D 8512 52. Jahrgang Nr. 14 Montag, 11. April 2016 NACHRICHTEN POLITIK Nachruf Hans-Dietrich Genscher zählte zu den prägendsten Politikern der deutschen Nachkriegsgeschichte. Ein Nachruf. Seite 4 Neues aus Camp Castor BUNDESWEHR Infanterie Taktisches Verständnis und fließende Bewegungen – erfolgreiches Operieren im Ernstfall muss trainiert werden. Seiten 6/7 Pioniere bereiten im malischen Gao den Aufwuchs des SPORT deutschen Kontingents vor. Pfeil und Bogen Dank der Sportförderung der Bundeswehr arbeiten sich die Bogenschützen kontinuierlich bis an die Weltspitze vor. Seite 10 Seiten 2, 3 und 5 VIDEO DER WOCHE: Medizinische Notfälle oder das Ein- und Ausfliegen von Personal und Gerät – fast im Stundentakt steht der Flugdeckoffizier (FDO) am Hangartor bereit, um die Hubschrauber einzuweisen. Unverzichtbares Hilfsmittel dabei sind seine roten Paddles. Der Beitrag „Dienst auf dem Flugdeck: Flugdeckoffizier des EGV ,Bonn‘“ zeigt, was alles zu den Aufgaben des FDO gehört. Foto: pa/dpa BW CLASSIX: Der Beitrag „Classix: Brandschutzausbildung in Fassberg (1973)“ zeigt, wie angehende Feuerwehrmänner und Brandmeister Pulverlöschrohr und Löschschaumkanone wirkungsvoll einsetzen. (eb) Diese und weitere Videobeiträge unter www.youtube.com/ bundeswehr. [email protected] 2 aktuell INTERN 11. April 2016 Foto: Thyssen Krupp BILD DER WOCHE Erste Probefahrt: die Fregatte „Baden-Württemberg“ der Klasse 125 auf Werfterprobung auf der Elbe in Hamburg. Mit an Bord: mehr als 60 Soldaten aus der zukünftigen Besatzung Alpha. „Das ist unser Tag“, sagte der zukünftige Kommandant, Fregattenkapitän Markus Venker. Mehr zur neuen Fregatte auf www.marine.de IMPRESSUM Herausgeber und verantwortlich für den Inhalt: Bundesministerium der Verteidigung Presse- und Informationsstab Stauffenbergstraße 18, 10785 Berlin Redaktionsanschrift: Redaktion der Bundeswehr Bundeswehr aktuell Reinhardtstraße 52, 10117 Berlin Telefon: (0 30) 886 228 - App. Fax: (0 30) 886 228 - 20 65, BwFw 88 41 E-Mail: [email protected] Leitender Redakteur: ( -2421): Vivien-Marie Bettex (vmd) Vertreter: ( -2420) Hauptmann Patricia Franke (pfr) Produktionsunterstützung: (-2422) Hauptfeldwebel André Sterling (ste) Stabsgefreiter Sebastian Ahlberg Politik: Jörg Fleischer (jf, -2830) Streitkräfte/Einsatz: Oberstleutnant Torsten Sandfuchs-Hartwig (tsh, -2860), Major Anika Wenzel (akw), Oberstleutnant Peter Mielewczyk (pm, - 2820), Hauptmann Katharina Zollondz (kzo), Kapitänleutnant Victoria Kietzmann (kie) Zoom/Sport: Björn Lenz (ble -2840), Regierungsamtmann Stefan Rentzsch (sr), Gabriele Vietze (vie), Personal/Soziales/Vermischtes: Christiane Tiemann (tie -2850) Hauptmann Philipp Ahlers (pah) Mediendesign: Daniela Hebbel ( -2650), Sebastian Nothing, Daniela Prochaska, Eva Pfaender aktuell als E-Paper und als PDF: Auf www.bundeswehr.de abrufbar Satz: Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr, DL I 4 Zentraldruckerei BAIUDBw Intranet: http://zentraldruckerei.iud Druck: Westdeutsche Verlags- und Druckerei GmbH Kurhessenstr. 4-6, 64546 Mörfelden-Walldorf Erscheinungsweise: Wöchentlich montags Auflage: 45 000 Exemplare Verteilung innerhalb der Bundeswehr: Fachinformationsstelle (FISt)/Bibl. ZInfoA Prötzeler Chaussee 20, 15344 Strausberg Telefon: (030) 886 228 - 2670 E-Mail: RedaktionBwMediendisposition@ bundeswehr.org ISSN: 1618-9086 Für unverlangt eingesandte Manuskripte, Filme, Fotos und Zeichnungen wird keine Gewähr übernommen. Namensbeiträge geben die Meinung des Verfassers wieder. Sie entsprechen nicht unbedingt der Auffassung der Redaktion oder des BMVg. Nachdruck nur mit Genehmigung der Redaktion. Leserbriefe per E-Mail werden nur mit wirklichem Namen und Adresse berücksichtigt, außerdem behält sich die Redaktion das Recht auf Kürzung vor. ZITAT EDITORIAL „Arbeit in stürmischer Zeit.“ Der Überfall auf den Norden Malis gelang islamistischen Gruppen 2012 ohne großen Widerstand: Sie errichteten ein Terror-Regime. Es ist Frankreichs Militärintervention im Jahr 2013 zu verdanken, dass der brutale Vormarsch vor der Hauptstadt Bamako gestoppt wurde. Wäre Mali kollabiert, es wäre zum Terror-Zentrum Westafrikas geworden. Inzwischen hat Malis Regierung auf Vermittlung der Vereinten Nationen einen Friedens vertrag mit einigen Rebellen-Gruppen geschlossen. Deutschland hilft Mali, sich weiter zu stabilisieren. Im Rahmen der europäischen Ausbildungsmission EUTM Mali wurden bisher 8000 malische Soldaten trainiert. Die malischen Streitkräfte sollen ihr Land künftig selbst schützen können. Mehr noch: EU-Ausbilder sollen auch im gefährlicheren Norden arbeiten – auch Bundeswehrsoldaten. Vorausgesetzt, dort wird es sicherer. Daran arbeiten seit Januar auch 200 deutsche Blauhelmsoldaten – im Rahmen der UN-Mission MINUSMA. Sie klären im Norden für die UN auf, wer den Friedensprozess stützt oder sabotiert. Für aktive Terror bekämpfung sorgt die Bundeskanzlerin Angela Merkel in der vergangenen Woche bei den deutsch-französischen Regierungskonsultationen in Metz über die Kooperation zwischen Deutschland und Frankreich während der Flüchtlingskrise. KALENDERBLATT Vor 55 Jahren: Am 12. April 1961 umrundet der sowjetische Kosmonaut Juri Gagarin mit dem Raumschiff „Wostok 1“ die Erde. Der Flug dauert nur 108 Minuten und macht ihn zum ersten Menschen im Weltraum. Gagarin wird zwei Tage später als Held der Sowjetunion geehrt. Vor 65 Jahren: Am 15. April 1951 wird das erste SOS-Kinderdorf mit dem Namen „Haus Frieden“ eröffnet. Der Österreicher Hermann Gmeiner bringt sein gesamtes Vermögen auf, um verlassenen Kindern in der Nachkriegszeit ein neues Zuhause zu geben. Vor 145 Jahren: Am 16. April 1871 tritt die Bismarcksche Reichsverfassung in Kraft. In dieser neuen Verfassung schließen sich norddeutsche und süddeutsche Staaten zum Deutschen Reich zusammen. Der Deutsche Kaiser und König von Preußen übt das Bundespräsidium aus, Otto von Bismarck wird zum Reichskanzler ernannt. Vor 495 Jahren: Am 17. April 1521 trägt Martin Luther seine Thesen dem Reichstag in Worms vor. Der Theologe verteidigt seine Lehren und wird infolgedessen als vogelfrei verurteilt. Der sächsische Kurfürst rettet Luther und nimmt ihn in Schutzhaft. Vor 775 Jahren: Am 11. April 1241 wird der ungarische König Béla IV. vom mongolischen Heerführer Batu Khan vernichtend geschlagen. König Béla selbst kann fliehen, sein Reich wird geplündert und das Volk versklavt. (eb) französische Mission Barkhane. Es ist der gefährlichste UN-Einsatz der Bundeswehr, sagte die Ministerin in Mali (Seite 3). Kritiker befürchten, die Bundeswehr schlittere in ein zweites Afghanistan. Doch der Vergleich hinkt: denn anders als dort werden von Anfang an malische Soldaten ausgebildet. Alle militärischen Bemühungen sind in einen breiten politischen Prozess eingebettet. Die internationale Gemeinschaft drängt auf rasche politische Reformen und wirtschaftliche Fortschritte. Die Chancen auf Frieden sind in Mali günstiger als in Afghanistan. Wir dürfen Mali jetzt nicht im Stich lassen. Andrea Zückert, Chefredakteurin Redaktion der Bundeswehr 11. April 2016 MINISTERIUM / HINTERGRUND aktuell 3 Bis an den Nigerbogen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen reist nach Mali – Bundeswehr-Ausbilder sollen auch in den Norden. Von Andrea Zückert Gao. Stefan ist Objektschützer und seit Anfang des Jahres in der UN-Mission MINUSMA dabei. Er ist stolz, einen Blauhelm zu tragen. Es sei etwas Besonderes, sagt er. Stefan und seine Kameraden stehen in Camp Castor in Gao in der heißen malischen Wüste. Sie erwarten ihre Verteidigungsministerin, wollen ihr ihre Fähigkeiten zeigen: mit Fahrzeugen im Operationsgebiet aufklären, Eigenschutz. Zu den Aufgaben der deutschen und auch niederländischen Soldaten gehört es, in die Dörfer zu fahren und mit den Bewohnern zu sprechen. Das ist wichtig, um sich ein Bild von der Lage und Stimmung zu verschaffen und der Bevölkerung zu erklären, dass sie für deren Sicherheit da sind. Raketenangriff im Dezember Stefan weiß um die Gefahren. Das Camp Castor wurde erst im Dezember von einer Rakete angegriffen, sie verfehlte ihr Ziel nur knapp. In der Region gibt es Terrorangriffe durch Sprengfallen und Selbstmordattentate. 70 Blauhelmsoldaten sind in drei Jahren getötet worden. Für 90 verschiedene Terrorgruppen ist der Norden Rückzugsraum. Die Ministerin steht nach der Vorführung im Wüstensand und sagt: „Es ist der gefährlichste UNEinsatz, den Deutschland zurzeit hat.“ Rebellen im Norden Malis 200 deutsche Soldaten sind im Camp Castor seit Anfang des Jahres eingesetzt. Vor allem als Objektschützer. Künftig werden noch Aufgaben in der Aufklärung hinzukommen. Aufgeklärt wird mit Spähfahrzeugen, auch Aufklärungsdrohnen vom Typ Heron sollen eingesetzt werden. Dafür sollen zwei bis drei zusätzliche Drohnen angemietet werden, zur Überwachung der wichtigsten Verkehrsverbindungen. Die aktive Bekämpfung des Terrorismus wird von den Franzosen durch die Operation Barkhane übernommen. Die deutsche Ministerin wird in den nächsten Wochen weitere Soldaten nach Gao schicken. „Die Bundeswehr ist hier, weil wir der festen Überzeugung sind, dass Mali ein Schlüsselland in Westafrika ist“, sagt sie. Ein Staatszerfall wie in Libyen müsse verhindert werden. Der Norden Malis geriet 2012 in die Hände von islamistischen Terroristen. Eine Militärintervention Frankreichs verhinderte den Vormarsch auf die Hauptstadt Bamako. Im vergangenen Jahr hat die Regierung einen Friedensvertrag mit einigen Rebellengruppen geschlossen. Um diesen Friedensprozess zu sichern, setzen sich 51 Nationen in der UN-Mission ein. Einen Tag später ist Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen in Kourikolo, nahe der Hauptstadt Bamako. Sie lässt sich die Fortschritte bei der Ausbildung malischer Soldaten zeigen. 200 Bundeswehrsoldaten trainieren die Männer im Rahmen der EU-Mission EUTM Mali. 8000 sind seit 2013 ausgebildet worden – von insgesamt 13 000. Bundeswehr-Ausbilder im Norden Malis Bisher werden die Soldaten im ruhigen Koulikoro ausgebildet. Doch das soll sich ändern, wenn der Bundestag zustimmt. Die Ausbildung soll dezentral organisiert werden, in den Garnisonsstädten im Süden, dort, wo die Soldaten sind. Mobile Teams sollen vor allem die Ausbilder schulen. Mehr noch: Die Bundeswehr-Ausbilder sollen auch in den gefährlichen Norden geschickt werden, dort, wo islamistische Terrorgruppen auch Anschläge verüben. „Auf die Dauer ist es das Ziel – so ist das europäische Mandat auch angelegt – bis an den Nigerbogen auch in den Norden zu gehen“, sagt die Ministerin. Bevor Bundeswehrsoldaten dorthin gehen, muss die Region sicherer werden. Das kann dauern. „Wir sind uns darüber im Klaren, dass man viel Geduld haben muss“, sagt von der Leyen. Der westafrikanische Staat Mali befindet sich seit einem Militärputsch im März 2012 in der Krise. Deutschland beteiligt sich an zwei militärischen Missionen vor Ort. Im Februar 2013 stimmte der Bundestag für die Entsendung deutscher Soldaten zur Unterstützung der European Training Mission in Mali (EUTM Mali). Das Mandat gilt bis zum 31. Mai 2016, sieht den Einsatz von bis zu 350 Soldaten vor. Im Juni 2013 beschloss das Parlament die Entsendung deutscher Kräfte zur Beteiligung an der Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali (MINUSMA). Im Januar 2016 wurde eine Ausweitung sowie die Anhebung der Personalobergrenze auf 650 Soldaten beschlossen. Fotos (3): pa/dpa Die Bundeswehr in Mali Zu Besuch in Gao: Verteidigungsministerin von der Leyen im Gespräch mit deutschen (o.) und malischen (u.) Soldaten. Zur Ausrüstung vor Ort zählen auch Fahrzeuge vom Typ Dingo (Mitte). Flüchtlingskrise im Fokus Politiker, Journalisten und Experten diskutieren an der BAKS über Migration. Berlin. Die Flüchtlingskrise und die Vereinbarung zwischen der Europäischen Union und der Türkei über die Rücknahme von Flüchtlingen in der Ägäis – diese Themen standen im Mittelpunkt des ersten Medientages der Bundesakademie für Sicherheitspoltik (BAKS) am 4. April in Berlin. Die Bundesakademie hatte Journalistinnen und Journalisten eingeladen, sich aus erster Hand über sicherheitspolitische Fragen zu informieren. Dazu hatte die BAKS erfahrene Politiker und Experten aufgeboten, die den Medienvertretern Rede und Antwort standen. „Brüssels Türkei-Deal ist eine Hochrisikoinvestition“, sagte Günter Verheugen. Der ehemalige EU-Integrationskommissar und Honorarprofessor für Europäisches Regieren an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder hält die Vereinbarung zwischen der EU und Ankara für einen „Rettungsanker“, an dessen Wirksamkeit er gleichwohl zweifelt. Gunnar Köhne, der als freier TV-Journalist in Istanbul tätig ist, berichtete über die Flüchtlingssituation in der Ägäis und im türkisch-syrischen Grenzgebiet. Er erinnerte daran, dass die eher arme Grenzregion im Süden der Türkei allein 2,5 Millionen Flüchtlinge aufgenommen habe. Die Nachbarstaaten Syriens humanitär besser zu unterstützen, forderte die Sprecherin der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen für Sicherheitspolitik und Abrüstung, Agnieszka Brugger. Gerade die oft prekären Zustände in den Flüchtlingslagern in den Nachbarländern seien es, die die Menschen zur Flucht nach Europa veranlassten. Stephan Mayer, der Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Innenausschuss begrüßte die Strategie von Bundeskanzlerin Angela Merkel, eine europäische Lösung der Flüchtlingsproblematik anzustreben. „Wir können uns den Verhandlungspartner nicht aus- suchen“, sagte er mit Blick auf die Kritik an der europäisch- türkischen Flüchtlingsvereinbarung. „Fachkundige Journalisten mit hilfreichen Informationen versorgen“ – so hatte zuvor der Präsident der BAKS, Karl-Heinz Kamp, das Ziel des Medientages an der Bundesakademie beschrieben. Rund 20 Vertreter von Printund Onlinemedien sowie von Hörfunk und Fernsehen waren seiner Einladung gefolgt. Die Veranstaltung fortgesetzt werden. (eb) 11. April 2016 Foto: picture alliance/Ulrich Baumgarten POLITIK / HINTERGRUND Foto: picture alliance/Egon Steiner aktuell Foto: EPA/FILIP SINGER 4 25 Jahre nach der Wende (l.): Hans-Dietrich Genscher im Jahr 2014 vor der deutschen Botschaft in Prag. 1989 hatte er dort DDR-Flüchtlingen verkündet, dass sie nach Westdeutschland ausreisen dürften. Im Bundestag: Genscher während einer Debatte im Jahr 1978 (Mitte) und mit dem damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl im Jahr 1983 (r.). Der Liberale Hans-Dietrich Genscher prägte 18 Jahre lang als Bundesaußenminister die Politik – ein Nachruf. Genscher wurde am 21. März 1927 in Reideburg bei Halle an der Saale geboren. Sein Vater starb, als der Junge zehn Jahre alt war. Das Ende des Weltkriegs erlebte Genscher als Reichswehrsoldat. Die Kriegserfahrung ließ ihn zu einem überzeugten Pazifisten werden. Die ersten Jahre unter dem kommunistischen Regime in der DDR, in denen er in Wittenberg und Leipzig Jura studierte, machten ihn zum Liberalen. Nach der Übersiedlung aus Halle nach Bremen mit seiner Mutter im Jahre 1952 landete er folgerichtig in der FDP. In der öffentlichen Wahrnehmung war Genscher weniger Parteipolitiker denn Regierungsmitglied. Dabei war ihm seine FDP ebenso Herzenssache wie das Staatsamt. Bis zu seinem Tode bleibt Genscher Foto: pa/dpa Unvergessen bleibt sein Auftritt auf dem Balkon der deutschen Botschaft in Prag am 30. September 1989, als seine Ankündigung von der bevorstehenden Ausreise im Jubel der dort ausharrenden DDR-Bürger unterging. Für Genscher, dem Herzenssache: Genscher und die FDP der heimliche Vorsitzende der FDP. Keiner seiner Nachfolger kommt ohne den Segen des Altvaters aus. Telefonate oder gar Treffen mit ihm werden genau registriert und gelten als Maßstab für die Erfolgsaussichten des jeweiligen Thronprätendenten. Zu den unverrückbaren Stationen im Leben Genschers gehören das Attentat palästinensischer Terroristen auf die Olympischen Spiele in München 1972 und das Ende der sozial-liberalen Koalition unter dem SPD-Kanzler Helmut Schmidt im Herbst 1982. Der von ihm und Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff initiierte Koalitionsbruch, der den CDU-Kanzler Helmut Kohl ins Amt brachte, kostete Genscher einen großen Teil seiner Reputation und die Hälfte seiner Parteimitglieder. Genscher blieb jedoch im Amt und wurde zum rastlosen Weltreisenden in Sachen Ost-West-Entspannung. Das trug ihm neben viel Anerkennung auch den Spott ein, bei Transatlantikflügen sei er sich schon selbst begegnet. Genscher, der bei öffentlichen Auftritten gern Understatement und Selbstironie pflegte, nahm derlei Sottisen als Kompliment. Sein Meister- stück lieferte Genscher bei den Zwei-plus-Vier-Verhandlungen, die im September 1990 zum Vertrag über die endgültige Souveränität des wiedervereinigten Deutschlands führten. Auch wenn dies im Gesamtkontext kaum wahrgenommen wurde, so war doch das Militär für Genscher ein zentrales Mittel der Außenpolitik. Mit der Zusicherung, dass es keine NATO-Einheiten auf dem Gebiet der ehemaligen DDR geben werde, setzte Genscher bei den Zwei-plus-Vier-Verhandlungen das Ziel des Westens durch, dass das vereinigte Deutschland Mitglied der NATO bleiben könne. Verbundenheit mit Soldaten Genschers Politik schuf auch die Grundlage für die späteren Auslandseinsätze der Bundeswehr. Am deutlichsten sichtbar wurde dies auf dem Balkan. 1991 war Genscher die treibende Kraft für die Anerkennung Kroatiens und Sloweniens, die sich vom damaligen Jugoslawien losgesagt hatten. Der Zerfall Jugoslawiens und der daraus resultierende Bürgerkrieg in Bosnien-Herzegowina führten zum ersten bewaffneten Engagement der Bundeswehr. Seine Verbundenheit mit den Soldaten zeigte Genscher auch nach seinem Ausscheiden aus dem Ministeramt. Auf der Kommandeurtagung in Hannover 2002 bespielweise bekannte sich Genscher zur Wehrpflicht und zu einer angemessenen Ausstattung der Bundeswehr: „Was man meint, nicht bezahlen zu können, das darf man seinen Soldaten auch nicht zumuten.“ Noch im Oktober 2014 meinte Genscher mit Blick auf mangelnde Einsatzbereitschaft vieler Gerätschaften, es wäre „hilfreich, wenn die Flugzeuge auch wirklich fliegen können“. Eine Anmerkung in typischer Genscher-Ironie. Am Sonntag wird Genscher mit einem Staatsakt in Bonn geehrt. Dann wird man zurecht sagen: Er hat sich um dieses Land verdient gemacht. Der Autor Peter Blechschmidt war jahrelang leitender Redakteur der Süddeutschen Zeitung in München und in Berlin. Im Jahr 2013 war er Sprecher der FDP. Foto: picture alliance/AP Photo Unvergessen: Der Balkon in Prag Gegner oft Prinzipienlosigkeit und Doppelzüngigkeit vorwarfen, war der feste Glaube an die Wiedervereinigung eine Konstante seines Denkens und Handelns. Foto: pa/dpa Als Außenminister und Vizekanzler trat Hans-Dietrich Genscher im Mai 1992 zurück. Eine Institution ist er Zeit seines Lebens geblieben. Am 31. März ist Hans-Dietrich Genscher kurz nach seinem 89. Geburtstag in Bonn gestorben. 18 Jahre lang war Genscher Außenminister, zuvor fünf Jahre lang Innenminister. Neben Kanzlern wie Konrad Adenauer, Willy Brandt und Helmut Kohl hat er die deutsche Nachkriegsgeschichte geprägt. Der „Mann mit dem gelben Pullunder“, der von 1974 bis 1985 auch Vorsitzender der damaligen Regierungspartei FDP war, hatte entscheidenden Anteil am Zustandekommen der deutschen Einheit. Er empfand sie als Krönung seines Lebenswerks. 1976: FDP-Mann Genscher (r.) mit Helmut Kohl (CDU) und 1987: Genscher begrüßt DDR-Staatsoberhaupt 1988: Genscher mit US-Präsident Ronald Reagan Willy Brandt (SPD) nach der Bundestagswahl im Fernsehstudio. Erich Honecker (l.) in Bad Godesberg. im Oval Office im Weißen Haus. 11. April 2016 EINSATZ / BUNDESWEHR aktuell 5 Bereit für den Aufwuchs Der erste deutsche Kontingentführer bei MINUSMA im aktuell-Interview Wie ist die aktuelle Lage im Kontingent in Gao? Wir haben aktuell etwa 220 deutsche Soldaten in Gao, die den Schutz des Lagers und des Umfelds, die komplette sanitäts dienstliche Unterstützung sowie die Führungs und Einsatzunter stützung des Kontingentes wahr nehmen. Sie treiben den Aus bau des Lagers weiter voran und stellen so den weiteren Aufwuchs des Kontingents – insbesondere die Aufnahme der Aufklärungs kompanie für den Kernauftrag – sicher. Im April sollen weitere Unterstützungskräfte und der LUNAZug (Luftgestützte unbe mannte Nahaufklärungsausstat tung) der Aufklärungskompanie dazu stoßen. Weitere Fähigkeiten der Aufklärungskompanie wer den folgen, sodass wir die nie derländischen Aufklärungskräfte Anfang Juni ablösen können. Welche Eindrücke haben Sie nach zwei Monaten Einsatz von Mali gewinnen können? Es sind so viele Eindrücke, dass es schwer fällt, sie in wenige Worte zu fassen. Ich erlebe Soldaten, die mit Herzblut, Begeisterung und guter Laune – auch bei über 50 Grad – ihre Leistung bringen. Dies reicht vom Sicherungssoldaten auf Patrouille über die Pioniere beim Befüllen von Sandsäcken bis zu unseren Führungsunterstützern. Ich sehe eine Bevölkerung, die uns trotz großer Armut mit Gast freundschaft begrüßt. Ich darf eine internationale Kooperation erle ben, in der man tagtäglich mitei nander und nicht nebeneinander arbeitet. Alles wird geteilt: Auf träge, Werkzeuge, auch Zigaretten und Kaffee. Ich erlebe dabei auch eine Vielzahl von Heraus forderungen, „Baustellen“ und scheinbar unüberwindbaren Hür den. Aber irgendwie kriegen es meine Frauen und Männer mit Improvisationstalent, Ideenreich tum und viel harter Arbeit fast immer hin. Das Kontingent arbeitet eng mit den niederländischen Kameraden zusammen. Wie funktioniert diese Zusammenarbeit? Eine solch enge und gewinn bringende Kooperation habe ich bisher noch nicht erlebt. Unsere Kräfte und Fähigkeiten sind mittlerweile so eng inein ander verwoben, dass man sich die passenden Kräfte, Verfahren und Ausrüstungen für den jewei ligen Auftrag auswählt und dann entsprechend einsetzt. Ich glaube, dass beide Seiten sehr viel vonei nander lernen. Aktuell wechselt das niederländische Kontingent. Die herzliche Verabschiedung sowie die unzähligen kleinen Andenken und Geschenke, die untereinander ausgetauscht wer den, sprechen Bände. Es ist eine echte Freundschaft entstanden, die weit über den eigentlichen Auftrag hinausgeht. Dies ist der erste Einsatz in dieser Größe unter dem Mandat der Vereinten Nationen. Gibt es Unterschiede zu anderen Einsätzen? Die Unterschiede, zum Beispiel zu den durch die NATO geführten Missionen, an denen ich bisher teilgenommen habe, sind wirklich groß. Die an MINUSMA betei ligten Nationen haben wenige standardisierte, einheitliche Verfahren. So redet man schein bar vom Selben, erlebt aber in der Umsetzung etwas völlig anderes. Wobei die Kommunikation oft mals ein Problem ist, da viele der Kräfte kein oder nur schlechtes Englisch sprechen. Auch die büro kratischen Hürden innerhalb der UN sind gewöhnungsbedürftig. Es gibt Vordrucke und Listen für scheinbar alles, aber man muss genau das richtige Formu lar benutzen, sonst verlangsamt sich der Bearbeitungsprozess. Auf der anderen Seite ist natürlich die Vielfalt der beteiligten Nationen einfach einmalig. Wie wirken sich die kulturellen Unterschiede im Vergleich aus? Fehlende Infrastruktur und auch die eigene Mentalität der Bevölkerung wirken sich tag täglich auf das Kontingent aus. So mussten wir uns in den ers ten Wochen insbesondere daran gewöhnen, alles mit einer Portion „afrikanischer Gelassenheit“ zu betrachten, denn es kommt immer wieder vor, dass scheinbar einge Foto: Bundeswehr/PAO DEU EinsKtgt MINUSMA (5) Gao. Oberstleutnant Marc Vogt ist der erste deutsche Kontingent führer bei MINUSMA. Nach zwei Monaten in Mali spricht er im Interview über bisher gesam melte Erfahrungen, die Unter schiede zu anderen Einsätzen und über die besondere Form der Zusammenarbeit mit den nieder ländischen Kameraden im Camp Castor in Gao. Eindrücke aus Mali: Die Objektschutzkräfte der Luftwaffe sind Teil der derzeit etwa 220 deutschen Soldaten in Mali. Der Kontingentführer Oberstleutnant Marc Vogt (mitte l.) und seine Kameraden leisten Pionierarbeit – der Aufwuchs der deutschen Teile auf 650 Soldaten muss vorbereitet werden. spielte Verfahren, wie der Trans port von Material, nicht funktio nieren, weil etwa Uhrzeiten oder Ankunftspunkte nicht eingehalten werden. Genau diese Pionierar beit macht aber auch den Reiz dieses ersten Kontingents aus. So anspruchsvoll oder auch das eine oder andere Mal frustrie rend dies sein mag, so belohnend ist es, wenn man ein Zwischen ziel erreicht hat. Meine Männer und Frauen können wöchentlich spürbar erkennen, welche Fort schritte wir gemeinsam erreicht haben. Nach zwei Monaten kön nen wir mit Stolz auf das blicken, was wir erreicht haben. Das Interview führte PAO DEU EinsKtgt MINUSMA. Auftrag der Bundeswehr bei MINUSMA Am 28. Januar 2016 wurde durch den deutschen Bundestag eine Ausweitung des Einsatzmandates „Mission multidimensionnelle integrée des Nations Unies pour la stabilisation au Mali“, kurz MINUSMA, beschlossen. Aus dem neuen Mandat ergeben sich für die Bundeswehr folgende Aufgaben: • Wahrnehmung von Führungs-, Verbindungs-, Beobachtungs- und Beratungsaufgaben • Wahrnehmung von Schutz- und Unterstützungsaufgaben, auch zur Unterstützung von Personal in den EU-Missionen in Mali • Aufklärung und Beitrag zum Gesamtlagebild • Beitrag zur zivil-militärischen Zusammenarbeit • Lufttransport in das Einsatzgebiet und innerhalb des Einsatzgebietes von MINUSMA sowie Unterstützung bei der Verlegung und der Folgeversorgung von Kräften von MINUSMA • Einsatzunterstützung durch gegebenenfalls temporär bereitgestellte Luftbetankungsfähigkeit für französische Kräfte 6 aktuell BUNDESWEHR aktuell 7 Sprung auf die Höhenrippe Damit Infanterie im Ernstfall erfolgreich operieren kann, muss sie ausgiebig üben. Taktik ist besonders wichtig. Ein Besuch auf dem Truppenübungsplatz. Oberlausitz. Der Truppen übungsplatz Oberlausitz. In einer Blockhütte haben sich zwei Dut zend Soldaten der fünften Kom panie des Fallschirmjäger regiments 31 versammelt. Am Sandkasten erläutert Zugführer Hauptfeldwebel Micha F. den Auftrag. Der CharlieZug soll ein Übungsdorf auf einer Anhöhe hinter zwei Höhenrippen ein nehmen. An der linken Grenze zieht sich Wald hin, rechts eine hügelige Heidelandschaft. Zwi schenziel ist ein Ruinendorf. Den Angriff trainieren Für den Auftrag stehen zwei Gruppen zur Verfügung. Die Soldaten haben zwei MG 3 dabei, davon eines auf Lafette, sowie ein leichtes MG 4. Außer dem unterstützt ein Team mit der GMW, einer 40Millimeter Granatmaschinenwaffe. Beson derheit im Übungsablauf: Die Fallschirmjäger laden Gefechts munition. Dementsprechend gelten höchste Sicherheits standards. Jeder einzelne Soldat soll heute beweisen, dass er Tak tik und Waffe beherrscht. Das gilt besonders für drei junge Por tepees, die ihre Führungserfah rung beim Infanterieangriff ver tiefen sollen. Hauptfeldwebel F. hat Erfahrung. Er führt diesen Zug erst seit einigen Wochen. Aber nach harten Gefechten in Afghanistan und längerer Ver wendung im Fallschirmspezial zug weiß der 39Jährige, worauf es ankommt. „Ich will, dass wir enger zusammenwachsen. Eine richtige Einheit werden“, sagt er und lässt abrücken. Wenige Meter in endlosen Minuten Beim Vorgehen in Waldkampf formation bilden die Gruppen ein „T“. „Wir machen uns vorne breit“, erklärt F. und untermalt das mit einer ausholenden Arm bewegung. „Das ist mit nur zwei Gruppen die beste Lösung.“ Den Flankenschutz beim verminderten Zug übernehmen einzelne Soldaten, die als Sicherungs elemente etwas voraus und abseits vorgehen. Der Zugführer bleibt mit seinem Melder direkt hinter dem „breiten Element“. Leise rückt der Zug in der befohlenen Formation vor. Um möglichst spät gesehen zu werden, wählt Hauptfeldwebel F. die Annäherung durch ein dichtes Waldstück. Nahe den Ruinen lässt er eine Sicherungs gruppe mit MG zurück. Eine andere Gruppe arbeitet sich derweil an die ersten Häuser heran. Für wenige Meter benö tigen die Fallschirmjäger end lose Minuten. Unter Beobachtung „Das hier ist kein Spiel“, sagt der Zugführer später. „Beim Herangehen an eine feindbesetzte Ortschaft werde ich vermutlich Gefechtsschießen: Fallschirmjäger in Stellung. Im Hintergrund ist ein Präzisionsschütze mit Gewehr G3 und Zielfernrohr zu sehen. beobachtet. Daran orientiert sich unsere Vorgehensweise.“ Um derart zerklüftetes Terrain zu gewinnen ohne sich zu exponie ren, bleibt nur das Gleiten durch den vereisten Matsch. Trotz der Kälte rinnt der Schweiß bei allen in Strömen. Endlich haben die Männer das Dorf gewonnen. Zügig sichern sie die Gebäude und beziehen Stellung am Orts rand mit Blick zu dem Höhen zug, der nun genommen wer den muss. Bislang ist noch kein Schuss gefallen. Aber die Fallschirm jäger haben ihre Waffen kaum in Stellung gebracht, da klappen die ersten Scheiben hoch. Schüt zenreihe auf Schützenreihe schickt der Gegner und Schüt zenpanzer dazu – Gegenstoß. Mit der ganzen Feuerkraft des Zuges werden die erkannten Gegner bekämpft. Granatmaschinenwaffe gegen Schützenpanzer Lange Feuerstöße rattern aus dem lafettierten Maschinen gewehr, die Leuchtspur verrät die Trefferlage. Mit einem dumpfen „Flump“ verlassen 40Millime terGranaten das Rohr der GMW. Rote Wölkchen zeigen an, wo die Granaten einschlagen. Es sind etli che Lagen nötig, bevor die feind lichen Schützenpanzer vernichtet sind. Vermutlich ein paar zu viel. Im Gesicht von Hauptfeldwebel F. arbeitet es. Zwischen das Schüt zenfeuer mischt sich das Einzel feuer eines G3 mit Zielfernrohr, das zum Niederkämpfen entfern ter Ziele dient. Schließlich lässt der Zugführer stopfen. Der Gegenstoß ist abge wehrt, der Waffenmix des Zuges hat sich bewährt. Verpflegung trifft ein. Hauptfeldwebel F. serviert seinen Gruppenführern die erste Auswertung gleich zum Schnitzel dazu. Geradeaus in der Sache, aber fair im Ton. „Schneller muss das gehen, ent schlossener“, fasst er zusammen. Nach einer kurzen Verschnauf pause und nachdem die Munitions vorräte ergänzt wurden, rücken die Männer wieder vor. Das Schema bleibt dasselbe: Die Sicherungsgruppe behält die Hügelkette im Auge, das Sturm element flankiert den Gegner und rückt in zwei Gruppen Befehlsausgabe am Sandkasten (o.l.). Der Zugführer weist dem Gruppenführer den Raum zu (o.r.). Aufklärungsergebnis auf dem Display (u.l.). MG in Stellung (u.r.). unter Feuerschutz vor. Als die Höhe genommen ist, zieht die sichernde Gruppe nach. Diesmal geht alles schon etwas flüssiger. Aber der Zugführer ist keines wegs zufrieden. „Zu langsam, zu zögerlich“, urteilt er später. „Da fehlt es noch an taktischem Ver ständnis und Bewegung.“ Aber er scheint den Fall nicht für aus sichtslos zu halten. In Stoßtrupps gegliedert Vor dem finalen Sprung zum Dorf auf der letzten Höhe lassen die Fallschirmjäger eine Drohne aufsteigen. Leise sur rend hebt die Mikado aus einer Bodensenke ab und schwirrt zum Übungsdorf hinüber. In verbliebenen „Pappkameraden“ mit kurzen Feuerstößen und Handgranaten nieder. Der Auftrag ist erfüllt. Haupt feldwebel F. lässt die Waffen sichern und seinen Zug zur Aus gangsstellung zurückkehren. Schon unterwegs wertet er die Übung mit Unteroffizierskame raden aus. „Manches läuft schon ganz gut, an manchem müssen wir noch arbeiten“, sagt er zwischen durch. „Aber als Zugführer ist man sowieso nie ganz zufrieden.“ Dem MGSchützen, der kurz vor Schluss eine entscheidende Sperre des Gegners geschickt unter Feuer gehalten hatte, lässt er die Hand auf die Schulter sausen. „Hast du gut gemacht“, sagt er zu dem Stabsgefreiten. Mehr muss nicht gesagt werden. Granatmaschinenwaffe Aufklärungsdrohne Mikado Mit der Granatmaschinenwaffe (GMW) verfügt die Bundes wehr über eine automatische Unterstützungswaffe im Kaliber 40 Millimeter. Das System ist bis etwa 1500 Meter gegen ungepanzerte und leicht gepanzerte Ziele wirksam. Gezieltes Einzelfeuer und kurze Feuerstöße sind möglich. Die Munition wird dabei über Gurte zugeführt. Mit beinahe 30 Kilogramm ist die Granatmaschinenwaffe nicht eben ein Leichtgewicht. Im infanteristischen Ein satz wird sie in der Regel vom Dreibein aus eingesetzt. Drei Mann sind für die Bedienung und den Transport erforderlich. Das Waffensystem kann auch auf Fahrzeuge montiert werden. Die Granatmaschinenwaffe verbindet eine relativ große Reichweite mit einer beträchtlichen Splitterwirkung. Aufklärung ist das A und O. Zu den modernen Sensoren der Aufklärer zählt auch ein kleiner Quadrokopter mit dem etwas sperrigen Namen „MikroAufklärungsdrohne im Ortsbereich“, kurz Mikado. Für eine möglichst unbemerkte Annäherung ist der filigrane VierRotorHubschrauber mit einem geräuscharmen Elektroantrieb ausgestattet. Bei bis zu 30 Minuten Flugzeit liefert Mikado schnell und in Echtzeit detaillierte Aufklärungsbilder. Die Reichweite des Systems beträgt etwa 500 Meter. Die geringen Abmessungen und das Gewicht von wenig mehr als einem Kilogramm machen den Einsatz unkompliziert. Damit ist das „kleine Auge des Heeres“ imstande, gegnerische Fahrzeuge, Personen und Sperren zielgenau aufzuspüren und so Gefahren für die eigene Truppe zu reduzieren. Fotos: Vennemann/Bundeswehr (8) Von Markus Tiedke Fotos Carsten Vennemann Angriff im scharfen Schuss: Der Fallschirmjäger-Zugführer führt seine Soldaten in die Ausgangsstellungen. 8 aktuell BUNDESWEHR 11. April 2016 Aus Singapur in die Oberlausitz Singapurische Streitkräfte üben mit deutschem Panzerbataillon – und schätzen die Weiten des Übungsplatzes. Oberlausitz. Im Kontrollraum der Schießbahn 2 auf dem Truppenübungsplatz Oberlausitz knarzen die Lautsprecher. Ein Soldat aus Singapur gibt über Funk Kommandos auf Eng lisch. Angestrengt schauen singapurische und deutsche Soldaten mit ihren Ferngläsern vom betonierten Vorplatz aus ins weite, freie Gelände. Moto ren röhren aus der Ferne. Meh rere Panzer tauchen hinter gro ßen Bäumen am Horizont auf und wühlen sich durch den san digen Boden der Lausitz. Der erste Schuß donnert. Soldaten des Panzerlehrbatail lons 93 aus dem niedersächsischen Munster und der Armee der Repu blik Singapur haben in der vergan genen Woche gemeinsam auf dem sächsischen Truppenübungsplatz Oberlausitz geübt. Der Übungsplatz: Fast so groß wie Singapur Mit vier deutschen Kampf panzern des Typs Leopard 2 A 6 M und neun Panzern des Typs Leo pard 2 A 4 SGP trainierten die deutschen und singapurischen Truppen gemeinsam auf der Schießbahn: „Wir wollen zusam men mit den Kameraden aus Asien unsere Fertigkeiten verbes sern“, sagt Oberstleutnant David Markus, Kommandeur des Pan zerlehrbataillons 93. Für den Partner aus Südost asien gibt es einen weiteren Vor teil: Der Stadtstaat Singapur ist nur rund viermal so groß wie der Truppenübungsplatz Oberlausitz. „Der große Vorteil für uns hier in Deutschland und besonders in der Oberlausitz ist, dass wir unter sehr realistischen Bedingungen trainieren können. Interesse an der deutschen Ausbildung „Anders als zu Hause ist das Gelände hier sehr offen und die PanzerCrews müssen ohne eine Fahrspur navigieren. Außerdem können wir zu Hause nur Ziele in 800 Meter Entfernung anvi sieren, hier trainieren wir mit Zielen, die fünfmal so weit ent fernt sind“, sagt Oberstleutnant Cai Dexian, Kommandeur des Bataillons 48 der Armee der Republik Singapur. Seit Anfang April sind 35 Sol daten aus dem niedersächsischen Munster in der Oberlausitz, um die singapurischen Streitkräfte bei ihrer Übung zu unterstützen. Mit einem Panzerzug demonst rierten sie gemeinsam mit den Partnern aus Asien in einem finalen Gefechtsschießen das Zusammenspiel unterschiedli cher Nationen in einer Übung. Rund 500 Soldaten der Streit kräfte der Republik Singapur sind noch bis zum 29. April auf dem Übungsplatz. Die Truppe aus Singapur übt bereits zum Fotos: Riedel/Bundeswehr (3) Von Cornelia Riedel Die Lage gemeinsam im Blick: ein deutscher und ein singapurischer Soldat auf dem Übungsplatz (o.). In der Ferne röhren die Leopard-Kampfpanzer (l.). Zum Abschied: Tausch der Ärmelabzeichen (r.). achten Mal in Deutschland. Für Oberstleutnant David Markus, Kommandeur des Panzerlehr bataillons 93, sind vor allem die internationalen Elemente der Ausbildung entscheidend: „Die Singapurer sind sehr interessiert daran, wie wir unsere Panzer besatzungen ausbilden. Für uns hingegen sind die Erfahrungen wichtig, die wir beim Schießen und der Zusammenarbeit im eng lischsprachigen Umfeld erlangen. Und was die Lockerheit anbe langt, da können wir uns durch aus was abgucken“, sagt Markus. Ärmelabzeichen zum Abschied Zum Ende der Übung stehen die deutsche und die singapuri sche Truppe für das Abschluss foto vor ihren Panzern und tau schen Ärmelabzeichen und Erinnerungsgeschenke aus. „Wir haben die Gelegenheit, unsere militärischen Kenntnisse aus zutauschen. Und ich persönlich fand es toll, die deutschen Sol daten zu treffen und kennenzu lernen“, sagt Hauptmann Vivian Lee, Kompaniechefin einer der Panzerkompanien des singapu rischen Bataillons. Die Kadetten der Panzer und Panzergrenadiertruppe aus dem Stadtstaat werden in den kommen den fünf Jahren jeweils im Früh jahr und im Herbst in die Lausitz reisen und dort im Schießen mit ihren Panzern ausgebildet. Gebirgsjäger greifen an Das Kämpfen in Höhen um 1000 Meter ist für die Soldaten aus Bad Reichenhall Standard. Brot. Für den Angriff hat Klaß seinen Zug in ein Sturm und ein Deckungselement aufge teilt, um das Prinzip von Feuer und Bewegung umzusetzen. Die eine Gruppe zwingt den Feind mit Gewehrfeuer in Deckung, die andere bricht in die Stellungen des Gegners ein. Foto: Dorow/Bundeswehr Bad Reichenhall. „Wer die Höhen beherrscht, beherrscht auch die Täler – ein alter Grund satz im Gebirgskampf“, erklärt Oberleutnant Michael Klaß, Zug führer des AlphaZuges in der 3. Kompanie des Gebirgsjäger bataillons 231. Feindliche Kräfte in Kompanie stärke besetzen im Raum Bad Reichenhall die Übergänge zum Pass Hallthurm und zum Schwarzbachsattel – so lautet die Übungsfeindlage an diesem Morgen. Der Zug des Oberleut nants ist für den Angriff vorn eingesetzt. Es folgen der Bravo und CharlieZug. Die angren zenden Höhen zu gewinnen, ist der Auftrag der 3. Kompanie mit dem Ziel, den Feind in der Flanke anzugreifen und nieder zukämpfen. Das Trainieren des Kampfes in mehr als 1000 Metern Höhe ist für die Gebirgsjäger tägliches Alpha-Zug greift an Bis die Gebirgsjäger den Feind angreifen können, gilt es, sich ungesehen anzunähern. Mit der Kommandoseilschaft – also zwei sich gegenseitig sichernde Berg steiger – erklimmen zuerst zwei Soldaten der Sturmgruppe 1 senkrecht die Felswand. „Beim militärischen Bergsteigen kommt es darauf an, die Wand sicher und schnell zu durchklettern“, so Klaß. Dafür werden Hilfsmittel wie Schlingen und Schnüre Mit dem MG 3 in die Hochalpen: bereit für das Deckungsfeuer. genutzt. Sobald der erste Soldat die Felskante erreicht hat, sucht er einen festen Standplatz, um den nachsteigenden Soldaten zu sichern. Er bringt das Seil auf Spannung – der zweite Soldat kann die Felswand so deutlich schneller hinaufklettern. Die übrige Sturmgruppe wird über einen Mannschaftszug nach oben gezogen. Sturm und Einbruch Die Deckungsgruppe nutzt zum Überwinden der Höhenmeter ein Seilgeländer. Ein Bautrupp befes tigt das Seil an Karabinern, die vorher in die Wand getrieben wurden. Gesichert und mit schwe ren Waffen ausgerüstet, erklimmt die Deckungsgruppe die Fels wand. Haben die Reichenhaller Gebirgsjäger die umliegenden Höhen erreicht, stehen alle Zei chen auf Angriff. „Alpha an alle: drei, zwei, eins – Hammer, Ham mer“, ruft Zugführer Klaß über Funk. Die Deckungsgruppe hält mit ihren Maschinengewehren den Feind nieder. Nebelkörper und Handgranaten der Sturm gruppe 1 fliegen in die Schlucht. Dann folgen die Seile. Die Gebirgsjäger stürmen die senk rechte Felswand hinab. Wieder festen Boden unter den Füßen, lösen sie sich von den Seilen und kämpfen den Feind nieder. Nach und nach folgen weitere Gebirgs jäger, bis der gesamte Zug in den feindlichen Stellungen ist. (klim) Der Beitrag „Gebirgs jäger“ unter www.youtube.com/ bundeswehr. 11. April 2016 ZOOM aktuell 9 Schulterdecker Im Gegensatz zum tief liegenden Höhenleitwerk sind die Flügel oben angebracht. Alpha Jet in der Luftnah unterstützungsvariante für die deutsche Luftwaffe von 1978 Tragfläche Gr afi k: Y/ C3 Vi sua lL ab Die Spannweite beträgt 9,1 Meter, die Flügelfläche 17,5 Quadratmeter. Gutmütig Dank seiner Langsamflugeigenschaften ist der bewegliche Alpha Jet mit Tandemsitzen auch ein gutes Schulungsflugzeug. Abmessungen In der Luftwaffenversion ist der Alpha Jet 12,5 Meter lang. Seine Höhe beträgt 4,2 Meter. Bugform Die deutsche Version hatte im Gegensatz zum französischen Jet eine spitze Nase. Triebwerk Zwei Mantelstromtriebwerke Snecma-Turbomeca Larzac liefern je 14,1 Kilonewton Schub. Mission Cazaux Ein deutscher Oberstleutnant schult in Frankreich auf dem von der Bundeswehr ausgemusterten Alpha Jet. Cazaux. „Heute können wir voraussichtlich nicht zur Range zum Schießen rausfliegen“, kündigt Oberstleutnant Sebastian Schmeling mit Blick auf den verhangenen Himmel über dem Fliegerhorst von Cazaux an. Gerade hat er seine drei Flugschüler, einen Franzosen und zwei Belgier, für einen Formationsflug gebrieft. Nichtsdestotrotz: „Kein Flug – die Wolkenuntergrenze ist zu niedrig und die Sicht zu schlecht.“ Der 40-Jährige bildet dort Piloten auf dem Alpha Jet aus. Das robuste Kampfflugzeug wurde bei der Bundeswehr nach 18 Dienstjahren im Jahr 1997 ausgemustert. In Frankreich wird es heute für die Schulung weiter eingesetzt. Schmeling ist der einzige Deutsche unter neun französischen, neun belgischen und einem italienischen Ausbilder auf dem Luftwaffenstützpunkt an der französischen Atlantikküste. Seine Dienststelle in der Heimat ist das Taktische Luftwaffengeschwader 33 in Büchel. Ein Jahr Taktikausbildung Die Taktikausbildung dauert bis zu einem Jahr. Die Schüler sind Franzosen und Belgier, derzeit 16 junge Männer. Sie sind zwischen 20 und 25 Jahre alt, je nachdem, ob sie direkt von der Schule kommen oder schon ein Studium hinter sich haben. „Das Fliegen muss bereits jeder beherrschen, der zu mir kommt“, sagt Schmeling. Jeder seiner Schüler hat zuvor in drei Ausbildungsphasen den Kunst-, Formations- und Tiefflug sowie den Flug an Instrumenten mit verschiedenen Schulflugzeugen erlernt. In Cazaux erlernen sie die taktischen Komponenten. Anderes Land, andere Regeln Laut Lehrplan sind täglich zwei Trainingsflüge von rund einer Stunde vorgesehen. „Ein deutlich schwierigeres Wettergebiet mit mehr Wind und Nebel als das Schönwetterland USA“, sagt Schmeling. Er wurde unter anderem auf der US-Basis Sheppard in Texas ausgebildet. „Schwieriger ist in Europa auch das Thema Luftraumstruktur. Die einzelnen Staaten konfrontieren die Piloten mit unterschiedlichen Luftraumstrukturen“, sagt Schmeling. Das ist in den USA einfacher: Dort gibt es nur eine Luftraumstruktur mit einheitlichen Richtlinien. Er fühlt sich wohl im milden Atlantikklima. Seine regulären dreieinhalb Jahre der Auslandsverwendung hat er gerade um ein weiteres Jahr verlängert. „Die Zusammenarbeit zwischen Nationen mit unterschiedlicher Mentalität ist nicht immer einfach“, räumt er ein. „Dennoch: Ich glaube an das Konzept einer gemeinsamen europäischen Ausbildung. Multinationales Handeln ist zeitgemäß. Ein Muss, um in der heutigen globalisierten Welt zu bestehen.“ Ein ausführlicher Artikel ist im Y-Magazin 4/16 zu lesen. Fotos: Armée de l‘Air (2), T.Paudeleux/Armée de l‘Air (2) Von Gabriele Vietze Ausbildung in Frankreich auf dem Alpha Jet: das Schulflugzeug auf der „Platte“ von Cazaux (o. l.) und über der Bucht von Arcachon (u. r.). Ein Fluglehrer prüft die Funktionen des Flugsimulators (u. l., o. r.). Der Alpha Jet: 18 Jahre bei der Bundeswehr im Dienst Die Geschichte des Alpha Jets beginnt als deutsch-französische Koproduktion in den 1970-er Jahren. Die Franzosen sind auf der Suche nach einem einfach zu fliegenden Schulungsflugzeug, die Luftwaffe will vor allem Ersatz für ihren betagten leichten Jagdbomber Fiat G.91. So produzieren die Hersteller Dassault aus Frankreich und das deutsche Unternehmen Dornier schließlich eine französische Version „E“ für École („Schule“) und eine Luftwaffen-Version „A“ für Appui („Unterstützung“) für die Luftnahunterstützung (Close Air Support, CAS). 1979 in Dienst gestellt, wird der Alpha Jet wegen seiner geringen Geschwindigkeit von „nur“ etwa 1000 Kilometern pro Stunde von Starfighter- und Tornadopiloten oft als „Lachtaube“ belächelt. Genau das ist aber auch seine Stärke: Bei der geringen Geschwindigkeit von nur etwa 220 Kilo- metern pro Stunde (120 Knoten) fliegt er noch sicher. Bis 1983 liefert Dornier insgesamt 175 Jets an die Luftwaffe. Bereits 1997 wird der Alpha Jet wieder ausgemustert. Grund hierfür sind vor allem die Abrüstungsvereinbarungen des Vertrages über Konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE-Vertrag) vom 19. November 1990 zur Reduzierung der Zahl der Kampfflugzeuge vom Atlantik bis zum Ural. Heute nutzen neben Frankreich unter anderem noch Belgien, Portugal, Marokko, Ägypten und Thailand das kleine bewegliche Schulflugzeug. Frankreich selbst erhielt 176 Maschinen. Die AlphaJet-Staffeln sind in Cazaux seit 1982 stationiert und bilden heute als frankobelgische Kooperation die Advanced Jet Training School. Insgesamt 36 Maschinen stehen derzeit für die Ausbildung französischer und belgischer Piloten bereit. 10 aktuell SPORT 11. April 2016 Vor dem Schießen: Stabsunteroffizier Richter bereitet ihren Bogen vor (o.). Beim Schießvorgang müssen Schütze und Bogen eine Einheit bilden (u.). Foto: Bruns/Bundeswehr (6) Harmonie trotz Konkurrenz: Oberfeldwebel Winter (o. l.) und Stabsunteroffizier Richter (o. r.) beim Training. Beide können sich noch für die Olympischen Spiele in Rio qualifizieren. Mit Pfeil und Bogen nach Rio Die Sportsoldaten Karina Winter und Elena Richter sind auf ihrem Weg zu Olympia Kameraden und Konkurrenten. Von Markus Theis Kienbaum. In der Sportförder gruppe und im Verein sind sie Kameraden und trainieren zusammen – doch in Hinblick auf die Olympischen Spiele sind sie zugleich Konkurrenten: Die Ber liner Bogenschützen Oberfeld webel Karina Winter und Stabs unteroffizier (FA) Elena Richter. Ob beide nach Rio fliegen oder womöglich nur eine von beiden, entscheidet sich erst im Juni beim Weltcup im türkischen Antalya. Wie gehen die beiden bis dahin mit diesem Spannungsverhältnis aus Kameradschaft und Konkur renz um? „Darüber machen wir uns zurzeit noch kaum Gendan ken, sondern bereiten uns erst mal auf den Weltcup im Juni vor“, erklärt Winter. „Dort wol len wir den Quotenplatz für den TeamWettbewerb holen. Falls das nicht klappt, muss eben jeder selbst versuchen, sich im Einzel wettbewerb zu qualifizieren.“ Die Chancen, als Team nach Rio zu fliegen, stehen allerdings gut. Schließlich hat sich die deut sche BogenMannschaft in den letzten Jahren fest in den Top 10 der Weltrangliste etabliert. Schon seit der Steinzeit wird der Bogen von Menschen ver wendet, zunächst für die Jagd, später dann auch als Kriegswaffe. Doch mit den Bögen vergange ner Zeiten haben die modernen Sportbögen bis auf die Grund form kaum mehr etwas gemein. Bogen aus Hightech statt Holz Der Werkstoff Holz findet sich nur noch selten, es dominieren Leichtmetall und Verbundwerk stoffe. Dafür sticht ein langer Stab mit einer Yförmigen Verzweigung am Griff des Bogens ins Auge. Diese Stabilisatoren dämpfen die Schwingungen des Bogens und erhöhen somit die Treff sicherheit. Auch wenn bei den Streitkräften die Feuerwaffen den Bogen schon vor Jahrhunderten ver drängt haben, gibt es doch einige Gemeinsamkeiten beim Schießen. Dies gilt zum Beispiel für die Atemtechnik und die Ruhe beim Schuss. „Trotz aller Unter schiede merken wir auf Lehr gängen, dass uns das Schießen mit Schusswaffen leichter fällt als anderen“, bestätigt Richter. Dabei muss man nicht grund sätzlich ein ruhiger Typ sein, um als Schütze in der Weltspitze mithalten zu können. Winter, die sich selbst als eher „hibbelig“ charakterisiert, ist dafür ein gutes Beispiel. Viel mehr kommt es darauf an, im entscheidenden Moment voll kommen ruhig zu sein – und diese Art der Disziplin und Fokussierung lässt sich trainie ren. „Die mentale Verfassung ist in unserem Sport wirklich sehr wichtig“, betont Richter. Daher nimmt sich jeder Schütze viel Zeit, um alles so einzu stellen und einzuüben, dass Sehne Pfeil Visier Schiene mit Skala zur Justierung des Visiers Stabilisatoren mit Gewichten Bogen aus Leichtmetall- und Verbundwerkstoff die Einheit aus Schütze und Bogen optimal harmoniert. „Bogenschießen ist ein ästheti scher und eleganter Sport, bei dem viel davon abhängt, dass man mit sich selbst im Reinen ist“, fügt Kamerad Winter hinzu. Weltspitze dank Sportförderung Dank der Sportförderung der Bundeswehr konnten sich beide kontinuierlich bis an die Welt spitze ihrer Disziplin vorarbeiten. Solche Fördermöglichkeiten sind gerade in den Sportarten wichtig, bei denen Sponsoren sich eher zurückhalten. Beide haben sich bewusst für die Bundes wehr entschieden, weil deren Kon zept flexibler sei als das ande rer staatlicher Institutionen. Zwar müsse man Jahr für Jahr Leistungen auf internationalem Niveau erbringen, damit das Dienstverhältnis verlängert werden könne, aber umgekehrt stehe es einem auch selbst frei, einen anderen Weg einzu schlagen. Sport – gleich wel cher Art – könne wesentlich zur Entwicklung der Persönlichkeit beitragen, ist die Grundschul pädagogin Winter überzeugt. Sie und Kamerad Richter wünschen sich aber natürlich, dass Bogen schießen im Zuge der Olympi schen Spiele populärer wird. 11. April 2016 SOZIALES / PERSONAL aktuell 11 Politische Bildung im Vorbeigehen Eine Plakataustellung informiert Soldaten über die Flüchtlingskrise und ihre Hintergründe. Aus diesem Grund hat Relja Richert jetzt im Treppenaufgang des Kompaniegebäudes die aktuelle Plakatausstellung „Flüchtlinge in Europa. Ursachen, Hintergründe, Herausforderungen“ des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr aufgehängt: „Ich habe im Intranet etwas darüber gelesen und spontan Material beantragt.“ Die Ausstellung umfasst zwölf Bildtafeln. Zahlen, Daten, Fakten. Begleitend dazu hält die Kompaniechefin Unterricht ab. Das habe sie auch nach den Anschlägen im vergangenen Herbst in Paris so gehandhabt, sagt die 32-Jährige. Gerade für Soldaten sei es wichtig, sich intensiv mit diesen Themen auseinanderzusetzen. Foto: Twardy/Bundeswehr Eindrücke, die man nicht mehr vergisst „An manchen Tagen sind bis zu 1200 Menschen bei uns angekommen“, erzählt Oberleutnant René Nehls. Der 25-Jährige ist in seiner Einheit verantwortlich für die Flüchtlingshilfe. Die Eindrücke vor Ort wird er nicht mehr vergessen: „Man fragt sich, wie man sich selbst in dieser Situation fühlen würde.“ Die Gefühle, die ganz persönlichen Geschichten und Schicksale, die jeder Flüchtling mitbringt, sind nicht auf den zwölf Foto: Wald/Bundeswehr Ursachen und Herausforderungen Foto: Schmidt/Bundeswehr Hannover. Flucht und Vertreibung. Worte wie aus einer anderen Zeit. „Dennoch gehören sie heute zu unserem Alltag“, sagt Hauptmann Relja Richert. Die 32-Jährige ist Kompaniechefin der dritten Kompanie des Feldjägerregiments 2 in Hannover. Sie und ihre Kameraden waren von November 2015 bis März 2016 in der Flüchtlingshilfe auf dem Bahnhof in Laatzen in der Region Hannover eingesetzt. „Wer sich mit der Flüchtlingsthematik auseinandersetzt, kommt auch an unserer eigenen Geschichte nicht vorbei“, sagt Hauptmann Richert. Jeder solle sich nur einmal in seiner eigenen Familie umschauen. „Meine musste beispielsweise aus Oberschlesien fliehen“, sagt Richert. Aus dieser Verpflichtung heraus wurde der Artikel 16a des Grundgesetzes installiert, der Menschen in Not Asyl gewärt. Die Welt ist inzwischen modern und vor allem digital geworden, aber die Bilder von damals und heute ähneln sich. Eine erschreckende Erkenntnis für jeden Betrachter. Denn der Ausdruck in den Gesichtern der Menschen, die ihre Heimat verlassen mussten, bleibt stets derselbe: Erschöpfung gepaart mit Dankbarkeit. Foto: Döpke/Bundeswehr Von Colla Schmitz Angekommen in Deutschland: Hunderte Flüchtlinge erreichten in den vergangenen Monaten Deutschland – Tag für Tag. Derzeit sind rund 3000 Soldaten in die Flüchtlingshilfe eingebunden (r. o.). Die Plakatausstellung (l. u.) informiert über Hintergründe der Flüchtlingskrise. Infotafeln abgedruckt. „Aber sie werden in irgendeiner Form erzählt werden, wenn die Sol- daten an den Plakaten vorbei gehen“, davon ist die Kompaniechefin überzeugt. Für Relja Richert ist das eine gelungene Form der Information und die schönste Form des Flurfunks. Als Feldjäger auf hoher See Hannover. „Feldjäger oder gar nicht.“ Eine klare Ansage. Oberfeldwebel Sascha Lang macht aus seiner Begeisterung für die Kameraden mit der orangen Litze kein Geheimnis. Berufssoldat möchte der 26-Jährige werden. Aber eben nur hier. Ihm gefalle einfach, dass dort kein Tag wie der andere sei, gibt Lang unumwunden zu. Das fange beim Realauftrag im Inland an und höre bei den unterschiedlichen Sonderqualifikationen wie beispielsweise dem Personenschutz oder den Ermittlungstätigkeiten noch lange nicht auf. „Wir sind“, so der Oberfeldwebel, „für die Bundeswehr weltweit als vielseitiger Dienstleister unterwegs.“ Und ein ausgesprochen flexibler noch dazu. Erst vor wenigen Wochen ist er von seinem Einsatz auf dem Einsatzgruppenversorger (EGV) „Berlin“ nach Hannover Foto: Döpcke/Bundeswehr Oberfeldwebel Sascha Lang unterstützte bei der Flüchtlingsaufnahme im Mittelmeer. zurückgekehrt. Im Mittelmeer hatte der EGV im Rahmen der EUNAVFOR MED – Operation Sophia Flüchtlinge aufgenommen. Bilder, die andere nur aus den Medien kennen, hat der Feldjäger mit eigenen Augen gesehen: „Man macht sich keine Vorstellung davon, wie winzig so ein Schlauchboot ist und wie viele Menschen dabei auf engstem Raum zusammengepfercht werden. Oft tagelang. Ohne Trinkwasser. Ohne Toiletten.“ Nach der Rettung kam die Registrierung: „An Bord haben wir dann diese Aufgabe übernommen.“ Dazu gehörte unter anderem, jeden Flüchtling zu fragen, woher er kommt. „Durch unsere Ausbildung sind wir mit solchen Abläufen vertraut. Das erleichtert die Arbeit ganz ungemein“, erklärt der Oberfeldwebel. Vor allem dann, wenn wie auf dem EGV Daten von knapp 2000 Menschen erfasst werden müssen. Obwohl Sascha Lang froh ist, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben, möchte er seine auf der „Berlin“ gemachten Erfahrungen nicht missen: „Es ist ein gutes Gefühl, aktiv einen Beitrag zur Flüchtlingshilfe geleistet zu haben.“ (lae) Was ist Ihr höchstes Gut? Mein Humor. Was ist Ihre größte Errungenschaft? Der Sieg über meine Höhenangst durchs Klettern. Was treibt Sie an? Kaffee. Was können Sie besonders gut kochen? Lasagne. Was wäre Ihre berufliche Alternative? Elektroniker für Energie- und Gebäudetechnik, Zoll oder Polizei. Welche Eigenschaft schätzen Sie an anderen Menschen am meisten? Ehrlichkeit. Wozu können Sie nicht „Nein“ sagen? Schokoladentorte. Wo möchten Sie am liebsten leben? Im Ruhrpott. Was ist Ihr Hauptcharakterzug? Ich bin sehr temperamentvoll. aktuell VERMISCHTES „A War“: Ein moralisches Dilemma Foto: Studiocanal GmbH Kino. Der dänische Kommandant Claus Pedersen (Pilou Asbæk) ist mit seiner Einheit in der afghanischen Provinz Helmand stationiert. Als er und seine Soldaten während einer Patrouille in einen Hinterhalt der Taliban geraten, fordert Pedersen Luftverstärkung an, um das Leben seiner Kameraden zu retten. Bei dem Einsatz kommen auch unschuldige Zivilisten ums Leben – dafür muss sich Pedersen kurz darauf in seiner Heimat vor Gericht verantworten. Es beginnt ein zermürbender Prozess, der den dreifachen Familienvater auch in ein moralisches Dilemma treibt: Wie weit darf der Kampf gegen den Terrorismus gehen? „A War“ wurde in diesem Jahr als „Bester Fremdsprachiger Film“ für die Oscar-Verleihung nominiert. Der Film läuft ab dem 14. April 2016 im Kino. aktuell verlost zum Kinostart viermal zwei Tickets. Einfach eine E-Mail mit dem Betreff „A War“ senden an: [email protected] (pfr) 016 14/2 11. April 2016 Vernetzt in Storkow Bei der ersten LAN-Party der Bundeswehr zeigen IT-Interessierte, was sie können. Von Antje Laenen Storkow (Mark). Im IT-Camp in Storkow surren die Laptops. „Hier gibt es keine Lagerfeuerromantik“, scherzt Initiator Hauptmann Martin Heusler. Sein Plan: der Jugend von heute zu zeigen, was man als Cyber-Fachmann von morgen bei der Bundes wehr macht. Nun sitzen 18 junge Männer drei Tage lang beim Führungsunterstützungsbataillon 381 in Storkow an den Rechnern. „Was die Jungs hier machen, zum Beispiel ein IP-Adresskonzept erstellen und die Verkabelung selbst ziehen, das machen die Soldaten in ihrem Job genauso“, verdeutlicht Heusler. Vom Kabel-Patchen bis zum Datenstream Mit Unterstützung der Profis errichten die Teilnehmer erst zwei separate Netzwerke, die dann miteinander verbunden werden. Das Highlight des Camps: Das so entstandene Netzwerk wird im Stil einer LAN-Party auf seine Funktionstüchtigkeit getestet. Ein LAN (Local Area Network) ist ein lokales Datenkommunikationssystem (Netz), durch das zwischen mehreren unabhängigen Fotos: Bruns/Bundeswehr 12 Willkommen im IT-Camp: Komplexe Netzwerke müssen eingerichtet und anschließend auf Herz und Nieren getestet werden. Hauptmann Heusler (r.o.) freut sich auf die Fortsetzung im kommenden Jahr. Rechnern Daten übertragen werden können – und zwar mit sehr hoher Geschwindigkeit. In Storkow treten zwei Teams gegeneinander an. Gemessen wird sich mit dem Strategiespiel „Command & Conquer – Generäle“ und mit dem Rennspiel „TrackMania Nations“. Obwohl das Camp nur in den Regionen Berlin, Cottbus und Frankfurt (Oder) beworben wurde, sind IT-Begeisterte aus ganz Deutschland angereist. Felix Hüls aus Tübingen hat über eine Online-Community vom Camp erfahren. Bisher hat sich der 24-Jährige vor allem mit Web- design beschäftigt, bringt also die IT-Grundlagen schon mit. Nun möchte er „mehr Abwechslung in sein Berufsleben bringen“ und alle Möglichkeiten ausloten – auch bei der Bundeswehr. Aus ganz Deutschland zum IT-Camp Am Nachbar-Laptop sitzt der 19-jährige Dominik Hackfort, den das Kabelgewirr nicht abschreckt: „Ich selbst habe zuhause mehrere Bildschirme stehen – da bin ich es gewohnt, den Überblick nicht zu verlieren“. Er möchte freiwilligen Wehrdienst leisten, die positiven Erfahrungen hier bekräftigen ihn in seiner Entscheidung. Martin Heusler freut das. „Das Ausbildungslevel des IT-Personals der Bundeswehr ist durchaus vergleichbar mit dem der führenden SoftwareHersteller. Die Zertifikate aus unseren IT-Lehrgängen werden auch in der freien Wirtschaft anerkannt“, sagt Heusler. Das Feedback der Gamer: durchweg positiv. Deswegen steht schon jetzt fest, dass es das Cyber Camp im Führungsunterstützungsbataillon 381 in Storkow auch im nächsten Jahr wieder geben soll. SUDOKU Vi el G Senden Sie die vier Lösungszahlen, lück die sich aus den farbigen Feldern ! ergeben, per E-Mail mit dem Betreff „Sudoku 14/2016” und Ihrer Postanschrift an: [email protected] Einsendeschluss: Sonntag dieser Woche Zu gewinnen: APC Mobile Power Bank 10 000 mAh Dieser externe Zusatzakku für Smartphones und Tablet-PCs bietet bis zu vier Ladevorgänge für unterwegs. Lösung 12/2016: 1 2 5 8 Gewonnen hat: Violetta Lehmann Spielregeln: Füllen Sie das Raster mit den Zahlen von 1 bis 9. In jeder Zeile und jeder Spalte darf jede Zahl nur einmal vorkommen. Zudem kommt auch in jedem 3 x 3 Feld jede Zahl nur einmal vor. Doppelungen sind nicht erlaubt. Aus allen richtigen Einsendungen wird der Gewinner ausgelost. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
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