rückschläge und Enttäuschungen bewältigen...
„Gina fand, dass Gabi einen Traumjob hatte. ‚Flug- und Schiffschalter‘, das klang nach Kreuzfahrten
und Jetset. Reisebüroangestellte wurden außerdem zu Gratisflügen eingeladen und zu teuren Abendessen, damit sie bestimmte Fluglinien oder Hotels besonders oft buchten. Sie verstand nicht, worüber
Gabi sich beklagte. Sie war ja jetzt so was Ähnliches wie eine Hostess oder Stewardess.
‚Die Dinge, die du bei Kosmotours lernst, kannst du wenigstens brauchen‘, sagte Gina tröstend, ‚du
kriegst einen Überblick, erfährst, wo was los ist auf der Welt! Weißt du, was wir in der Schule lernen?
Dass irgendein Tasso die Awaren bekämpfte! Und jetzt sag mir, ob ich das jemals im Leben brauchen
werde!‘
Gabi musste lachen.
‚Du gehst uns ab‘ , stellte Gina fest. ‚Vor allem mir natürlich!‘ Gabi drückte ihren Arm.“
„Gabi faltete Werbezettel, auf denen stand:
Paradies Ibiza. 14 Tage nur Meer und Sonne. Der außergewöhnliche Urlaub. Einmaliges Sonderangebot.
Neben Gabi hing ein Plakat an der Wand. Palmen und Sandstrand. In der letzten Zeit hatte sie sich
manchmal vorgestellt, wie es wäre, einfach in das Plakat hineinspazieren zu können. Auf einmal heißen, sonnendurchglühten Sand zwischen den Zehen zu spüren...
Die Finger taten ihr schon weh vom Falten und Glattstreichen des dicken Papiers. Für so etwas gab
es noch keine Maschine.
Wenn es dafür eine Maschine gäbe, würden sie mich nicht mehr brauchen, dachte Gabi unwillkürlich.
Dann schob sie diesen Gedanken rasch fort. Sie faltete ja nicht nur, sie adressierte auch die Umschläge, trug neue Adressen in die Kundenkartei ein. Sie betreute das ganze Werbewesen der Flug- und
Schiffabteilung!
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Quatsch! dachte Gabi, die Werbetexte entwarf Herr Bauer, der Abteilungsleiter, die Beratung der Kunden und die Buchung führte Marion durch. Marion arbeitete schon zehn Jahre im Reisebüro und hatte
einen tollen Überblick.
Für Gabi blieb die primitive Arbeit:
Prospekte und sonstiges Werbematerial in Kuverts stecken, die Kuverts nach Adressen ordnen, zu
Bündeln binden, in einen Postsack stecken und auf die Post schleppen. Eigentlich eine Hilfsarbeit!
Gabi genierte sich jedesmal, wenn sie mit dem Postsack unterwegs war.
Hoffentlich sieht mich niemand! dachte sie inbrünstig. Keine Bekannten, keine Schulkollegen! Glücklicherweise war nicht jeden Tag eine Massenaussendung. Meist konnte sie die Post der Abteilung unter
den Arm klemmen und in den Briefkasten werden. Aber auch dabei kam sie sich wie der letzte Laufbursche vor.
Dann überlegte sie flüchtig, ob es klug gewesen war, die Schule aufzugeben.
Die Ottomayer fiel ihr ein, und sie wusste, dass sie es kein Jahr länger dort ausgehalten hätte.
Natürlich gab es bei Kosmotours auch andere Aufgaben für sie.
Sie konnte Buchungsaufträge entgegennehmen.
Sie konnte sogar selbst einfachere Buchungen durchführen: Ein Flug Graz- Frankfurt, Fensterplatz.
Wenn die gewünschte Fluglinie keinen Platz frei hatte, dann buchte man eben bei einer anderen. Oder
der Passagier kam auf die ‚Warteliste‘.
Marion hatte nichts dagegen, wenn Gabi die Inlandbuchungen übernahm. Im Gegenteil, es hätte sie
entlastet. Das Dumme war nur, dass Gabi vor diesen Aufgaben immer noch eine heillose Angst hatte.
‚Warum erzählst du mir das alles?‘, sagte Marion, ‚warum buchst du den Flug nicht selbst? Ich hab´s
dir hundertmal gezeigt, wie es geht! Du hast den Kunden am Telefon, du kannst ihm doch gleich sagen, ob etwas frei ist, oder ob sein Flug o.k. ist. Was denkt der sich, wenn er hört ‚Wir rufen zurück?!‘
Der glaubt doch, hier sitzen lauter Trottel! Oder er denkt, er hat die Aufräumefrau am Apparat!‘
Gabi hatte Angst vor dem Buchungscomputer und Angst vor den Kunden.
Immer fürchtete sie, dass sie sich geirrt hatte und falsche Daten eingegeben.“
(Textausschnitte aus: Monika Pelz, Reif für die Insel. Jungbrunnen: Wien 1987, S. 14, S. 10f.)
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Friseurin
Vorgeschichte:
Nachdem Christian Becks Vater die Familie verlassen hat und zu seiner jungen Sekretärin gezogen
ist, muss die Mutter wieder ihren Friseurberuf aufnehmen. An den Abenden lernt sie für ihre Meisterprüfung als Friseurin. Sie lernt bis in die Nacht hinein, um nicht an ihren untreuen Mann zu denken
und um endlich finanziell unabhängig zu sein. Der elfjährige Christian kommt mit den Veränderungen
nicht zurecht, fühlt sich betrogen und will nicht mehr .... leben.
„Christian kam sich ausgeschlossen vor. An den Nachmittagen ging er an dem Friseurgeschäft vorbei,
in dem seine Mutter Arbeit gefunden hatte, aber nur selten besuchte er sie. Er hörte sie mit den Kundinnen plaudern und scherzen.
Sie war auf der Suche nach einem tadellosen Glatzkopf von ganz bestimmter Form, dem sie bei der
Meisterprüfung einen Haarersatzteil anmessen konnte; außerdem brauchte sie Modelle für Masken.
Für die Prüfung musste sie vier Masken schminken können: Hexe, Clown, Teufel, alter Mann.
‚Ich bin wie unter Zwang‘, gestand Frau Beck ihren Kundinnen. ‚Bei jedem Kopf, den ich frisiere, muss
ich denken: Gäbe der einen guten Teufel ab? Eine Hexe?‘
Sie lachten, und Christian fiel auf, dass die Mutter im Geschäft ganz anders war als zu Hause. Sie
wirkte jünger und hübscher, trug Augen-Make-up und einen lustigen orangefarbenen Overall. Sie kam
ihm fremd vor, aber vielleicht wäre der Vater nicht zu seiner Sekretärin gezogen, wenn er die Mutter so
gekannt hätte...
Die Meisterprüfung war für vier Tage angesetzt und begann an einem Montag. Am Freitagabend vorher erfuhr Frau Beck, dass ihr Herrenmodell – Rasieren, Messer Haarschnitt, Teufelsmaske – ausfiel.
Der Mann, ein treuer Kunde im Friseurladen, gestand mit schwacher Stimme eine fiebrige Darmgrippe. Sie wünschte ihm gute Besserung und tröstete ihn. Nein, nein, es müsse ihm nicht peinlich sein,
für solche Fälle habe man ja das Ersatzmodell...
Hanniel erklärte sich gern bereit, ein Ersatzmodell für ein Ersatzmodell zu sein...
Sie waren acht Prüflinge. an jeder Längswand des Raumes waren vier Arbeitsplätze eingerichtet. An
der Stirnwand saßen an einem kleinen Tisch der Prüfungsvorsitzende und zwei Beisitzer. Frau Beck
hatte den Tipp ihrer Chefin befolgt und einen blütenfrischen weißen Arbeitsmantel angezogen. Und
tatsächlich: Bei einer Kollegin, die einen modisch zyklamefarbenen Overall trug, begann der Vorsitzende als Erstes zu kritisieren: Sie verwenden zu viel Farbe, Sie verschwenden Material!‘
Frau Beck hatte an diesem Vormittag kein schlechtes Gefühl. Sie verpasste dem Lehrmädchen Lisi
den Modehaarschnitt. Lisi hatte sich für diese wichtige Gelegenheit sehr hübsch gemacht und sah
mit ihrem jungen Gesicht reizend aus. Der Vorsitzende brummte zustimmend. Auch der Messerhaarschnitt gelang ihr gut, und Hanniel (Anm.: Christians „Schutzengel“) zwinkerte ihr ermutigend zu...
Am Nachmittag beim Maskenbilden ließ sich der Vorsitzende die Fotos zeigen und betrachtete die Modelle.
Und dann tat er, was jeder Prüfling seit Wochen fürchtete – er wurde seinem Ruf als unberechenbarer
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Prüfer gerecht und tauschte die Modelle aus. Ein junges Hexenmodell wurde einem Friseur zugeteilt,
der den alten Mann schminken sollte. Die Friseurin, die nun die schwierige Hexe an einem ungewohnten Gesicht vorführen musste, weinte beinah. Der Prüfer kam zu Hanniel und bat ihn, mit seiner
Nachbarin Platz zu wechseln.
Er wies Frau Magrutsch als Modell für die Teufelsmaske Frau Beck zu, ihre Kollegin sollte Hanniel in
einen Enrico-Clown verwandeln. Die Kollegin begriff, dass der alles eher als eine Katastrophe war,
und machte sich flink und vergnügt an die Arbeit. Frau Magrutsch protestierte: ‚Aber mein Gesicht
eignet sich nicht für eine Teufelsmaske!‘
‚Natürlich nicht, Gnädigste!‘ sagte der Hauptprüfer. ‚Daran erweist sich ja die Kunst der Maskenbildnerin, dass sie aus einer charmanten Dame einen Teufel zaubert...‘“
(Textausschnitte aus: Lene Mayer-Skumanz, Hanniel kommt in die Stadt. Herder: Wien-Freiburg-Basel
1989, S. 8, S. 190f.)
Neu aufgelegt unter dem Titel: Ein Engel im Sondereinsatz. Tyrolia 2003
„Eine Frau heiratet sowieso und kriegt Kinder“
Im Folgenden werden drei Textausschnitte von zehn Lebensläufen geboten, die die Schriftstellerin
Monika Pelz im Rahmen sozialwissenschaftlicher Untersuchungen aufgezeichnet und in ihrem Buch
„Eine Frau heiratet sowieso und kriegt Kinder“(Jungbrunnen1990) verdichtet hat.
Die Geschichten von Beate, Martina und Ilse und den anderen Frauen sind keine „wahren Geschichten“, aber „typische Fälle“.
Frauen berichten, wie es ihnen in zwei Jahrzehnten nach der Schule ergangen ist.
Wie aus Illusionen enttäuschender Alltag geworden ist, aber auch, wie sie sich allmählich auf sich
selbst besinnen und lernen, auf ‚eigenen Füßen zu stehen‘.
Der Mann, die Ehe, die Kinder – das ist nicht das Ende der Geschichten, sondern erst der Anfang.
BEATE:
„Beate ist aus dem Waldviertel.
In L., wo sie aufwächst, werden Mädchen entweder Textilarbeiterinnen oder sie arbeiten im Gastgewerbe. Beates Mutter macht in einer Fabrik Tag- und Nachtschichten. Beate weiß nicht genau, worin
diese Tätigkeit in der Flachsspinnerei eigentlich besteht – ‚ an irgendeiner Maschine ist sie halt. Eine
rechte Drecksarbeit!‘ Zu den Kindern hat die Mutter immer gesagt: ‚Schauts, dass ihr was lernts, damit
ihr nicht so eine Arbeit machen müsst.‘
Auch als der Vater am Bau recht schön verdiente, musste die Mutter ‚schichteln‘; der Hausbau musste
finanziert werden. Beate hat ihre Großmutter fast lieber gehabt als die Mutter, die ‚nie‘ zu Hause war...
Die Großmutter stirbt leider, als Beate zehn ist.
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Von den drei Kindern sind es die Buben, die ‚etwas lernen‘. Hans lernt Koch in G., Helmut geht nach
Oberösterreich zur VOEST.
Bei Beate ist es nicht so einfach, etwas zu finden. Lehrstellen für Mädchen gibt es weit und breit keine.
Am liebsten würde Beate Tierpflegerin werden, aber da findet sich nichts...
Im zweiten Wunschberuf – Verkäuferin – hat Beate erst recht keine Chance. Ihr Schulzeugnis ist nicht
gut, und in der Vierten ist sie ‚sitzengeblieben‘. Nach einem halben Jahr vergeblicher Suche geht sie
in eine Textilfabrik wie ihre Mutter...
Die Arbeit ist schlecht bezahlt.... Aber sie tröstet sich damit, dass sie ja nicht ihr Leben lang in der
Fabrik bleiben will.
Nach wie vor träumt sie von einem Job als Verkäuferin – vielleicht in einem Modegeschäft. Ein Kindermodengeschäft, das wäre das Schönste. Sie würde die Kundinnen beraten, weil sie einen guten
Geschmack hat...“ ( S.7f.)
MARTINA:
„Ich war ein verpatzter Bub. Auf jedem Baum oben, in jeder Grube unten, immer den Mund offen –
egal, was die Lehrerin gesagt hat, ich hab immer was drauf gewusst. Ich war halt der Klassenkasperl,
die andern haben sich gerollt, und ich hab schon können in der Ecke stehen.
Zweimal muss Martina die Schule wechseln, einmal wäre sie fast in die Sonderschule eingewiesen
worden. Danach - und nachdem der Stiefvater lange mit ihr geredet hat - reißt sie sich zusammen.
Vom Stiefvater erzählt Martina viel, von der Mutter spricht sie kaum; erst Jahre später erwähnt sie, wie
die Mutter sich als Putzereiarbeiterin abrackern musste, während ihr Mann wegen seines Alkoholismus immer wieder die Anstellung verlor. Er ist gelernter Setzer, arbeitet in Druckereien. Martina hängt
sehr an ihm.
Zuletzt findet der Stiefvater in einer Druckerei einen Chef, der sein Trinken toleriert und mit dem er
sich anfreundet. Der ‚Poldl‘ wird so etwas wie der gute Geist der Familie. Mehrere Male versucht der
Stiefvater einen Entzug, schließlich stirbt er nach einem Herzinfarkt. Martina träumt davon, eine Balletttänzerin zu werden, jedenfalls eine Künstlerin. Die Mutter will, dass sie Köchin lernen soll. Wochenlang wird gestritten.
Köchin, das war bei ihr am Land: Köchin, da hast einen sicheren Posten! Aber ich hab mir überlegt:
Da steh ich den ganzen Tag in einer Kuchl – allein womöglich, also das mach ich sicher net! Ich möcht
mit Leuten was zu tun haben – dass was geredet wird, dass was los ist. Wenn schon Lehre, dann
Friseurin oder Verkäuferin!
Mit der Unterstützung vom Poldl gelingt es schließlich, die Mutter umzustimmen. Martina lernt Friseurin. Der Frisiersalon ist in einer ‚Nobelgegend‘, und es geht sehr streng und sehr ‚fein‘ zu.
Wir haben die Kundinnen gegrüßt mit ‚Küss die Hand, gnädige Frau‘ – das hab ich net zusammengebracht. Da war’s schon aus bei mir – hab ich schon zum Grinsen angefangen. Das ist irgendwie net
gut gegangen mit mir dort.
Die erste Lehrstelle habe ich zwei Monate gehabt, die zweite einen Tag, die dritte auch einen Tag, bei
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der vierten, da bin ich geblieben –
Im Zehnten (Wiener Bezirk) war‘s dann ganz konträr...
Hier ist Martina mit ihrem ‚losen Mundwerk‘ richtig am Platz und wird von den Kundinnen recht geschätzt.
‚Ich bin denen ihr Scheißerl‘, sagt sie spöttisch. Der Chef ist allerdings weniger zufrieden mit ihr. Sie
tratscht ihm zu viel und arbeitet zu langsam. Das Lehrmädchen hat die Augen offen zu halten und
überall einzuspringen, wo sie gebraucht wird: Die Wickler zu reichen, den Besen zu schnappen, wenn
Haare auf den Boden fallen. Das liegt Martina alles nicht...Der Chef droht sie rauszuschmeißen.
Fangt er an: Ich steh ihm zu viel in der Gegend herum. ‚Ein halbes Jahr geb ich dir noch Zeit. Wenn
du bis dahin nicht spurst, dann gehst! Aber neue Lehrstelle findest dann keine mehr, das garantier ich
dir. ‘ Na gut, halt ich die Goschen. Lern ich fertig und lass mich dann von ihm kündigen. Weil da krieg
ich genug Geld – Urlaubsgeld – Weihnachtsgeld...“ (S. 35-37)
ILSE:
„Für Ilse und ihre Geschwister hieß es nie: ‚Du musst das oder das tun‘, oder: ‚Dieser Beruf kommt
nicht in Frage!‘ Jeder durfte sich die Ausbildung wählen, für die er sich interessierte...
Ilse, die Jüngste, schwankte zwischen einer Ausbildung als Lehrerin und einem Sozialberuf.
Ich wollt halt einfach mit Leuten zusammenarbeiten. und dann bin ich auf die Idee gekommen, ein
Kunsthandwerk zu lernen. Ich bin handwerklich recht begabt, also warum nicht? Ich wollte Goldschmied lernen.
Ilse bricht die Schule, ein musisch-pädagogisches Gymnasium, ab und sucht eine Lehrstelle. Auf dem
Arbeitsmarkt ist es anders als zu Hause: Es gibt Lehrstellen für Mädchen und Lehrstellen für Burschen, und ein Mädchen kann sich nicht so einfach aussuchen, was es will.
Bei den wenigen Ausbildungsbetrieben für Goldschmiede in G. und Umgebung spricht Ilse vergeblich
vor.
Das Argument, warum sie mich nicht nehmen können, war letztendlich: Weil ich weiblich bin. Deswegen hab ich keine Lehrstelle gekriegt. Zum Beispiel, der eine hat gesagt – also wenn ich Liebeskummer hab, dann trink ich die Säure. Ja, weil ein Goldschmied eben mit Säuren zu tun hat...Und
die anderen haben gesagt, wenn sie einen weiblichen Lehrling aufnehmen, müssten sie die Klosetts
umbauen, weil da braucht er Klosetts für Frauen und für Männer. Und das zahlt sich überhaupt net
aus, weil die Frauen heiraten sowieso und kriegen ein Kind.
Durch Zufall erfährt Ilse, dass eine große Töpferwerkstatt einen Lehrling sucht. Kurzerhand entschließt
sie sich, Keramikerin zu werden. Sie entdeckt, dass der Umgang mit Ton ihr große Freude macht.
Ich bin jetzt, im Nachhinein, irrsinnig froh, dass ich net Goldschmied gemacht hab. Wegen des Materials. Weil ich einfach mit Ton wesentlich mehr anfangen kann. Das ist ein lebendiges Material. Gold,
das ist tot. Der Ton lebt.“ (S. 105f.)
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Kollegin und Freundin
Vorgeschichte:
Steffi braucht Geld. Viel Geld. Sie will nicht mehr das hässliche Entlein sein, die Brillenschlange. Um
sich ihre Traumklamotten und all den Fummel leisten zu können, jobbt sie in einem Friseursalon,
nimmt einen Schülerkredit auf, pumpt sich bei Mitschülerinnen Geld.
„Der Friseursalon lag mitten in meiner Lieblingsfußgängerzone. Sie war die kleinste in der Stadt, über
den Daumen gepeilt hundertfünfzig mickrige Meter Pflasterstein. Ein Nobelgeschäft reihte sich an das
andere, dazwischen ein einfacher Eisstand, ein Fisch- und Käseladen, was dieser Straße so einen
unverwechselbar würzigen Geruch verlieh.
Die Sache mit dem Job lief gut an. Merkwürdig, aber ich hätte mir früher niemals vorstellen können,
dass es Spaß machen würde, Haare zusammenzufegen oder alten Damen das ‚Güldene Blatt‘ zu
servieren. Und plötzlich war alles anders: Mit Begeisterung erledigte ich Arbeiten, die mich eigentlich
nicht die Bohne interessierten, und ich tat sie vor allem gerne, weil ich mit Connie zusammen war. Ich
fand Connie überhaupt großartig. Mit welcher Souveränität sie mit den Kunden umging, mit was für
einem Geschick sie aus schlampigen Spaghettiköpfen Traumfrisuren bastelte!
Als wir am Abend den Salon verließen, fragte ich Connie, ob sie nicht auch aus meinem krausen UnHaar etwas machen könnte.
‚Klar!‘, sagte sie. ‚Wenn du willst, erledigen wir das gleich, und hinterher lädst du mich zu einem Hamburger ein.‘
Fünf Minuten später saß ich vorm Spiegel und lächelte mein Spiegelbild an. Connie wuselte mit dem
Gesichtsausdruck eines Roboters in meinem Haar herum. Dabei sprach sie kein Wort und ich muss
zugeben, dass mir doch ein bisschen mulmig wurde, als sie die Schere ansetzte.
Schwupp – war das Nackenhaar kurz, und ehe ich mich versah, hatte ich einen kinnlangen, welligen
Pagenkopf, der, mit etwas Schaumfestiger aufgepeppt, einfach genial aussah. Ich staunte mein neues
Ich an. Sprachlos staunte ich auch Connie an, die schon mit dem Zusammenfegen anfing.
‚Gefällt es dir?‘
‚Super!‘
Vor lauter Begeisterung vergaß ich ganz, Connie zu helfen. ‚Meinst du, dass ein besonderes Talent
dazugehört, so schneiden zu können?‘, fragte ich sie nach einer Weile.
‚Vielleicht. Vielleicht auch nicht.‘
Ich sah nur ihre Beine und ihren Po, weil sie sich gerade bückte, um die Haare aufzuschaufeln.
Das mochte ich auch an ihr. Diese Bescheidenheit. Sie hatte nicht einmal versucht, vor mir anzugeben
– mit ihren Klamotten, ihrem Können, mit allem, was sie war.“
(Textausschnitt aus: Susanne Fülscher, Nur noch das rote Kleid. Kerle : Wien 1996, 2. Aufl., S.20f.)
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147
Polizistin
Vorgeschichte:
Die 13jährige Joni hat einen leidenschaftlichen Berufswunsch: Sie will zur Polizei! Sie ist groß, sportlich, lernt leicht und kann mit Menschen gut umgehen. Aber in der Familie ist niemand von diesem
Zukunftsplan begeistert, gibt es doch so viele schicke „weibliche“ Berufe.
Doch Tante Hanna ist Polizistin und ihr großes Vorbild.
„ ‚Du machst beim Open Air Festival Dienst?‘ fragte Joni interessiert. ‚ Ja, ich mach Dienst‘, sagte
Hanna verdrossen. ‚ Und sag jetzt bloß nicht: Wahnsinn, du hast es gut, du kannst alles umsonst
hören! Ich pfeif´drauf, kostenlos Musik zu hören, wenn ich dafür acht Stunden in der prallen Sonne
stehen muss und nicht einmal auf die Toilette gehen kann! Und dazu die amtliche Schlankheitsdiät –
eine Dose Limonade und eine Wurstsemmel! Ich überlege mir ernsthaft zur Feuerwehr zu gehen, die
kriegen wenigstens eine ordentliche Verpflegung, wenn sie sich schon strapazieren.‘
‚Hör gut zu, Joni‘, sagte „Onkel“ Böllinger (ein Kollege ihres verstorbenen Vaters und ein guter Freund
ihrer Eltern), ‚ was du da hörst, ist die raue Wirklichkeit eines Polizistendaseins. Nicht, was du dir vorstellst – schicke Uniformen spazierentragen und – ‘
‚Das stellt Joni sich sicher nicht vor‘, unterbrach ihn Hanna barsch. ‚Sie weiß genau, was da an Anforderungen und Aufgaben auf sie zukommt.‘
‚Das dachte ich auch‘, sagte Onkel Böllinger und seine Stimme klirrte förmlich vor verhaltenem Zorn.‘
Dass ich allerdings mit 45 Jahren in Invaliditätspension gehen würde, weil mir ein Verrückter das Messer in den Bauch renn – daran dachte ich nicht.‘
‚Passieren kann dir überall was‘, sagte Hanna achselzuckend.
‚ Man muss es ja nicht gerade herausfordern. Warum musst du dir ausgerechnet einen Job suchen,
bei dem du jeden Tag den Kopf hinhältst, aber nicht einmal ein Dankeschön dafür kriegst? Für den
Bürger bist du der letzte Trottel, ein Geldeintreiber, der nichts anderes zu tun hat, als den armen Autofahrern Strafzettel auszustellen anstatt Diebe und Mörder zu fangen –.‘“ (S.9f.)
Hanna erzählt von dem Einsatzplan beim Rockkonzert:
„ ‚Das wird vielleicht ein Theater – die Veranstalter rechnen mit rund 50.000 Besuchern, das Hauptabendprogramm fängt um 20 Uhr an, aber Einlass ist ab 14 Uhr. Kannst dir vorstellen, was da auf der
Donauinsel los sein wird!‘
Joni nickte. Das Veranstaltungsgelände auf der „Insel“ war nur über Brücken zu erreichen, über die
nachmittags der ganze Wochenendverkehr der Stadt strömte – ganz gleich, wie oft übers Radio
durchgegeben wurde, diesem Bereich auszuweichen. Ein großer Teil der Autofahrer würde sich weigern, weite Umfahrungswege in Kauf zu nehmen, und statt dessen versuchen doch noch irgendwie
durchzukommen. Dann würden sie alle im Stau stecken, und alle würden sie gleichermaßen wütend
werden, die Leute, die Karten hatten und zum Konzert wollten, genauso wie die Leute, denen das
Konzert egal war und die nach Hause wollten.
‚Also‘, zählte Hanna auf, ‚heißt es für uns: Überwachung des Verkehrs im Umfeld der Veranstaltung,
notfalls Sperre der Zufahrtsstraßen, Sicherung der öffentlichen Verkehrsmittel, Begleitung von grö148
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ßeren Jugendgruppen ...was muss ich dir erzählen, die Kids kommen aus der hintersten Provinz zur
Veranstaltung, sitzen die halbe Nacht im Zug, sind total überdreht, dann ist um 14 Uhr Einlass auf dem
Konzertgelände, und dann warten sie sechs Stunden in der Gluthitze auf ihre Lieblingsband. Die müssen ja aushaken. Und dann passen wir noch auf, dass kein kleiner Idiot auf die Schnellbahnbrücke
klettert und sich das Genick bricht, wir passen auf, dass keiner die Kassen ausraubt, wir passen auf,
dass alle nach der Veranstaltung auch ordentlich wieder nach Hause gehen und nicht so aufgekratzt
sind, dass sie in der Stadt randalieren...‘
Sie fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn. ‚Nun ja, und damit uns nicht langweilig wird, haben
wir dann noch die bei allen Großveranstaltungen üblichen Taschendiebstähle, Zechprellereien, Raufereien und so weiter und so fort...Joni, ich packe meine Koffer, fahre nach Neuseeland und komme
nach dem Konzert wieder zurück!‘
‚Das tust du doch nicht‘, sagte Joni. ‚ Ich kenn´ dich doch. Du wirst fürchterlich schimpfen und dann
trotzdem dort stehen und schwitzen und alles richtig machen und hinterher eine Dreiviertelstunde
unter der Dusche stehen.Einlasskontrolle und so, das müsst ihr aber nicht machen?‘
Hanna schüttelte den Kopf: ‚ Das wenigstens nicht. Die Veranstalter stellen ihren eigenen Ordnerdienst, rund 300 Mann, die die Eingänge kontrollieren und den Besuchern alles wegnehmen, was
gefährlich werden könnte – du weiß ja nie, ob die nicht vor lauter Begeisterung Knallkörper und
Messer und Schusswaffen mithaben. Und der Ordnerdienst kontrolliert auch die Zäune ...sie stellen
zwei Meter hohe Fertigteilzaun-Elemente auf, einen so‘ – sie zeichnete mit dem kurzen Fingernagel
eine Linie auf den Tisch, ‚ dann den anderen ca. zwei bis drei Meter dahinter ....zwischen den beiden
Zäunen patrouillieren private Sicherheitsleute mit Hunden, damit keiner ohne Eintrittskarte reinkommt.Wie ist das eigentlich mit dir? Du willst doch das Konzert garantiert hören ....‘“ (S.14f.)
Alle in der Familie warteten darauf, dass Joni die ganze Sache wieder vergaß, aber ihr Entschluss
wurde immer fester. Was sie am Polizeidienst anzog, war vor allem die Aufgabe, die Schwächeren zu
beschützen und zu helfen.
‚Das hast du von deinem Papa mitgekriegt‘, pflegte Hanna zu sagen. ,Er konnte auch nicht ruhig danebenstehen, wenn irgendein kleiner Kerl einen Tritt bekam.‘
Das mochte stimmen oder nicht, aber Joni hatte tatsächlich schon als kleines Mädchen eine Neigung
gehabt, sich um diejenigen zu kümmern, die beiseitegestoßen und angerempelt wurden. Mit zehn Jahren hatte sie einmal fürchterlich Prügel bezogen, weil sie sich einem rauflustigen Buben in den Weg
gestellt hat, der beträchtlich größer war als sie selbst.“ (S.28)
Zwei Tage später zog Hilde Schumann ihre Tochter nach dem Frühstück in die Küche.
‚Joni, Liebling, ...ich muss etwas Ernstes mit dir besprechen.‘
Joni machte sich steif. Wenn ihre Mutter diesen nervösen und besorgten Ton anschlug, stand Unangenehmes bevor...
‚ Was denn‘, fragte Joni, während sie sich ein großes Glas Orangensaft einschenkte. ‚ Die Schule
fängt bald wieder an ...immerhin dein letztes Schuljahr-‘.
Joni blickte auf.
AK Berufe fallen nicht vom Himmel
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149
‚Ich dachte, ich sollte aufs Gymnasium gehen?‘
‚ Darüber will ich eben mit dir sprechen. Sieh mal ...die Berufsaussichten für Maturanten sind nicht so
viel besser als für junge Leute mit abgeschlossener Lehre, du –‚
‚Ich brauche aber die Matura. Damit kann ich nach vier Dienstjahren bei der Polizei Offizier werden.‘
Hilde Schumann setzte sich auf einen der Küchenstühle und legte die Hände im Schoß zusammen.
Ihre Finger verschränkten sich unruhig ineinander.
‚Ja, Liebling – ja. wenn du unbedingt zur Polizei gehen willst. Aber überlegt dir die Sache noch einmal.‘
‚Warum?‘ ‚ Weil... weil ...nun schau einmal, Joni, du bist erst vierzehn, da ist es ganz natürlich, dass
man überspannte Berufswünsche hat. Später gibt sich das, und du wirst vernünftig.‘
‚ Wieso überspannt? Hanna ist Sicherheitswachebeamtin und wird übernächstes Jahr zum Offizier
befördert. Warum soll ich nicht dasselbe machen? Ich bin groß genug, ich bin sportlich, ich kann gut
Englisch, und Hanna sagt, ich bin psychisch geeignet.‘
‚Ja, Schätzchen.‘ Hilde Schuman schluckte vor Unbehagen. ‚ Das mag ja alles stimmen, aber warum
schaust du dich nicht trotzdem noch ein bisschen um? Du musst ja nicht Friseurin oder Verkäuferin
werden. Es gibt heute so viele hübsche und interessante Frauenberufe –‚
‚Ach so‘, sagte Joni. ‚Da liegt der Hund begraben! Und du meinst, Sicherheitswachebeamtin ist kein
hübscher Frauenberuf?‘
‚Wenn du schon so direkt fragst: nein!‘ fuhr ihre Mutter unerwartet heftig auf. ‚ Es ist ein ordentlicher
und achtbarer Beruf – dein Vater war Polizist – aber es ist ein Beruf für Männer. Ich bin nicht altmodisch, aber ich finde, eine Frau sollte jeden Beruf ergreifen können, der ihr gefällt, ich habe schließlich
auch einen guten Posten, aber wenn ich Hanna so zuhöre, was sie aus dem Dienst erzählt – angekotzte Betrunkene einsammeln und sich mit Prostituierten und davongelaufenen Heimkindern herumschlagen –‘
‚Krankenschwester müssen auch angekotzte Leute betreuen‘, erwiderte Joni trocken. ‚ Und Sozialarbeiterinnen haben es auch mit Prostituierten und Heimkindern zu tun. Aber beides sind hübsche
Frauenberufe.‘
‚Werde bitte nicht sarkastisch‘, sagte ihre Mutter. Du weißt genau was ich meine. Ich finde es scheußlich, wenn Hanna im feldgrünen Overall und in Soldatenstiefeln daherkommt.... Jedenfalls ...um die
Debatte zu einem Ende zu bringen. Nick (Jonis Stiefvater) will mit dir reden. Heute abend.‘
Sie zögerte, dann platzte sie heraus: ‚Ich sage es dir am besten gleich. Er ist nicht bereit, dir das Gymnasium zu finanzieren. Du wirst einen Beruf erlernen. Wenn du einmal volljährig bist und noch immer
Polizistin werden willst, kannst du es ja tun. Aber Nick sagt, solange du die Füße unter seinen Tisch
streckst, wird gemacht, was er sagt. Und mach mir jetzt bitte keine Szene. Besprich alles Weitere mit
ihm.‘
Damit ging sie aus der Küche. Joni starrte ihr nach. Ihr Mund fühlte sich trocken an. Das war ja dick!“
(S.31f.)
Möchtest du wissen, ob und wie Joni doch ans Ziel ihrer beruflichen und privaten Wünsche kommt? Lies das
Buch von Barbara Büchner „Und Joni, die wird Polizist“ (Wien: Verlag Jugend & Volk, 1993)
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AK Berufe fallen nicht vom Himmel
Wir basteln uns einen Mann !
„Diesen Monat wollen wir die gehäkelten Tangabikinis und die Aufläufe aus Resten ein Weilchen
beiseite legen, um unseren Leserinnen ein paar Tipps zu geben, wie sie in ihren eigenen Küchen und
Hobbyräumen einen Gegenstand herstellen können, der sowohl praktisch als auch dekorativ ist.
Es ist nett, einen davon im Haus zu haben, entweder draußen auf dem Rasen, wo er einen geschäftigen Eindruck macht, oder aber in einem Sessel, sei es hingeflegelt oder aufrecht sitzend.
Wählen Sie den Bezug passen dazu den Vorhängen!
Wenn abgenutzt, kann das Objekt neu bezogen und als Türstopper verwendet werden.
1. Die traditionelle Methode
Nehmen Sie eine Handvoll Staub. Modellieren Sie. Hauchen Sie durch die Nasenlöcher den Atem des
Lebens ein. Einfach, aber effektiv!
(Bitte beachten Sie, dass Männer zwar aus Staub gemacht sind, Frauen jedoch aus Rippen geschaffen wurden. Denken Sie bei Ihrem nächsten Grillfest daran!)
Sollten Sie Ihren Mann mit einem Bauchnabel versehen oder nicht?
Autoritäten auf dem Gebiet der traditionellen Methode verneinen.
Wir selber fügen gerne einen hinzu, da wir der Meinung sind, dass er ihm eine persönliche Note verleiht. Benutzen Sie Ihren Daumen.
2. Die Pfefferkuchenmethode
Jedes gute Knetteigrezept ist geeignet.
Sie sollten jedoch zusätzlich Ingwer dazutun, wenn Sie ein herzhaftes Ergebnis erzielen möchten, was
bei unseren Leserinnen, die sich für diese Methode entscheiden, gewöhnlich der Fall ist!
Rosinen ergeben gute Augen und Knöpfe. Sie können jedoch auch diese kleinen Silberkügelchen
verwenden, solange Sie darauf achten, sich nicht die Zähne daran auszubeißen.
Sobald Sie Ihren Mann aus dem Backofen geholt haben, könnten Sie Probleme damit haben, ihn zu
halten.
Männer, die auf diese Weise hergestellt wurden, neigen dazu, sich auf und davon zu machen, auf
Motorrädern oder auch ohne, Supermärkte auszurauben, sich tätowieren zu lassen und auf und ab zu
hüpfen und dabei zu singen:
‚Renn, Lola , renn,
so schnell du kannst,
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du kriegst mich doch nicht,
ich bin der Pfefferkuchenmann (oder das Rumpelstilzchen, was auch immer)!‘
Ihm bereits vor der Backofenprozedur ein Seil ums Bein zu binden, kann eine Hilfe sein, unserer Erfahrung nach jedoch - leider – nicht für lange.
Die Methode hat trotzdem ihr Gutes:
Diese Kerle sind ein Hochgenuss. Einfach zum Fressen.
3. Die Kleidermethode
Kleider machen Männer.
Wie oft haben Sie diesen Ausdruck schon gehört! Nun, wir könnten nicht einverstandener sein! Bloß:
Kleider mögen zwar Männer machen, aber es sind die Frauen – im Goßen und Gnzen, die die Kleider
machen, woraus folgt, dass die Verantwortung für das fertige Modell bei der Hobbynäherin liegt.
Verwenden Sie ein hochwertiges Schnittmuster, und schneiden Sie genau an den vorgegebenen Linien entlang. Andernfalls wird ihr Mann völlig krumm und schief werden. Waschen Sie den Stoff vorher,
da er sonst einlaufen und Ihr Mann kleiner ausfallen könnte, als Sie es sich erhofft haben. Nehmen
Sie sich zunächst die Abnäher vor, und denken sie daran, den Bau gut festzuzurren,da es Ihnen sonst
später leid tun wird! Achten Sie auf die Reißverschlüsse! Ein ungünstig eingesetzter Reißverschluss
kann ernsthafte Funktionsstörungen verursachen. Es macht zwar Spaß, anders zu sein, aber nicht
allzu anders!
Ob lässig oder eher formell, das liegt ganz bei Ihnen. Falls Sie unsicher sind, fertigen Sie gleich zwei
Exemplare an, und benutzen Sie mal das eine, mal das andere. Sorgen Sie dafür, dass Ihr Haus über
genügend Spiegel verfügt. Männer, die auf diese Weise hergestellt wurden, scheinen - wie Wellensittiche – von ihnen fasziniert zu sein!
Eine überaus kreative Frau aus unserem Bekanntenkreis nähte ihren ganzen Mann aus einer Gummiplane. Dann benutzte sie eine Luftpumpe. Verblüffend!
4. Die Marzipanmethode
Wir haben oft gedacht, dass Männer leichter zu kontrollieren wären, wenn sie kleiner wären. Hier ist
ein winziger Schelm, den Sie in der Hand halten können!
Üblicherweise auf Hochzeitstorten zu finden, erfordern diese elegant gekleideten Minibräutigame sorgfältige Liebe zum Detail, aber die Zeit, die Sie mit Pinsel und Lebensmittelfarbe verbringen, wird sich
gelohnt haben, wenn Sie das fertige Ergebnis mit trügerischer Sanftheit von der schaumigen obersten
Schicht der zuvor sieben Minuten gekochten Zuckergussglasur auf sich herablächeln sehen.
Wir sind sehr betrübt über den modernen Brauch, die ursprüngliche zuckrige Konditoreiware durch
Plastik zu ersetzen. Allein schon, weil sich nicht die geringste Befriedigung ergibt, wenn man das Bedürfnis verspürt – wie wir es tun – sich einen dieser schmucken kleinen Teufel in den Mund zu stecken
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und ihm die Kleider vom Leib zu lutschen.
5. Die folkloristische Methode
Sie haben diese kleinen Wonneproppen sicher schon in den Vorgärten anderer Leute gesehen,
ausgerüstet mit kleinen Windmühlen, die oben auf ihren Köpfen befestigt sind. Sie hämmern mit ihren
kleinen Hämmern, sägen mit ihren kleinen Sägen oder wirbeln einfach nur viel mit den Armen herum,
wenn eine steife Brise geht. Alternativ können sie auch stocksteif herumstehen und sich an Zügeln,
Laternen oder Angeln festhalten. Manche von ihnen tragen vielleicht ein Zwergenkostüm.
Aus welchem Grund sollten Sie darauf verzichten, eines dieser niedlichen kleinen Kerlchen ganz für
sich allein anzufertigen? Es gibt keinen! Bestreich Sie Ihren Ehemann einfach mit Gips, und schon....
(Textausschnitte: Margaret Atwood, Gute Knochen. Berlin: Berlin Verlag 1995)
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Tipps & Anregungen & Training TAT 1
Frauenrollen – Männerrollen
Was passt zu Frauen? Was passt zu Männern?1
Was ist die vorherrschende Meinung?
Kreuze in den jeweiligen Spalten an!
Wie schätzt du dich selbst ein? Kreuze deine Eigenschaften in der leeren Spalte an!
Die meisten Leute meinen,
dass dies eher zu ..... passt
Frauen/Mädchen
Männern/Buben
zu DIR
Großzügigkeit
Zurückhaltung
Treue
Stärke
Toleranz
Schönheit
Selbstständigkeit
Bescheidenheit
Zärtlichkeit
Intelligenz
Sparsamkeit
Fröhlichkeit
erfolgreiche Karriere
Anschmiegsamkeit
Kritikfähigkeit
Ordnungsliebe
Überlegenheit
Gefühl
Selbstbewusstsein
Romantik
Tapferkeit
Scheu
Politik
Gehorsam
Sport
Technik
Eleganz
Kraft
Fallen dir spontan dazu Namen von historischen wie zeitgenössischen Persönlichkeiten ein, die beispielhaft für diese Eigenschaften stehen?
Vergleicht eure Ergebnisse? Wie haben sich die Lebensumstände von Frauen verändert?
1 Arbeitsblatt nach: Bican-Zehetbauer/ Matkovits/ Perbin, Sprünge in die Zukunft. Anregungen für den Unterricht zur Berufsorientierung. Hrsg. BMUK Wien 1997, S. 52
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TAT 2
Harte Traumjobs
Die Autorin Susanne Fülscher, die Traumjobs als Themen einiger ihrer Jugendbücher gewählt hat,
meint dazu:
„Ich möchte mit meinen Erzählungen das Klischee vom schnellen und geradlinigen Aufstieg der
Ballerina, von der großen Karriere eines berühmten Models in Frage stellen. Kein Mädchen, das
tanzen, singen oder Mode vorführen will, soll aufhören. Doch bevor es viel Geld und viele Jahre in die
Ausbildung investiert, sollte es sich über seine Chancen und sein Talent im Klaren sein und sich dann
immer wieder fragen, ob es auch das nötige Durchhaltevermögen mitbringt. Natürlich ist es wunderschön, im Rampenlicht zu stehen, bewundert zu werden, vielleicht sogar ein Star zu sein, doch der
Preis dafür ist hoch. Allen anderen sei gesagt, dass Tanzen, Singen, Freude an toller Kleidung auch
als Hobby wunderschön sein kann und glücklich macht.“
Ein kniffliges Rätsel nicht nur für Ballettratten, sondern auch für Plattfüße, die vif genug sind, in einem
französischen Wörterbuch nachzuschlagen:
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
Ordne folgende Begriffe richtig zu und trage sie senkrecht ein:
Compagnie
Elevin
Grand jeté
Heftpflaster
Humoreske
Oper
Orchester
Primaballerina
Regisseur
Relevé
1. Bezahlte Gruppe von Berufstänzern
2. Gehört in jede Balletttasche
AK Berufe fallen nicht vom Himmel
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3. Musiktheater
4. Tanzbefehl frz.: sich auf die Spitze erheben
5. Ballettschülerin
6. Vereinigung einer größeren Zahl von Instrumentalmusikern
7. Ein besonders weiter und hoher Sprung nach vorn, ein Spagat in der Luft
8. Spielleiter im Theater, beim Film und Fernsehen
9. offizielles Vortanzen
10. erste Solotänzerin
11. Musikstück von heiterem Charakter
Als Lösung2 ergibt waagrecht die erste Zeile eine Fachbezeichnung „für den Gestalter von Tänzen“,
der mit den Tänzern ein Ballett einstudiert.
TAT 3
A star is born
und seine
Licht- und Schattenseiten
•
Jede Gruppe wählt einen Star ihrer Wahl :
Sucht dazu möglichst viele Informationen aus Zeitungen, Zeitschriften, Film- und Sportlexika,
aus dem Internet, etc. und gestaltet ein umfangreiches Starporträt!
•
Überlegt die Vor- und Nachteile im Scheinwerferlicht zu stehen!
•
Schreibt aus den Jugendbuchtexten einige Argumente pro und contra heraus!
TAT 4
Ausbildung oder gleich Geld verdienen?
Hinweise zum Ablauf eines Rollenspiels im Anschluss an die Lektüre von Monika Pelz „Eine Frau
heiratet sowieso und kriegt Kinder“:
•
Vorbereitungsphase:
Bildet Gruppen und wählt euch entweder den Text von Ilse, Martina oder Beate. Entwerft dazu Rollenkarten und besprecht die Sichtweisen und Argumente der einzelnen Personen. Macht euch Notizen.
2 Lösung: Choreograph
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•
Spielphase:
Die einzelnen Gruppen führen das Rollenspiel vor. Ilse, Martina oder Beate beginnen mit ihren Erzählungen, Überlegungen und Erfahrungen. Jede/r GesprächsteilnehmerIn aus der Gruppe trägt seine/
ihre Ansichten bzw. Vorschläge vor und diskutiert mit der Hauptfigur.
•
Auswertungsphase:
Die ZuschauerInnen nehmen Stellung zum Spiel, sie nennen Auffälligkeiten und stellen Fragen an die
Gruppe oder an den/ die BOBI-LehrerIn. Eine allgemeine Aussprache zum Spiel und zum Fall „Ilse“,
„Martina“ oder „Beate“ sollte sich anschließen.
TAT 5
Aus Ohnmacht wird Stärke
Mädchen und Frauen, auch Jugendliche oder einfach Untergebene werden oft in der Familie wie im
Berufsleben gering geachtet, ausgenützt oder lächerlich gemacht. Es ist hilfreich, sich seiner Stärken
bewusst zu werden und sich Unterstützung zu holen.
Sammelt dazu Belegstellen aus dem Text:
Erfahrungen von z.B. Beate / Martina/ Ilse
Ohnmacht
Stärke
Drecksarbeit
Tierpflege
Schichtarbeiten
guter Geschmack
Manchmal stecken wir in Schwierigkeiten, die uns viel zu schaffen machen. Trotzdem möchten wir
niemand um Hilfe bitten. Oder wir sind überzeugt, dass uns niemand helfen kann. Wir halten es ganz
geheim, dass wir in einer Krise sind. Wir wissen auch von anderen Kindern und Jugendlichen, dass
diese manchmal Probleme haben, über die sie auch mit ihrem besten Freund oder mit den Eltern nicht
sprechen möchten.
Es gibt aber eine gute Möglichkeit, sich über solche Schwierigkeiten zu unterhalten, die junge Leute in
eurem Alter geheimhalten möchten. Gemeinsam könnt ihr in der Klasse solche Fragen besprechen:
Die Geheimnisse bleiben geheim, doch jede/r kann etwas lernen, wie er/sie sich vielleicht in einer
schwierigen Lage selbst helfen kann.
Denkt nach, über welche Schwierigkeiten ein Kind nicht gern spricht.
Z.B. wenn man von furchtbaren Alpträumen geplagt wird, sich unfähig und machtlos fühlt, beschimpft,
gedemütigt und oder von MitschülerInnen ausgegrenzt wird.
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Schreibt nun auf ein Kärtchen eine Schwierigkeit auf, die ihr selbst habt, oder ein Geschwisterkind,
oder ein Freund, schreibt aber nicht euren Namen dazu. Wenn ihr wollt, könnt ihr auch eure Schrift
verstellen.
Faltet dann eure Kärtchen in der Mitte zusammen und legt sie auf einen Stapel. Anschließend holt sich
jede/r SchülerIn ein Kärtchen und liest das fremde Geheimnis vor, als ob es sein eigenes wäre: mit
Respekt und Ernst. Dann berät die Gruppe, was ein junger Mensch in dieser Lage tun kann. Wichtig
ist, dass verschiedene Lösungsmöglichkeiten besprochen werden. Wer nicht darüber sprechen oder
sich in der Gruppe äußern möchte, der verfasst einen Brief, in dem er dem “Problemkind“ schreibt.
TAT 6
Standpunkte3
Was meint ihr dazu?
Im folgenden werden eine Reihe Fragen zum Thema „Frauen im Beruf“ gestellt.
Nehmt zu den einzelnen Aussagen - entweder vom Spielleiter gesprochen oder auf OH-Folie aufgeblendet – Stellung, indem ihr euch einfach in das PRO-Feld oder KONTRA-Feld stellt.
TIPP:
Im Klassenzimmer z.B. werden Tische und Sessel an die Wand gerückt und mit Kreide oder Kreppband werden einfach gleich große Felder gezeichnet. Eines ist das Zustimmungsfeld PRO, das andere ist das Ablehnungsfeld KONTRA.
PRO
CONTRA
Warnung: Nicht alle Fragen sind tierisch ernst gemeint!
Machos und Emanzen aufgepasst!
Ihr könnt euch auch selbst eigene Fragen ausdenken. Ganz erstaunlich, was man dabei über sich und
seine Mitschüler/innen erfährt.
Eine Beobachtergruppe kann z.B. mit einer Stricherliste in Rot/ Blau festhalten, ob es geschlechtstypische Unterschiede bei den einzelnen Fragen gibt?
Achtung, fertig, los!
•
Eine Frau heiratet sowieso – wozu braucht sie einen Beruf?
3 Anregungen aus: Spielmacher #9, 6. Jg., 1998, S. 21
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•
Männer sind zum Geldverdienen da!
•
Jeder Mensch hat ein Recht auf Arbeit!
•
Suche dir einen reichen Mann/ eine reiche Frau und du hast ausgesorgt!
•
Frauen sind durch Haushalt, Kinder und Berufstätigkeit dreifach belastet.
•
Das Schlagwort „HALBE-HALBE“ ist gerecht.
•
Kinder berufstätiger Mütter essen meist nur Tiefkühlkost.
•
Wenn Mütter arbeiten, haben sie für die Kindererziehung keine Zeit mehr.
•
Kinder von berufstätigen Müttern sind schlecht erzogen.
•
Berufstätige Männer sind großzügige Väter.
Setzt euch anschließend in Gruppen zusammen und bearbeitet jene Aussage, die euch am meisten
interessiert und jeder sagt seine Meinung.
Im Plenum werden dann von einem/er „GruppensprecherIn“ die Statements vorgetragen.
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TAT 7
Praktische und „unpraktische“ Gedanken
Man muss sich zu helfen wissen!
Die folgende Liste enthält „praktische Gedanken“4, die helfen, mit Schwierigkeiten und Herausforderungen zurechtzukommen. Außerdem enthält sie „unpraktische Gedanken“, die die Probleme vergrößern und eine Lösung verhindern.
Kreuze zunächst die Gedanken an, die du „praktisch“ und gut findest.
Erinnerst du dich an eine schwierige, heikle, unangenehme Situation, die du selbst erlebt hast und in
der einige dieser Gedanken hilfreich waren?
Nr.
Gedanke
praktisch
1.
Ich kann das nicht aushalten.
2.
Ich lasse mich nicht bevormunden.
3.
Mir ist wichtig, was andere Leute über mich denken.
4.
Das ist schrecklich!
5.
Ich bin ein Versager, weil ich einen Fehler gemacht habe.
6.
Ich bin nichts wert, wenn mein/e Freund/in mich nicht mag.
7.
Ich mag das nicht. Was kann ich tun, um die Situation zu
ändern?
8.
Dieser Mensch ist schrecklich, weil er nicht so ist, wie ich
ihn will.
9.
Wenn ich ausgelacht/ nicht ernst genommen/ geneckt
werde, ist das nicht so weltbewegend.
10.
Ich muss nicht der/ die Beste, Schönste, Größte, Klügste
sein, aber ich möchte mein Bestes geben.
11.
Ich gehe lieber jedem Streit aus dem Weg.
12.
Dies ist ein schwieriges Problem. Wenn ich mich darauf
konzentriere, werde ich eine Lösung finden.
13.
Das ist ein ziemliches Durcheinander. Aber es wird nicht
schrecklich, wenn ich es nicht schrecklich mache.
14.
Es ist nichts dabei, wenn ich nervös oder ärgerlich bin.
15.
Es ist schrecklich, wenn ich anfange, nervös oder ärgerlich
zu werden.
16.
Es wäre schön, wenn es anders wäre.
17.
Was ist das Schlimmste, das passieren kann? Kann ich
etwas tun, um mir selbst zu helfen?
18.
Es hilft alles nichts. Ich gebe auf.
19.
Ich erlebe nur Niederlagen und Enttäuschungen.
20.
Beschimpfungen können mich nicht verletzen.
21.
Wenn etwas schiefgelaufen ist, bin ich nicht allein schuld.
unpraktisch
4 Quelle: Klaus W. Voppel, Übungen zur Kreativität. Isko-Press: Hamburg 1986, S. 72
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TAT 8
Ein starkes Ding
In Barbara Büchners Text „Und Joni, die wird Polizist“ weiß die vierzehnjährige Joni genau, was sie will.
Sie entwickelt sehr viel Ich-Stärke5, um ihren Berufswunsch durchzusetzen. Sie besitzt eine ganze
Reihe von Eigenschaften, die Voraussetzung sind, dass man Berufsreife erlangt.
Kreuze im Folgenden an, was auf Joni zutrifft und was nicht.
ICH-KRÄFTE
trifft zu
trifft nicht zu
Hoffnung
= Zuversicht, Grundhaltung des Vertrauens zu sich selbst, in die
Mitmenschen, in die Zukunft
Wille
= innere Kraft und Aktivität,Fähigkeit zur Selbstbeschränkung,
Selbststeuerung, Wahl und Entscheidung
Zielstrebigkeit
= Vorstellungskraft, Kreativität, Lebensplanung, Zukunftsorientierung, Wertvorstellungen
Tüchtigkeit
= Können, Arbeitsfreude, Einsatz, Leistungsfreude, Leistungsfähigkeit, Geschicklichkeit
Treue
= als Fähigkeit, Verpflichtungen aufrecht zu erhalten, zu seinen
Worten zu stehen, Durchhaltekraft, Ausdauer
Liebe
= als Fähigkeit, Beziehungen zu finden zum eigenen Tun, zu
Dingen und Menschen; Beziehungen zu gestalten und verantwortungsbewusst durchzutragen
Nur für dich:
Versuche ehrlich für dich herauszufinden, wo deine Ichstärken liegen und welche Ichschwächen du
beheben solltest.
5 Nach Erikson, Quelle IfB Klagenfurt, CD-ROM „ Berufsorientierung auf Neuen Wegen“, Hrsg. vom BMUK und AMS, 1998
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TAT 9
Modell Aquarium
Notiere zunächst in Stichworten ein unangenehmes Erlebnis und beschreibe, wie sich die Sache weiter entwickelt hat.
Wer sich traut, den Mitschülern davon zu erzählen, der meldet sich und setzt sich in den inneren Sesselkreis, ins „Aquarium“, wobei einige Sessel frei bleiben.
Wer lieber den anderen zuhören möchte, der bleibt als „Betrachter“ zunächst außerhalb, darf aber
auch in den inneren Sesselkreis wechseln. So entwickelt sich eine Diskussionsrunde, aus der man
sich auch wieder zurückziehen kann.
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TAT 10
Mach dir selbst ein Bild
Zeichne dein Persönlichkeitsprofil
Kreuze in der Tabelle an, wie deine Eigenschaften - stark oder schwach (5 bis 0) - ausgeprägt sind.
Verbinde deine Kreuze und schon erkennst du dein Persönlichkeitsprofil.
Vergleicht eure Kurven!
Kurvendiskussion einmal nicht mathematisch!
Eigenschaft
5
4
3
2
1
0
1
2
3
4 5
konsequent
Eigenschaft
sprunghaft
logisch
gefühlsbetont
verschlossen
offen
ausgeglichen
launisch
egozentrisch
teamorientiert
fleißig
faul
still
temperamentvoll
selbstkritisch
selbstzufrieden
selbstständig
unselbstständig
selbstbewusst
zweiflerisch
selbstsicher
unsicher
mutig
ängstlich
extrovertiert
introvertiert
warmherzig
distanziert
zart
robust
konservativ
modern
weich
hart
ruhig
nervös
körperorientiert
wissensorientiert
bescheiden
fordernd
stabil
labil
vorsichtig
draufgängerisch
abwartend
sponant
passiv
aktiv
optimistisch
pessimistisch
vertrauensselig
misstrauisch
diszipliniert
unbeherrscht
laut
leise
verbissen
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locker
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TAT 11
Vorbilder – Antibilder6
Schmökere in Zeitschriften, Illustrierten und Magazinen und schneide Frauen- und Männerphotos
aus. Sortiere sie nach:
•
nachahmenswerten Vorbildern oder
•
unsympathischen Antibildern.
Nimm einen großen Bogen Packpapier und teile diesen in die Hälfte. Klebe auf die eine Seitenhälfte
deine Superfrauen, auf die andere die „Tussis“.
Schreibe dazu witzige oder coole Bemerkungen.
Besprecht anhand eurer Modelle folgende Fragen in Kleingruppenarbeit:
•
Welche Eigenschaften, Merkmale, Fähigkeiten sind die bei Idealbildern besonders wichtig sind
und warum ?
•
Welche Eigenschaften, Merkmale , Fähigkeiten deines Negativbildes lehnst du ab und warum?
•
Wo stehst du selbst? Wie nah oder fern bist du deinem Ideal oder Negativbild?
•
Was kannst du tun, um deinem Idealbild näher zu kommen?
Entwerft in einer zweiten Runde in Kleingruppen ein Idealbild oder Negativbild des anderen Geschlechts und stellt im Plenum eure Vorstellungen von idealen jungen Mädchen und Burschen, Frauen
und Männern vor.
Auswertung und Nachbesprechung:
•
Wie hat sich das Mädchenbild vom „Trotzkopf“ zum „Spice Girl“ gewandelt?
•
Wie hat sich das Frauenbild, was Frauen dürfen oder nicht, was sich „schickt“ oder nicht, geändert?
•
Die Kavaliere – wo sind sie geblieben?
•
Gibt es nur mehr Supermänner und Powerfrauen?
•
Held/innen (un)erwünscht: im Alltag, in der Öffentlichkeit?
•
Babys im 21. Jahrhundert – was wird aus ihnen werden?
6 Anregungen aus: Sprünge in die Zukunft. Anregungen für den Unterricht zur Berufsorientierung von Mädchen in der 7. und 8.
Schulstufe. BMUK, Wien 1997, S. 38f.
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TAT 12
Arbeitsklima
Beobachte, welches Arbeitsklima an deinem Arbeitsplatz Schule7 herrscht.
Beurteile im folgenden deinen Arbeitsplatz nach den Noten 1-5!
Kreuze deine Bewertung jeweils an!
1
2
3
4
5
1. Ich kann meinen Arbeitsplatz mitgestalten
2. Ich kann mit anderen zusammenarbeiten
3. Unser „Wohlfühlklima“ in der Klasse
4. Die Arbeit ist abwechslungsreich
5. Die Arbeit ist zu bewältigen
6. Menge und Schwierigkeiten der Hausübungen
7. Pausenlänge
8. Pausengestaltung
9. Schulweg (z.B. Zeitaufwand, Verkehrsverbindung)
10. Lärmbelästigung
11. Lichtverhältnisse in der Klasse
12. Sicht zur Tafel / OH-Projektion
13. richtige Tischhöhe
14. angenehme und passende Sitzhaltung
15. Sauberkeit in der Klasse
16. Hilfestellung von den LehrerInnen
17. Umgangston der LehrerInnen
18. Gerechte Beurteilung
19. Prüfungsstress
20. Schulklima
Zähle nun deine Noten zusammen und berechne die durchschnittliche Beurteilung:
........................ : 20 =
•
Wie könnte dein Arbeitsplatz verbessert werden?
•
Erarbeitet in Gruppen Vorschläge und diskutiert diese im Plenum!
•
Einigt euch auf einen Entwurf „ideales Klassenzimmer“ und setzt ihn schrittweise um!
•
Zeichne deinen idealen Arbeitsplatz!
7 Quelle: Gabriele Gstettenbauer. In: Damit es einmal Freude macht. Hrsg. AK Wien & ÖGB, Wien 1998, S. 34
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6. WORKING MEN
Texte
Fließbandarbeit, Arbeit im Akkord, Monotonie der Arbeit werden oft begleitet von Gefühlen der Fremdbestimmung, Demütigung oder Angst.
Aus dem Takt1
2. Szene: Fabrikshalle. Bo, 23 Jahre alt, montiert Motoren in einer Autofabrik. Er und die anderen
Arbeiter stehen am Montageband und sind in ihre Arbeit vertieft. Plötzlich betritt der Vorarbeiter
Karlström die Halle. Einige der Arbeiter sehen kurz auf, die meisten aber lassen sich nicht stören.
Karlström sieht sich mit gebieterischer Miene um und schaut einigen lächelnd über die Schulter.
Karlström: Ich muss euch eine Mitteilung machen, meine Herren.
Die Arbeiter sehen ihn nun an, in der Vermutung, dass sein plötzliches Auftauchen nichts Gutes bedeuten kann.
Karlström: Seit wir die Abteilung umgebaut und so viele Verbesserungen eingeführt haben, geht die
Arbeit viel schneller voran. Deshalb wird Egon in den kommenden Tagen eine Zeitkontrolle machen.
Aus der werden wir dann schließen, welche Leistungssteigerung wird von euch verlangen könne. Also,
strengt euch ein bisschen an, meine Herren.
Karlström dreht sich um und verlässt den Raum. Lautes Murren ertönt.
Die Arbeiter alle durcheinander: Sklaventreiber ...Das können die doch nicht machen ...als würden wir
noch nicht genug schuften ...Und was ist mit der Bezahlung? Die wird natürlich nicht erhöht!...
Ture, ein Fabrikarbeiter, der nicht zu den Monteuren gehört, macht Zeichen, um die anderen um Ruhe
zu bitten.
Ture: He, beruhigt euch doch. Sollen sie uns doch auf die Finger schaun, aber das bringt ihnen
überhaupt nichts, ab heute arbeiten wir alle langsamer. Sobald einer von uns aus der Reihe tanzt und
schneller arbeitet, ist hier die Hölle los.
Beginn in derselben Totale wie vorhin, diesmal herrscht grellere Lichtstimmung. Die Männer stehen
am Fließband und montieren. Hinter Bo steht nun Egon mit einer Stoppuhr und einem Block bewaffnet
und macht immer wieder Notizen. Man sieht, dass Bo sich bemüht, so langsam wie nur möglich zu
arbeiten. Das Adlerauge Egons macht ihn jedoch nervös.
Birger, ein Kollege Bos, der in der Personalvertretung ist, betritt die Montagehalle. Er macht ein ernstes Gesicht. Die Arbeiter, die alle am Fließband stehen und mit Montieren beschäftig sind, schauen
1 Ausschnitt aus dem ORF-Drehbuch ‚Fortsetzung folgt nicht...‘
von Nanni Auer zu dem Jugendbuch „Aus dem Takt“ von Mats Bergren, Verlag Spectrum 1991.
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ihm gespannt entgegen.
Birger: Diese Schweine wollen doch glatt die Produktion von 24 auf 36 Motoren am Tag erhöhen. Auf
unsere Forderungen sind die gar nicht eingegangen.
Einer der Arbeiter: Die sind doch total übergeschnappt! Wie sollen wir das schaffen?
Lautes, aufgeregtes Gemurmel entsteht. Bo sagt kein Wort. Er wirkt abwesend.
Birger: Mit Reden komme wir bei denen auf keinen Fall weiter.
Bo hebt den Kopf und geht langsam zum Stromhauptschalter und drückt ihn langsam nach unten. Mit
irrsinnigem Gekrächze bleiben die Laufbänder und Maschinen stehen. Im ersten Moment verstehen
die Arbeiter nicht ganz, was das soll. Stille. Als Bo aber die Montagehalle erhobenen Kopfes verlässt
und in Richtung draußen geht, begreifen sie. Birger geht hinter Bo her, ohne zu überlegen. Andere,
aufgeregt, aber für die Sache begeistert, hinter ihm. Einige folgen nur zaghaft. Im Hintergrund sieht
man, wie Karlsström den Raum betritt. Erschrocken sieht er sich um, dann rast er den Arbeitern nach,
kommt auf Bo und Borgers Höhe. Die Beiden beachten ihn nicht.
Karlsström: Was soll das! Macht, dass ihr auf eure Plätze kommt!
Er will Bo anhalten, doch der stößt ihn, noch immer, ohne ihm einen Blick zu schenken, fest von sich
weg. Karlsström taumelt zurück.
Karlsström: Das wird dir noch leid tun!
Er geht schnellen Schrittes, beschämt, weil er von einem unter ihm stehenden Arbeiter so behandelt
wurde, wieder fort. Birger dreht sich nach ihm um.
Birger ruft: Kampf den Sklaventreibern!
Alle: Kampf den Sklaventreibern! Kampf den Sklaventreibern!
Die Arbeiter sitzen und stehen vor der Fabrik. Im Mittelpunkt Birger und Bo. Im Chor rufen sie Parolen.
Alle: Wir streiken! Wir streiken! Wir streiken!...
Wir wollen unser Recht, denn sonst geht es euch schlecht!
Aus dem Fabrikstor kommt plötzlich Karlsström, hasserfüllt und grinsend, gefolgt von den Fabrikswachen.
Karlsström: Wir werden ja sehen, wer der Stärkere ist!
Die Arbeiter werden nun aufmerksam auf Karlsström und seine Gefolgsmänner. Ihr Schreien wird
immer lauter. Diejenigen, die sitzen, stehen nun auf.
Karlsström schreit: Hört sofort auf damit! Ihr habt noch eine Chance! Wenn ihr euren Streik beendet,
wird die Konzernleitung die Sache vergessen. Wenn ihr aber weiter macht, dann fliegt ihr, alle, ohne
Ausnahme.
Arbeiter Roffe: Das glaubt ihr doch selber nicht! Wie sollen die so schnell so viele neue Arbeiter finden?
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Karlsström: Ihr seid alle austauschbar!
Roffe: Du Schwein!
Er geht auf Karlsström zu und gibt ihm einen Stoß. In dem Moment wird er von zwei Fabrikswachen
gepackt. Die andren Arbeiter hören auf zu schreien und stellen sich im Kreis um Karlsström und die
Wachen.
Birger: Lasst ihn sofort los!
Karlsström: Der Nächste, der mich angreift, fliegt, so wie er.
Birger: Das werden wir ja sehen.
Auch er gibt Karlsström einen Stoß, die Wache stürzt sich auf ihn, die anderen Arbeiter wollen die Wachen festhalten. Ein Riesentumult entsteht, jedoch keine Prügelei. Aus dem Wirrwarr hört man noch
Karlsströms Stimme heraus.
Karlsström: Das wird euch allen noch leid tun! Das wird euch noch verdammt leid tun!
Streiks
„Um zu streiken brauchst du eine Gewerkschaft, weil dich im Alleingang kein Schwein ernst nehmen
wird bzw. wirst du deinen Job verlieren, weil du jederzeit ersetzbar bist.
Ich wäre gerne eine große Gewerkschafterin, die einer singenden und skandierenden Menschenmenge mit einem riesigen Transparent vorangeht.
Aber so wie es aussieht, werde ich wohl eher einen historischen Film zu dem Thema drehen, um der
Menschheit zu zeigen, wie es war, als der einfache Arbieter noch Rechte und eine 40 –Stunden-Woche hatte (anstelle der 80- bzw. der noch üblicheren 0-Stunden -Woche).“
(Textausschnitt aus: Ros Asquith (1996), S. 214)
Arbeitskonflikte
Vorgeschichte:
Gabi möchte mit ihrem Bekannten Wilfried seinen bestandenen Umschulungstest feiern, allein. Doch
die Eltern laden ihn zum gemeinsamen Essen zu Hause ein.
„Wilfried behauptete, noch nie einen so köstlichen Gurkensalat gegessen zu haben. Gabis Mutter
lächelte erfreut. Gabi dachte, dass zu viel Knoblauch drinnen war.
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Wilfried erwähnte, welche Schwierigkeiten er mit der Anerkennung seiner medizinischen Befunde
gehabt hätte, als es darum ging, dass die Firma seine Abfindung zahlen sollte.
‚Man soll sich nie mit seinen Vorgesetzten anlegen!‘, sage Gabis Vater gewichtig. ‚Das zahlt sich nie
aus! Ihr Jungen denkt immer, ihr seid besonders schlau, oder ihr macht es besser. Aber wer sich mit
seinen Chefs anlegt, ist selber schuld.‘
‚Aber Vati! Mit seiner angegriffenen Lunge hätte der Wilfried dort so und so nicht weiterarbeiten können. Der Arzt hat ihm gesagt, dass er für nichts garantieren kann, wenn er noch länger den Kunststoffdämpfen ausgesetzt ist!‘
‚Sie hätten ihm nicht solche Schwierigkeiten mit der Abfindung gemacht, wenn sie ihn nicht als Unruhestifter auf der schwarzen Liste gehabt hätten!‘
Typisch Vati! Wilfried hatte einmal erwähnt, dass er sich für Kollegen eingesetzt hatte und sich damit
bei der Firmenleitung unbeliebt gemacht hatte. Solche Sachen merkte sich ihr Vater. Aber Wilfried ließ
sich nicht einschüchtern.
‚Gewisse Sachen darf man nicht auf sich beruhen lassen! Drei Jahre haben die Arbeiter bei uns eine
Absaugevorrichtung verlangt. Erst nachdem ich meine Abfindung erkämpft hatte, wurde die Anlage
installiert.‘
‚Manche Sachen dauern immer länger.‘
‚Ja, aber der Lärm in der Halle ist immer noch über 90 Dezibel. Und wenn der Arbeitsinspektor kommt,
werden Lärmmessungen angestellt, in die auch das Lager einbezogen wird. Damit kriegt man natürlich einen viel niedrigeren Durchschnittswert! Mit solchen Mitteln arbeiten die! Das muss man bekämpfen!‘
‚Bekämpfen! Bekämpfen! Für sowas ist der Betriebsrat da!‘
‚ich war Vertreter des Betriebsrats in der Kunststoffabteilung.‘
‚Vertreter des Betriebsrats!‘ wiederholte der Vater verächtlich.
Gabi würgte an ihrem Kalbsschnitzel, als sei es zäh wie Leder.
‚Reg dich nicht so auf, Vati!‘ sagte Frau Wortner beschwichtigend. ‚ Müsst ihr ausgerechnet beim
Essen politisieren?‘
Vater schenkte sich Bier nach. ‚Vertreter des Betriebsrates! Ich hab mich um solche Funktionen nie
gerissen! Was bringt das? Man fällt denen oben nur unangenehm auf. Was dabei herauskommt, haben Sie ja gesehen!‘
‚Ja, hätte er denn dortbleiben sollen?‘, fragte Gabi zornig.
Herr Wortner blickte streng. ‚ Ihr wisst immer alles besser, stimmt’s?‘ Er wandte sich zu Wilfried. ‚Die
Gabi ist eine ganz Sture! Hat sich unbedingt eingebildet, sie muss von der Schule weggehen und arbeiten. Wir hätten sie ja studieren lassen!Nein, sie will arbeiten!. Gut, sie hat ihren Willen durchgesetzt
– und jetzt ist sie arbeitslos. Das hat sie davon!‘
‚Die Gabi wird bald wieder eine Stelle finden‘, sagte Wilfried.
AK Berufe fallen nicht vom Himmel
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‚Klar wird sie was finden, unsere Gabi! Und sicher was Besseres als den Posten beim Ölschlägel!‘ Der
Vater hob sein Glas. ‚Also dann, herzlichen Glückwunsch zum bestandenen Aufnahmetest! Und alles
Gute für die Zukunft!‘
(Textausschnitt aus: Monika Pelz, Reif für die Insel. Jungbrunnen: Wien 1987)
Automechaniker
Vorgeschichte:
Der fünfzehnjährige Luki Aigner führt seiner Freundin Renate zuliebe ein ‚absolut ehrliches (Lügen)Tagebuch‘, um etwas Klarheit in seine verworrene liebes- und Berufsplanung zu bringen.
„Kannst du mir sagen, warum ich drei Jahre meines Lebens in dieser beknackten Autowerkstatt verbringen soll? Ich kann darin keine Sinn erkennen. Für das, was mir dort handwerklich geboten wird,
würde ein Intensivkurs von sechs Wochen genügen. Für alles Weitere braucht man sowieso eine
Spezialausbildung, für elektronische Defektanalyse zum Beispiel.
Weißt du, was die Mechaniker bestimmt jeden Morgen beten? Lieber Gott, unseren täglichen Krampf
lass uns heute wieder einfallen, und mach, dass wir nie vernünftige Menschen werden. Amen.
Kaum hat der Meister die Arbeit verteilt, geht es erst mal los mit den Saufberichten. Wer hat am Abend
zuvor den kriminellsten Rausch gehabt? ....Kein Zweifel, Otto bringt die höchsten Räusche zusammen, gar kein Zweifel. Aber wenn ich mal seine ausbildnerischen Fähigkeiten vorsichtig in Frage
stelle, dann geht´s rund.
Der Rauschwettbewerb geht nahtlos über in die aufregenden Berichte der Fernseh-Erlebnisse...
Fernsehking war heute der Ebner Andi,. Der hatte einen Videofilm gesehen, den keiner kannte. Klarer
Vorsprung für Andi. Und soll ich dir sagen, was er sich Umwerfendes angeschaut hatte? Einen Film
über das Hypnotisieren von Hühnern bei australischen Ureinwohnern...
Der Andi macht´s mit seinen Händen genau vor, wie der Urwaldknilch das Huhn hypnotisiert hat.‘ Ich
schwör dir´s, der hat nur seine Finger so´n bisschen ausgestreckt, wie wenn er das Huhn bestrahlen
wollte. Und nachher hat er nur mal geschnipst, so.‘...
‘Okay‘, sagt der Hans, heute in der Mittagspause bringst du die Schau. Wir wetten um 20 Mark. In
Ordnung?‘ ‚Alles klar!‘, strahlt Andi. Und schon winkt er mich zu sich heran. ‚Hier hast du ´n Zehner.
Besorg ein Huhn. Und komm bloß nicht mit einem tiefgefrorenen an.‘...Ich hätte nur ganz cool zu sagen brauchen: ‚Herr Ebner, ich muss Sie darauf hinweisen, dass laut Paragraph soundso die Beschaffung von Hühnern nicht zu den Aufgaben eines Auszubildenden im Kraftfahrzeughandwerk gehört.‘
Aber so kann man sich im wirklichen Leben nicht verhalten. Das hätte mir nichts weiter eingebracht
als eine unauffällige Hölle auf Erden, acht Stunden pro Tag. Außerdem konnte ich mich mit meinem
Spezialauftrag den ganzen Vormittag draußen herumtreiben, ohne Anschiss.“
(Hermann Moers, Luckis Lügentagebuch. Freiburg-Basel-Wien: Herder 1993, S. 21ff.)
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Elektriker
Vorgeschichte:
Drei Arbeitskollegen kommen von der Beerdigung des Lehrlings Walter, der bei einem Arbeitsunfall
tödlich verunglückt ist.
„Ein Lieferwagen verstellte die Einfahrt zu Hof. Auf der Straße gab es keine freien Parkplätze. Lothar
ließ Roller und Tim aussteigen und machte sich auf die Suche nach dem Fahrer des Lieferwagens.
Es wäre Tim lieber gewesen, mit Lothar hineinzugehen. Aber wenn er Glück hatte, saß der Chef im
Büro, und er konnte sich rasch umziehen und an die Arbeit gehen.
Er öffnete die Tür. Der Chef stand in der Werkstatt.
‚Schon zurück vom Ausfug? Muss ja sehr gemütlich gewesen sein, wenn ihr erst jetzt daherkommt!‘
Roller ging wortlos an ihm vorbei in den Waschraum.
‚Der Friedhof ist weit draußen, und es war viel Verkehr.‘
Tim ärgerte sich, weil seine Stimme unsicher klang. Roller kam aus dem Waschraum zurück. Er knotete die Schnur seiner Arbeitshose, wischte sich die Hände an den Oberschenkeln ab und musterte
den Chef. Der bekam eine Zornfalte auf der Stirn. Erwin, der neue Lehrling, schleppte einen großen
Werkzeugkoffer herein. Als er ihn absetzte, klirrte es.
Der Chef stürzte zu ihm hin, riss den Deckel auf und begann zu brüllen, jedes Stück, das beschädigt
sei, werde er ihm vom Lohn abziehen. Erwin bekam einen roten Kopf.
Wieder wurde die Tür aufgerissen. Peter stolperte inmitten einer riesigen Schlauchrolle herein, hinter
ihm kam Feichtinger.
‚Mahlzeit!‘
‚Sehr richtig! Jetzt ist glücklich Mittagspause und nichts geschehen. Ich möchte nur wissen, wovon ich
die Steuern zahlen zu.‘
Der Chef ging in sein Büro. Die Tür knallte zu. Peter legte die Schlauchrolle auf den Boden. Der Draht
löste sich, der Schlauch zuckte über den Beton wie etwas Lebendiges.
Roller schüttelte den Kopf.
‚Beim Alten hätte es das nicht gegeben. Der hat`s nicht notwendig gehabt, den Chef hervorzukehren.‘
Feichtinger nickte.
Tim wusste, dass jetzt gleich die Geschichte kommen musste, wie er in seiner ersten Arbeitswoche
dem damals siebenjährigen Chef den Hintern versohlt hatte, weil er einen Draht in den Starkstromstecker schieben wollte. Und dann würde Roller sagen: ‘Auch nicht leicht, Chef von einem zu sein, der
einem den Hintern versohlt hat.‘
Tim ging in den Waschraum und zog sich um. Walters Overall hing noch an seinem Haken. Darüber
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hing in einem Netz die Blechdose, in der er immer sein Essen mitgebracht hatte.
Eigentlich müsste man sie ausräumen. Walter war vor zehn Tagen am Vormittag aus der Firma ins
Krankenhaus gefahren worden. Hinterher haben alle gesagt, wie klein seine Pupillen geworden waren
und wie gelb seine Haut und das Weiße in den Augen.
Das Zeug in der Dose würde bald anfangen zu stinken. Walters Monogramm war in die Tür eingeritzt,
sogar zweimal. Ein ganzes Jahr lang hatten sie in derselben Firma gearbeitet. Nebeneinander, nicht
miteinander....
Morgen war wieder Berufsschule. Tim würde sich doch überwinden müssen und eins von den beiden
Mädchen in der Klasse bitten, ihm ihre Mitschriften zu borgen. Er war wieder einmal nicht mit dem
Schreiben nachgekommen. Die ersten drei Wochen hatte er wegen einer eitrigen Angina versäumt,
und es kam ihm vor, dass er die nie würde nachholen können. Er fühlte sich fremd in der Klasse.
Die beiden Mädchen waren unheimlich eifrig. Alle wollte sie beweisen, dass sie mindestens ebenso
gute Elektriker werden konnten wie die Kollegen. Die eine war außerdem noch hübsch. Susi hieß sie,
seit neuesten nannte sie sich Sue. Die andere hieß Michaela. Er würde Michaela bitten, ihm ihr Heft
zu borgen. Sie waren ja beide sehr kameradschaftlich, da konnte man nichts sagen. Nur wie sie einen
immer ansahen, das hielt man schwer aus.
Nach der Mittagspause wurde Tim Feichtinger zugeteilt. Feichtinger betrachtete jede elektrische Anlage mit gründlichem Misstrauen. Wo ein anderer eine Sicherung auswechselte, legte er neue Leitungen. Meist fand er dabei tatsächlich Fehler, die eine Katastrophe hätten auslösen können.
‚Der Feichtinger hat eine Nase‘, hieß es. Nicht einmal der Chef redete ihm drein. Die einzige Arbeit,
die er anderen – insbesondere einem Lehrling zutraute, war Stemmen.
Im Stemmen könnt ich glatt ein Diplom haben, dachte Tim...“
(Aus: Renate Welsh, Die Melodie im Kopf. Alltagsgeschichten. F. Schneider, Edition Pestum. München 1987, S. 115ff.)
Laborant
„Während der Reisezeit, wenn Scharen heimischer Urlauber den Schiefen Turm von Pisa, die lächelnde Mona Lisa oder Tante Josefine mit einem Netze flickenden Fischer fotografieren, braucht Kodak
zusätzliche Laboranten, um den zusätzlichen Anfall an Negativen zu bewältigen.
Als verkrachter Student war ich froh, diese bei Bewährung permanente Stelle in der Zeitung unter der Rubrik ‚Diverses Personal‘ gefunden zu haben. Dem diversen Personalstand gehörten fast
ausschließlich Ausländer an. Kodaks Portiere waren Jugoslawen, die Lagerarbeiter Türken und die
Ferialfotoentwickler so multinational wie der Konzern selbst. Lediglich die Anschaffer sind Inländer
gewesen.
Faruk war mein Entwicklungspartner bei der Nachtschicht .... Wir haben miteinander in der Dunkelkammer gearbeitet, in einem Loch, das nach Salmiak und Entwicklerlösung stank. Fünfmal die Woche
waren wir acht Stunden lang blind, bewegten uns wie Blinde, die noch keine großen Erfahrung mit
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ihrem Gebrechen haben, hautnah nebeneinander im Nichts schwitzend und schwer atmend.
Jeder hatte eine Tonne voll metallener Filmhülsen neben sich stehen, Faruk zu seiner Linken, ich
zu meiner Rechten. Man holte Hülse um Hülse heraus, wobei man sich – je leerer die Tonne wurde, desto tiefer – bücken musste, und zertrümmerte die Blechkarkasse an einem Eisenstift, zumeist
vergeblich darauf achtend, dass die Haut an den Fingerkuppen nicht in Fetzen ging. In der Finsternis
rollte man den jeweiligen Film auf und befestigte ihn an einer Klammer, die in einen kleiderhakenähnlichen Balken eingelassen war. Zehn Klammern pro Haken waren so schnell wie möglich mit Filmen
zu bestücken. Dann glitt der Haken in das Becken mit der Entwicklerlösung und der nächste Haken
fuhr herab wie das Beil einer Guillotine, fuhr krachend herab aus dem Nichts, klinkte sich vor uns ins
Nichts, ins Nichts vor uns, und wir zertrümmerten wieder Hülse um Hülse, zerfetzten Fingerkuppe um
Fingerkuppe, bestückten Klammer um Klammer mit Negativen, die den Schiefen Turm von Pisa oder
Tante Fini mit dem Pekinesen zeigen sollten, oder den Petersdom mit dem stecknadelgroßen Papst
vor einer Masse andächtiger Stecknadelköpfe auf dem Petersplatz...
Das war die Außenwelt, an der wir uns die Finger wund schlugen, die wie eine Schaffotschneide aus
dem Nichts herniederfuhr und dann – ins Entwicklerbad gleitend – sich uns wieder entzog.
(Ausschnitt aus: Ludwig R. Fleischer, Fernverbindung. Erzählungen. Mödling-Wien, edition umbruch,
1994)
Arbeitskampf
Vorgeschichte:
Als Anwalt ist der junge Andrew Beckett äußerst erfolgreich und wird deshalb als Mitarbeiter sehr
geschätzt. Bis zu dem Zeitpunkt, als seine Arbeitgeber bei Wyant & Wheeler, eine der angesehensten Anwaltskanzleien Philadelphias, entdecken, dass Andrew AIDS hat. Unter dem Vorwand, Andrew
habe eine wichtige Akte ‚verlegt‘ und sei auf diese Weise seinen Pflichten nicht nachgekommen,
wird Andrew Beckett von einem Tag auf den anderen entlassen. Andrew will diese ungerechtfertigte
Behandlung nicht hinnehmen und sucht sich einen Anwalt. Die Suche gestaltet sich aber keineswegs
einfach. Denn kein Anwalt wagt es, Andrews wegen den Kampf gegen die renommierte und mächtige
Anwaltskanzlei Wyant & Wheeler aufzunehmen.
Ein schwarzer Winkeladvokat namens Joe Miller scheint Andrews letzte Chance zu sein. Er sucht
diesen auf....
„ ‚Und wie war das nun mit der Kündigung?‘
‚Man behauptete, ich hätte ein sehr wichtige Klageschrift verlegt, aber ich weiß genau, dass ich sie
in meinem Büro gelassen hatte. Und nicht nur die Klageschrift selbst war verschwunden, auch die
entsprechenden Dateien aus meinem Computer. In letzter Minute tauchte dann alles auf wundersame
Weise plötzlich wieder auf. Am anderen Morgen musste ich meine Sachen packen.‘
‚Sie haben Ihre Krankheit also verheimlicht?‘, fragte Joe.
‚So ist es‘, sagte Andrew. Das hier lief nicht gut, dachte er, ganz und gar nicht gut.
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‚Okay, erklären Sie mir alles noch einmal in ganz einfachen Worten‘, sagte Joe. ‚Denn eines will mir
nicht in meinen Dickschädel: Waren sie nicht verpflichtet, Ihre Arbeitgeber über diese schreckliche und
tödliche Infektionskrankheit zu unterrichten?‘
‚Nein!‘, sagte Andrew. ‚ War ich nicht! Außerdem ist das nicht der springende Punkt. Vom Tag meiner
Einstellung an bis zum Tag des Rausschmisses war ich gleichbleibend gründlich und durchaus erfolgreich für meine Mandanten tätig. Und hätten Sie mich nicht gefeuert, wäre ich das auch heute noch.‘
‚Okay, okay, immer mit der Ruhe‘, sagte Joe.
Er dachte eine Weile nach.
‚Sie meinen also, man wollte Sie nicht wegen AIDS feuern und hat daher versucht, Sie – trotz Ihrer
Brillanz – in ein schlechtes Licht zu rücken, mit Hilfe dieser auf mysteriöse Weise verlorengegangenen
Akte. War’s das ungefähr?‘
‚Es war eine Klageschrift. Das Verschwinden war Sabotage. Ja, das war’s.‘
(Textprobe aus: Christopher Davis, Philadelphia. Goldmann Verlag: München 1993)
Neue Techniken
Erst
Aber die Art,
haben sie
wie sie
gesagt
mich
im Betrieb
rausgeschmissen
käme
haben,
eine
dann doch
neue Technik.
ihre alte bewährte Technik
(Knut Becker: Neue Techniken. In: Projektbuch zur Arbeitswelt. Hrsg. vom Österr. Buchklub der Jugend. o.J., S. 28)
Fernfahrer
„Seit Papa und Bandit (der Hund) weg sind, besteht meine Familie nur aus Mama und mir. Wir haben
früher alle in einer Wohnmobilsiedlung etwas außerhalb von Bakersfield gewohnt. Das liegt in Kalifornien im Great Central Valley, das wir in der Schule schon durchgenommen haben. Als Papa und
Mama sich dann scheiden ließen, verkauften sie das Wohnmobil, und Papa zog in einen einfachen
Wohnwagen.
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AK Berufe fallen nicht vom Himmel
Papa fährt einen riesigen Lastkraftwagen, bei dem die Fahrerkabine direkt über dem Motor ist. Manche Leute kennen sich mit so was nicht so gut aus. Wegen des Lastwagens haben sich meine Eltern
scheiden lassen. Früher fuhr Papa für andere Leute, beförderte Zeug, wie Baumwolle, Zuckerrüben
und andere Lebensmittel in Kalifornien und Nevada. Aber die Idee, einen eigenen Lastwagen zu haben und damit Transporte im ganzen Land machen zu können, ging ihm einfach nicht aus dem Kopf.
Er arbeitete praktisch Tag und Nacht, um für die Anzahlungen zu sparen. Mama sagte, wir würden nie
aus dem Wohnmobil rauskommen, wenn er so große Zahlungen für den Lastwagen machen müsste,
und sie wüsste nie, wo er wäre, wenn er im ganzen Land Transporte machte. Sein großer Laster ist
wirklich unheimlich schön, mit einer Koje in der Kabine und allem.
Der Laster – die Fernfahrer sagen manchmal Traktor dazu, aber alle anderen Leute sagen Lastwagen
– hat zehn Räder, zwei vorne und acht hinten. So kann er alles aufladen, Containerpaletten, Kühlwagen, ein paar Gondeln.
In der Schule lernt man, dass eine Gondel so ein Boot in der Lagunenstadt Venedig ist, aber in Amerika ist es ein Behälter, in dem man loses Zeug wie beispielsweise Karotten transportiert.....“
„ Ich hab in meinem Straßenatlas nachgeschaut und herausgefunden, dass Papa jetzt zurück in
Bakersfield sein müsste. Aber er hat trotzdem nicht angerufen. Mama sagt, ich darf nicht zuviel von
ihm verlangen, weil das Leben eines Fernfahrers nicht einfach ist. Fernfahrer hören oft schlecht auf
dem linken Ohr. Das kommt von den lauten Windgeräuschen am Fenster. Sie sagt, Fernfahrer gehen
oft aus dem Leim, weil sie so viele Stunden ohne Bewegung sitzen müssen und weil sie zu fett essen.
Manchmal kriegen sie Magengeschwüre vom Stress, wenn sie versuchen, unterwegs Zeit aufzuholen.
Zeit ist Geld für den Fernfahrer.
Ich glaube, sie versucht einfach mich aufzumuntern. Aber ich fühle mich beschissen. Ich sagte:‘ Wenn
Fernfahrer so ein schweres Leben haben, warum ist Papa dann in seinen Laster verliebt?‘
Mama sagte:‘ Er ist eigentlich nicht in den Laster verliebt. Er liebt das Gefühl der Kraft, wenn er oben
in der Kabine sitzt und diese gewaltige Maschine unter Kontrolle hat. Er liebt die Spannung, dass er
nie weiß, wohin die nächste Fahrt geht. Er liebt die Berge und die Sonnenaufgänge in der Wüste und
die Orangenbäume, die voll von Orangen sind, und den Geruch von frisch gemähter Luzerne. Ich weiß
das, weil ich mit ihm gefahren bin, bis du kamst.‘“ ....
„ ‚Warum hast du meinen Vater überhaupt geheiratet?‘
‚Weil ich in ihn verliebt war‘, sagte Mama.
‚Und warum bist du´s nicht mehr?‘, fragte ich.
‚Wir haben einfach viel zu jung geheiratet‘, sagte sie.
‚Wenn man in so einer Kleinstadt aufwächst mit nichts als Salbeibüschen, Ölfeldern und Kaninchen,
da kann man nicht viel unternehmen. Ich weiß noch, abends hab ich oft nach den weit entfernten Lichtern von Bakersfield geschaut und mir gewünscht, ich könnte in einer solchen Stadt leben. Sie sah so
groß und aufregend aus. Heute hört sich das komisch an, aber damals kam es mir vor wie New York
oder Paris.
Nach der Schule arbeiteten die meisten Jungen in den Ölfeldern oder gingen zur Armee, und die
Mädchen heirateten. Ein paar gingen ins College, aber ich konnte meine Eltern nicht dazu bringen,
mir finanziell zu helfen. Als ich mit der Schule fertig war, kam dein Vater mit einem großen Lastwagen
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daher und – na ja, das war´s. Er war groß und sah gut aus, und wie er mit dem Lastwagen umging –
also er war wie ein Ritter in einer schimmernden Rüstung.
Zu Hause war es nicht so herrlich, dein Großvater trank ja und so, und da sind Papa und ich einfach
nach Las Vegas durchgebrannt und haben geheiratet. Ich bin auch gerne mit ihm gefahren, bis du
dann kamst, und – na ja, zu der Zeit hatte ich dann genug von Autobahnen und Fernfahrerlokalen. Ich
blieb mit dir zu Hause, und er war die meiste Zeit weg.‘“....
(Textausschnitte aus: Beverly Cleary, Ruf doch an, Papa! Ueberreuter: Wien 1986, S. 20f., S.
67f.,S.77ff.)
Berufe der Väter
„Als der Möbelwagen abgefahren war, sagte die Mutter zu Thomas: ‚Geh hinaus! Vielleicht kannst du
schon mit den Kindern spielen!‘
Auf der Brücke über den Bahngleisen traf Thomas den langen Willi, Heinz, Erika, Annchen und den
kleinen dicken Klaus. Unten fuhr ein langer Güterzug. Sie zählten die Wagen.
‚Siebenundvierzig!‘, sagte Heinz. ‚ Aber es gibt noch längere. Mein Vater ist Lokomotivführer. Überhaupt, ohne ihn könnten gar keine Züge fahren.‘
‚Was du dir einbildest!‘, rief Erika. ‚ Dann gäbe es eben andere Lokomotivführer. Oder alle Leute hätten Autos. Mein Vater ist nämlich Autoschlosser.‘
‚Und meine Mutter hat ein Lebensmittelgeschäft. Wenn es keine Läden gäbe, könnte niemand etwas
zu essen kaufen‘, sagte Willi.
‚Pah! Mein Opa ist Bauer! Das ist überhaupt der allerwichtigste Beruf!‘, rief Heinz.
‚Mein Vater ist Arzt. Wenn es keine Ärzte gäbe, müssten alle Leute mit Bauchweh und Ohrenschmerzen herumlaufen‘, sagte der kleine Klaus.
‚Und meiner ist Maurer! Der baut Häuser. Ohne Häuser kann man nicht wohnen!‘ rief Annchen.
Thomas hatte noch nichts gesagt. Jetzt stieß Willi ihn mit dem Ellbogen an und fragte: ‚Was tut dein
Vater denn, Kleiner?‘ Er spuckte auf die Schienen.
‚Aaach...‘, machte Thomas. Er steckte die Hände in die Hosentasche und spuckte auch.
‚Du willst es wohl nicht sagen? Vielleicht ist dein Vater überhaupt nichts?‘, fragte Heinz.
Thomas drehte sich langsam um und ging fort.
‚Vielleicht ist er Mondgucker‘, rief Erika. Alle lachten.
‚Oder Kaiser von China!‘, rief Klaus hinter Thomas her.
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AK Berufe fallen nicht vom Himmel
Der lief durch die Schrebergärten nach Hause. Sein Vater stellte gerade das Büchergestell auf.
‚Du?‘, fragte Thomas. ‚Weshalb bist du eigentlich nicht Lokomotivführer oder Maurer oder Arzt?‘
‚Hm?‘, machte der Vater und hämmerte weiter.
‚Ich möchte wissen, weshalb du Lehrer bist?‘, rief Thomas ungeduldig.
Der Vater steckte den Hammer und die Nägel in die Jackentasche und setzte sich auf eine Kiste.
‚Thomas!‘, sagte er und lachte. ‚Damit die Kinder später Lokomotivführer und Maurer und Arzt werden
können! Zuerst müssen sie doch etwas lernen.‘
‚Ach so‘, sagte Thomas, ‚deshalb.‘
Der Vater zog ihn zu sich heran und hielt ihn an den Schultern fest. ‚Und weil ich alle Kinder liebhabe‘,
sagte er.
‚Alle?‘, fragte Thomas. ‚Auch solche, die großtun , weil ihre Väter und Opas Autoschlosser oder Bauern sind?‘
‚Alle!‘, sagte der Vater.
‚Das erzähle ich ihnen jetzt!‘, rief Thomas und lief wieder fort.
(Text: Ursula Wölfel, Die anderen Kinder. In: Die grünen und die grauen Felder. Kevelaer: Anrich 1970)
Arbeitslosigkeit
Vorgeschichte:
Nach der Scheidung der Eltern haben Felix und sein Schwester Therese den Kontakt zum Vater verloren. Plötzlich taucht ein Obdachloser vor der Schule auf, und bald ist klar, dass der heruntergekommene Mann Papa ist. Therese hat Mitleid und will ihm helfen, aber Felix schämt sich. Wenn´s nach
ihm ginge, sollte am besten niemand erfahren, was aus seinem Vater geworden ist. Und doch: Eines
Tages rafft er sich auf und spricht darüber. Mit Therese. Über Papa.
Was in Papas Kopf vorgeht, als er zu Felix Kontakt sucht, ist kursiv gedruckt:
„Ich hab´s ja nicht gewollt.
Ich hab mir mein Leben anders vorgestellt. Früher. Aber das ist lange her, sehr lange.
Mit zwölf wollte ich Bürgermeister werden, alles besser machen. Davon weißt du vielleicht gar nichts.
Ich glaube, wir haben nie darüber gesprochen. Ich bin dann Tischler geworden. Das weißt du. Ich war
auch zufrieden damit.
Aber dann...
AK Berufe fallen nicht vom Himmel
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177
Jetzt lebe ich schon vier Jahre auf der Straße. Kannst du dir das vorstellen? Vier Jahre kein Dach
über dem Kopf. Draußen essen, draußen schlafen. Und aufs Klo muss ich ja auch. Und stinken will ich
auch nicht.
Das ist wirklich nicht leicht. Aber das Schlimmste ist: Die Leute, die an dir vorbei gehen, die gucken
angewidert weg. Ehrlich. So wollte ich nie leben. Niemals.“
„Die Welt, ja, die habe ich kennen gelernt, aber nicht gerade von ihrer besten Seite.
Herumgekommen bin ich. In den letzten vier Jahren jedenfalls. Nachdem ich meine Arbeit verloren
habe.
Und dann auch mein Zuhause. Alles hab ich verloren.
Ich konnte ja nicht bleiben.
Deine Mutter hat sich scheiden lassen, ja, sie war es, ich hab es nicht gewollt. Aber so ist es gekommen, und da konnte ich doch nicht mehr in der Wohnung bleiben.
Wohin sollte ich gehen? Ein paar Wochen bin ich bei meinem Freund untergekommen. Aber dann?
Eine neue Wohnung, ja, mein Gott, woher denn? Hast du keine Arbeit, kriegst auch keine Wohnung.
Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.
Die Wohnung von meinem Freund war eng. Da haben wir uns immer häufiger gestritten. Schließlich
hab ich erzählt, dass ich eine neue Wohnung gefunden hätte und bin gegangen. Ich hatte aber keine.
Ich bin durch die Stadt gelaufen, und in der Nacht habe ich mich auf eine Parkbank zum Schlafen
gelegt.“
„ Ich hab ja auch meinen Stolz.
Aber ich wollte neu anfangen. Raus aus der Scheiße. Damit ich zurückkommen kann. Damit ich sagen
kann: Hier bin ich. Ohne vor Scham im Boden zu versinken.
Verstehst du, was ich wollte? Ich hatte zwei Hände, mit denen ich was schaffen konnte. Ich wollte
arbeiten. Ich hatte doch was gelernt! Ich konnte was.
Also geh ich zum Arbeitsamt.
Aber da gibst lange Warteschlangen. Da stehst du dir die Beine in den Bauch und dann ist nichts. Es
gibt keine Arbeit. Morgen vielleicht. Aber morgen ist auch nichts. Kommen Sie in einer Woche wieder.
Aber in einer Woche gibt es immer noch keine Arbeit. Warten Sie auf den Frühling, da ist die Konjunktur besser, da geht es wieder aufwärts.
Aber mit dir geht es abwärts.
Ich hab gemerkt. Mich braucht keiner mehr. Die wollen mich alle nur loswerden.“
(Textausschnitte aus: Karsten Stollwerck, Früher war Papa ganz anders. Jungbrunnen: Wien 1997, S.
7, S. 11f., S.20f.)
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AK Berufe fallen nicht vom Himmel
Lohnritual
„Mattias nahm sich vor, seinen Vater zu fragen, wie das bei ihm im Betrieb war, wenn ein Arbeiter
durch einen Unfall oder eine Krankheit in Zahlungsschwierigkeiten kam. War das womöglich der
Grund für Vaters sture Weigerung, irgend etwas auf Raten zu kaufen?
Wieso konnte er es sich leisten, etwas nicht zu wollen?
Jetzt, da er selbst arbeitet, musste er wirklich einmal mit dem Vater über dessen Arbeit reden. Er hatte
eigentlich keine Ahnung, wie es in dem Betrieb zuging. Bisher hatte er sich auch nie dafür interessiert.
Der Betrieb – das war der Ort, wo der Vater fünfmal die Woche morgens hinfuhr, von wo er müde
heimkam, von wo er die Lohntüte brachte, die er am Freitag Abend auf den Küchentisch leerte. Er ließ
sich seinen Lohn in kleinen Noten auszahlen – von einem Konto hielt er nichts – und teilte das Geld in
Häufchen: Miete, Licht, Gas, Telefon, Wirtschaftsgeld, Taschengeld für sich, die Frau, den Sohn, einen
Betrag für kleiner Anschaffungen und einen etwas größeren, den er in die Sparkasse trug.
Als Matthias noch klein war, hatte ihm dieses Freitagsritual Spaß gemacht, später war es ihm peinlich.
Eine Zeitlang hatte er versucht sich davor zu drücken, aber der Vater hatte jedesmal auf ihn gewartet.
‚ Du sollst wissen, wie wir dran sind‘, hatte er gesagt.“
(Text aus: Renate Welsh, Einmal sechzehn und nie wieder. rororo TB # 173, Hamburg 1986, S. 42)
Facharbeiter
Vorgeschichte:
Auf dem Arbeitsamt lernt die arbeitslose Gabi den Facharbeiter Wilfried kennen, der sie auf einen
Kaffee einlädt.
„Gabi blickte ihn überrascht an, wollte schon ablehnen. Aber warum eigentlich nicht? Nach Hause zu
gehen hatte sie jetzt wenig Lust....
‚Ich mache einen Vorbereitungskurs für eine Umschulung‘, erzählte Wilfried. ‚Ich lass mich auf Elektromechaniker umschulen.‘
‚Und was hast du vorher gemacht?‘
‚Kunststoffverarbeiter.‘
Ein Arbeiter also. Arbeiter – Angestellte – ich muss wirklich aufhören, die Leute danach einzuteilen!
Was bin denn ich?! Wenn ich Glück habe, kann ich als Verkäuferin arbeiten.
Wilfried berichtete, wie er seine Stelle verloren hatte, besser gesagt, warum er darauf verzichtet hatte.
AK Berufe fallen nicht vom Himmel
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Er war gelernter Kunststoffverarbeiter. Einer der ersten Facharbeiter in diesem neuen Berufsbereich.
Der Betrieb, in dem er ausgebildet wurde, stellte Flaschen und sonstige Plastikbehälter her.
Die Arbeit war nicht uninteressant gewesen. Und sie war vor allem sehr gut bezahlt.
‚Ich hab zuletzt fünfzehntausend netto verdient‘, sagte Wilfried. Für einen Zweiundzwanzigjährigen ist
das ja nicht schlecht!‘
Eine Tages, beim Fußballspielen, wurde ihm übel, er brach auf dem Spielfeld zusammen. Als es ein
zweites Mal passierte – Übelkeit, Ohnmacht - , ging er zum Arzt. Der Arzt konstatierte nicht nur Kreislaufschwäche, sondern auch eine erkrankte Lunge.
Die Kunststoffdämpfe, denen Wilfried bei der Arbeit ausgesetzt war, hatten Lungengewebe zerstört
und auch die Nieren angegriffen.
‚Ich könnte Ihnen ein kreislaufstärkendes Mittel geben. Aber mit dreißig spätestens sind Sie kaputt.
Geben Sie den Beruf auf‘, riet der Arzt. ‚Fangen Sie was anderes an.‘
Leicht gesagt.
In der Flaschenfirma gab es keinen qualifizierten Posten, auf den Wilfried hätte wechseln können.
Natürlich war er dort nicht der Erste, der durchs Einatmen der giftigen Dämpfe erkrankte., Aber die
anderen – Mechaniker oder Schlosser – konnten wieder in ihren ursprünglichen Beruf zurückkehren.
Wilfried war als Kunststoffverarbeiter ausgebildet. Ihn konnte man nicht ins Lager abschieben, wo er
weit weniger verdient hätte, er war schließlich Facharbeiter.
‚Hier am Arbeitsamt waren sie auch ratlos: Entweder ich arbeite weiter als Kunststoffverarbeiter oder
Sie können mir nur Hilfstätigkeiten anbieten. Dass der Beruf krank macht, wollten sie nicht begreifen.
Auch damals, als sie mir diese Ausbildung vorschlugen, hat keiner angedeutet, dass man sich dabei in
ein paar Jahren kaputt arbeitet!‘
Gabi war schockiert. Wussten die Berufsberater nichts von den Gesundheitsschäden? Wollten sie
nichts davon wissen?
‚Tja, irgendwie dürften sie dann doch eingesehen haben, dass ich nicht aus Faulheit oder Böswilligkeit
meinen Job aufgegeben habe. Sie haben mir diese Umschulung angeboten. Im Juni mach ich den
Eignungstest dafür. Und den Test bestehe ich sicher, da habe ich gar keine Angst! Mit den elektrischen
Vorgängen kenn ich mich aus, weil ich immer die Maschinen repariert habe. Wenn Fehler auftreten,
dann weiß ich schon, woher das kommt. Und dass ich später einen Job kriege, da sehe ich eigentlich
nicht so schwarz!‘
Gabi sah auch nicht schwarz für Wilfried. Er wirkte so gelassen und selbstbewusst. Eigentlich sehr
sympathisch.
‚Ich wünsch dir auch alles Gute!‘, sagte Wilfried. ‚Halt die Ohren steif. Und vielleicht sehen wir uns
einmal wieder – es muss ja nicht gerade auf dem Arbeitsamt sein.‘“
(Textausschnitt aus. Monika Pelz, Reif für die Insel. Jungbrunnen: Wien 1987, S.43f.)
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Kommissar
„An manchen Tagen kann Kommissar Mark Hiller seinen Job besonders wenig leiden. Heute ist so ein
Tag. Er steht in dem altmodisch eingerichteten Raum: Thonetsessel, ein Biedermeier-Sofa, schwerer
Eichen-Schreibtisch, die übliche Glasvitrine mit dem guten, dem Sonntagsgeschirr...
Auf dem Boden zusammengesunken der Körper der alten Frau. Der Schreibtisch ist aufgebrochen,
Laden herausgezogen. Dass die wertvolle Münzsammlung fehlt, steht schon fest. An der Wohnungstür
Einbruchsspuren. Vorgetäuscht, wie Mark Hiller glaubt. Nur ein paar Kratzer rund um das Schloss.
Der Gerichtsmediziner keucht die Treppen herauf. Vierter Stock, kein Lift. Sobald der wieder Luft bekommt, begrüßt er Mark Hiller fröhlich. Er ist eigentlich immer fröhlich, denkt Hiller. Auch eine Art, mit
den hässlichen Seiten des Lebens umzugehen.
‚Schaut nicht nach Gewaltanwendung aus‘, stellt der Arzt fest.‘ Aber Näheres erst ...na wie üblich.
Morgen zu Mittag ist der Bericht fertig.‘
Mal fragen, ob irgendwer von den Nachbarn etwas gehört oder gesehen hat. Kommissar Hiller läutet
an der Wohnungstür nebenan.
Ein etwa 14jähriger Junge öffnet. Hiller zeigt seine Marke.
‚Kann ich dir ein paar Fragen stellen?‘
‚Klar‘, sagt der Junge und geht voraus in sein Zimmer. Bernd heißt er. Seine Eltern sind nicht da. Beide berufstätig. Vom Tod der Nachbarin weiß er schon .
Aber sonst?
Sonst kann er gar nichts dazu sagen. Nichts gesehen, nichts gehört. Keine ungewöhnlichen Geräusche, keine auffälligen Fremden im Stiegenhaus.
Ja dann- Kommissar Hiller wendet sich zum Gehen. Allzuviel hat er sich ja nicht erhofft von dem Gespräch.
Da fällt sein Blick....“
Möchtest du noch mehr von der spannenden und manchmal recht ungewöhnlichen Arbeit eines Kriminalbeamten erfahren, dann lies die Geschichte „Stumme Zeugen“ von Edith Schreiber-Wicke in dem
Sammelband „Unglaublich! Geschichten zum Wundern“ (Wien: Verlag Jungbrunnen 1993) Es gibt von
dieser Geschichte auch eine Videoverfilmung (Reihe „Fortsetzung folgt nicht..., Bd. 2, BMUK, Wien
1998) mit Begleitmaterial.
Schaut euch die Verfilmung genau an und beobachtet, welche Unterschiede ihr feststellen könnt:
•
bei den Personen
•
in der Handlung
•
im Schauplatz
•
in der Wirkung
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Tipps & Anregungen & Training TAT 1
Texte zum Hören
Gestaltet aus dem Drehbuchtext „Aus dem Takt“ ein Hörspiel bzw. ein Audiobook, indem ihr folgende
Arbeitsgruppen bildet:
•
Sprecherrollen, eventuell auch eine/n SprecherIn für die verbindenden Worte
•
„TontechnikerIn“ (Geräusche, wie z.B. Fabrikslärm, Schritte, Türzuschlagen)
•
AufnahmetechnikerIn (AufnahmeleiterIn)
•
Erstelltung eines Hörspielskripts
Die Zwischentexte können mit einer ganz leisen Melodie unterlegt werden.
So könnte der Entwurf für ein Hörspiel aussehen:
Ort/Geräusche
Handlung/Text
Fabrikshalle
Bo und Arbeitskollegen stehen am Fließband. Der Vorarbeiter
Karlström kommt herein und beginnt zu sprechen.
Machinenge-räusche
Werkzeugklang, der dann aufhört
Karlström: „Ich muss euch eine Mitteilung machen, meine
Herren.“
Karlström: „Seit wir die Abteilung umgebaut und so viele Verbesserungen eingeführt haben, geht die Arbeit viel schneller
voran..... Also, streng euch ein bisschen an, meine Herren.“
.................
Schritte Karlströms,
Stimmengewirr der Arbeiter
„Sklaventreiber!“ „Das können die doch nicht machen!“
„Als ob wir nicht schon genug schuften!“.......
Auf Tures Zeichen hin Ruhe
Ture: „He, beruhigt euch doch!....“
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TAT 2
Rollenspiel:
ROBOTER als Jobknüller oder Jobkiller?2
Bildet folgende Gruppen:
•
Geschäftsleitung, die den Kauf und den Einsatz mehrerer Roboter plant
•
Firma, die Roboter anbietet und über die Leistungen informiert
•
Arbeiter, die von Umschulung oder Arbeitslosigkeit betroffen sind
•
Betriebsrat
•
Presse, die darüber berichtet
Überlegt euch Argumente für und gegen den Robotereinsatz:
•
Rationalisierung / Arbeitslosigkeit/ soziale Unsicherheit/ Veränderungen
•
geringe Kosten/ höhere Qualität der Produkte/ bessere Konkurrenzfähigkeit
Versucht folgende Planungs- und Entscheidungsfragen zu beantworten, die im Spielverlauf zu verhandeln sind:
•
Müssen/ sollen z.B. Schweißroboter überhaupt angeschafft werden? Werden sie wirklich zu
niedrigeren Kosten und höheren Gewinnen führen?
•
Wenn Roboter angeschafft werden, wie viele sollen gekauft werden? Müssen es wirklich 10
sein, oder reichen nicht auch 4-5?
•
Was geschieht mit den freigesetzten Arbeitern? Werden sie umgeschult, anderweitig im Betrieb
beschäftigt? Erhalten sie Ausgleichszahlungen? Gibt es für sie einen Sozialplan? Werden sie an
einem anderen Firmenstandort eingesetzt?
•
Sollen künftig in anderen Betriebsbereichen Roboter zusätzlich eingesetzt werden?
2 Quelle: Klippert Heinz, Planspiele. Spielvorlagen zum sozialen, politischen und methodischen Lernen in der Gruppe.
Reihe:Beltz praxis. Weinheim-Basel 1996, S. 156
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TAT 3
Wozu braucht ein Automechaniker ein Huhn?
Kreativitätsspiel3
•
Die TeilnehmerInnen sitzen in einem äußeren und inneren Sesselkreis einander zugewandt.
•
Alle SpielerInnen im äußeren Kreis haben eine Berufskarte gezogen,
z.B. AutomechanikerIn, SchulwartIn, Klassenvorstand, ManagerIn, HeilmasseurIn, AnlageberaterIn,
SozialarbeiterIn, Bus-ChauffeurIn, FremdenführerIn, etc.
•
Alle SpielerInnen aus dem inneren Kreis haben eine Karte mit einem Gebrauchsgegenstand
oder Material gezogen,
z.B. Huhn, Fallschirm, Säge, Nudelwalker, Reißnagel, Schwimmreifen, Schirm,....
•
Nun fragen die Äußeren die Inneren, je nach Karte:
„Wozu braucht ein Automechaniker ein Huhn?“
Die Inneren müssen die Frage nun beantworten.
•
Danach rücken die SpielerInnen im Innenkreis einen Sessel weiter. Nachdem die Runde absolviert ist, tauschen der Innen- und der Außenkreis die Plätze, wobei neue Karten ausgeteilt
werden.
Spieldauer: je nach Gruppengröße ca. 30-50 Minuten
3 Quelle: Irene Wondratsch, Achtung bissige Bytes! Kreatives Schreiben im Unterricht zum Thema Arbeitswelt. Hrsg. von AK
Wien & Steiermark, ÖGB, Wien und Graz 1999
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AK Berufe fallen nicht vom Himmel
TAT 4
Kombiniere!4
Dies ist ein Kombinationsspiel , bei dem assoziativ Wörter aus drei Spalten so miteinander kombiniert
werden, dass die Eigenschaften vor die Personen gestellt und diese mit den Orten durch lokale Vorwörter oder Adverbien (in, auf, oberhalb des, unter, genau vor, hinter, unter...) verbunden werden:
Berufsbezeichnungen
menschliche Eigenschaften
Ortsbezeichnung
Automechaniker
eifersüchtig
Telefonzelle
Spediteur
kratzbürstig
Würstlstand
Tapezierer
fröhlich
Stephansturm
Dolmetscherin
temperamentvoll
U-Bahn
Lehrer
übereifrig
London
Der eifersüchtige Automechaniker vor der Telefonzelle.
Der kratzbürstige Spediteur beim Würstlstand.
Der fröhliche Tapezierer auf dem Stephansturm.
Die temperamentvolle Dolmetscherin in der U-Bahn.
Der übereifrige Lehrer außerhalb Londons.
Wählt eine der zuvor selbst erstellten Kombinationen und schreibt dazu eine Kurzgeschichte!
4 Wondratsch (1999), S. 72f.
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TAT 5
Rechte und Pflichten
Renate Welsh beschreibt, wie schwierig es für Tim auf seiner Arbeitsstelle als Elektriker ist. Es ist
daher gut, genau über seine Rechte Bescheid zu wissen und sich zu informieren.
Die folgenden Textabschnitte5 sind lückenhaft. Ergänze sie mit Hilfe der Wort- und Faktenliste
Das Wesen der Berufsausbildung
Die Ausbildung im Rahmen eines Lehrverhältnisses erfolgt im ..................... und in der..................
...............................
Urlaub
Lehrlingen gebührt ein ununterbrochener Urlaub
von ........................................... in jedem Arbeitsjahr (Urlaubsjahr).
Ruhepause und Ruhezeit
Nach einer Arbeitszeit von mehr als ...............
Stunden Dauer haben Lehrlinge Anspruch auf
eine ununterbrochene...................... Ruhepause.
Lehrlingsentschädigung
Der Lehrberechtigte ist verpflichtet, dem Lehrling
eine Lehrlingsentschädigung zu zahlen. Ihre
Höhe ist in der Regel gestaffelt nach ...................
in dem zuständigen .......................geregelt.
Der Lehrvertrag
Der Lehrvertrag ist zwischen dem......................
und dem Lehrling abzuschließen
und.............................auszufertigen.
Die Arbeitszeit
Die Arbeitszeit Jugendlicher darf
•....... Stunden ........................ und
•........ Stunden wöchentlich nicht überschreiten.
Die Berufsschule
Bildungsziel der Berufsschule ist es:
Akkordarbeit
Jugendliche, die das ....... . Lebensjahr noch
nicht vollendet haben oder Lehrlinge unter ......
• in einem berufsbegleitenden fachlich einschlä- Jahren dürfen nicht mit Akkordarbeiten oder
gigen Unterricht die .............................................. sonstigen ..............................................................
.............................................................................. ..............................................................................
......................................zu vermitteln,
beschäftigt werden.
• die ..................................Ausbildung zu fördern
und zu ergänzen,
• die .............................................................. zu
erweitern.
Nachtruhe
In der Zeit von ....... Uhr abends bis ....Uhr früh
dürfen Jugendliche nicht beschäftigt werden.
Ausnahmen gibt es für: Jugendliche über .........
Jahre im ........................................ Sie dürfen bis
....... Uhr beschäftigt werden.
Verlängerte Weiterverwendungspflicht
Durch Bestimmungen in den ..............................
............................................................................
kann die Dauer der Weiterverwendungszeit für
den ausgelernten Lehrling mehr als .....................
............................ betragen.
5 Erstellt nach: Gabriele Gstettenbauer, Ideenbörse zum Berufsorientierungsunterricht auf der Mittelstufe. Hrsg. Ak und ÖGB,
Arbeitswelt und Schule, Wien 1996, S.18
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AK Berufe fallen nicht vom Himmel
Wort- und Faktenliste (bunt durcheinander gewürfelt)
16
16.
20
19
22
30 Werktagen
4½
4 Monate
6
acht täglich
Berufsschule
Kollektivverträgen
betriebliche Ausbildung
Kollektivvertrag
Gastgewerbe
Lehrjahren
grundlegenden theoretischen Kenntnisse
leistungsbezogene Prämienarbeiten
halbstündige
vierzig
Lehrberechtigten
Allgemeinbildung
Lehrbetrieb
schriftlich
Weitere Infos: Lehrlings- & Jugendschutz
2010 AK Wien, Prinz Eugen Straße 20-22, 1040 Wien oder bei jeder regionalen AK in den Bundesländern.
Telefonische Auskunft
+43 (1) 50165-201
Mo-Fr 8-15.45 Uhr
Terminvereinbarung für persönliche Beratung
Tel: +43 (1) 50165-341
Mo-Fr 8-14 Uhr
Download Broschüre: http://wien.arbeiterkammer.at/online/lehrlings-und-jugendschutz-am-arbeitsplatz-6871.html?mode=711&STARTJAHR=2008
Die vorliegende Broschüre gibt einen Überblick über die wichtigsten Vorschriften im Bereich der
Lehrlingsausbildung sowie der Beschäftigung von jugendlichen ArbeitnehmerInnen geben, deren ordnungsgemäße Einhaltung für den Bestand eines Lehr- oder Arbeitsvertrages wichtig ist. Sie soll aber
auch einen wesentlichen Beitrag zur Information von Lehrlingen und jugendlichen ArbeitnehmerInnen
leisten.
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Lösungsblatt
Das Wesen der Berufsausbildung
Die Ausbildung im Rahmen eines Lehrverhältnisses erfolgt im Lehrbetrieb und in der
Berufsschule
Urlaub
Lehrlingen gebührt ein ununterbrochener Urlaub
von 30 Werktagen in jedem Arbeitsjahr (Urlaubsjahr).
Ruhepause und Ruhezeit
Nach einer Arbeitszeit von mehr als 4 1/2 Stunden Dauer haben Lehrlinge Anspruch auf eine
ununterbrochene halbstündige Ruhepause.
Lehrlingsentschädigung
Der Lehrberechtigte ist verpflichtet, dem Lehrling
eine Lehrlingsentschädigung zu zahlen. Ihre
Höhe ist in der Regel gestaffelt nach Lehrjahren
in dem zuständigen Kollektivvertrag geregelt.
Der Lehrvertrag
Der Lehrvertrag ist zwischen dem Lehrberechtigten und dem Lehrling abzuschließen und schriftlich auszufertigen.
Die Arbeitszeit
Die Arbeitszeit Jugendlicher darf
• 8 Stunden täglich und
• 40 Stunden wöchentlich nicht überschreiten.
Die Berufsschule
Bildungsziel der Berufsschule ist es:
• in einem berufsbegleitenden fachlich einschlägigen Unterricht die grundlegenden theoretischen Kenntnisse zu vermitteln,
Akkordarbeit
Jugendliche, die das 16. Lebensjahr noch nicht
vollendet haben oder Lehrlinge unter 19 Jahren
dürfen nicht mit Akkordarbeiten oder sonstigen
leistungsbezogenen Prämienarbeiten beschäftigt
werden.
• die betriebliche Ausbildung zu fördern und zu
ergänzen,
• die Allgemeinbildung zu erweitern.
Nachtruhe
In der Zeit von 20 Uhr abends bis 6 Uhr früh
dürfen Jugendliche nicht beschäftigt werden.
Ausnahmen gibt es für:
Verlängerte Weiterverwendungspflicht
Durch Bestimmungen in den Kollektivverträgen
kann die Dauer der Weiterverwendungszeit für
den ausgelernten Lehrling mehr als 4 Monate
betragen.
• Jugendliche über 16 Jahre im Gastegewerbe.
Sie dürfen bis 22 Uhr beschäftigt werden.
TIPP:
Die AK-Broschüre „Lehrlings- und Jugendschutz, hrsg. AK Wien, 1996, ist gratis erhältlich unter der
Adresse AK Wien, 1040 Wien, Prinz Eugen-Straße 20-22, Tel. 01/ 501 65.
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TAT 6
Elterninterview
Erstellt in Gruppenarbeit einen Fragebogen6, in dem folgende Fragen zu beantworten sind:
•
Welche Arbeit macht Mutter/Vater genau?
•
Wie ist der zeitliche Ablauf des Arbeitstages?
•
Beschreibung der Arbeit, d.h. z.B. der Dienstleistung, des Produktes
•
Fahrzeit, Arbeitszeit, Gleitzeit, Pausen
•
Ausbildung (z.B. Facharbeiter, Akademiker, angelernter Arbeiter)
•
Gesundheitsbelastung am Arbeitsplatz (z.B. Lärm, Staub, Hitze, Berufskrankheiten, Schutzmaßnahmen, Betriebsarzt, etc.)
•
Einflussmöglichkeiten auf die Art der Tätigkeit (z.B. sich selbst die Arbeit einteilen, Verwendung
moderner Geräte)
•
Arbeitszufriedenheit (z.B. Wohlfühlklima, Gefühl nach der Arbeit)
•
Konflikte mit KollegInnenen, Vorgesetzten
•
Sozialleistungen der Firma ( Mittagstisch, Sport- und Freizeiteinrichtungen, Teeküche)
•
Betriebsrat (was erreichte er für die ArbeitnehmerInnen im Allgemein und für Mutter/ Vater im
Besonderen)
•
Erfahrungen mit Einrichtungen wie AK, ÖGB, Fachgewerkschaft
Ein Interviewblatt könnte so aussehen:
Interviewfragen
Antworten
6 Quelle: Bausteine für die Unterrichtspraxis. Hrsg. AK & ÖGB , Arbeitswelt und Schule, Wien 1983, S.85
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TAT 7
Erstellung eines Finanzierungsplans
Überlegt euch, welchen Beruf ihr gerne hättet und bildet dann je nach Berufswunsch einzelne Gruppen. Erstellt dazu aufgrund der dafür vorgesehenen Entlohnung einen Finanzierungsplan.
•
Wer es ganz genau wissen will, der verwendet zur Information das jährlich erscheinende wirtschafts- und sozialstatistische Taschenbuch hrsg. AK, in dem alle nötigen Daten enthalten sind.
Ein Exemplar sollte an der Schule vorhanden sein, frage dein/e BO-LehrerIn.
•
Ihr könnt aber auch eure Eltern nach dem monatlichen Nettoeinkommen ihres Berufes fragen
und als Informationsgrundlage verwenden.
Finanzierungsplan
Tätigkeit:
Arbeitszeit: (Uhrzeit)
Einnahmen
Höhe des monatlichen Verdienstes (netto)
.............................
Ausgaben (monatlich)
Einzelausgaben
Betrag
Einzelausgaben
Betrag
Miete
Lebensmittel
Strom/Gas
Reinigungsmittel
Telefon
Körperpflege
Versicherungen
Kleidung
Radio/Fernsehen
Auto/Fahrscheine
Kino/Theater
Sport
Summe
Summe
Summe der monatlichen Ausgaben:
....................................
Zur Verfügung stehender Restbetrag: ....................................
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TAT 8
Anleitung zum „kriminellen“ Schreiben7
Der Beruf KommissarIn oder DetektivIn erscheint in vielen Fernsehserien und Filmen als ein Traumberuf für Supermänner und Superfrauen. Doch man/frau ist dazu oft nicht geeignet.
Spannende Kriminal- und Detektivgeschichten selbst zu schreiben, das kann jede/r versuchen. Es ist
gar nicht so schwierig!
Projekt: Eigene Kriminal- und Detektivgeschichten
Versuche allein oder in Gruppenarbeit einen spannenden Krimi zu schreiben. Es ist gar nicht so
schwierig, wenn man das „Rezept“ für einen spannenden Krimi kennt.
Du brauchst an „Zutaten“:
Detektiv/in
Tat
Suche Entlarvung des Täters
Weiters müsst ihr folgende Elemente einbauen:
•
Die grausige Entdeckung
•
Das Geheimnis
•
Der Täter/ die Täterin
Entwerft ein Täterbild. Schildert dabei Aussehen, Auftreten, Charakter, Lebenslauf, Motiv, Weltanschauung.
•
Die Spuren
Verfasst ein Spurenprotokoll, in das Ort, Fundstücke und Beobachtungen eingetragen werden.
•
Der Detektiv/ die Detektivin
Wie wird der Detektiv/ Kriminalpolizist tätig: als Berufsaufgabe, aus Neugier, aus Abenteuerlust, aus
Protest, aus Interesse, aus Freude an Verfolgungsjagden...? Erstellt in Gruppenarbeit ein Berufsporträt, indem ihr Auftreten, Charakter, Beweggründe, Weltanschauung, Beziehung zueinander schildert.
•
Das Verhör
o Das Verhör hat Erfolg. Es führt zum Geständnis.
o Das Verhör scheitert. Der Täter verhärtet sich mehr und mehr.
7 Anregungen aus: Ian Wall: Star-Trek-Treffen der Generationen. Studienleitfaden Filmerziehung. S. 2f. Zu beziehen von:
bmukk, Abt. V/13, 1014 Wien, Schreyvogelgasse 3
Lutz von Werder, Lehrbuch des kreativen Schreibens. Schibri Verlag : Berlin-Milov 1993, S. 150 f.
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o Das Verhör stiftet neue Verwirrung. Der Täter legt falsche Spuren.
o Im Verhör werden die Rollen getauscht.
o Es ist gar kein Verhör.
TAT 9
Es ist (k)ein Geheimnis
Stellt euch vor, ihr habt folgende Idee für den Anfang einer Geschichte bekommen:
„Ein Mann hat etwas entdeckt, das er geheim hält. Andere Leute glauben, dass er gefährlich ist und
versuchen sein Geheimnis herauszufinden.“
Bevor ihr zu schreiben beginnt, müsst ihr die 6 W- Fragen beantworten. So entsteht eine Grundlage
für eine Geschichte. Schreibt zu den Fragezeichen eure Antworten.
WER ?
WANN?
WAS? WARUM?
WO?
WIE?
Ihr werdet erkennen, dass sich unterschiedliche Arten von Geschichten entwickeln lassen. Überlegt,
wie jeweils eine andere Art von Geschichte entsteht, und zwar abhängig von den Figuren, dem Themenschwerpunkt, den Situationen, der Botschaft:
HAUPTFIGUR
GEHEIMNIS
BEDROHUNG
1. Kriminalgeschichte
2. Spukgeschichte
3. Liebesgeschichte
4. Feriengeschichte
5. Abenteuergeschichte
6. Parodie
7. Adoleszenzgeschichte
8. Politthriller
Beobachtet im Fernsehen typische Serien der oben genannten Genres! Fällt euch auf, nach welchem
„Muster“ diese „gestrickt“ sind?
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AK Berufe fallen nicht vom Himmel
TAT 10
Welche Berufe - welche Fähigkeiten?8
Ordne folgende Berufe den unten angeführten Anforderungen zu:
BerufskraftfahrerIn
LandschaftsgärtnerIn
Bürokauffrau/ -mann
Zimmerer/Zimmerin
ElektroinstallateurIn
Einzelhandeslkauffrau/ - mann
SchmiedIn
ChemielaborantIn
MauererIn
Trage die männliche Berufsbezeichnung in richtiger Reihenfolge in das Rätsel ein. Die Broschüre
„Nach der Schule in die Praxis“9 erleichtert dir die Auflösung.
FÄHIGKEITENKATALOG
1 Handgeschicklichkeit, Ausdauer, gestalterische Fähigkeiten, Liebe zur Natur.
2 Gewissenhaftigkeit, sauberes Arbeiten, mathematisch-rechnerische Fähigkeiten, Geruchs- und
Geschmackssinn.
3 Ausdauer, Schwindelfreiheit, räumliche Vorstellungskraft, Unempfindlichkeit der Haut (Arbeit mit
Zement, Kalk, usw.)
4 Technisches Verständnis, Verantwortungsbewusstsein, Sehvermögen (z.B. bei Mess- und Prüfarbeiten), Verlässlichkeit.
5 Konzentrations- und Reaktionsvermögen, Selbstständigkeit, Ausdauer, technisches Verständnis,
Verantwortungsbewusstsein.
6 Kraft, körperliche Ausdauer (Hitze, Lärm), technisches Verständnis, räumliche Vorstellungskraft.
7 Gute Umgangsformen, sprachliches Ausdrucksvermögen, Kontaktfreudigkeit, Merkfähigkeit.
8 Schwindelfreiheit, Form- und Raumgefühl, Kraft, körperliche Wendigkeit, Gleichgewichtsgefühl,
Fähigkeit zur Zusammenarbeit.
9 Sichere Rechtschreibung, Zahlenverständnis, Selbstständigkeit, Organisationstalent, Teamfähigkeit.
1
2
3
4
5
6
7
8
9
Lösungswort
8 Gabriele Gstettenbauer: Ideenbörse zum Berufsorientierungsunterricht, Hrsg. Arbeitswelt und Schule.
AK ÖGB Wien 1996, S.15
9 „Nach der Schule in die Praxis“. Informationen über Lehrberufe. Hrsg. Wirtschaftkammer Wien
AK Berufe fallen nicht vom Himmel
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193
TAT 11
Schikanen der Arbeitswelt10
Brettspiel für 4, 7 oder 8 Spieler
Spielmaterial: Spielbrett, Würfel, Spielfiguren, Ereigniskarten und Entscheidungskarten, Entscheidungskatalog.
Spielanleitung: Die Ereigniskarten werden ausgeschnitten, gemischt und verdeckt aufgelegt. Ebenso
wird mit den Entscheidungskarten verfahren.
Einer der Spieler übernimmt zusätzlich die Rolle eines Spielleiters. Dazu benötigt er den Entscheidungskatalog.
Es beginnt jener Spieler, welcher als erster eine Arbeitsstelle gefunden hat. Dazu hat er drei „Bewerbungen“ in Form von Würfelversuchen frei. Bei einem gewürfelten „6er“ kann er sein Spiel beginnen.
Würfelt er keinen „6er“, so muß er auf die nächste Runde warten.
Manche Felder des Spielbretts sind mit einem ? oder einem ! gekennzeichnet. Gelangt ein Spieler auf ein Ereignisfeld (!), hebt er vom jeweiligen Kartenstoß ab, liest den Text vor und rückt mit seiner
Spielfigur entsprechend vor oder zurück.
Gelangt ein Spieler auf ein Entscheidungsfeld (?), hebt er vom entsprechenden Kartenstoß ab und
liest den Text vor. Im Anschluß wählt er eine der Entscheidungsmöglichkeiten aus. Der Spielleiter teilt
ihm aufgrund seiner Wahl den nächsten Spielzug mit.
Sieger ist jener Spieler, welcher zuerst am Ziel angelangt.
Entscheidungskatalog
FRAGE
a)
b)
c)
1
1 Feld zurück!
1 Feld vor!
-
2
1 Feld vor!
-
1 Feld vor!
3
1 Feld vor!
-
1 Feld zurück!
4
1 Feld zurück!
-
1 Feld vor!
5
1 Feld vor!
2 Felder vor!
-
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1 Feld zurück!
1 Feld vor!
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-
-
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1 Feld vor!
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1 Feld vor!
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-
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1 Feld zurück!
12
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1 Feld vor!
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1 Feld zurück!
10 Gabriele Gstettenbauer: Spiele und Rätsel zum Berufsorientierungsunterricht für die 5.-8. Schulstufe. Hrsg. AK und ÖGB,
„Arbeitswelt und Schule“, Wien 1995
194
arbeitsweltundschule.at
AK Berufe fallen nicht vom Himmel
! Du hast deine Berufsausbildung mit Erfolg
! Die Firma, bei welcher du beschäftigt bist,
! Durch deine Leistungen wurde man auf dich
! Auf ein Inserat bewirbst du dich um eine lei-
! Du wirst befördert.
! Dein Mann nimmt einen sehr guten Job im
! Du hast verschlafen. Daher versäumst du
! Lernen zählt nicht zu deinen Stärken. In der
! Einem Kunden hast du versehentlich einen
! Deine Firma baut Arbeitsplätze ab. Auch dein
! Die Arbeitsbedingungen in deiner Firma wer-
! Du entschließt dich zu einem BFI - Kurs, um
bestanden.
1 Feld vor!
aufmerksam. Ein interessanter und gut bezahlter
Posten wird dir angeboten.
1 Feld vor!
2 Felder vor!
ein wichtiges Treffen mit einem Kunden. Deine
Chefin ist sauer.
1 Feld zurück!
falsche Rechnung ausgestellt. Er beschwert sich
bei deinem Chef.
1 Feld zurück!
den immer schlechter. Jeder Arbeitstag kostet
dich große Überwindung.
1 Feld zurück!
wurde neu übernommen. Dies führte zu einer
deutlichen Verbesserung der Arbeitssituation.
1 Feld vor!
tende Stelle. Aufgrund deiner Berufspraxis und
deines Fachwissens bekommst du die Stelle.
2 Felder vor!
Ausland an. Ihr beschließt, mit eurem fünfjährigen Sohn zu übersiedeln. Deinen Halbtagsjob
mußt du daher aufgeben.
1 Runde aussetzen!
Berufsschule hast du in drei Gegenständen ein
„Nicht genügend“.
2 Felder zurück!
Stuhl „wackelt“.
1 Runde aussetzen!
eine verantwortungsvollere und besser bezahlte
Arbeit zu bekommen.
2 Felder vor!
! Deine Arbeit ist körperlich sehr belastend. Dein ! Zu deinen Kollegen findest du keinen AnArzt rät dir aus Gesundheitsgründen zu einem
Berufswechsel.
1 Runde aussetzen!
schluß. Das Betriebsklima belastet dich sehr.
1 Feld zurück!
! Obwohl du dein Bestes gibst, hat dein Chef
! Deine Arbeit macht dir großen Spaß. Mit dei-
! Da du in deiner Heimatgemeinde keinen Ar-
! Dein Ausbildner ist seit sechs Wochen im Kran-
! Nach achtmonatiger Lehrzeit bekommst du
! Deine Arbeit belastet dich psychisch sehr.
! Deine Berufswahl hast du dem Zufall über-
! Deine Eltern drängten dich, weiter zur Schule
ständig etwas an deiner Arbeit auszusetzen.
1 Feld zurück!
beitsplatz findest, bist du gezwungen zu pendeln.
Die Fahrzeit zur Arbeitsstelle und zurück beträgt
drei Stunden täglich.
1 Feld zurück.
eine Allergie. Ein Berufswechsel ist daher unvermeidlich.
1 Runde aussetzen!
lassen. Nach wenigen Wochen weißt du, dass
dieser Beruf in keiner Weise deinen Interessen
entspricht.
2 Felder zurück!
AK Berufe fallen nicht vom Himmel
nem Chef kommst du sehr gut aus und mit einigen Kollegen verbringst du sogar deine Freizeit.
2 Felder vor!
kenstand. Bis jetzt fühlt sich niemand für deine
Ausbildung verantwortlich. Deine Leistungen in
der Berufsschule verschlechtern sich daher.
1 Feld zurück!
Kopfschmerzen, Schlafstörungen und Magenschmerzen sind die Folge.
1 Feld zurück!
zu gehen. Du aber wolltest unabhängig sein und
hast dich für eine Lehrausbildung entschlossen.
Heute bist du froh, so entschieden zu haben.
1 Feld vor!
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195
! Deine Ausbildnerin ist von deinem Fleiß und
deinem Geschick begeistert!
1 Feld vor!
! Die Arbeit wächst dir über den Kopf!
Überstunden gehören zur Routine. Dein Privatleben leidet darunter.
1 Feld zurück!
! Nachdem du die letzten Jahre Hausfrau warst, ! Deine Eltern erkranken. Um dich um sie kümversuchst du einen Wiedereinstieg ins Berufsleben. Du besuchst einen Abendkurs.
1 Feld vor!
mern zu können, suchst du einen Halbtagsjob.
1 Runde aussetzen!
! Bei einem Lehrlingswettbewerb wird deine
! Nach bestandener Lehrabschlussprüfung
1? Du bist arbeitslos und findest in deinem
2? Seit geraumer Zeit wirst du von einem Kolle-
a) Du lässt den Dingen ihren Lauf.
b) Du versuchst in einem verwandten Beruf
unterzukommen und entschließt dich zu
einer Umschulung.
c) Du nimmst eine Arbeit als Hilfskraft an.
a) Du beschwerst dich bei deinem Chef und
anderen Kollegen darüber.
b) Du erzählst niemandem davon und hoffst,
dass der Kollege sein Verhalten von selbst
ändert.
c) Du suchst bei der Beratungsstelle der
Arbeiterkammer Rat.
3? Deine Firma stellt auf Computer um.
4? In deiner Firma werden konstant Arbeits-
a) Du besuchst einen Kurs.
b) Du wechselst die Firma.
c) Du wartest einfach ab.
a) Du wartest ab, bis du an der Reihe bist.
b) Du vereinbarst ein klärendes Gespräch mit
der Firmenleitung.
c) Du bewirbst dich sicherheitshalber bei
anderen Unternehmen.
5? In deiner Firma wirst du immer wieder zu
6? Im zweiten Lehrjahr erkennst du, dass die
a) Du sprichst mit deinem Ausbildner darüber.
b) Du wendest dich an die Arbeiterkammer.
c) Du hoffst, dass sich die Lage bessert.
a) Du brichst deine Ausbildung ab.
b) Du machst dir darüber keine Gedanken.
c) Du versuchst zeitgerecht durch zusätzliche
Weiterbildung Fachwissen zu erlangen.
Arbeit ausgezeichnet!
1 Feld vor!
Beruf keine Beschäftigungsmöglichkeit.
Was unternimmst du?
Was machst du?
berufsfremden Arbeiten herangezogen.
Was unternimmst du?
196
arbeitsweltundschule.at
eröffnet dir dein Chef, dass er dich nicht über die
Behaltefrist hinaus beschäftigen kann.
1 Runde aussetzen!
gen belästigt. Was machst du?
kräfte abgebaut. Was unternimmst du?
Zukunftschancen in deinem Beruf sehr schlecht
sind. Wie reagierst du?
AK Berufe fallen nicht vom Himmel
7? Seit neun Jahren bist du ausschließlich
8?
9? Seit vier Monaten bist du nun arbeitslos.
10? In deinem Wohngebiet sind Lehrstellen
Ein Arbeitsunfall macht eine weitere AusHausfrau und Mutter. Jetzt ist dein Mann plötzlich übung deines Berufes unmöglich.
arbeitslos. Du beschließt, wieder ins Arbeitsleben Wie reagierst du?
einzusteigen. Was unternimmst du?
a) Du überlegst eine Frühpensionierung.
a) Du gehst aufs Arbeitsamt und lässt dich
b) Du willst unbedingt weiterarbeiten und lässt
beraten.
dich umschulen.
b) Du versuchst als angelernte Hilfskraft Arbeit
c) Du suchst Rat beim Arbeitsamt.
zu finden.
c) Du versuchst in deinem ehemaligen Beruf eine
Anstellung zu finden und schickst Bewerbungsschreiben an mehrere Firmen.
Deine Familie macht dir Vorwürfe und die finanzielle Situation verschlechtert sich täglich. Was
unternimmst du?
a) Du gibst anderen die Schuld an deinem
Dilemma und suchst im Alkohol Trost.
b) Du versuchst, Gelegenheitsjobs zu finden
oder „pfuschst“.
c) Du bewirbst dich laufend bei Firmen und
versuchst, durch Umschulung bzw. Weiterbildung deine Chancen zu vergrößern.
rar. Was tust du?
a) Du nimmst was du bekommst.
b) Du pendelst, um eine Ausbildung in deinem
Wunschberuf machen zu können.
c) Du hoffst auf einen glücklichen Zufall.
11? Ein Kollege macht sich ständig über dich 12? Die Auftragslage ist so gut, dass dich deilustig und provoziert dich. Was unternimmst du?
a) Du beschwerst dich bei deinem Chef.
b) Du versuchst, ihn zu ignorieren.
c) Dir reicht’s! Beim nächsten Vorfall schlägst
du ihn nieder.
ne Chefin bittet, täglich bis zu zwei Überstunden
zu machen. Wie reagierst du?
a) Du stimmst aus finanziellen Überlegungen zu.
b) Deine Freizeit ist dir wichtiger. Du lehnst ab.
c) Du einigst dich mit deiner Chefin auf einen
festgelegten Zeitraum.
13? Du beginnst eine Lehre als Restau-
14? Dein Chef möchte, dass du einen Fremd-
a) Du lehnst ab, da dir vier Jahre Lehrzeit zu
lang sind.
b) Du stimmst zu, weil du dir größere
Zukunftschancen erhoffst.
a) Du stimmst zu, da dir dieser Kurs ein
interessantes Aufgabengebiet erschließt.
b) Du lehnst ab. Deine Sprachkenntnisse waren
bis jetzt auch ausreichend.
rantfachmann. Dein Ausbildner rät dir zu einer
Doppellehre Restaurantfachmann / Koch. Wie
entscheidest du dich?
AK Berufe fallen nicht vom Himmel
sprachenkurs besuchst. Dieser findet zu einem
Teil in deiner Freizeit statt. Wie entscheidest du
dich?
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AK Berufe fallen nicht vom Himmel
7. WIE MAN DAS WIRD, WAS MAN IST
Texte
TierpflegerIn
Vorgeschichte:
Die fünfzehnjährige Sine liebt Tiere. Immer wieder nimmt sie verletzte Tiere auf, pflegt sie gesund und
kümmert sich um sie. Kein Wunder, dass mittlerweile ihr kleines Zimmer zu einem „Privatzoo“ geworden ist, in dem das reinste Chaos herrscht. Es gibt Schwierigkeiten in der Familie, in der Schule, es
sprießen die Pickel und Ängste.
Doch Sonja, die neue Freundin ihres Bruders, eine Psychologiestudentin, interessiert sich für Sines
Kleintierzoo und engagiert sie mitsamt ihren Tieren als „Therapeutenteam“ für eine psychiatrische
Klinik. Sines Selbstbewusstsein wächst und es ist ihr klar, dass sie die 5. Klasse des Realgymnasiums
positiv abschließen muss, um eine Lehre im Zoofachhandel beginnen zu können.
„Sine hat eine Idee: ‚Aber das geht doch. Ich werde Tierpflegerin und arbeite als Lehrling bei den
Tieren.‘...
‘Klingt gut, aber nicht ganz gut!‘ Sonja ist dafür bekannt, dass sie sehr fest auf dem Boden der Tatsachen steht...‘ Du kannst doch nicht einfach als Lehrling auftreten, du brauchst eine Lehrstelle samt
Lehrmeister!‘
‚Also, den treib ich auf!‘ fühlt sich Sine plötzlich ganz stark. So mit der Zukunft in der Tasche muss sie
sich ganz einfach sicher fühlen: Jetzt hat ja alles einen Sinn bekommen – ihre Tiere, um die sie immer
gekämpft hat, die ihr oft sogar die schönste Freizeit stehlen, weil sie gerade zum Wochenende oder in
den Ferien krank werden mussten oder Babys bekamen...
Und nun braucht man Sine selbst auch, Sine ohne Matura, Sine als Dummerl, wie sie der Bruder immer abqualifiziert, nur weil sie des Öfteren ein Fremdwort falsch ausspricht oder falsch anwendet.
Sine geht alle Stellen durch, die Lehrstellen anbieten könnten: Zoo, Versuchslabor, tierärztliche Hochschule, Zoofachhandlungen... ja, Zoofachhandlung!
Herr Berger kennt Sine seit Kindesbeinen. Er besitzt eine gut eingeführte Zoofachhandlung, er und
seine Frau sind immer so hilfsbereit, wenn Sine mit ihren Tieren nicht weiter weiß. In letzter Zeit hatte
Herr Berger geklagt, dass sie mit der Arbeit nicht zurande kamen. Das Geschäft lief immer besser, die
Arbeit wurde mehr und mehr. Die eigenen Kinder wollten das Geschäft nicht übernehmen.
Zum ersten Mal gelingt es Sine, in eigener Sache vorzusprechen. Sie selbst möchte etwas, und das
ganz und gar. Bisher hat sie sich nur für die anderen oder für ihre Tiere zu bitten getraut. Aber jetzt
nehmen die anderen Sine so wichtig, dass sie nicht aus der Reihe tanzen darf und sich selbst einfach
auch wichtig nehmen muss. Wenn sie sich jetzt nicht traut, kommt diese Lebenschance nicht wieder!
Es gibt so viele andere junge Tierliebhaber, die auch Tierpfleger werden wollen, aber Lehrstellen und
spätere Stellen gibt es nur wenige.
AK Berufe fallen nicht vom Himmel
arbeitsweltundschule.at
199
So bietet sich Sine Herrn Berger als Lehrmädchen an und unterbreitet gleichzeitig Pläne, die für Herrn
Berger ein Zusatzgeschäft bedeuten könnten! ...
Sine könnte sich aus den Glückssträhnen der letzten Zeit fast schon Zöpfe flechten. Herr Berger lässt
sich von ihr überzeugen und von ihrem Optimismus anstecken. Er wird Sine für die Klinik ‚herborgen‘,
ja, er will sogar bei der Tierbetreuung an der Klinik mithelfen, als Lehrherr ist er doch dafür verantwortlich, dass alles gut läuft!“
(Textausschnitt aus: Christiane Mayer-Mixner, Sine. Pfote aufs Herz. Dachs Verlag Wien, 1998, S.
109ff.)
Biobauer
Vorgeschichte:
Lucki Aigner ist 15 Jahre alt und macht auf Wunsch seines Vaters eine KFZ-Mechanikerlehre, möchte
aber lieber den Hof der Eltern übernehmen und Biobauer werden. Er führt ein „absolut ehrliches Tagebuch“ seiner Freundin Renate zuliebe, um sich seiner Gefühle bewusst zu werden und macht dabei
recht witzige und spannende Entdeckungen.
„‘Schau her, lieber Vater, es ist doch so‘, beginne ich absolut sachlich.‘ Ich bin eingeborener Bauer,
aus dem Grund hängt mein Herz am Hof und nicht an einer Autowerkstatt.‘
Vater malt Feuerkreise mit seiner Zigarette in die Luft.
‚Keine kleine Werkstatt! Autohaus Aigner, Junge, da geht´s lang!‘
‚Noch schlimmer‘, sag ich bedauernd, ‚das wäre glatter Selbstmord. Als Chef eines Autohauses müsste ich geschniegelte Anzüge tragen, Hemden mit Markenzeichen sowie vertrauenerweckende Krawatten. Und das alles, um Leuten Autos aufzuschwatzen, die sie überhaupt nicht brauchen. Ein solcher
bin ich aber nicht, weil, ich bin ja der Lucki Aigner. Würd ich mich also in einen verwandeln, der ich
nicht bin, wäre das eindeutig Selbstmord. Capito?‘
Mein Gesprächspartner kaut auf seiner Unterlippe, letzter Versuch die Ruhe zu bewahren. Er starrt in
seine Bärenpratzen, als ob er Handlesen betreibt.
‘Aber die Landwirtschaft stirbt. Die Politiker lassen uns elend verrecken. In ein paar Jahren ist der Hof
nichts mehr wert.‘ ‚ Unsere Oberen haben sicher keine Hemmung, die Landwirtschaft mit Stumpf und
Stiel auszurotten. Hauptsache, die Börsenkurse klettern in den Himmel.‘
Soweit volle Übereinstimmung.
‚Aber unser Hof wäre durch giftfreien Anbau zu retten, wenn du nicht dieses massive Eichenbrett vorm
Kopf hättest!‘
An diesem Punkt der Debatte habe ich zur Abwechslung auf den Tisch gehämmert, dass die Holzwürmer aus ihren Bettchen fielen. Es hat gezündet. Das Gesicht meines Vaters leuchtete auf wie Bengalisches Feuerwerk.‘ Kommst du mir...‘ Hustenanfall. ‚ Kommst du mir,,,‘, Hustenanfall.‘ Kommst du mir
200
arbeitsweltundschule.at
AK Berufe fallen nicht vom Himmel
jetzt wieder – mit deinem grünen Irrsinn?‘ (S. 32f.)
‚Angenommen‘, nimmt Vater einen neuen Anlauf, ‚ jetzt nur mal angenommen, ich würd dir den Hof
übergeben. Was tätest du damit?‘
Mir ist klar, dass diese Konversation keinen erfreulichen Verlauf nehmen wird. Ich fülle meine Lunge
voll auf, um meines Vaters Frage in einem Zug beantworten zu können:‘Ökologischen Anbau anmelden, keine Chemie mehr, die Hälfte vom Bisherigen produzieren, den doppelten Verkaufserlös einstreichen, zusätzlich vierhundert Mäuse Subvention pro Hektar für naturgerechten Anbau kassieren.
Ende der Durchsage..‘
Er sitzt weit vorgebeugt, die Arme aus seine Knie gestützt, schaut mir schräg von unten in die Augen,
wackelt wehmütig mit dem Kopf.‘
Modischer Krampf. Nicht als modischer Krampf.‘ Ich setze pulvertrocken noch eins drauf:‘ Durch
Selbstvermarktung ab Hof ließen sich die Einnahmen noch erheblich verbessern....(S.54)
‚Ich sag dir, die Landwirtschaft ist längst eine Wissenschaft geworden. Wenn der Bauer überleben will,
muss er mehr Verschiedenes lernen als irgendein Doktor mit Hut an der Uni.‘“ (S.63)
(Hermann Moers: Luckis Lügentagebuch, Freiburg-Basel- Wien: Herder 1993)
Ein astrologischer Installateur
„Auf dem Weg zur Arbeit kamen ihm lauter freundlichere Leute entgegen, als dies bisher an einem
Arbeitstag der Fall gewesen war. Auch die Tauben gurrten tiefer, die Bierfässer polterten lauter über
den Gehsteig in den Gasthauskeller, die Straßenbahnen klingelten heller, die Kinder lachten lustiger,
die Hunde balgten sich vergnügter.
Alois Hanfschaub hatte das Gefühl, dass sowohl sein Kopf als auch seine Hände gewachsen waren
und sich gleichzeitig von ihm entfernt hatten. Er wunderte sich fast, dass er mit diesen fernen Händen
Türen öffnen konnte, als er seinen Arbeitsplatz erreicht hatte. Es war eine alte Villa mit Zinnen und
Türmen, in die eine Zentralheizung eingebaut werden sollte.
Der Chef war äußerst schlecht gelaunt. Er schimpfte, weil die Arbeit noch nicht weit genug fortgeschritten war, er schimpfte, weil er eigentlich schon woanders sein sollte, und als er Alois Hanfschaubs
vergnügtes Gesicht sah, schimpfte er noch mehr und drohte, die Leute würden schon noch sehen.
Alois Hanfschaub summte trotzdem vor sich hin, als er drei lange und vier kurze Rohre in das Turmzimmer hinaufschleppte. Er legte die Rohre unter das Fenster und schaute hinaus auf den Park mit
den riesigen alten Bäumen. Dann sah er hinauf in den Himmel, wo ein ganz junger Mond weiß und
blass hinter einer aufgeplusterten Sommerwolke stand.
Alois Hanfschaub starrte den Mond an. Als er sich endlich losriss, fiel sein Blick auf die Rohre zu seinen Füßen. Plötzlich schien es ihm ganz und gar unsinnig, die Rohre zu einem Heizungsrohr zusammenzuschweißen. Daraus konnte man doch ein herrliches Fernrohr bauen! Ein Fernrohr, mit dem man
die Sterne und den Mond betrachten könnte. Dieses Turmzimmer wäre ein wundervoller Platz dafür.
AK Berufe fallen nicht vom Himmel
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201
Alois Hanfschaubs Finger juckten.
Zuerst sagte er sich: ‚Unsinn. Ich bin ein erwachsener Mensch, siebenundzwanzig Jahre alt, gelernter
Installateur und die Sterne gehen mich nichts an.‘
Aber es half nicht. Wie von selbst geriet das erste Rohr in seine Hand, er begann die Rohre ineinander zu stecken und dachte nur mehr daran, wo er die verschiedenen Spiegel und Linsen einsetzen
würde und in welchem Winkel.
Er war so in seine Arbeit vertieft, dass er die Schritte auf der Treppe nicht hörte, obwohl jede zweite
Stufe laut knarrte.
Er hörte nicht, dass Herr Gründer, der Besitzer der Villa, rief:‘ Ja, was soll denn das?‘
Er hörte nicht einmal, wie sein Chef schrie:‘ Hanfschaub! Bist du übergeschnappt? Meine schönen
Rohre!‘
Erst als ihn der Chef an der Schulter rüttelte, bemerkte Alois Hanfschaub, dass er nicht mehr allein im
Turmzimmer war.
Herr Gründer erinnerte sich, dass ihm sein Arzt jede Aufregung und insbesondere das Schreien verboten hatte.
Er flüsterte daher:‘ Mann, erklären Sie gefälligst, was das soll!‘
‚Wie bitte?‘, fragte Alois Hanfschaub verwirrt.
Sein Chef pflanzte sich vor ihm auf und sagte mit mühsamer Beherrschung: ‚Was du da treibst, will
der Herr Generalkonsul wissen‘.
Herr Gründer war zwar weder Konsul noch General, aber der Chef verlieh ihm den Titel, weil er zur
Villa passte.
Alois Hanfschaub sagte: ‚Ich baue ein Fernrohr.‘
Er sagte es nicht etwa entschuldigend, auch nicht aufsässig – er sagte es einfach zur Information.
Herr Gründer rang nach Luft. ‚ Ein ....ein was?‘ , stammelte er.
‚Ein Fernrohr, mit dem man die Sterne ansehen kann!‘, erklärte Alois Hanfschaub.
Herr Gründer fuchtelte mit seinen Armen. Dicke Schweißtropfen standen auf seiner Stirn. ‚ Und dafür
zahle ich ein Vermögen!‘, stöhnte er. ‚Nicht nur das, gestern habe ich auch noch drei Kisten Bier spendiert. Undank ist der Welt Lohn.‘ Er wandte sich an den Chef.
‚Ich werde Schritte unternehmen, worauf sie sich verlassen können. Sie werden sich noch wundern.
Ich sorge dafür, dass es sich herumspricht, wie Ihre Firma arbeitet und ich kenne eine ganze Menge
Leute. Den Auftrag für unsere Lagerhallen können Sie vergessen.‘
Der Chef dachte an seine drei Bankkredite und an die neue Installationsfirma, die nur zwei Gassen
weiter eröffnet worden war. Der Zorn stieg in ihm hoch, die Adern schwollen an, sein Gesicht wurde
rot.
202
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AK Berufe fallen nicht vom Himmel
‚ Herr Generalkonsul, ich bringe das sofort in Ordnung!‘, versicherte er. ‚ Sofort! Sie werden sehen, wie
ich das in Ordnung bringe.‘
Er riss Hanfschaub das letzte Rohr aus der Hand. Einen Augenblick lang sah es aus, als würde er auf
Aois Hanfschaub losschlagen. Dann ließ er das Rohr sinken.
‚Tun Sie das nicht!‘, bat Hanfschaub.
Ganz gegen seine Gewohnheit begann der Chef zu brüllen, dass der Putz vom Türstock rieselte.
‚ Maul halten! Du hast hier überhaupt nichts zu reden, verstanden! Du bist fristlos entlassen. Du gehst
und holst dir deine Papiere und haust ab, aber sofort! Verrückte kann ich nicht brauchen in meiner
Firma! Und damit du es gleich weißt: Die Stunden werden dir abgezogen und die für den, der das in
Ordnung bringen muss, die werden dir auch abgezogen!.... Verschwinde!‘
... ‚Ich verschwinde‘, sagte Alois Hanfschaub freundlich.
‚Und ich komme auch nicht mehr zurück. Für Leute, die eine Zentralheizung für wichtiger halten als
die Sterne – für solche Leute arbeite ich nicht. Guten Tag.‘
Alois Hanfschaub ging die Treppe hinunter. Herr Gründer und der Chef starrten ihm mit offenem Mund
nach.
(Textprobe aus: Renate Welsh, Und Terpsi geht zum Zirkus. Verlag Jugend & Volk, Wien 1977,
S. 39-41)
Monsterjäger
Vorgeschichte:
Percival W. Shoemaker war kein guter Schüler. Er war, genau gesagt, ein schlechter Schüler, vielleicht
sogar der schlechteste der ganzen Trinity-Schule.
Die Trinity-Schule war keine gewöhnliche Schule. Sie war, genau gesagt, eine vornehme Internatsschule, vielleicht sogar die vornehmste des ganzen Landes. Wer sich zur Oberschicht rechnete,
schickte seine Söhne ins Trinity –Kolleg, auch wenn er dafür tief in die Tasche greifen musste...Eltern,
die ihre Söhne auf die Trinity-Internatsschule schickten, nahmen es in Kauf, ihren Nachwuchs nur alle
vier bis sechs Wochen zu Gesicht zu bekommen. Manchmal sah man sich auch seltener. Mrs. Shoemaker erschien gar nur zweimal im Jahr.
Im Spätsommer, zu Schulbeginn, lieferte sie Percival in die Trinity-Anstalt ein. Und im folgenden
Frühsommer, pünktlich zu Schulschluss, holte sie ihren Sohn wieder ab. Mag sein, dass sie den
Jungen deswegen so selten besuchte, weil sie von den Lehrern nie etwas Erfreuliches über Percy zu
hören bekam.
AK Berufe fallen nicht vom Himmel
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203
Percival war auch das Thema jener denkwürdigen Sonderkonferenz, die Rektor O’Brien Mitte April
einberufen hatte.
„‚Wie sie alle wissen, meine Herren (am Trinity-Kolleg gab es natürlich nur männliche Lehrkräfte)‘,
begann das Schuloberhaupt ohne Umschweife, ‚steht es nicht zum Besten mit unserem Sorgenkind.‘
‚Nicht zum Besten ist gut ‘, brummte der Lateinlehrer. ‚Der Bursche ist ein Totalversager!‘
‚Shoemaker?, rief der Lehrer für Geographie und Wirtschaftskunde schrill dazwischen. ‚Der ist schlicht
und einfach dumm! Ich wette eine Flasche Sherry, der Kerl weiß nicht einmal, auf welchem Erdteil er
lebt!‘
Niemand nahm die Wette an.
‚Keine Ahnung von Tuten und Blasen! Völlig unmusikalisch!‘, posaunte der Musiklehrer.
Auch das Urteil des Zeichenlehrers fiel vernichtend aus: ‚Kann nicht einmal den Pinsel richtig halten!‘
‚Schläft andauernd während des Unterrichts!‘, las der Lateinlehrer aus seinem roten Büchlein vor.
‚Aber er stört nicht‘, wandte Professor Rosencanz ein und begann, die Gläser seiner dicken Hornbrille
zu reinigen. Rosencranz‘ Fächer waren Biologie und Umweltkunde. Zweifellos war er der Gutmütigste
von allen Lehrern. Trotzdem – vielleicht auch deswegen – saß er allein an einem Ende des großen
Konferenztisches. Möglicherweise lag es aber auch daran, dass er ein stark duftendes Rasierwasser
verwendete.
‚Er hat noch nie gestört!‘
‚Das ist doch wohl zu wenig für einen Trinitarier!‘, antwortete der Lateinlehrer schneidend.
‚Shoemakers Leistungen in meinem Gegenstand sind gleich null!‘, warf der Mathematiker ein. ‚ Und
sein Wissenstand lässt sich nur mit negativen Zahlen ausdrücken. Er ist der Einzige in seiner Klasse,
der das Wurzelziehen nicht beherrscht!‘ Und wenn Sie mich fragen: Er wird es bis zum Jüngsten Tag
nicht beherrschen!‘....
‚Die Sache ist die‘, begann der neue Sportlehrer etwas umständlich, räusperte sich und wollte aufstehen. Aber der Rektor deutete ihm, dass er Platz behalten könne.
‚Der Junge nimmt einfach keine Herausforderung an. Er drückt sich, wo es nur geht! In diesem Schuljahr hat er noch jeden Stabhochsprung verweigert. Ständig spielt er den Verletzten. Dabei ist er für
sein Alter groß und stark. Er könnte in unserer Rugby-Schulauswahl spielen! Aber diesem Drückeberger fehlt jedes Fünkchen Kampfgeist!‘
‚Richtig!‘, bestätigte Rosencranz schmunzelnd. ‚Er war noch nie bei einer Rauferei dabei.‘
‚Um zu einem Schluss zu kommen‘, fuhr der Sportlehrer fort und warf seinem duftenden Kollegen
einen giftigen Blick zu. ‚Ich bin dafür, den Jungen von der Schule zu verweisen!‘
‚Rauswerfen? Ihn einfach rauswerfen?‘ fragte Rosencranz und hörte auf seine Hornbrille zu reinigen. ‚
Gibt es denn gar keine andere Möglichkeit, den Jungen fürs Berufsleben vorzubereiten?‘
‚Doch‘, antwortete der Rektor. Es war, als ob er auf die Frage gewartet . Das Schuloberhaupt hatte –
204
arbeitsweltundschule.at
AK Berufe fallen nicht vom Himmel
insgeheim – schon längst beschlossen, was mit Percy geschehen sollte...
Langsam sagte der Rektor: ‚Wir werden ihn zu einem Monsterjäger ausbilden!‘
Die Lehrer schwiegen überrascht.
‚Dazu‘, fuhr O’Brien fort‘, ist allerdings eine mehrwöchige Spezialausbildung vonnöten, außerdem
braucht es absolut neue Trainings- und Ernährungsmethoden! Und –‚, der Rektor blickte bedeutungsvoll in die Runde, ‚ – Seelenmassage, meine Herren! Wir schlagen dabei zwei Fliegen mit einer
Klappe:
Wir fördern den jungen Shoemaker, ihm wird eine gute Ausbildung zuteil und tun was gegen die Monsterplage!‘
(Textprobe aus: Franz S. Sklenitzka, Monsterjäger Nr. 13. Dachs : Wien 1990, S. 8-12)
Der Brieftaubenbeamte
Vorgeschichte:
Roderich Rapuse ist Kanzleioberoffizial im Brieftaubenberingungsamt, ein außerordentlich ordentlicher
Beamter, der völlig in seiner Arbeit aufgeht. Eines Tages stellt er bestürzt fest, dass ein roter Expresstaubenring fehlt. Verstört meldet er seinem Amtsvorsteher, dass die Inventur zum ersten Mal nicht
stimmt.
„ ‚Nehmen Sie Platz und hören Sie mir gut zu. Es gibt keine Brieftauben mehr. Man hat nur vergessen das Brieftaubenberingungsamt aufzulösen. Wir sind ja so klein – und ziemlich abseits. Es ist also
völlig gleichgültig, ob ein Ring fehlt oder siebenundzwanzig. Von mir aus können Sie die Ringe einem
Kindergarten schenken. Kleine Kinder mögen ja so buntes Zeug, nicht wahr?‘
‚Aber....‘, stotterte Roderich Rapuse, ‚ aber da- dann hätte ich ...dann hätte ich ja zehn Jahre umsonst
gearbeitet!‘
‚Neuneinhalb Jahre‘, verbesserte Amtsvorsteher Gradler. ‚Und umsonst auch nicht. Ihr Gehalt haben
Sie doch pünktlich bezogen, will ich hoffen?‘
Roderich Rapuse nickte. Er klammerte sich an der Sessellehne fest.
‚ Mein Gott‘, murmelte er, das Geld muss ich ja zurückgeben, wenn es nicht für ehrliche Arbeit war.
Aber ich hab’s nicht mehr.‘
Amtsvorsteher Gradler verstand kein Wort, aber die Blässe des Kanzleioberoffizials beunruhigte ihn,
das Flackern in seinen Augen machte ihm geradezu Angst. Er holte eigenhändig Wasser und stellte
Kaffee auf.
Als Roderich Rapuse den starken, süßen Kaffee getrunken hatte, begann sich Widerspruchsgeist in
ihm zu regen. Er stellte die Tasse auf den Schreibtisch, blickte Herrn Amtsvorsteher Gradler direkt ins
Gesicht und sagte: ‚ Aber Tauben gibt’s doch! Die ganze Stadt ist voll davon!‘
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205
Amtsvorsteher Gradler lächelte nachsichtig. ‚Tauben, ja. Sehr gewöhnliche Tauben. Aber zwischen
Tauben und Tauben ist ein Unterschied, und zwischen Tauben und Brieftauben ist ein noch größerer
Unterschied. Haben Sie sie nie genauer betrachtet?‘
‚Ich war mit den Ringen beschäftigt‘, antwortete Roderich. Aber was waren Ringe ohne Tauben? Sinnlos, völlig sinnlos. Und er war stolz gewesen auf seine sauber geführten Bücher. Er hatte eigens dafür
Schönschrift geübt. Er hatte....
‘Tauben gibt’s!‘, wiederholte er störrisch.
‚Aber sicher, ja‘, sagte Amtsvorsteher Gradler geduldig. ‚ Nur: Wann haben Sie zuletzt eine mit Amtskappe gesehen? Mindestens zehn Jahre her, oder?‘
Er wartete auf ein Lächeln Roderichs. Er wartete vergeblich.
Plötzlich, im Nachhinein, verstand er, was Roderich vorhin gemurmelt hatte. Ein jäher Schrecken
durchzuckte ihn. Er legte all seine Überredungskunst in seine Stimme. ‚Schauen Sie, mein lieber Rapuse...‘ Die Vorstellung, sein Kanzleioberoffizial könnte tatsächlich sein Gehalt zurückzahlen, erfüllte
ihn mit Bangen. Er selbst hatte noch vier Jahre bis zur Pension, vier Jahre, in denen er ohnehin ein
Problem zu lösen hatte, nämlich Platz für seine Zahnstocherbauten zu finden, die er in seiner Dienstzeit kunstvoll anfertigte....
Aber im Augenblick ging es um ganz andere Dinge. Dieser Rapuse, der konnte ja tatsächlich die
übelsten Schwierigkeiten heraufbeschwören. Wenn der sein Gehalt zurückzahlte, verlangte man das
womöglich von den Beamten der ganzen Abteilung.
‚Mein lieber Rapuse‘, setzte der Amtsvorsteher noch einmal an, ‚das Beste wird sein, Sie nehmen erst
einmal zwei Wochen Sonderurlaub und erholen sich von dem Schock. Überlegen Sie in Ruhe, ob es
nicht auch für Sie ein Hobby gibt, das Sie hier, so wie wir alle hier, ausüben können.‘
‚Ich will eine sinnvolle Arbeit tun‘, erwiderte hartnäckig Rapuse.
Der Amtsvorsteher war nahe daran, die Geduld zu verlieren. Dieser Mensch war wirklich gefährlich.
Der war imstande, aus lauter Halsstarrigkeit die ganze Abteilung zu zerstören!
‚Überzeugen Sie sich selbst, dass ich Ihnen die Wahrheit gesagt habe. Erholen Sie sich. Dann werden
wir weitersehen. Und tun Sie um Himmels willen nichts Übereiltes! Versprechen Sie mir das?‘
Roderich Rapuse nickte. Er war jetzt todmüde...
‚Was, Sie sind noch da?‘, fragte der Amtsvorsteher.
‚Es ist noch nicht halb‘, antwortete Roderich.
Dem Menschen ist wirklich nicht zu helfen, dachte Amtsvorsteher Gradler. Hoffentlich muss ich ihn
nicht entlassen. Wegen amtsschädigenden Pflichteifers!
(Textausschnitt aus: Renate Welsh, Der Brieftaubenbeamte. Jugend & Volk: Wien 1976, S. 15-19)
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Tipps & Anregungen & Training TAT 1
Was ist für dich im zukünftigen Beruf wichtig?1
Reihe die folgenden Äußerungen nach ihrer Wichtigkeit von 1-18, wobei 1 am wichtigsten ist, 18 am
wenigsten wichtig für dich ist. Vergleiche dann deine Bewertungen mit denen deiner Gruppe und einigt
euch gemeinsam auf ein Gruppenurteil. Trag dies dann in die zweite Spalte ein.
In meinem zukünftigen Beruf ist mir wichtig,
eigenes Urteil
Gruppenurteil
dass ich viel Geld verdiene.
dass ich mich nicht schmutzig mache.
dass es eine interessante Tätigkeit ist.
dass meine Arbeitszeit geregelt ist.
dass ich beruflich Karriere mache.
dass ich einen sicheren Arbeitsplatz habe.
dass ich eine gute Ausbildung habe.
dass mein Beruf bei anderen Ansehen genießt.
dass ich viel in der Welt herumkomme.
dass ich mit Menschen zu tun habe.
dass ich nette KollegInnen habe.
dass ich selbstständig arbeiten kann.
dass ich neben dem Beruf noch viel Zeit für die Familie/
meine Hobbys etc. habe.
dass ich im Beruf meine Fähigkeiten verwirklichen kann.
dass ich viel mit dem Computer/ mit elektronischen
Medien arbeiten kann.
dass ich Zeit und Geld für Weiterbildung zur Verfügung
habe.
Fe...lt dir was?
Schreibe noch einige eigene Sätze darüber, was dir wichtig ist!
Für Sprachspezialisten (und solche, die es werden wollen):
Die oben genannten DASS -Sätze sind Subjektsätze. Unterstreiche jeweils die Personalformen des
Prädikats mit Rot. Fällt dir etwas Besonderes auf?
Du kannst die Gliedsätze in Hauptsätze zurückverwandeln, wenn du die Verben in Nomen verwandelst! (Achtung: Nicht ganz leicht!)
Beispiel: Geldverdienen ist wichtig.
1 Quelle: Sprünge in die Zukunft. Hrsg. BMUK, Wien 1997, S. 19
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TAT 2
Arbeit adelt!
•
Entwirf ein Wappen2 für den Monsterjäger!
•
Entwirf ein Wappen für dich persönlich!
Dazu einige Erklärungen:
Das Wappen war die Visitenkarte der mittelalterlichen Ritter. Wenn sie sich z.B. bei einem Turnier
vorstellten, dann beschrieben und erklärten sie die Elemente ihres Wappens in der folgenden Reihenfolge:
1 Farbe der Felder
2 Einteilung des Schildes
3 die Figuren der Felder
4 die Ornamente
Elemente sind z.B. Pflanzen, Gestirne (Sonne/ Mond/ Sterne), Werkzeuge, Tiere, geometrische Zeichen, in leuchtenden Farben und mit Verzierungen.
Hinweise zur Gestaltung:
•
Zeichne das Wappen so groß, dass es ein A4-Blatt ausfüllt (oder auf einen Bogen Packpapier)
•
Teile es in 3 oder 4 Felder
•
Wähle die Farben, Blumen, Pflanzen, Gestirne, Werkzeuge in den einzelnen Feldern ganz
nach deinem Geschmack,
Überlege dir dabei die Beantwortung folgender Fragen:
1 deine bevorzugten Gegenstände/ Werkzeuge
2 dein zukünftiger Beruf
3 dein Lieblingstier/ Haustier/ Wunschtier
4 dein Arbeitsplatz
5 deine Freizeitbeschäftigungen
2 Quelle: CD-ROM Berufsorientierung auf neuen Wegen. Hrsg. BMUK/IFB, Klagenfurt 1998, Abschnitt: Auseinandersetzung
mit Fähigkeiten und Stärken. Methodenteil
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AK Berufe fallen nicht vom Himmel
Präsentation:
Jeder stellt vor der „versammelten Ritterschaft und den lieblichen Burgfräuleins“, d.h. vor der Klasse,
sein Wappen vor. Diese werden dann als eine Art „Wandfries“ auf einer Klassenwand ausgestellt.
TAT 3
Was gibt es da zu lachen?
Auch wenn die Geschichten vom astrologischen Installateur oder vom Brieftaubenbeamten zum Lachen sind, sie sind ernst gemeint.
•
Wie könnte die Geschichte vom astrologischen Installateur weiter gehen? Oder vom Brieftaubenbeamten? Schreibe ein Happy End oder erfinde eine „Szene“ aus dem neuen Leben von
Alois Hanfschaub oder Roderich Rapuse!
•
Nehmt eure Geschichten dazu auf Band auf und gestaltet ein Hörspiel daraus, z.B. mit dem
Titel: A.H. oder die wunderbaren Möglichkeiten, sich beruflich zu verändern
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TAT 4
Spiegelbilder
Einige Vorschläge für weitere Gestaltungen zum Inhalt der Wappen-Felder, zu Entwürfen von Spiegelgeschichten, d.h. Kurz- und Kürzestgeschichten über dich selbst, oder inneren Monologen:
1 Wie ich mich sehe.
Wie sehen mich die anderen.
Mein wichtigstes Lebensjahr.
Ein Vorhaben, das mir besonders am Herzen liegt.
Eine Situation, in der ich am tapfersten war.
Mein größter Kummer.
2 Ein Spiel meiner Kindheit.
Ein Ereignis, das mich geprägt hat.
Was ich an mir mag.
Was ich an mir nicht mag.
Was ich erreichen will.
3 Meine Lieblingsblume.
Mein Lieblingstier.
Mein liebstes Land.
Ein Beruf, den ich sehr schätze.
Ein Bauwerk, das mich beeindruck. Eine Idee, die mich bewegt.
4 Meine Lieblingsbeschäftigung.
Meine bevorzugten Arbeitsmaterialien.
Mein Lieblingsfach.
Mein Lieblingssport.
Was ich am liebsten anziehe.
Was ich gerne hätte(Fahrrad/Moped/ Surfbrett/ Segelboot/ Flugzeug...)
5 Was ich glaube zu sein.
Woran ich glaube.
Was ich wissen will.
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8. SCHÖNE (BERUFS-) AUSSICHTEN
TEXTE
Wo die Zukunft liegt
„Die Zukunft liegt nicht darin,
dass man an sie glaubt
oder nicht an sie glaubt,
sondern darin,
dass man sie vorbereitet....“
(Erich Fried)
Lehrstelle in Aussicht
Vorgeschichte:
An der Bushaltestelle treffen sie sich das erste Mal. Mike, der Fußballfan, und Carola, die Gymnasiastin. Mike sucht schon lange eine Lehrstelle und kommt mit dem Leben nicht sehr gut zurecht. Carola
will ihm helfen, auch wenn alle sagen, sie soll ihn laufen lassen. Sie spürt, dass er ihr vertraut, und sie
hält zu ihm, selbst als er in großen Schwierigkeiten steckt.
Beim Abendessen spricht Carola darüber mit ihrer Mutter.
„‘In welche Schule geht er überhaupt?‘
Ich druckste ein wenig herum. ‚ Er ist schon fertig mit der Schule‘, antworte ich dann, ‚ er will Automechaniker werden und sucht gerade eine Lehrstelle.‘
‚Er ist arbeitslos?‘
Ich wurde wütend. ‚ Na und? Über zwei Millionen Menschen in Deutschland sind arbeitslos, und kaum
einer kann was dafür. Mike sucht eine Lehrstelle, das hab ich doch gesagt. Seine Eltern hatten eben
nicht soviel Geld wie ihr, sonst hätten sie ihn bestimmt aus Gymnasiums geschickt.‘
‚Mag sein, Carola, aber ...‘
‚Ihr habt mir doch immer gepredigt, dass man keinen sozialen Hochmut zeigen soll. Es kommt nicht
nur auf die Schule an, wie gebildet man ist, habt ihr mal gesagt...‘
Ich stand in einer Telefonzelle.... ‚Onkel Werner?‘
‚Ja?‘
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‚Ich bin’s, Onkel Werner. Carola.‘
‚Carola? Ich hab ja schon ne Ewigkeit nicht mehr von dir gehört. Wie geht´s dir denn?‘
‚Gut. Onkel Werner ...‘
‚Und deinen Eltern?‘
Auch gut. Einen schönen Gruß...‘
‚Danke‘. Er lachte gekünstelt. ‚ Ich hoffe, sie nehmen mir die Sache von damals nicht krumm.‘
Ich hatte längst vergessen, um was es bei dem Streit gegangen war.
‚ Ach was, Onkel Werner.‘
‚Ich konnte doch nicht wissen, dass dieser Blödmann die falschen Reifen montiert hatte.‘
‚Längst vergessen.‘
‚Na, dann ist’s ja gut. Sag deinen Eltern, dass ich den Kerl rausgeworfen habe.‘ Er schnaufte. ‚ Mistkerl! Aber das kommt davon, wenn man sich vom Arbeitsamt überreden lässt und einen von diesen
Nichtsnutzen einstellt. Der konnte ja kaum seinen Namen buchstabieren! Hatte nur seine verdammte
Musik im Kopf und machte mit den Mädchen rum. Von Arbeit hielt er nicht viel, und die Kasse stimmte
auch nie. Nächstes Mal nehm ich wieder einen aus der Realschule oder aus dem Gymnasium, das
kann ich dir sagen. Laufen genug intelligente Jungen herum, die einen Job suchen.‘
Ich wäre am liebsten im Erdboden versunken. Häng ein, sagte ich mir, häng ein und vergiss die Sache. Das bringt nichts. Du machst dich nur lächerlich. Doch ...
‚Onkel Werner, ich wollte dich was fragen.‘
‚Schieß los!‘
Ich holte tief Luft. ‚Ich hab da einen Jungen kennengelernt, er heißt Mike. Er braucht unbedingt einen
Job und sucht nach einer Lehrstelle. Er will Automechaniker werden. Du brauchst doch einen Lehrling,
oder?‘
‚Eigentlich nicht.‘
‚Du musst ihn nehmen, Onkel Werner.‘
Ich war wütend, weil meine Stimme so verzweifelt klang. ‚ Er versteht was von Autos.‘ Ich lachte, aber
auch das klang nicht besonders gut. ‚ Dann sag ich meinem Vater auch, dass er bei dir den neuen
BMW kaufen soll. Er hört auf mich, das weißt du ja.‘
‚Was für eine Schulbildung hat der Junge?‘
‚Hauptschule, aber er ist schon achtzehn und sehr begabt. Gib ihm eine Chance.
‚Achtzehn? Hauptschule?‘ ‚ er räusperte sich unwillig.
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‚Was hat er denn die letzten drei Jahre gemacht?‘
‚Er hat eine Lehrstelle gesucht.‘ Meine Hand umkrampfte den Hörer. ‚ Aber er hat nicht auf der faulen
Haut gelegen, Onkel Werner. Er hat Zeitungen ausgetragen, und so.‘
‚Klingt ja toll.‘
‚Er ist ein guter Kerl. Er hat nur Pech gehabt in letzter Zeit...Sein Vater ist auf Kurzarbeit gesetzt worden, und der Haussegen hängt ein wenig schief. Aber er will arbeiten, Onkel Werner. Er braucht eine
Chance, das ist alles.‘...
‚Sieh ihn dir wenigsten mal an.‘ Ich hätte am liebsten geheult ‚ Wenn er dir nicht gefällt, kannst du
immer noch nein sagen.‘
‚Hm.‘
Das klang nicht gerade ermutigend. ‚Darf er morgen bei dir vorbeikommen?‘
‚Hm.‘
Mein Onkel überlegte eine Weile, dann sagte er: ‚ Na schön. Meinetwegen. Er soll um zwei vorbeikommen. Aber wenn er nicht spurt, kann er wieder gehen, verstanden? Ich mach das nicht zweimal
mit. Ich hab eine Werkstatt und kein Wohltätigkeitsunternehmen.‘.........“
(Textausschnitt aus: Thomas Jeier, Weil er mein Freund ist. Ueberreuter: Wien 1994, S. 73-76)
Die geheime Werkstatt
Vorgeschichte:
Hannes möchte kein Bauer werden. Der väterliche Hof wird bei seinem Bruder Andreas einmal in guten Händen sein. Um ihn braucht sich der Vater keine Sorgen zu machen. Freilich: Sorgen und Probleme gibt es für Bauern immer – mit dem Vieh, mit der Weidepacht, den Nachbarn, den Feriengästen,
mit der Wasserversorgung und immer wieder mit dem Wetter.
Hannes möchte Tischler werden. Er weiß, er hat das Geschick dazu. Er hat ein gutes Gefühl für Holz
und seine Verarbeitung. Aber wie soll er den Vater überzeugen?
Im Geräteschuppen richtet sich Hannes eine geheime Werkstatt ein...
„Einen guten Tag, den möchte sich Hannes auch gern machen, wenn er nur wüßte, wie. Überall ist
es für ihn das Gleiche: auch daheim ist er nur der Dumme, einer, der keine besonderen Leistungen
vorzuweisen hat – wie etwa Andreas in der Landwirtschaftsschule. Vorher war er auch nicht eben der
Beste, aber seit er lernt, was ihn interessiert, hat er sich total umgekrempelt. Nicht, dass er dem Bruder den Erfolg missgönnt, aber könnte er nicht auch ein klein wenig besser abschneiden? Es müssten
ja nicht gleich lauter Sehr gut sein, wie die jüngere Schwester Anni sie Jahr für Jahr einheimst. Ist
auch kein Wunder, die Anni hat jede Menge Zeit zum Lernen. Nicht einmal der Mutter braucht sie an
die Hand zu gehen, während er für alle und jeden dazusein hat, besonders seit der Andreas im InterAK Berufe fallen nicht vom Himmel
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nat ist und nur alle vier Wochen über zwei Tage heimkommt. Oft kommt er sich vor wie ein Dienstbote
– wie ein – Hannes Krampf sich der Magen zusammen vor plötzlich aufflackerndem Zorn – wie ein
Knecht!
Das ist es, die ganze Familie sieht in ihm den Knecht, einen, der nur zum Herumstoßen gut ist, an
dem man sich die Füße abputzen darf, einen, der nicht aufzumucken und alles hinunterzuschlucken
hat.
Dass sie sich nur nicht täuschen! Ab jetzt wird er nicht mehr alles ohne Widerrede hinnehmen.
Schließlich möchte er auch einmal Zeit für sich und seine Interessen haben. Gleich heute wird der
damit anfangen. Irgendwann muss man einen Anfang setzen, wenn man merkt, dass es nicht weitergehen kann, wie es bis her gegangen ist.“ (S.6f.)
„Hannes schluckt. Er hat gehofft, der Vater würde sagen, er könne sich einen Beruf aussuchen, eine
Lehre anfangen. Warum bestimmt er über ihn wie über ein Stück Vieh?
‚Nein!‘, sagt die Mutter. Der Hannes macht das Poly zu Ende. Keines meiner Kinder wird frühzeitig aus
der Schule genommen.
Der Vater schüttelt unwillig den Kopf über so viel Eigensinn und Unverstand., Auch die Großmutter ist
dagegen, dass Hannes länger als nötig zur Schule geht. ‘Was hat er davon? Er quält sich doch nur.
Der Hof ernährt auch zwei.‘
Jetzt wird die Mutter böse. ‚Ernähren!‘, sagt sie, ‚Ernähren ja, aber nicht mehr. Soll er um jeden Groschen zum Vater oder zum Andreas betteln gehen? Sich vielleicht als Knecht einstellen lassen, damit
er sein regelmäßiges Geld hat, das aber nicht einmal für eine eigene Wohnung reicht? Wie soll er da
je eine Frau finden und einen Hausstand gründen? Nein, nein, jedes meiner Kinder soll ein Eigenes
haben. Nicht nur den Hofanteil, sondern auch einen Beruf. Und später ist es vielleicht zu spät. Einen
alten Lehrling nimmt keiner.‘
Einen Beruf, meint die Mutter. Hannes wüßte schon welchen. Am liebsten würde er Tischler werden.
Aber er wagt es nicht zu sagen, denn der nächste Tischler ist weit weg, und er müßte mit dem Autobus oder mit dem Zug fahren, der Vater würde nie einwilligen. Pendlerfahrten sind vergeudete Zeit, die
dem Hof fehlt.
Hannes geht mit gesenktem Kopf aus der Küche. Die Mutter erreicht zwar viel, aber ihm wird sie bestimmt nicht helfen können.“ (S.62f.)
Hannes weiß, was er werden will und setzt es auch durch, dass er gleich nach der Hauptschule eine
Tischlerlehre machen darf.
„Jetzt hab´ ich auch eine Zukunft, denkt er und meint lachend: ‚Tischler werd´ ich und mein Hobby
könnt einmal die Bauernwirtschaft sein!‘“(S.180f.)
(Textproben aus: Bösze Ilse V., Die geheime Werkstatt. St. Gabriel: Mödling)
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Die Entscheidung
Vorgeschichte:
Die Geschwister Violetta und Fabrizio leben um das Jahr 1300 im mittelalterlichen Venedig. Eines
Tages läuft ihnen ein geheimnisvoller Fremder über den Weg. Er behauptet, er sei vor vielen Jahren
nach China an den Hof des Kaisers Kublai Khan gereist. Trotz des Gespötts der Leute und gegen den
Willen des Vagers treffen die beiden jungen Leute den Mann immer wieder, um mehr über seine Abenteuer zu hören. Fabrizios Sehnsuch nach der Ferne wird immer größer, doch eines Tages trifft er eine
Entscheidung, die jeder junge Mensch - damals wie heute - für sich selbst treffen muss.
Auf dem Heimweg kamen Fabrizio und Violetta am Markt vorbei....Fabrizio zog Violetta aus dem Gewühl. „Ich möchte noch nicht nachhause gehen“, sagte er.
„Wohin dann?“, fragte Violetta. Fabrizio zuckte mit den Schultern.
Da ging eine Schar Matrosen an ihnen vorbei, die ein Lied über das weite Meer, das Fernweh und die
daheim gebliebene Liebste grölten.
„Zum Hafen“, sagte er.
So standen die beiden Kinder wenig später an der Riva degli Schiavoni, jenem Hafenplatz, an dem die
großen Handelsschiffe aus dem hohen Norden, aus Afrika und Asien vor Anker gingen.
Fabrizio sprach kein Wor, stand nur da und blickte auf die blitzenden Lichtpünktchen, die auf den Wellen der Lagune tanzten.
Violetta beobachtete ihn mit Sorge. Sie ahnte, was in ihm vorging.
Lange Zeit sprach keiner von beiden ein Wort.
Schließlich drehte sich Fabrizio zu Violetta um.
„Du hättest nicht nach dem Beweis fragen sollen“, sagte er. „Dann hätte ich weiter glauben können,
dass diese Wunderwelt nur in Marco Polois Kopf existierte. Aber so ...“
„Was heißt das? Du willst am Ende wirklich Seemann werden und auch in die weite Welt hinaus reisen?“
„Ja“, antwortete Fabrizio entschlossen.
„Was wird wohl Vater dazu sagen, wenn du nicht in seine Fußstapfen als Glasbläser trittst?“, meinte
Violetta.
Fabrizio seufzte. Er bückt sich, hob eine Hand voll Sand hoch und ließ ihn langsam zu Boden rieseln.
„Es fällt mir schwer, ihn zu enttäuschen, aber eines Tages, wird er meine Entscheidung verstehen.“
Fabrizio machte einige Schritte vorwärts. Um seine Füße schmiegten sich lockend die Wellen und
zogen sich wieder zurück.
AK Berufe fallen nicht vom Himmel
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„Ich glaube, ich muss es tun“, sagte Fabrizio.
(Textausschnitt aus: Edith Thabet „Wüstenspuk und Nebelzauber. Lilla Gorilla TB # 11, Buchklub der
Jugend, Wien 1999, S. 119f.)
Fragen
Man hat es dir wohl schon oft gesagt:
„Das Leben liegt noch vor dir.“
Die Frage ist nur:
Liegt’s still,
liegt’s brach,
liegt’s zu deinen Füßen,
liegt‘s im Argen,
liegt’s noch in weiter Ferne,
liegt ihm viel an dir,
liegt’s im Dunkeln,
liegt’s offen da,
liegt’s überhaupt
oder steht es,steht es in deiner Macht,
steht es dir zur Verfügung
oder sitzt es gar,
sitzt es dir wie angegossen?
An dir liegt’s vor allem, wie’s steht damit.
(Hans Manz (1986), S. 138)
Grauer Alltag
Der graue Alltag?
Grau sei er? Zum Lachen!
Ach, diese Schwarzmaler sollten mal wieder blau machen,
damit sie sähen,
wie die Wagenlenker mit roten Köpfen in der Kolonne stehen,
und später im Büro gelb vor Neid auf Kollegen,
die höher und höher klettern,
die Stirne in Falten legen und vor Weißglut wettern
auf jene, die ihnen nicht grün sind.
Der graue Alltag?
Grau? Wer ist denn da farbenblind?
(Hans Manz (1985), S. 106)
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Das „buchstäbliche“ Ende
eines Berufslebens Zusammenstellung aus verschiedenen Sprachbüchern.
•
Der Advokat er tritt vor einen höheren Richter.
•
Der Gelehrte er gibt den Geist auf.
•
Der Färber
er ist verblichen.
•
Der Fahrer
er hat seine letzte Reise angetreten.
•
Der Maurer
er kratzt ab.
•
Der Romanschriftsteller •
Der Matrose
er läuft in den letzten Hafen ein.
•
Der Pfarrer
er segnet das Zeitliche.
•
Der Straßenkehrer er kehrt zum Staube zurück.
•
Der Schauspieler
er tritt von der Bühne ab.
•
Der Schwerathlet
er hat ausrungen.
•
Der Bergsteiger
er ist heimgegangen.
•
Der Vegetarier
er beißt ins Gras.
•
Der Chauffeur
er fährt auf in den Himmel.
•
Der Musiker
er geht flöten.
•
Der Tenor
er hört alle Engel singen.
•
Der Augenarzt
er schließt die Augen.
•
Der Gärtner
er sieht die Radieschen von unten.
•
Der Totengräber er fährt in die Grube.
•
Der Schaffner
er liegt in den letzten Zügen.
•
Der Rauchfangkehrer er kehrt nie wieder.
•
?...................................... er wird ins Jenseits befördert.
•
? .....................................
er ruht in Frieden.
AK Berufe fallen nicht vom Himmel
er endet.
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Tipps & Anregungen & Training TAT 1
Ausbildung oder gleich Geld verdienen?
Rollenspiel
Vorbereitung:
Erarbeitet anhand des Textes von Thomas Jeier ‚Weil er mein Freund ist‘ die Rollen von Mike, Carola,
Onkel Werner, Carolas Mutter!
Überlegt folgende Handlungsalternativen:
•
Mike ist notenmäßig eher ein schlechter Schüler einer HS-Abschlussklasse. Er liebt Autos und
Motoren und möchte für sein Leben gerne damit zu tun haben. Er weiß nicht, ob er einen einschlägigen Beruf erlernen soll, oder ob es für ihn nicht besser wäre, gleich richtig zu jobben und
Geld zu verdienen.
•
Mike würde gerne eine KFZ-Mechaniker-Lehre machen. Es wird ihm aber gesagt, dass es kaum
freie Lehrstellen gibt und er mit Arbeitslosigkeit rechnen müsste.
•
Mike weicht auf andere Ausbildungsberufe aus, die noch freie Lehrstellen aufweisen, kann daher auch in seinem Wohnort bleiben.
•
Er geht in eine ca. 100 km entfernte Stadt und macht dort eine Lehre als Werkzeugmacher im
Betrieb eines Bekannten seiner Eltern.
•
Er entscheidet sich wie einige seiner MitschülerInnen für ein 9. Schuljahr und besucht den Polytechnischen Zweig, um sich zu orientieren.
•
Er fängt nach Schulschluss als Hilfsarbeiter bei der Autoverwertung „Edelschrott“ an und verdient gleich ordentlich Geld.
Entwerft dazu Rollenspielkarten nicht nur für Mike, auch für seine Freundin, für Vater und Mutter,
Freunde, die BerufsberaterIn, für Bekannte,...
Spielverlauf:
1 Orientierungsphase (Lesen des Textes, einzeln, dann mit verteilten Rollen)
2 Erarbeitungsphase ( Erarbeitung der Spielunterlagen, Rollenverteilung)
3 Spielphase (Probenarbeit, Präsentation) + Beobachterstatus der Nicht-MitspielerInnen
4 Auswertungsphase
1
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TAT 2
Projekt: THAT’S IT!
Als Spiel beginnt‘s:
Was interessiert dich?
Nimm einen Notizzettel und notiere in Stichworten deine Interessensgebiete.
Achtung, fertig, los!
Wer die ersten fünf Wörter aufgeschrieben hat, ruft ACHTUNG! Wer als Nächster fertig wird, ruft
HALT! Dann hören alle zu schreiben auf und setzen sich in einen Sesselkreis.
Vergleicht nun reihum, was ihr gefunden hat.
Der Erste liest seine Wörter vor und die anderen haken ab, was gleich ist. Dann ergänzt der Zweite
die Liste mit noch nicht genannten Themen, u.s.w. bis jeder in der Gruppe etwas ergänzt hat. Auf OHFolie oder auf der Tafel wird das Ergebnis festgehalten.
Halte deine Interessen fest!
Trage in die Liste Begriffe ein, die dich interessieren bzw. worüber du viel weißt.
Gib dann das Blatt an deinen linken Nachbarn weiter.
Der sucht nun auf dem Blatt das aus, was ihn am meisten interessiert und trägt seinen Namen in das
Feld des jeweiligen Begriffes ein.
Dann gibt er den Zettel wieder weiter.
Wenn alle Zettel in der beschriebenen Weise herumgegangen sind und jeder wieder seinen eigenen Zettel hat, muss er zu dem am häufig gewünschten Begriff einen Text schreiben – gleichsam als
Fachmann/-frau im Auftrag der anderen! (Am besten eignen sich Gruppen von 6-9 )
Interessen Name
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TAT 3
Wählt euch je ein Interessensgebiet aus und sammelt dazu Informationsmaterial aus den verschiedensten Medien (Lexika, Fachbücher, Broschüren, Werbematerial, Zeitungen, Zeitschriften, CD-Rom,
Videos, Internet, etc.) und gestaltet daraus eine
Präsentationsmappe
•
Traumberuf
•
Der Computer
als Freund und Helfer (Arbeitsmittel, Werkzeug, Unterhaltung)
•
Katzen als Haustiere
(artgerechte Haltung, Nahrung, Verhalten, Arten),
aber auch Hunde, Vögel, Meerschweinchen, Hasen.....
•
Kochen
(Lieblingsrezepte, Esskultur, Fast Food, Fertiggerichte, Essstörungen)
•
Sport
(Beschreibung, Spiel, Spaß, Training).
z.b. Karate, Fußball, Aerobic, Jazztanz, Tai-chi, Paddeln,....
•
Fremde mitten unter uns
(Ausländer, fremde Sprache und Sitten, Integration, Assimilation, Ausgrenzung, Fremdsein in
der eigenen Familie, Klasse, im Freundeskreis)
•
Freiheit auf zwei Rädern
(Rad, Mountain-Bike, Motorrad: Kaufmöglichkeiten, Preise, Typen bzw. Marken, Ausstattung,
Gefahren, Möglichkeiten, Radwanderwege, Biker-Tours)
•
Die Welt der Düfte
(Parfumerzeugung, Werbung, ätherische Essenzen, Aromatherapien, Verwendung und
Wirkung)
•
Grüne Inseln
(im Kisterl auf dem Fensterbrett: Kräuter, Duftkräuter, Gemüsepflanzen, „Grünzeug“ in der
Wohnung: praktisch und schön)
•
Mode
(„Selbstdesign“ durch Klamotten, Schmuck, Schuhe: Stile, Absicht, Wirkung)
•
Ein Thema, das dich interessiert:.............................
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TAT 4
Mach dir ein Bild von dir selbst!
•
Jede/r von uns möchte gut aussehen, anerkannt und geschätzt werden.
•
Es geht uns nicht gut, wenn wir nicht beachtet, nicht bewundert, nicht gelobt werden.
Der folgende Versuch zeigt dir, wie deine Mitschüler/innen dich sehen und wo deine Stärken sind.
Bildet einen inneren und einen äußeren Sesselkreis, wobei zwei SchülerInnen jeweils einander gegenüber sitzen. Besprecht nun zu zweit je eine Minute folgende Fragen:
•
Was nehme ich an dir wahr?
•
Was gefällt mir an dir besonders?
•
Was würde ich anders machen als du?
•
Was mag ich an dir?
Nach zwei Minuten (Lehrer/in gibt ein Klingelzeichen) rücken die im äußeren Sesselkreis Sitzenden
um einen Platz weiter. Wenn du das Beste aus deinem Typ machen willst, dann notiere dir stichwortartig die Antworten.
Überlege, was du verändern möchtest, und schreibe es in den Kopf!
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TAT 5
„Klasse Typen!“
Für diese Aufgabe musst du mit einem Freund/einer Freundin zusammenarbeiten.
Du brauchst dazu:
•
eine Rolle Packpapier,
•
einen dicken Filzstift,
•
eine Schere.
Lege dich entspannt auf das Packpapier.
Dein/e Freund/in fährt mit dem Stift deine Umrisse auf dem Packpapier nach.
Dann tauscht ihr Plätze und du zeichnest seinen/ihren Umriss.
Schneidet eure Körperkontur aus.
Jeder schreibt in seine Körperfläche Begriffe, die er als für sich zutreffend – Stärken wie Schwächen –
empfindet.
Hänge dein lebensgroßes Poster an die Wand deines Zimmers. Beachte, dass es eine „Momentaufnahme“ deiner Persönlichkeit ist.
Beobachte die Veränderungen und trage sie ein.
Wenn ihr in der Klasse behutsam und rücksichtsvoll miteinander umgehen könnt, wäre eine „Klasse –
Typen - Galerie“ etwas wirklich Besonderes.
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TAT 6
Das Berufs-Leben ist ein Hit?
Lies dir die folgende Liste genau durch und beurteile jede Antwort mit folgendem Punktesystem:
0 Punkte = nicht wichtig,1 Punkt = wichtig, 2 Punkte = sehr wichtig, 3 Punkte= super
Was erwartest du dir von deinem zukünftigen Beruf?
Antworten
Punkte
mit Menschen zu tun haben
Ein hohes Einkommen
gute Aufstiegsmöglichkeiten
Junges Team
Ständige Weiterbildung
Eigener Schreibtisch
Freie Arbeitszeiteinteilung
Viel Verantwortung übernehmen
Selbstständig arbeiten können
Sicherer Arbeitsplatz
Immer gut angezogen sein
Viele Sozialleistungen (Zusatzpension, Mittagstisch, Kinderbetreuung)
Eigene Ideen verwirklichen
Leichte, körperlich nicht anstrengende Arbeit
Geistige Herausforderungen
Großraumbüro
Arbeit in einem kleinen Betrieb
Arbeit im Freien
Geregelte Arbeitszeit
In Wohnnähe
Mit öffentlichen Verkehrsmitteln rasch erreichbar
Abwechslungsreiche Tätigkeiten, immer etwas Neues
Eigene Hobbys mit dem Beruf verbinden
Lockerer Umgangston
Vergleicht eure Ergebnisse und erstellt eine Hitliste!
Diskutiert, welche arbeitsplatzmäßigen Vorteile mit welchen beruflichen Nachteilen verbunden sein
können.
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TAT 7
TEST
Wo liegt deine Zukunft?
Erkenne dich und deine Fähigkeiten!
Wer seine Stärken ebenso kennt wie seine Schwächen, kann herausfinden, in welchem Bereich er die
größten und besten Erfolgschancen hat.
1 Wie kommt man am schnellsten zu einer Gehaltserhöhung?
o durch Drohung, zur Konkurrenz zu wechseln (8 Punkte)
o durch ausgezeichnete Arbeit (6)
o du setzt deinen Chef mit einer für ihn peinlichen Geschichte unter Druck (10)
o du fragst einfach danach (2)
2 Im Leben suchst du nach
o Herausforderung (7 Punkte)
o Aufregung, Abenteuer (9)
o Zufriedenheit (1)
o Erfüllung (3)
3 Welcher Zeitungstil verleitet dich am ehesten dazu, die folgende Story zu lesen?
o Die Zinsen steigen (4 Punkte)
o Kind biss Hund (1)
o Neue Friedensoffensive in Israel (7)
o Das Chaos in der Galaxis (9)
4 Umwelt ist für dich...
o ein Thema (9 Punkte)
o ein wichtiges Anliegen (12)
o das, was sich um dich herum befindet (6)
o ein politisch hochgespieltes Thema (4)
5 Welche Sparform gefällt dir, falls du Geld hast?
o Bausparen ( 0 Punkte)
o Aktien (6)
o „sichere“ Investitionen (3)
o riskante Geschäfte (8)
6 Bei welcher „Super-Sache“ würdest du wohl mitmachen?
o du reißt von zu Hause aus und trampst durch die Welt (7)
o Überfall auf einen reichen Geizkragens, z.B. Onkel Dagobert. Das Geld würdest du dann nach
o Robin-Hood-Art verteilen (2)
o Erpressung mittels Computer- Viren (5)
o du heiratest deine Freundin/deinen Freund in Gretna Green (10)
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7 Bei großen Aktionen handelst du am liebsten...
o an vorderster Front (10)
o strategisch planend (12)
o im Hintergrund (6)
o als Zuseher (4)
o in der Schaltzentrale (9)
8 Eine ruhige Kugel schieben heißt für dich ...
o vorzeitig altern (9)
o angenehmer Zustand (3)
o Langeweile (7)
o sich des Lebens erfreuen und es genießen (1)
9 Persönliche Entscheidungen triffst du im allgemeinen
o aus dem Bauch (4)
o an Vernunftgründen orientiert (12)
o nach Intuition, einer inneren Stimme folgend (6)
o nach zwingenden Gegebenheiten (9)
o möglichst gar nicht (10)
10 Welche Rolle übernimmst du bei Problemen im Freundeskreis?
o du beobachtest die Dinge (4)
o du greifst tätig ein (7)
o du bist Seelentröster (8)
o du ergreifst die Flucht (0)
11 Du fährst Auto....
o und liebst den Geschwindigkeitsrausch (10)
o manchmal besonders schnell (8)
o kaum (2)
o du fährst nicht gern mit dem Auto (4)
12 Welche Geräusche verbindest du am ehesten mit Geld?
o ein Knistern (6)
o ein Rascheln (10)
o ein Klingeln (2)
13 Das Telefon läutet, der Kalender ist voll mit wichtigen Terminen. Das findest du ...
o aufregend (7)
o anstrengend (3)
o herausfordernd (9)
o fürchterlich (1)
14 In welcher Schreib-Sparte wärst du am erfolgreichsten?
o als Tagesjournalist mit immer neuen Meldungen (13)
o als Aufdecker von Hintergründen in Geschichten (9)
o als Verfasser von wissenschaftlichen Artikeln (5)
o in moderner Literatur (8)
o packende Bestseller (11)
o Geschäftsberichte und Protokolle (6)
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15 Auf der Suche nach dem „Stein der Weisen“ hofft/e man, „Steine in Goldklumpen“ zu verwandeln, d.h. aus nichts etwas zu machen. Dein persönlicher Stein der Weisen bedeutet für dich...
o die Lösung aller menschlichen Probleme (6)
o das Geheimnis, wie man aus Stein Gold macht ( 3)
o das gesamte Wissen über das Universum (8)
o das Rezept, wie du reich und berühmt wirst (0)
16 Greenpeace hat sich dem Umweltschutz verschrieben. Würdest du gerne mitmachen?
o du sympathisiert damit (10)
o du bist ein aktives Mitglied/ möchtest es sein (12)
o nein, aber du findest diese Organisation gut (7)
o du findest, dass Greenpeace-Aktivisten nur Wichtigtuer sind (4)
17 Job-Hopper sind für dich ...
o ehrgeizig (13)
o leichtsinnig (5)
o selbstbewusst (11)
o abenteuerlustig (8)
18 Was hältst du von Schulschwänzen?
o Das macht doch jeder (9)
o Nichts! Das ist Betrug! (3)
o Kurzsichtig: Jeder wird einmal erwischt! (5)
o Dazu muss man erst etwas gelernt haben! (6)
o Ist für dich eine Art ausgleichender Gerechtigkeit. (11)
19 Energiebündel wirken auf dich meist..
o mühsam (3)
o herausfordernd (9)
o aggressiv (1)
o anspornend (7)
20 In den Ferien würdest du am liebsten ....
o gar nichts arbeiten und nur Urlaub machen (5)
o in einem bekannten Betrieb Ferialpraxis machen (2)
o dort arbeiten, wo du überhaupt einen Job bekommst (7)
o im Ausland sein (10)
21 Welchem Satz stimmst du am ehesten zu: „Je mehr man weiß, umso...
o gescheiter wird man (2)
o mehr erreicht man im Leben (5)
o umso mehr zweifelt man an allem (10)
o umso weniger weiß man (8)
22 Verantwortung für andere tragen zu müssen, das ist für dich...
o eine schwere Last (9)
eine menschliche Verpflichtung (12)
ein unerträglicher Gedanke (4)
ganz einfach (6)
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23 Spielst du gern um viel Geld?
ja (8)
kann mir so etwas nicht leisten (3)
reizt mich nicht (0)
hin und wieder (6)
24 Viel Geld zu verwalten ...
o macht mir Freude (6)
o macht noch mehr Freude, wenn es dir gehört (8)
o überlässt du jenen Menschen, die sich da auskennen (4)
25 Welches Insekt gefällt dir am besten?
o Schmetterling (4)
o Tarantel (12)
o Heuschrecke (8)
o Hummel (6)
o Hornisse (11)
26 Wie oft bist du bisher in deinem Leben umgezogen?
o nie (3)
o ein- oder zweimal (7)
o schon ziemlich oft(11)
27 Wenn du vor einem schwierigen Problem stehst, ...
o lässt du dich beraten (7)
o ruhst du nicht eher, bis du es selbst gelöst hast (12)
o du schiebst das Problem jemand anderem zu (4)
o deine Gedanken kehren immer wieder zurück (10)
28 Betagte Menschen im Altersheim wirken auf dich ...
o mitleiderregend (6)
o gut versorgt (3)
o abgeschoben (8)
o normaler Zustand (0)
29 Gefahr ist für dich, wenn ...
o der Puls schneller schlägt (8)
o der Atem aussetzt (2)
o Gänsehaut über den Rücken jagt (5)
o die Augen funkeln (10)
30 Geld bedeutet für dich ...
o ein Zahlungsmittel (4)
o der Schlüssel zum Erfolg (12)
o Freiheit (7)
o Sicherheit (10)
31 Welche Tierhaut streichelst du am liebsten?
o glatte Hundehaare (4)
o kalte Schlangenhaut (8)
o kuscheliges Lammfell (0)
o gespannte Pferdemuskeln (6)
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32 Fix geregelt Arbeitszeiten findest du ...
o überaus angenehm (0)
o überholt (6)
o gut, weil man sich alles besser einteilen kann (3)
o nicht gut, weil du dir lieber alles selbst einteilst (8)
33 In der Schule glänzt du vor allem durch ...
o häufige Abwesenheit (1)
o gute Noten (7)
o kritische Fragen (9)
o originelle Sprüche (3)
34 Österreich ist ein Sozialstaat, in dem...
o immer noch zu wenig den Bedürftigen geholfen wird (6)
o die Sozialleistungen ausgenützt werden (0)
o nicht genug gegen Armut getan wird (8)
o man mehr zur Eigenverantwortlichkeit zurückfinden sollte (3)
35 Könnte dich Bungee-Jumping reizen?
o du hast es schon probiert (11)
o reizt dich nicht (8)
o nie im Leben (3)
36 Welches Mitglied aus dem Clan der Familie DUCK gefällt dir am besten?
o Donald Duck (19)
o Gustav Gans (7)
o Dagobert Duck (9)
o Daisy Duck (4)
AUSWERTUNG
Bitte trag das Ergebnis mit Humor,
manches ist mit Augenzwinkern hinsichtlich deiner Schwächen zu verstehen.
MACHT UND EINFLUSS
mehr als 44 Punkte
Du strebst nach Macht und Einfluss. Du genießt es, wenn Menschen von dir abhängig sind. Du solltest
dir einen Job in der Wirtschaft oder in der Politik suchen, wehe dir und (deiner Familie), falls du „nur“
Hausfrau oder -mann bist.
28-44 Punkte
Eine leitende Position ist eigentlich dein Wunschtraum, doch ganz oben an der Spitze zu stehen, ist
doch nicht ganz deine Sache. Dort ist nämlich „die Luft sehr dünn“ und außerdem bist du nicht ganz
„schwindelfrei“.
weniger als 28 Punkte
Du willst nicht für andere verantwortlich sein oder anderen dienen. Am besten du suchst dir eine Tätigkeit, wo du dein eigener Herr bist und dich selbst organisierst.
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ABWECHSLUNG
mehr als 44 Punkte
Dein Beruf soll dir Abwechslung und Aufregung bieten, dich lockt immer wieder das Abenteuer. Interessant könnte für dich die Werbe-, Show- oder Medienbranche sein, auch ein „Zirkus“ im weitesten
Sinn wäre für dich gut geeignet.
28-44 Punkte
Suche einen Job, bei dem du viel mit Menschen zu tun hast. Du brauchst Anregungen und sprichst
gerne mit anderen. Im Lehrberuf oder als Kindergärtner/in wird dir niemals fad, für Abwechslung
sorgen schon die lieben kleinen oder großen „Ungeheuer“.
weniger als 28 Punkte
Du möchtest einen ruhigen Routine-Job, der dir ein möglichst hohes Ausmaß an Freizeit lässt. Die
berühmten Aussprüche „Störe meine Kreise nicht!“ und „Geh‘ mir aus der Sonne!“ könnten auch von
dir stammen.
WISSENSDURST
mehr als 44 Punkte
Du bist mehr als neugierig, du bist wissenshungrig. Du möchtest neue Erkenntnisse gewinnen und
wissenschaftliche Meilensteine setzen. Du hättest gerne den Nobelpreis, nicht nur des Geldes wegen.
Du solltest dir ein ganz bestimmtes Forschungsgebiet suchen und unbeirrbar deinen Weg gehen.
28-44 Punkte
Du interessierst dich für alles Neue. Theorie allein ist dir aber zu wenig. Du willst Ideen auch praktisch
umsetzen können. Du bist tüchtig in allen Bereichen, wenn du siehst, dass eine Sache dir und anderen einen Nutzen bringt.
weniger als 28 Punkte
Du findest die Schule ganz schön anstrengend und das Lernen kostet viel Kraft. Nach der Ausbildung
möchtest du dich geistig zurücklehnen und die Früchte ernten. Du fühlst dich in jenen Arbeitsbereichen am wohlsten, wo du deine erworbenen Fähigkeiten routiniert einsetzen kannst
IDEALISMUS
mehr als 44 Punkte
Engagiere dich für große Ziele. Kämpfe für die Umwelt, setze dich für Menschen ein. Heilberufe oder
soziale Berufe wären dir sehr zu empfehlen. Du bist glücklich, wenn du helfen kannst.
28-44 Punkte
In gewissen Bereichen denkst du idealistisch, behältst aber stets die Realität im Auge. In Dienstleistungsberufen wärst du gut aufgehoben, aber die lieben Mitmenschen können ganz schön an den
Nerven zerren.
weniger als 28 Punkte
Dein Idealismus und deine Hilfsbereitschaft halten sich in Grenzen. Beachte bei deiner Berufswahl
deine persönlichen Vorteile, damit du weder dich noch andere unglücklich machst.
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RISIKOBEREITSCHAFT
mehr als 44 Punkte
Als expandierender Unternehmer, Entdecker oder Abenteurer könntest du deine Risikobereitschaft unter Beweis stellen. Du wächst mit jeder Herausforderung. Fällst du einmal auf die Nase, hast du gleich
wieder die Kraft aufzustehen.
28 bis 44 Punkte
Wenn du Risiken eingehst, dann behältst du alles im Auge und hast den Überblick. Leitende Positionen wären gut für dich, aber du darfst nicht „kurzsichtig“ sein, sondern musst geschäftlichen Weitblick
entwickeln.
weniger als 28 Punkte
Du möchtest einen Job, in dem du ohne viel Aufwand bis ins Pensionsalter hinein verweilen kannst.
Du wärst ein idealer „Sonntagsmensch“ auch ohne Ärmelschoner.
GELD
mehr als 44 Punkte
Geld bedeutet dir sehr viel. Ein Beruf mit hohem Einkommen wäre genau das Richtige. Wenn nämlich das Geld stimmt, dann erwacht dein Ehrgeiz und weckt ungeahnte Fähigkeiten. Wie wäre es im
Verkaufswesen?
28 bis 44 Punkte
Du willst Geld verdienen, aber du verkaufst dafür weder deine Seele noch deine Großmutter. Banken
zahlen vergleichbar gute Gehälter.
weniger als 28 Punkte
Als kreativer Mensch möchtest du Träume verwirklichen. Nicht das Geld bestimmt deine Berufswahl.
„Was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, und doch Schaden an seiner Seele
leidet“ – dies könnte dein Wahlspruch sein.
TAT 8
Karriere-Barometer
Antworten
Machtstreben
230
Abwechslung
Wissensdurst
Idealismus
Frage 1
Frage 2
Frage 3
Frage 4
Frage 7
Frage 8
Frage 9
Frage 10
Frage 13
Frage 14
Frage 15
Frage 16
Frage 19
Frage 20
Frage 21
Frage 22
Frage 25
Frage 26
Frage 27
Frage 28
Frage 31
Frage 32
Frage 33
Frage 34
Summe
Summe
Summe
Summe
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Karriere Barometer
Bitte trag deine Punkte ein
60
44
28
12
Machtstreben
Abwechslung
Wissensdurst
Idealismus
VORHER – NACHHER
Wenn jeder seinen Karriere-Barometer erstellt hat – mit oder ohne Namensnennung – dann legt alle
Ergebnisse auf einen Stapel und mischt sie gut durch. Anschließend setzt euch in Gruppen zusammen,
zieht jeweils einen Zettel und analysiert ihn als „Berufsberater“. Bereitet ein Rollenspiel vor, indem ihr
euch die nötigen Unterlagen für eine Berufsempfehlung vorbereitet und geschickt argumentiert.
TAT 9
Und wo stehst du?
Spiel1
Ablauf:
•
Teilung der Klasse in Spielgruppe und Beobachtergruppe, dann Rollenwechsel.
•
Es werden Sesselreihen aufgestellt, wobei jedoch jede/r SchülerIn ca. 3 Meter hinter seinem/
ihrem Sessel Platz haben sollen.
•
Je nach Übereinstimmung mit den vom Spielleiter/Lehrer vorgelesenen Impulssätzen zum Thema „Beruf“ nähern sich diese ihrem Sessel oder bleiben in der maximalen Entfernung von ca. 3
Metern bei völliger Ablehnung. Bei vollkommener Übereinstimmung mit der Fragestellung setzt
sich das betreffende Kind auf seinen Stuhl.
•
SpielleiterIn bereitet Impulssätze vor. Eine Beobachtergruppe macht sich während des Spiels
Notizen.
1 Quelle: Spielmacher. Spielen & Darstellen im Unterricht. 6. Jg. Nr. 9. Serviceblatt des ÖBV. Redaktionsadresse: Erich Hofbauer. Schweglerstraße 11-13/14, 1150 Wien. S. 22
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Auswertung:
Die Beobachtergruppe teilt den SpielerInnen mit, was sie glauben, beobachtet zu haben. Die SpielerInnen äußern sich dazu und teilen ihre Empfindungen mit.
Mögliche Einstellungen:
•
Ich weiß schon genau, was ich werden will
•
Ich habe meinen Berufswunsch schon sehr lange.
•
Meine Mutter ist berufstätig.
•
Meine Eltern/ Vater/ Mutter sagen mir oft, was ich werden soll.
•
Ich weiß über die Arbeit meines Vaters/ meiner Mutter genau Bescheid.
•
Ich möchte so bald wie möglich eigenes Geld verdienen.
•
Ich lasse mich bei meiner Berufswahl nicht beeinflussen.
•
Ich habe Mutter/ Vater auf ihrem/seinem Arbeitsplatz besucht.
•
Ich weiß über die Möglichkeiten Schule/ Lehre nach der Pflichtschule Bescheid.
•
Ich könnte sofort über die Ziele der Polytechnischen Schule 3 Minuten sprechen.
•
Ich habe Geschwister, die bereits im Berufsleben stehen.
•
Ich habe mich schon über meinen Berufswunsch informiert.
•
Ich kenne die Einrichtungen des Arbeitsmarktservice.
232
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