Immer über das Gleiche reden

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Freitag, 4. September 2015
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„Immer über das Gleiche reden“
„Sorority“-Gründerinnen üben Kritik am Forum Alpbach und mahnen lösungsorientierte Ansätze ein.
Von Teresa Reiter
merkt, dass die Organisatoren
sich wirklich bemühen, die Panels gut gemischt zu besetzen.
Alpbach. Unter den Teilnehmern
des Europäischen Forums Alpbach fanden sich dieses Jahr auch
Gründungsmitglieder der Sorority, was auf Deutsch so viel wie
Schwesternschaft bedeutet. Katharina Brandl und Sena Beganovic sprachen mit der „Wiener Zeitung“ über Karriereförderung für
Frauen, Veranstaltungen wie das
Forum und was sie an den häufig
repetitiven Debatten über Frauen
in der Berufswelt nervt.
■ ■ ■
„Wiener Zeitung“: Was ist die
Idee hinter Sorority?
Katharina Brandl: Wir sind
ein gemeinnütziger Verein, ein
Frauennetzwerk und sprechen eine Gruppe an, die etwa im Alter
zwischen 20 und 35 ist. Insofern
stellen sich für uns sehr spezifische Karriereherausforderungen,
wie etwa Berufseinstieg und oft
auch der Wiedereinstieg. Dabei
ist es uns wichtig, branchenübergreifend zu agieren und möglichst viele Frauen anzusprechen,
unabhängig davon, was diese gerade arbeiten.
Was hat man von einer Mitgliedschaft bei der Sorority?
Brandl: Neben dem Netzwerken bieten wir Workshops an, etwa zu Stimmtraining, Selbstmarketing, Gehaltsverhandlungen. Es
gibt bei uns ein Moment von Solidarität, egal ob es jetzt darum
geht, einander von Jobs zu erzählen, die vielleicht nicht ausgeschrieben sind, oder darum, einander in Umstellungsphasen, etwa wie nach dem Studium und
vor dem ersten Job, zu unterstützen.
Sena Beganovic: Wir sind der
erste branchenübergreifende Verein in dieser Altersgruppe. Das
Interesse ist wahnsinnig groß.
Wir haben pro Mitgliederversammlung immer 20 oder 30
Sena Beganovic und Katharina Brandl, Gründungsmitglieder der Sorority. Foto: Luiza Puiu
neue interessierte Frauen dabei.
Sind Sie beim Thema Frauen in der
Berufswelt oft mit Klischees, wie etwa der sogenannten „Stutenbissigkeit“ konfrontiert?
Brandl: Wir wollen auch nicht
auf Fragen eingehen, bei denen es
darum geht, was spezifisch weiblich oder spezifisch männlich ist,
weil das nicht relevant ist. Uns
geht es darum, persönliche Probleme zu identifizieren, gemeinsame Lösungen zu entwickeln und
strukturelle Hintergründe aufzudecken. Unser Fokus liegt auf horizontalem Networking. Wir wollen sichtbar machen, welche tollen Frauen sich engagieren wollen und was diese machen.
Was bedeutet für Sie Karriere?
Brandl: Wenn wir das Wort
verwenden, ist uns sehr wichtig,
dass wir als Verein nicht definie-
ren wollen, was dieser Begriff für
unsere Mitglieder bedeuten soll.
Es ist etwas anderes, ob ich Karriere in einem Konzern machen
will oder ob ich im Kulturbereich
scheinselbständig bin. Dennoch
wiederholen sich frauenspezifische Problemstellungen auf beiden Seiten.
Beganovic: Obwohl wir einer
aufgeklärten Generation angehören, bemühen wir uns, bei unseren Workshops ein Bewusstsein
dafür zu schaffen, was Karrierestolpersteine sein können und
worauf man aufpassen muss.
Brandl: Die Diskussionen drehen sich zu oft um die gleichen
Themen. Es geht nicht nur um
Vereinbarkeit von Job und Familie, wenn man über Frauen im Beruf spricht, sondern um so viele
andere Fragen, die auf einer viel
niedrigeren Ebene anfangen. Eine
Sache, die wir oft diskutieren, ist
der Umgang mit absolut positiv
gemeinten Komplimenten, bei denen man weiß, dass das Gegenüber es nicht böse meint. Aber es
ist trotzdem unangebracht, wenn
in einem Meeting drei Minuten
über das Aussehen der einzig anwesenden Frau gesprochen wird.
Es ist auch schwierig, da die richtigen Strategien zu entwickeln,
weil man natürlich nicht überall
und jeden feministisch zusammenbellen kann. Wenn es kein
Grundbewusstsein für das Thema
gibt, bringt das nichts. Natürlich
ist so etwas nicht die schlimmste
Diskriminierung, die man sich
vorstellen kann, aber es schafft
Unterschiede in Gruppen.
Wie zufrieden sind Sie mit der Besetzung der Panels und den Diskussionen in Alpbach?
Brandl: Natürlich könnte alles
immer besser sein, aber man be-
Wenn aber ein Panelteilnehmer seinen Beitrag mit den Worten: „Ich
finde es super, der einzige Mann
am Panel zu sein“ einleitet, hat das
mit einem Ankommen von Gleichberechtigung in der Normalität
nicht viel zu tun, oder?
Beganovic: Mir wird viel zu
viel immer wieder über das Gleiche geredet. Wir sind doch in Alpbach, im Dorf der Denker. Mir
fehlt der lösungsorientierte Ansatz, sowohl auf Panels als auch
in Arbeitsgruppen. Die Problemstellungen kennen wir ja, aber
wie können wir etwas ändern?
Brandl: Was hier sehr stark
hervortritt, ist, dass man manche
genderspezifischen Fragestellungen unbedingt mit dem Thema Alter zusammendenken muss. Für
unsere Generation stellen sich
ganz spezifische Herausforderungen, die auf Panels oft nicht repräsentiert sind, weil die Menschen dort oft einfach älter sind
als wir. Daran kann man keine
Fundamentalkritik äußern. Es ist
wichtig, dass diese Leute auf den
Panels sitzen, aber gerade in Alpbach sollte man darauf achten, einem intergenerationalen Anspruch zu genügen. Das steckt im
Konzept von Alpbach und ist etwas Positives, aber bei der Koppelung von Gender und Alter gab es
bisher noch Sackgassen.
Am 16. und 17. Oktober findet die
Business-Riot-Konferenz von Sorority statt. Was ist das?
Beganovic: Business Riot ist
die Fortsetzung unserer Workshops, die wir im letzten Jahr gemacht haben. Es soll die größte
Arbeitsmarktkonferenz für Frauen in Österreich werden. Wir haben über 30 Workshops und
Talks im Impact Hub Vienna. Am
Abend gibt es auch Podiumsdiskussionen, bei denen auch Männer teilnehmen können. ■
Eine Diskussion der alten Rollenbilder und Klischees
Von Magdalena Meergraf
Während des Europäischen Forum Alpbachs lud „Frauen in der
Wirtschaft“ zu einer Nebenveranstaltung mit dem Thema „Ungleichheit aus weiblicher Sicht“
ein. Eine Diskussion, die anders
verlief als geplant, denn die Wogen gingen hoch. WKO-Generalsekretärin Anna Maria Hochhauser,
Remus-Chefin Angelika Kresch
und Gastgeberin Adelheid Moretti
machten Vereinbarkeit von Familie und Beruf und schwierige Karrierewege zum Frauenthema.
Dass das dem Publikum im
Saal nicht gefiel, machte es hörbar. Während auch die zukünftige
WU-Direktorin Edeltraud Hanappi-Egger an ein differenzierteres
Denken appellierte, saß Physikerin Saiedeh Saghafi eher teilnahmslos da, denn die Iranerin
verstand kaum ein Wort – übersetzt wurde nichts. Auch nicht
von Moderatorin Andrea Lehky,
der die Debatte völlig entglitt.
WKO-Chef Christoph Leitl eröffnete den Abend. Er hätte ja immer gesagt, dass man keine Quote
brauche: „Wir haben solche tüchtigen Unternehmerinnen.“ Eine
davon ist Kresch, die dem gleich
zu Beginn ihr Beobachten von
fehlender Durchsetzungsfähigkeit
der Frauen entgegenbringt, die
man auf die Genetik zurückfüh-
ren könne. Frauen würde es an
Selbstvermarktung fehlen, zeigte
sich auch Moretti überzeugt. Eine
Schwangerschaft verbaue den
steilen Karriereweg sowieso. Im
vorwiegend jungen Publikum
wurde gelacht, Köpfe wurden geschüttelt. Lehky reagierte: „Hier
lachen viele junge Frauen, die
wahrscheinlich noch studieren.
Es ist nicht einfach. Warten Sie
noch 20 Jahre und sehen Sie
dann, wer es von Ihnen bis nach
oben geschafft hat – wahrscheinlich wenige.“
„Ich war irritiert, weil eine Haltung zum Vorschein gekommen
ist, die im Jahr 2015 nicht mehr
vertretbar ist“, sagte Zuhörerin
Sandra Folie. Die kontroversen
Ansichten wurden von Hochhauser mit einem Generationsunterschied begründet. Dem wiedersetzte sich Silvia Rathgeb, von einem Software-Unternehmen, die
sich aus dem Publikum meldete:
„Das hat nichts mit Generation zu
tun, sondern mit Einstellung.
Gebt dieses Thema Vereinbarkeit
von Familie und Beruf endlich
weg von der Frau, das ist kein
Frauen-, sondern ein Elternthema.“ Sie hätte sich auch Männer
auf dem Podium gewünscht.
Im Publikum gab es die: „Biologismen und Erklärungen darüber,
wie Frauen eben sind – das ist
Unsinn und nicht zeitgemäß“,
sagte Timotheus Hell. Auch Hanappi-Eder vertrat eine kritische
Meinung. Es gäbe verschiedene
Lebensmodelle, manche würden
unter Karriere vielleicht keine
Managementkarriere, sondern eine Fachkarriere verstehen. „Es
wurde wieder bewusst, das simplifizierende Zuschreibungen uns
nicht weiterbringen. Wenn wir sagen, die Ursache liege bei den
Frauen, weil die sich bestimmt
verhalten, was auch noch genetisch bestimmt sein soll, dann haben die Bemühungen in den letzten Jahrzehnten nichts gebracht“,
sagt sie in einem Gespräch danach. Man müsse weg von Stereotypen. ■