1/2 Der Jünger, „den Jesus lieb hatte“ Auf die Frage nach dem Jünger, „den Jesus lieb hatte“ (Joh. 13,23; 19,26; 20,2; 21,7.20) habe ich mir noch ein paar ¨Uberlegungen gemacht. Es handelt sich offensichtlich um denselben Jünger, der auch Joh. 1,35-40 als Kamerad des Andreas, 18,15f; 20,3f.8 neben Petrus als „der andere Jünger“, 19,35 als Augenzeuge und 21,24 als Quelle oder Verfasser des Johannesevangeliums erwähnt ist. In aller Wahrscheinlichkeit ist er der Mann, der das vierte Evangelium verfasst oder dem Verfasser das mündliche oder schriftliche Material dazu gegeben hat (21,24); er ist offenbar der Bruder des Jakobus, Sohn des Zebedäus, einer der Zwölf. Nun versteht man, weshalb sein Name im ganzen Johannesevangelium kein einziges Mal erwähnt ist, während er in den andern Evangelien 21 Mal ohne weiteres genannt wird. Da er an ganz wichtigen Stellen in die heilige Geschichte verwoben ist und als Direktbeteiligter davon berichtet, möchte er sich zurückhalten und eine Art Decknamen verwenden, eine Umschreibung, welche die eigene Person in den Hintergrund rückt und die Person Jesu betont. Diese Umschreibung darf nicht überall exakt gleich lauten, sonst würde sie einfach zu einem feststehenden Übernamen und liesse sich zu leicht enttarnen; uneingeweihte Leser würden die Zurückhaltung des Verfassers nicht bemerken und schöben doch wieder seine Person ins Rampenlicht. Es war natürlich schwierig, verschiedene Umschreibungen mit dem gleichen Sinn zu erfinden. Manche wirken ein wenig unnatürlich, gezwungen. Die häufigste, doch schon ein wenig als Formel auffällig, lautet: „Der Jünger, den Jesus lieb hatte“. Ich kann mir vorstellen, wie Johannes auf diese Umschreibung kam: 1. Beim Spielen mit seinem Namen, ob er ihn vielleicht zu einem Decknamen umändern könnte, kam ihm die Übersetzung seines Namens „Johannes“ in den Sinn: „Der, dem Jahwe seine Huld schenkt. War nicht Johannes der, dem Jesus seine Liebe geschenkt hatte? Und war nicht die Liebe von Jesus wie die Liebe von Jahwe? 2. Damit war gleich auch noch festgehalten, was für Johannes so wichtig war: Jesus ist Jahwe, eins mit dem Vater. 2/2 3. Und wenn Johannes daran dachte, was er selber eigentlich war und was ihm an seiner eigenen Person am wichtigsten war, dann war es eben das, dass er von Gott geliebt war. Etwas Wichtigeres konnte man von ihm nicht sagen. 4. Tatsächlich gehörte Johannes zu den drei Jüngern, die besonders eng mit Jesus vertraut waren. Darum kann er auch ein besonders zuverlässiges Bild von Jesus entwerfen, häufig in Ergänzung zu den drei ersten Evangelien. Sein Evangelium, das vierte, ist als Bericht aus erster Hand zu werten. Mir scheint die Wendung „den Jesus lieb hatte“ eine bewusste Anspielung auf den Satz „dem Jahwe seine Huld zeigte“ zu sein. Ein Leser mit Kenntnis des Hebräischen und Griechischen konnte das verstehen, wenn er sich an den Stil des Johannes gewöhnt hatte und also wusste, dass einzelne Worte weiträumige, tiefsinnige Gedankengänge in sich schliessen können. Ich traue Johannes zu, dass er die obigen vier Überlegungen bewusst im Leser wecken wollte freilich nur im kundigen Leser, der ein Ohr hatte, zu hören, „was der Geist den Gemeinden sagt“. Bei einem solchen Leser konnte Johannes sicher sein, dass er darin nur die Ehre Gottes und nicht die seines Schreibers fand. Johannes meinte natürlich nicht, dass Jesus nur ihn geliebt habe, die andern aber nicht. Es ging ihm wohl einfach so wie allen, die Gottes Liebe einmal richtig erfahren haben. Jeder ist derart überwältigt, dass er nicht an die andern denkt, sondern nur an das, was er selber bekommen hat. Weiteres zum Jünger, „der immer die Liebe Jesu erfuhr“ siehe Text Nr. 2.04 „Jesus, Johannes und Judas bei der Fusswaschung“ 28407 Nr. 1.05 der Reihe „Aus der Bibel gelernt“ von Markus Jakob Download aus www.jahu.info/maerk gratis. Verzeichnis und Texte Ihrer Wahl sind auch in Form von Papierkopien erhältlich. Postversand durch Brigitte Jakob, Lindenweg 67, CH-2503 Biel-Bienne, Tel. 032 365 14 38.
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