Theater, Bewegung und TA

Theater, Bewegung und Transaktionsanalyse In diesem Artikel zeige ich auf, wie in meinem Unterricht in einer Fachschule für Heilerziehung transaktionsanalytische Konzepte mit Spiel, Musik, Bewegung und theaterpädagogischen Elementen verknüpft werden können. Die Schülerinnen und Schüler machen an der Fachschule eine dreijährige Ausbildung zum/zur staatlich geprüften Heilerziehungspfleger/in und sind zwischen ca. 20‐40 Jahre alt. Ich unterrichte die Fachschüler im Fach Bewegungspädagogik und Kommunikation. Die Zu‐
sammensetzung der Klassen ist oft heterogen. In der Regel ist diesen Schülerinnen und Schülern die Bedeutung von Bewegung als Möglichkeit der Interaktion und für die Kommunikation noch nicht geläufig. In meinem Unterricht greifen TA‐ Modelle, Bewegungselemente, Spiel und theaterpädagogische Übungen ineinander. Die Verknüpfung von transaktionsanalytischen Modellen, Bewegung und Theaterelementen bietet meiner Ansicht nach eine Fülle von Möglichkeiten, TA nicht nur zu verstehen, sondern auch erfahrbar und begreiflich zu machen. Hierzu einige Beispiel aus meinem Unterricht: Selbst‐ und Fremdwahrnehmung Die Teilnehmer gehen jeweils zu dritt Schulter an Schulter nebeneinander durch den Raum (Dreiergehen). Der Mittlere bestimmt den Weg und den Richtungswechsel. Die beiden äußeren bleiben an seiner Seite. Nach meiner Ansage geht ein anderer in die Mitte, sodass jeder einmal die führende Rolle übernimmt. Eine Erweiterung der Übung erfolgt jetzt durch das „Blindführen“. Die mittlere Person hat die Augen geöffnet, die beiden äußeren haben ihre Augen geschlossen. Nur durch Schulter‐Kontakt führt die mittlere Person die beiden äußeren, bis alle die Führung übernommen haben. Beim Dreiergehen kommt es verstärkt zur Konfrontation der einzelnen Teilnehmer mit ihrer Fähigkeit, eine Aufgabe verantwortungsbewusst durchzuführen, die Führungsrolle eines an‐deren zu akzeptieren und eine Vertrauensperson zu sein. Die Teilnehmer werden mit ihren Fähigkeiten oder Schwierigkeiten konfrontiert, die Führung einer Person oder einer Gruppe zu übernehmen, andere zu beschützen, sich ihnen zuzuwenden und mit ihrer Entscheidungsfähigkeit einen Weg zu bestimmen. Die Unsicherheiten eines Führenden übertragen sich auf den Folgenden, der ängstliche, verspannte Reaktionen zeigen kann. Erfolgt die Führung sicher, erlebt der Führende, dass sein sicheres Verhalten in Form von Ruhe und Selbstbewusstsein eine Anerkennung seiner Führung beinhaltet. Der führungsungewohnte Teilnehmer macht Erfahrungen, wie es ist, eine Person oder eine ganze Gruppe zu führen. Andere machen die Erfahrung, sich anzupassen, geführt zu werden und bei der Gruppenaufgabe zu kooperieren. Mit dieser Übung können die Teilnehmenden verschiedene Konzepte aus der TA erfahren und erkennen. In der anschließenden Reflektion können anhand der Übung verschiedene TA‐ Modelle beleuchtet werden. Es werden z.B. verschiedene Ich‐Zustände aktiviert, die Teilnehmenden erleben Schutz und Stärke. Eine andere Möglichkeit, durch spielerische Elemente die Ich‐Zustände zu erkennen ist das Raten der Ich‐Zustände Das Thema Ich‐Zustände wird an einem inszenierten Boxkampf dargestellt. Die Boxer haben die Aufgabe, in verschiedenen Ich‐Zuständen gegeneinander anzutreten und dies durch Bewegung und Mimik darzustellen, ohne Körperkontakt. Manchmal weise ich den Teilnehmen‐den einen Ich‐
Zustand zu, manchmal suchen sich Teilnehmer selbst einen Ich‐Zustand aus. Die Zuschauenden sollen die Ich‐Zustände der Boxer erkennen. Es entstehen überzeichnete, teils absurde Kommunikationssituationen je nach Spielfreude der Teilnehmenden. Die Akteure erleben die unterschiedlichen Ich‐Zustände körperlich und die anderen sehen körperliche Merkmale der einzelnen Ich‐Zustände. Einerseits empfinden die Teilnehmer durch bestimmte Gesten und Mimik oder die eigene Körperspannung den Zusammenhang von Körperlichkeit und Verhaltensweisen. Anderseits erleben sie, wie die verschiedenen Verhaltensweisen der Ich‐Zustände auf das Miteinander wirken können. Was prägt mich, was treibt mich an? Mit dieser Übung verknüpfe ich gerne das Konzept des Antreiberverhaltens. Mit den Teilnehmenden erarbeite ich die Technik des Jonglierens mit Tüchern. Nachdem die Schülerinnen einführende Übungen zur Vorbereitung gemacht haben, sollen sie die Technik des Tuchjonglierens erlernen. Ich zeige ihnen, eine Möglichkeit mit drei Tüchern zu jonglieren und fordere sie zum Ausprobieren auf. Die Schülerinnen haben Zeit, ihre Fähigkeiten zu erforschen. Sie sind mit sich selbst beschäftigt. Ich beobachte in dieser Phase und gebe Hilfestellungen und zur Bewältigung der Jongliertechnik. Nach einer Zeit des Ausprobierens beherrschen einige Teilnehmende die Technik, sie haben es geschafft, einige Schülerinnen brauchen mehr Zeit, haben weniger Erfolg. Viele Teilnehmenden kommentieren während des Ausprobierens ihre eigenen Versuche verbal oder nonverbal. Die „inneren Stimmen“ meiner Schülerinnen schreibe ich auf oder lasse sie ergänzen. Folgende Aussagen kommen häufig vor: „Ich muss was machen!“, „Ich will es schaffen!“, „Ich bin doof!“, „Ich Arsch, schon wieder, ich konnte das sowieso noch nie!“, „Ich schmeiß den Mist hin!“, „Andere können das schon!“, „Ich kann das sowieso nicht!“, „Je mehr ich denke, desto weniger klappt es!“, „Wofür soll ich das machen?“, „Ich muss das mal schneller hinkriegen!“. Im Laufe des Gesprächs wird den Schülerinnen deutlich, dass sie sich mit einer neuen Aufgabe auseinandersetzen. Ihnen wird klar, dass das Stress ist, der sich im körperlichen Verhalten zeigt und durch die Aussagen der Schüler verdeutlicht wird. Es wird auch deutlich, dass dieser Stress auf einige Schüler motivierend, auf andere eher hemmend wirkt. Für die Schüler sind es Versuche, schwierige Situationen zu bewältigen, um sich in Ordnung zu fühlen. Es geht in dieser Übung auch um die innere Wahrnehmung des eigenen Lernprozesses. Auf der Grundlage dieser Erfahrung sollen die Schülerinnen durch die Jonglage in die Lage versetzt werden, mit ihren Fähigkeiten und Fertigkeiten produktiv umzugehen. Deshalb ist mir wichtig, die hinter den Antreiberverhalten liegenden individuellen Fähigkeiten zu entdecken und hervorzuheben, zu würdigen und bewusst zu machen, zu entwickeln und herauszuarbeiten Spiel und Bewegung sind so fruchtbar beim Lernen, weil wir alle unsere prägenden Lern‐ und Welterfahrungen im Spiel gemacht haben. Ein Anknüpfen an bekannte Erfahrungen bewirkt Aktivierung. Die vielfältige körperlich‐sinnliche Erfahrung bewirkt Verarbeitungstiefe und nachhaltiges Lernen. Aus dem Blickwinkel der Transaktionsanalyse lässt sich festhalten: • Durch Bewegungshandlungen, kreatives Tun und Experimentieren wird Energie in das freie Kind‐Ich gesetzt • In der Reflexion untereinander wird Energie im Erwachsenen—Ich frei. • Formen der Passivität können gezielt vermieden werden. Nichtstun wird durch gemeinsames Handeln verhindert, Agitieren kann durch konkrete gemeinsame Aufgabenstellung kana‐
lisiert werden, • Eine Überanpassung kann durch die Gestaltung eigener Bewegungshandlungen verhindert werden. Mit Spiel‐ und Theaterformen können transaktionsanalytische Konzepte auf vielfältige Weise erfahren werden. Nachfolgend sind einige dieser Vorteile aufgelistet. • Kontaktaufnahme: Theaterelemente fördern die Kontaktaufnahme unter den Teilnehmern und erhöhen die persönliche Präsenz. • Wahrnehmung: Bewusstere Wahrnehmung von Kommunikationsprozessen (Transaktionen). • Nachhaltigkeit: Durch die Einbeziehung der Körperebene entstehen Lernerlebnisse mit nachhaltiger Wirkung. • Flexibilität Durch Rollenübernahme und Rollentausch werden neue Sichtweisen und Perspektiven ermöglicht. Bewegung und Spiel bieten meines Erachtens die besten Möglichkeiten, Selbstwahrnehmung und soziale Themenbereiche zu bearbeiten und erfahrbar zu machen, • weil das Erleben in der Gemeinschaft, das gemeinsame Erarbeiten der Bewegungssaufgaben und das „Sich‐aufeinander‐einstellen“ das Gefühl unterstützen: „Ich gehöre dazu“ und • weil nonverbale Handlungsweisen gegenüber sprachlichen Interventionen verletzlich sein können. Verbale Äußerungen können nachgefragt und erläutert werden, eine abgelaufene Bewegung ist unwiederholbar. Mit diesen kleinen Beispielen möchte ich die Bedeutung der Bewegung zur Verfestigung von Theorien verdeutlichen und andere ermutigen theoretische Konzepte mit Spiel, Bewegung und Theaterelementen ermutigen. Anna Berger Lehrerin in der Erwachsenenbildung, CTA Hamburg 2015