21 Freitag, 4. September 2015 Volksoper geigt mit der Originalfassung Vor 50 Jahren starb Albert Schweitzer – Der Kontakt mit Stalldreck schützt vor vom „Weißen Rössl“ auf Seite 22 lange wurde er als Heiliger verehrt Seite 24 Allergien und Asthma Seite 25 „Immer über das Gleiche reden“ „Sorority“-Gründerinnen üben Kritik am Forum Alpbach und mahnen lösungsorientierte Ansätze ein. Von Teresa Reiter merkt, dass die Organisatoren sich wirklich bemühen, die Panels gut gemischt zu besetzen. Alpbach. Unter den Teilnehmern des Europäischen Forums Alpbach fanden sich dieses Jahr auch Gründungsmitglieder der Sorority, was auf Deutsch so viel wie Schwesternschaft bedeutet. Katharina Brandl und Sena Beganovic sprachen mit der „Wiener Zeitung“ über Karriereförderung für Frauen, Veranstaltungen wie das Forum und was sie an den häufig repetitiven Debatten über Frauen in der Berufswelt nervt. ■ ■ ■ „Wiener Zeitung“: Was ist die Idee hinter Sorority? Katharina Brandl: Wir sind ein gemeinnütziger Verein, ein Frauennetzwerk und sprechen eine Gruppe an, die etwa im Alter zwischen 20 und 35 ist. Insofern stellen sich für uns sehr spezifische Karriereherausforderungen, wie etwa Berufseinstieg und oft auch der Wiedereinstieg. Dabei ist es uns wichtig, branchenübergreifend zu agieren und möglichst viele Frauen anzusprechen, unabhängig davon, was diese gerade arbeiten. Was hat man von einer Mitgliedschaft bei der Sorority? Brandl: Neben dem Netzwerken bieten wir Workshops an, etwa zu Stimmtraining, Selbstmarketing, Gehaltsverhandlungen. Es gibt bei uns ein Moment von Solidarität, egal ob es jetzt darum geht, einander von Jobs zu erzählen, die vielleicht nicht ausgeschrieben sind, oder darum, einander in Umstellungsphasen, etwa wie nach dem Studium und vor dem ersten Job, zu unterstützen. Sena Beganovic: Wir sind der erste branchenübergreifende Verein in dieser Altersgruppe. Das Interesse ist wahnsinnig groß. Wir haben pro Mitgliederversammlung immer 20 oder 30 Sena Beganovic und Katharina Brandl, Gründungsmitglieder der Sorority. Foto: Luiza Puiu neue interessierte Frauen dabei. Sind Sie beim Thema Frauen in der Berufswelt oft mit Klischees, wie etwa der sogenannten „Stutenbissigkeit“ konfrontiert? Brandl: Wir wollen auch nicht auf Fragen eingehen, bei denen es darum geht, was spezifisch weiblich oder spezifisch männlich ist, weil das nicht relevant ist. Uns geht es darum, persönliche Probleme zu identifizieren, gemeinsame Lösungen zu entwickeln und strukturelle Hintergründe aufzudecken. Unser Fokus liegt auf horizontalem Networking. Wir wollen sichtbar machen, welche tollen Frauen sich engagieren wollen und was diese machen. Was bedeutet für Sie Karriere? Brandl: Wenn wir das Wort verwenden, ist uns sehr wichtig, dass wir als Verein nicht definie- ren wollen, was dieser Begriff für unsere Mitglieder bedeuten soll. Es ist etwas anderes, ob ich Karriere in einem Konzern machen will oder ob ich im Kulturbereich scheinselbständig bin. Dennoch wiederholen sich frauenspezifische Problemstellungen auf beiden Seiten. Beganovic: Obwohl wir einer aufgeklärten Generation angehören, bemühen wir uns, bei unseren Workshops ein Bewusstsein dafür zu schaffen, was Karrierestolpersteine sein können und worauf man aufpassen muss. Brandl: Die Diskussionen drehen sich zu oft um die gleichen Themen. Es geht nicht nur um Vereinbarkeit von Job und Familie, wenn man über Frauen im Beruf spricht, sondern um so viele andere Fragen, die auf einer viel niedrigeren Ebene anfangen. Eine Sache, die wir oft diskutieren, ist der Umgang mit absolut positiv gemeinten Komplimenten, bei denen man weiß, dass das Gegenüber es nicht böse meint. Aber es ist trotzdem unangebracht, wenn in einem Meeting drei Minuten über das Aussehen der einzig anwesenden Frau gesprochen wird. Es ist auch schwierig, da die richtigen Strategien zu entwickeln, weil man natürlich nicht überall und jeden feministisch zusammenbellen kann. Wenn es kein Grundbewusstsein für das Thema gibt, bringt das nichts. Natürlich ist so etwas nicht die schlimmste Diskriminierung, die man sich vorstellen kann, aber es schafft Unterschiede in Gruppen. Wie zufrieden sind Sie mit der Besetzung der Panels und den Diskussionen in Alpbach? Brandl: Natürlich könnte alles immer besser sein, aber man be- Wenn aber ein Panelteilnehmer seinen Beitrag mit den Worten: „Ich finde es super, der einzige Mann am Panel zu sein“ einleitet, hat das mit einem Ankommen von Gleichberechtigung in der Normalität nicht viel zu tun, oder? Beganovic: Mir wird viel zu viel immer wieder über das Gleiche geredet. Wir sind doch in Alpbach, im Dorf der Denker. Mir fehlt der lösungsorientierte Ansatz, sowohl auf Panels als auch in Arbeitsgruppen. Die Problemstellungen kennen wir ja, aber wie können wir etwas ändern? Brandl: Was hier sehr stark hervortritt, ist, dass man manche genderspezifischen Fragestellungen unbedingt mit dem Thema Alter zusammendenken muss. Für unsere Generation stellen sich ganz spezifische Herausforderungen, die auf Panels oft nicht repräsentiert sind, weil die Menschen dort oft einfach älter sind als wir. Daran kann man keine Fundamentalkritik äußern. Es ist wichtig, dass diese Leute auf den Panels sitzen, aber gerade in Alpbach sollte man darauf achten, einem intergenerationalen Anspruch zu genügen. Das steckt im Konzept von Alpbach und ist etwas Positives, aber bei der Koppelung von Gender und Alter gab es bisher noch Sackgassen. Am 16. und 17. Oktober findet die Business-Riot-Konferenz von Sorority statt. Was ist das? Beganovic: Business Riot ist die Fortsetzung unserer Workshops, die wir im letzten Jahr gemacht haben. Es soll die größte Arbeitsmarktkonferenz für Frauen in Österreich werden. Wir haben über 30 Workshops und Talks im Impact Hub Vienna. Am Abend gibt es auch Podiumsdiskussionen, bei denen auch Männer teilnehmen können. ■ Eine Diskussion der alten Rollenbilder und Klischees Von Magdalena Meergraf Während des Europäischen Forum Alpbachs lud „Frauen in der Wirtschaft“ zu einer Nebenveranstaltung mit dem Thema „Ungleichheit aus weiblicher Sicht“ ein. Eine Diskussion, die anders verlief als geplant, denn die Wogen gingen hoch. WKO-Generalsekretärin Anna Maria Hochhauser, Remus-Chefin Angelika Kresch und Gastgeberin Adelheid Moretti machten Vereinbarkeit von Familie und Beruf und schwierige Karrierewege zum Frauenthema. Dass das dem Publikum im Saal nicht gefiel, machte es hörbar. Während auch die zukünftige WU-Direktorin Edeltraud Hanappi-Egger an ein differenzierteres Denken appellierte, saß Physikerin Saiedeh Saghafi eher teilnahmslos da, denn die Iranerin verstand kaum ein Wort – übersetzt wurde nichts. Auch nicht von Moderatorin Andrea Lehky, der die Debatte völlig entglitt. WKO-Chef Christoph Leitl eröffnete den Abend. Er hätte ja immer gesagt, dass man keine Quote brauche: „Wir haben solche tüchtigen Unternehmerinnen.“ Eine davon ist Kresch, die dem gleich zu Beginn ihr Beobachten von fehlender Durchsetzungsfähigkeit der Frauen entgegenbringt, die man auf die Genetik zurückfüh- ren könne. Frauen würde es an Selbstvermarktung fehlen, zeigte sich auch Moretti überzeugt. Eine Schwangerschaft verbaue den steilen Karriereweg sowieso. Im vorwiegend jungen Publikum wurde gelacht, Köpfe wurden geschüttelt. Lehky reagierte: „Hier lachen viele junge Frauen, die wahrscheinlich noch studieren. Es ist nicht einfach. Warten Sie noch 20 Jahre und sehen Sie dann, wer es von Ihnen bis nach oben geschafft hat – wahrscheinlich wenige.“ „Ich war irritiert, weil eine Haltung zum Vorschein gekommen ist, die im Jahr 2015 nicht mehr vertretbar ist“, sagte Zuhörerin Sandra Folie. Die kontroversen Ansichten wurden von Hochhauser mit einem Generationsunterschied begründet. Dem wiedersetzte sich Silvia Rathgeb, von einem Software-Unternehmen, die sich aus dem Publikum meldete: „Das hat nichts mit Generation zu tun, sondern mit Einstellung. Gebt dieses Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf endlich weg von der Frau, das ist kein Frauen-, sondern ein Elternthema.“ Sie hätte sich auch Männer auf dem Podium gewünscht. Im Publikum gab es die: „Biologismen und Erklärungen darüber, wie Frauen eben sind – das ist Unsinn und nicht zeitgemäß“, sagte Timotheus Hell. Auch Hanappi-Eder vertrat eine kritische Meinung. Es gäbe verschiedene Lebensmodelle, manche würden unter Karriere vielleicht keine Managementkarriere, sondern eine Fachkarriere verstehen. „Es wurde wieder bewusst, das simplifizierende Zuschreibungen uns nicht weiterbringen. Wenn wir sagen, die Ursache liege bei den Frauen, weil die sich bestimmt verhalten, was auch noch genetisch bestimmt sein soll, dann haben die Bemühungen in den letzten Jahrzehnten nichts gebracht“, sagt sie in einem Gespräch danach. Man müsse weg von Stereotypen. ■
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