ji Radiokunst I Kulturforum Wilde Töne im Rekorder Bernie Krause und die Ökologie der Klanglandschaften Feature von Martin Zähringer und Jane Tversted Mit: Ulrich Noethen, Adam Nümm und Katja Hirsch Technische Realisation: Andreas Narr Regie: Beate Ziegs Redaktion: Joachim Dicks DKultur 2015 Sendung: 12.04.2016, 20.05 – 21.00 Uhr Zur Verfügung gestellt vom NDR. Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für private Zwecke des Empfängers genutzt werden. Jede andere Verwendung (z.B. Mitteilung, Vortrag und Aufführung in der Öffentlichkeit, Vervielfältigung, Bearbeitung, Übersetzung) ist nur mit Zustimmung des Autors zulässig. Die Verwendung für Rundfunkzwecke bedarf der Genehmigung des NDR. 2014 Vorlauf SOUND 1 Audio CD B.K. BIOPHONY 4 BIOPHONY 4 O-Ton 1 B.K. The Greeks had it wrong. It wasn’t Orpheus who taught the animals to sing, it was the animals who taught Orpheus. Sprecher B: Die Griechen lagen daneben. Es war nicht Orpheus, der den Tieren den Gesang beibrachte. Es war genau umgekehrt. O-Ton 2 B.K. fin 2 4‘00 Well soundscape ecology gives us a basis from which to view the world around us from another perspective and that’s through sound Sprecher B: Die Ökologie der Klanglandschaften ist eine neue Grundlage, von der aus wir unsere Umwelt erkennen können, und dies geschieht durch Klang. O-Ton 3 B.K. I’m a listener, I’m an audience now. 2 Ansage: WILDE TÖNE IM REKORDER Bernie Krause und die Ökologie der Klanglandschaften Feature von Jane Tversted und Martin Zähringer The beginning? Okay, well. One of the reasons that I’m in sound is because I don’t see very well. Sprecher B: Ich kann nicht sehr gut sehen, deshalb bin ich zum Klang gekommen. Das Hören hat schon immer meine Wahrnehmung der Welt bestimmt. Mit dreieinhalb Jahren habe ich Violine gelernt, mit viereinhalb studierte ich klassische Komposition. Mit dreizehn haben die Hormone zugeschlagen und ich wechselte zur Gitarre. I switched the guitar because the hormons kicked in. So guitar was a much more social instrument than violin and worked my way to the University of Michigan, where I was an undergraduate , playing guitar for Motown records and also for just different performances at school. Ich habe Gitarre an der Universität von Michigan studiert, Klassik, Rock, Jazz, das ganze Spektrum. Als Student war ich Studiomusiker für Motown Records, direkt nach dem Uniabschluss kam ich zur Folkrockgruppe The Weavers. 1964 wurde die Gruppe aufgelöst und das war das Ende meiner Folkkarriere. O-Ton 5 B.K. The only thing that was happening on The West Coast that interested me was the electronic music. I wasn’t very much involved in the San Francisco rock music scene. Because, really when I left The Weavers, I left behind folkmusic as well. Sprecher B: An der Westküste hat mich nur die elektronische Musik interessiert. Besonders Karlheinz Stockhausen und die Avantgarde-Komponistin Pauline Oliveros, sie haben damals am Mills College in Oakland unterrichtet. Und dann kamen die Synthesizer. O-Ton 6 B.K. 3 So when the synthesizer came out, and Paul and I met in 1966, we immediately understood that this was going to be a very big event in music. Sprecher B: 1966 traf ich meinen späteren Musikpartner Paul Beaver. Wir erkannten sofort, das wird das große Ding in der Zukunft der Musik. Wir kauften einen der ersten Moog-Synthesizer und gingen damit nach Hollywood. Aber dort wollte niemand etwas davon wissen. Der Durchbruch kam auf dem Monterey Pop Festival 1967. Wir vermittelten den Verkauf von Moog-Synthesizern an Rockgruppen, die nur so im Geld schwammen. O-Ton 7 B.K. This is 1966. With our last few hundred dollars we rented a space at the Monterey Pop Festival in 1967 were all the famous artists were showcasting their acts - Janis Joplin, Jimi Hendrix, Crosby, Stills, Nash &Young, and many other artists, The Doors. And the problem was even all the groups brought the systhesizer, they were too stoned to play. Sprecher B: Die Rockstars selbst waren meist zu stoned, um den Umgang mit den neuen Instrumenten zu erlernen oder sie vernünftig zu spielen. Und so waren Krause & Beaver von einem Jahr auf das andere gut gebuchte Seminarleiter für Synthesizerunterricht. Als Studiomusiker waren wir immer ausgebucht. Und dann haben wir auch noch den Sound für 135 Filme produziert und gemischt. O-Ton 8 B.K. In The Sixties and Seventies we recorded maybe 250 different albums Van Morrison, George Harrison, Barbara Streisand. It was a wide range of people but artists like that The Doors, The Monkeys, The Birds. I think Birds did Notorious Bird Brothers. And by the way we also did about a 135 feature films like Apocalypse Now and Rosemaries Baby and films like that. Music: Apocalypse now O-Ton 9 B.K. I started working in natural sound very early on in 1968 but I didn’t know that I was doing that. Sprecher B 4 Mit Naturklängen arbeite ich schon seit 1968, das Aufnehmen in der Natur war sehr entspannend. Ich habe die Soundscapes wirklich genossen, das Aufnehmen und das Abhören, aber es war eher eine ästhetische Angelegenheit als ein professionelles wissenschaftliches Herangehen. Als mein Musikpartner Paul Beaver plötzlich starb, hat mich dieser Bereich immer mehr interessiert. Und das ging so bis 1979, als ich den Doktor in Creative Arts machte, mit einer Spezialisierung in Bioakustik. O-Ton It was at that time that I really professionally switched to recording natural soundscapes and involving myself in a field which was then called bioacoustics and I have been doing that ever since. By changing from music to bioacoustics and soundscape ecology I haven’t really left music, I just really discovered it. Sprecher B: Als ich von der Musik in die Bioakustik und die Ökologie der Klanglandschaften wechselte, habe ich die Musik nicht aufgegeben, ich habe sie erst wirklich entdeckt. O-Ton I’m a listener, I’m an audience now. I am a participant in a certain kind of way. By recording and coming back and these albums. I am no less a musician than I was when I was a professional musician in Hollywood. Sprecher B: Jetzt bin ich ein Hörender. Ich bin ein Publikum für die Natur und ich bin nicht weniger Musiker als zu jener Zeit, als ich Profi in Hollywood war. Ende SOUND BIOPHONY 4 AT 1 Autofahrt, Sound Navi Sprecherin A: Unser Navigator ist konsequent. Wir haben die Einfahrt verpasst, also schickt uns die Automatenstimme weiter. Nach einer Ehrenrunde am Rande des kalifornischen Sonoma Valley kommen wir wieder zu Krauses Eingangstor zurück, wir geben den Code ein und fahren eine steile Straße schnurgerade den Berg hinauf, dann in ein dicht von Krüppeleichen bewachsenes 5 Waldgebiet. Nach einer scharfen Kurve erreichen wir das Anwesen von Katherine und Bernie Krause. Links das Gästehaus, das Hauptgebäude ein Bungalow mit lehmgestampften Mauern. Wir sind hier, um mehr über die ökoakustische Wissenschaft von Bernie Krause zu erfahren. Sie ist ein neuer Zweig der Bioakustik, aber im Grunde geht es um systematische Zugänge zu unserer akustischen Umwelt: die Klangwelt der Tiere und Pflanzen, das ist in seiner akustischer Weltordnung die Biophonie, die Klangwelt der Erde selbst, das ist die Geophonie, und die Klangwelt des Menschen, die Anthropophonie. Die Anthropophonie ist ein ärgerlicher Faktor in seinem Buch „Das große Orchester der Tiere“. Der Mensch fällt in der ökoakustischen Perspektive vor allem durch Lärm auf. Und dieser Lärm nimmt nicht ab, sondern immer mehr zu. In Bernie Krauses Ohren ist menschlicher Lärm das deutlichste Zeichen für die Zerstörung des ökologischen Gleichgewichtes. AT 3 Hi Bernie, Yes, Sir, good morning. How are you? Fine. We work this afternoon? Yes. Zum Auftakt der Recherche hat Bernie Krause uns in sein Studio eingeladen. Es befindet sich im Erdgeschoss des Gästehauses. Ein nüchterner, heller Raum, zwei große Hi-Endboxen sind genau auf den Arbeitsplatz mit Computer ausgerichtet. AT 4 Sitzordnung An den Wänden einige Fotos, eines zeigt den jungen Krause mit Kopfhörer im Wald, eines seinen Musikpartner Paul Beaver im Studio, daneben Kinderzeichnungen. Das sind Geschenke von Schülern, die Krause im Rahmen seiner bioakustischen Erziehungsarbeit unterrichtet. O-Ton 11 B.K. One of my missions now is to pass this information on to younger generations. I go and work in the schools all the time starting with children as young as 5-6 years old. And the first that I do is I take them out of their classroom outside and I hand them a little, a tiny recorder . Sprecherin A: Bernie Krause will die Menschen für das Hören sensibilisieren. Er beginnt bei den Schulkindern, die eine Wanderdrossel aufnehmen sollen. Dieser Vogel kommt in Amerika häufig vor, aber beim Abhören der Aufnahmen muss der Lehrer Krause sie enttäuschen, denn er hört immer ganz andere Dinge, ein Auto, ein Flugzeug, einen Rasenmäher. O-Ton 11 B.K. That is a really great recording of a robin. But I hear an automobile, I hear a motorcycle, I hear a plane, I hear a bus. I just want a robin. Go out and record a robin. And then they begin 6 to get how hard it is to record in their environment and to record a simple bird that they see all the time and to do it without noise. So they learn two things: they learn what a robin is, they learn when it sings and when to record at the best time and they learn also that there is a lot of noise around that maybe they want to make not so noisy. Sprecherin A: Für die Kinder ist die Lektion noch einfach, bei den Erwachsenen sieht es anders aus. Der Lärm ist eine logische Folge ihrer selbstgewählten Lebensweise, und das aktive Hören haben sie längst verlernt, weil sie ihre lärmende Umwelt gar nicht hören wollen. O-Ton 12 B.K. Now in America, one of the big problems here, that is not so much in the EU, is that cities are extremely noisy because there is no enforceable noise law in this country. Sprecher B: Amerikanische Städte sind extrem laut, weil es in den Vereinigten Staaten keinen belastungsfähigen Lärmschutz gibt. Dafür hat Ronald Reagan gesorgt, als er James Watt zum Leiter des Innenministeriums machte. Eine seiner ersten Amtshandlungen bestand darin, dem Büro für Lärmbekämpfung alle Finanzmittel zu entziehen. Die Arbeit musste faktisch eingestellt werden, und warum, weil James Watt den Lärm großartig findet: Lärm ist Macht! When he was asked, why he did that, his answer was:….noise is power. And how noisier we are as americans, the more powerful we appear to others Sprecherin A: Bernie Krause mag Zuspitzungen und Polemik. Aber Lärm sei nicht nur ein akustisches Zeichen für politische Ignoranz, Lärm verändere ökologische Prozesse. Diese Veränderungen erforscht der Bioakustiker Krause und überschreitet dabei systematisch die Grenzen seines Faches. Zum einen, indem er musikalische Konzepte in die biologische Forschung einbezieht. Zum anderen, indem er sich nicht auf die Aufnahme einzelner Tierstimmen beschränkt, wie das lange Tradition in seinem Fach war. Atmo Uhu, Schreiadler Sprecherin A: 7 Bernie Krause erforscht Biophonien, und auf der Suche nach den Klanglandschaften ganzer Habitate hat er in vier Jahrzehnten die Welt bereist. Dabei entstand eine einzigartige Materialsammlung von 4500 Stunden Biophonien: O-Ton BK: Antarkis, Australia, Belize, Brazil Kamerun, Central Africa Republic, , Costa Rica, Democratic republic of Kongo, Equador, Fidschi, France, Indonisia, Kenia, Madagaskar, Peru, Ruanda, South Africa, United Kingdom, Tansania, Sambia, Zimbabwe. All of those. I haven’t been to Russia or China. Sprecherin A: Wenn Krause eine dieser Biophonien aus dem digitalen Archiv aufruft, erscheint zugleich eine dazugehörige Grafik auf dem Bildschirm. Dieses Spektrogramm ist ein vertikal geschichtetes Gewebe von Mustern auf einer horizontalen Tonspur, wir sehen also alle gleichzeitigen Töne und Klangereignisse in einem Habitat. Uns sagt das Bild erst einmal wenig. O-Ton 14 B.K. Well when you look at a spectrogram which is a graphic illustration of a soundscape, a healthy soundscape, what you immediately see- when you look at the spectrogram - is how carefully the sound is organized and partitioned. You have the insects in one area of the frequency spectrum, you have birds in another area, and each species of birds has its own partition within that range. You have mammals, you have frogs, you have all sorts of creatures that are vocalizing and each of them finds a place in the orchestra, so that their voices can be heard unimpeded, unmasked by others. Sprecherin A: Bernie Krause beginnt mit dem Hauptpunkt: Die Töne und Klänge in einem gesunden Habitat sind perfekt organisiert und verteilt. Diese Entdeckung hat er nun über lange Jahre erprobt und verifiziert. Dabei leitet Krause die Grundfunktionen einer Biophonie aus der Signaltheorie ab. Wenn ein Signal ausgegeben wird, dann muss es so ausgegeben werden, dass es nicht von anderen Signalen verdeckt ist und unverstellt empfangen werden kann. Und genau dies, so behauptet Krauses Nischentheorie, haben die Tiere in langen Zeiträumen gelernt: jedes Tier in einem bestimmten Habitat besetzt eine Frequenz, also eine Nische, die es dann im gesamten Spektrum hörbar macht. Und aus solchen Strukturen, das ist Krauses große These, haben die Menschen das Musizieren gelernt. 8 Bernie Krause weist unseren Einwand zurück, dass er vielleicht vom Notationssystem des Musikers verführt wurde, diese Praxis einfach auf die Bioakustik zu übertragen. Er erzählt von seinem Schlüsselerlebnis im Urwald, als er nach einer langen Arbeitsphase übermüdet durch die Nacht ging und plötzlich die Geräuschkulisse der Tiere als organsierten Klang hören konnte. Erst bei der späteren Visualisierung sei ihm der Zusammenhang genauer klargeworden. Die Spektrogramme sind nur das Bild dieser Struktur. SOUND 2 BORNEO von CD O-Ton 16 B.K. All one has to do if one is a musician is look at the way in which sound is structured and its really easy. This is just a spectrogram of Borneo. So you can see very clearly, insects her, birds here, that’s a bird. The structure doesn’t look all different like a … Sprecher B: (Sound zwischen den Aussagen wie bei Biophony offen hören lassen) Für einen Musiker wird es schnell deutlich, wie der Klang hier strukturiert ist. Hier sind Säugetiere, Gibbon-Affen, darunter die Insekten, hier und hier sind Vögel, sie sehen die Struktur. Und diese Struktur sieht nicht wesentlich anders aus als eine Musikpartitur. Hier unten Bassgeigen, die tiefsten Instrumente, und hier oben die Flöten, die höchsten Instrumente, und nun geht es über die Celli und die Violinen und die Bratschen und Oboen bis ganz oben zu den Flöten, genau wie hier auf dem Spektrogramm. That’s how we got this organization. It is very clear. Dschungelatmo aus O-Ton 17 darunter Sprecher B: So sind wir zu unserer Organisation gekommen. Das ist sehr klar. Es braucht wohl keinen brillanten Studenten, um das zu verstehen. Wir haben den Wald nachgeahmt. Das hier ist ein Vogel, das sind Frösche, ein kleiner Frosch, ein Baumfrosch. Und Säugetiere, Reptilien, Vögel, Amphibien. O-Ton 17 B.K. 9 That‘s a bird, so you got frogs in here too, you hear the frog right up here, it’s a tiny frog, it’s a treefrog. So you have got mammals, reptiles, birds, amphibians. You have got all the different families of creatures. Sprecherin A: Wir sind zunächst skeptisch: Könnte das nicht einfach ein zufälliger akustischer Schnappschuss sein? O-Ton 17 B.K. But it’s all right if you have any doubts about that, you can go to the Central African Republic in the Dzanga-Sangha rainforest where Luis Sarno records. Sprecher B: Wenn es irgendwelche Zweifel daran gibt, bitte, gehen wir in die Zentralafrikanische Republik in den Dzanga-Sangha Regenwald, wo Louis Sarno aufnimmt. Und hier haben wir eine ganz andere Struktur, denn es ist eine ganz andere Umgebung. Jede Umgebung hat ihre einzigartige Struktur. SOUND 3 DZHANGA-SANGHA von CD And here you have a different thing and this is a different structure because it’s a different environment. Every environment has its own unique structure. Look at this, here is the insects here, special insect up here, you got elephants here. You got frogs right here – and everybody stays out of each other’s way. It looks just like a musical score. Sprecherin A: Es sieht tatsächlich aus wie eine Partitur, wir haben also die Musik schlicht aus den Klanglandschaften der Natur nachgeahmt. Aber ist das nicht etwas zu einfach gedacht. O-Ton 18 B.K. I don’t think so. I’ll argue that with anybody. And it is really beautiful too. I mean these spectograms are works of art. 10 Sprecher B: Ich denke nicht. Das werde ich jederzeit vertreten. O-Ton 19 B.K. I just want to show you one more example of a spectrogram here. This is Zimbabwe. And again you can see the detail here [sound] : birds, insects. And you can see..every habitat has his unique voice. Sprecher B: Und schauen Sie sich das bitte an: Hier Insekten, ein anderes Insekt hier, wir haben Elefanten, hier Frösche – und alle gehen sich aus dem Weg. Es sieht genau aus wie eine Musikpartitur. Und jetzt Zimbabwe: SOUND 4 Zimbawe von CD Sprecherin A: Am Ende dieser Lektion zeigt uns Krause ein Spektrogramm aus der näheren Umgebung. Es gehört zu einer Biophonie aus dem Sugarloaf State Park, den wir morgen in aller Frühe besuchen werden. O-Ton 20 B.K. So I show you something here, this is interesting. One of these has a lot of jet planes in it. I want to show you the jet. See and you can take the jet noise out like the planes that just flew over here. And it is so easy, it just take seconds to do. You see this is a jet, and this is a jet. So I want the birds, but I don’t want the jet. Sprecher B: Ich zeige Ihnen jetzt mit diesem Spektrogramm etwas sehr Interessantes . Wir nehmen diesen Jet hier raus. Hier sehen Sie eine normale Maschine, hier einen Jet. Ich mag diesen Düsenjet nicht, also markiere ich diesen Sound, schneide ihn aus. Dann markiere ich eine Passage, ein Stück weiter vorne, wo der Sound wieder sauber ist, und setze dieses Stück hier in die Lücke. Das ist überhaupt kein Problem. 11 When you are recording, you are capturing an illusion, so you ‘re not capturing reality. You ‘re only capturing what the mic happens to pick up…So we want them to hear that place certainly as an artist and as a recordist. I would never take that out if I was doing a study. Because I want to show things as they are and I gotta show how much noise was in that environment. Sprecher B: Als Klangökologen sind wir Künstler und Techniker zugleich, wir wollen den Leuten einen Eindruck von diesem Ort verschaffen. Aber als Bioakustiker würde ich diese Manipulation nie vornehmen. Ich will den Leuten die Welt zeigen, wie sie ist. Die Vögel, die hier in diesem Spektrum singen, werden eindeutig durch die Niedrigfrequenz dieses weit entfernten Jets beeinflusst. Wir wissen nicht warum, wir wissen nicht wie. Aber wir können es zeigen, indem wir einfach dieses Spektrogramm lesen. Der Lärm der Menschen beeinflusst das Leben in der Wildnis, aber auf welche Weise? The birds…You can still hear the jet, yeah. We probably won’t have so many jets tomorrow morning, because we are going earlier. AT Autofahrt in den Sugarloaf State Park Sprecherin A: Straßenbeleuchtung gibt es nicht, neongelbe Verkehrsschilder kündigen Kurven an, flackern kurz im Autoscheinwerfer auf. Wir fahren auf einen Höhenzug zwischen Sonoma Valley und dem angrenzenden Napa Valley, beides bekannte Weinanbaugebiete in Kalifornien. Right now, it is 4:30 in the morning and we are heading toward a place called Sugarloaf State Park. I have recorded there now for 20 years. And the reason that I do that is because it happens to be a place that is very close to our home. It’s may be 20min away… Sprecher B: Ich nehme schon seit zwanzig Jahren im Sugarloaf State Park auf. Es ist nur 20 Minuten von unserem Haus entfernt und es ist sehr ruhig dort. Da oben ist niemand und um diese Zeit gibt es auch kaum Flüge. Es ist einfach ein schöner Ort, um Biophonien aufzunehmen und um zu hören, wie sich die Dinge mit der Zeit verändern. Und die Dinge haben sich radikal verändert. 12 Es sind jetzt andere Vögel da als vor 20 Jahren. Der Frühling hat dieses Jahr zwei Wochen früher eingesetzt. Verschiedene Pflanzen reifen früher, so dass die später eintreffenden Vögel nicht mehr auf deren Früchte zugreifen können. Das ist der Klimawandel, die Vögel ziehen dahin, wo das Futter ist. Atmo 6 Parken, Schritte, Auspacken Sprecherin A: Heute sind doch ein paar Leute da. Neben dem Parkplatz zeltet eine Schulklasse. Im Sugar Loaf State Park gibt es einen Planetenlehrpfad, denn auch die absolute Dunkelheit ist vorteilhaft hier oben. Wir gehen ein Stück durch die Nacht, man kann den Weg und niedrige Büsche erahnen. Nach etwa zehn Minuten kniet sich Bernie an den Wegrand und stellt mit routinierten Griffen sein Equipment auf. Atmo 7 Stativ und Aufnahmeequipment aufstellen O-Ton 22 B.K. Auspacken 4‘40 The time is 5,07 hours, Sugarloaf Statepark, 38 degrees, 26 minutes, 20.05 seconds north, 122 degrees, 29 minutes, 56.06 seconds west, elevation 1300 feet, date 30 April 2014, time is recorded, sound device is 722, mikes mk 30 and 40 Sennheiser, sampling rate 44 1, 24 bit, recordist is Krause, temperature is 16.05 degrees, humidity 46 percent, wind 2 miles an hour and that’s that… okay. Here we go… O-Ton M.Z: Auspacken, 5’40 You can see the first light in the east and in a minute you will actually hear some birds. Atmo 8 Schritte… Sprecherin A: Es ist schon etwas heller geworden, wir gehen weiter in das Tal hinein bis zu einer Lichtung neben einem kleinen Bach. Wir setzen uns an einen massiven Holztisch und warten. O-Ton 23 Bernie Recording 1, 3’30 The sunrise is 6:13 and so usually by then the dawn chorus is just beginning to go to diminish, and because the sun is coming over… 13 Sprecher B: Um 6 Uhr 13 beginnt der Sonnenaufgang. Wenn die Sonne über diesem Hügel sichtbar wird, so gegen 6 Uhr 20 oder 6 Uhr 25, bevor wir die Sonne richtig sehen, wird es schon sehr warm und zu diesem Zeitpunkt wird der Chor der Morgendämmerung schon verstummt sein. So I will record until 6:15 or 6:20 and than we can go… O-Ton 24 B.K. I like to be there, when I am recording. Some people take these recorders and they go out and they put a number of recorders around a sight…one on that tree, one on this.. Sprecher B: Ich bin gerne vor Ort, wenn ich aufnehme. Andere Forscher gehen raus und hängen eine Anzahl von Rekordern in die Landschaft, einen an diesen Baum, einen an jenen und so weiter. Da laufen sieben oder acht Rekorder bis zu zwei Wochen lang, das ergibt tausende von Aufnahmestunden. Aber wer will das analysieren, wer sitzt da und geht durch dieses Material? Das müssen Computer tun, Algorithmen. Ich mag es persönlich dabei zu sein, hier zu sitzen und zu beobachten und alles mitzuerleben. Es entspannt mich, ich fühle mich wohl dabei, das gehört alles dazu. It makes me feel very well. That’s all a part why I do it. (Atmo Vogel) O-Ton 25 B.K. Flüstern im Wald, 1’10 See that‘s a robin that just got up and she just doesn’t got her song together yet. She is a little slow. (Atmo Vogel) Sprecher B: Das ist eine Drossel, sie hat ihren Gesang noch nicht ganz zusammen. Jetzt wird es voller. Das im Hintergrund ist eine Ammer, der sanft zwitschernde Vogel. Jetzt höre ich fünf verschiedene Vogelarten, eine Wanderdrossel, eine Dachsammer, eine kalifornische Grundammer und eine Singammer im Hintergrund. I hear California towhee and now I am hearing a song sparrow in the background. 14 Und dies ist ein Truthahn. Der ist gerade aufgewacht. Und das im Hintergrund könnte eine Blaumeise sein. (Atmo Vogel) And that’s a turkey. He just got up. Is it titmouse in the background now? Sprecher B: Diesen Typus von Morgenchor hört man überall in der nördlichen Hemisphere. Jedenfalls da, wo es noch einen Rest von wilder Tierwelt gibt. In the northern hemisphere, this type of dawnchorus…It is happening in Germany, it is happening in France, it is happening in the UK, it is happening here, Canada, Russia, China. Every place where there is some wild life left. This is what is happening. SOUND 5 SOUNDSCAPE SUGARLOAF PARK, O-Ton 26 B.K. When Ludwig Koch first began to record, he was the first person to record, and he was from Germany. And he did the first bird recording in 1889. Sprecher B: Der deutsche Biologe Ludwig Koch begann als erster mit dem Aufnehmen von Tierstimmen, und sein erstes Objekt war ein Vogel, die Schamadrossel. Koch fing mit einem schlichten analogen Instrument an, mit einem Klangspiegel. Das ist eine Art umgekehrte Schüssel mit einem Mikrophon darin. Damit konnte er die einzelnen Vögel in den Bäumen genau anvisieren. Er fing also nur diese spezifische Einzelstimme ein, alle anderen waren verschwunden. Damit begann die Tradition der großen Sammlungen: There are hughes collections, The British Library of Wildlife Sounds which is part of the BBClibrary. The Berlin museum has a nice collection, the Paris Museum of Natural History has a nice collection, the Cornell University, the Macaulay Library of Natural Sound has a great collection. But all of these collections were fundamentally based on single species recordings. gNachtigall 15 Sprecher B: Alle diese Sammlungen basieren auf den Aufnahmen einzelner Vogelarten und Individuen. Das Problem ist, wenn man die Klänge aus ihrem Kontext herausnimmt, verliert man wesentliche Informationen über die Gründe, warum diese Vögel oder Frösche oder Säugetiere Laute produzieren. Und zwar deshalb, weil Tiere in jedem gegebenen Habitat in Beziehung zueinander vokalisieren. Aber den Sachverhalt der Beziehungen haben die meisten dieser Sammlungen nicht realisiert, bis es zu spät war, weil die Biotope verschwunden sind. O-Ton 27 B.K. When you do that it’s a little like trying to understand the magnificence of Beethovens 5 th symphony by taking the sound of a single violin player out of the context of the orchestra and hearing just that one part. Sprecher B: Für mich ist das so, als wenn man versuchen würde, die Erhabenheit von Beethovens Fünfter Symphonie zu verstehen, indem man nur dem Klang einer einzelnen Violine lauscht. Sprecher B: Ein Bioakustiker studiert die Klänge von Tieren in einem breiteren Sinn. Soundscape Ökologen erforschen den Klang, den alle lebenden Organismen in einer Landschaft produzieren, und die Ökologie der Klanglandschaften ist die Beziehung zwischen dieser Landschaft und den darin produzierten Klängen. Sprecherin A: Die exotischen Klänge, die sich auf den CDs auf Krauses Online-Label „Wild Sanctuary“ finden, sind attraktiv und technisch perfekt präsentiert, aber der Hauptteil seines wissenschaftlichen Archivs besteht aus Aufnahmen der lokalen Umgebung. Gerade hier kann er quantitative Veränderungen von Jahr zu Jahr und von Saison zu Saison messen und in bestimmten Grenzen beurteilen, wie es um diese Habitate steht. Krause konstatiert inzwischen ein zunehmendes Interesse für diese Methoden und sein Archiv, besonders in Europa: Atmo: night ambience 16 O-Ton 29 B.K. I think Europe is much more informed about it, at this point, in the United States is complete denial about it. Nobody even thinks about global warming or the issues around that. Sprecher B: In Amerika sieht es nicht so gut aus. Sowohl Kanada als auch Mexiko und die Vereinigten Staaten wollen einfach so viel wie möglich aus der Erde herausholen. An ökologischen Dingen sind sie nicht so furchtbar interessiert. In Amerika denkt man nicht einmal an solche Dinge wie die globale Erwärmung. O-Ton 30 B.K. We have a culture based on ego. It is a triumph of mind over imagination. Sprecher B: Wir haben eine Kultur des Egoismus, sie ist ein Triumph der Vernunft über die Einbildungskraft. Aber ich lache über diese Anmaßungen und dieses Herrschaftsdenken und über die Strukturen der Akademiker und all diese männlichen Geister mit ihren grandiosen logischen Konstruktionen. O-Ton 30 B.K. And they are all wrong you know. And I just laugh at this, because none of them have got their lardy butts outside to see what is happening in the world of the living. Sprecher B: Sie haben nie ihre dicken Hintern ins Freie bewegt, um zu sehen, was in der Welt des Lebendigen vor sich geht. O-Ton 30 B.K. Because that’s where the story is told and that is where we have to reside, because we are not going to make it in these closed rooms and offices and on computers and iphones and ipads. 17 Sprecher B: Aber da draußen läuft die Geschichte, dort müssen wir sein und nicht in diesen geschlossenen Räumen und Büros und vor den Computern und iPhones und iPads. Wir müssen aufhören mit dem sinnlosen Konsum. Denn wir haben auf der Erde kein Bevölkerungsproblem, wir haben ein Konsumproblem. Wir müssen lernen, mit weniger auszukommen. Sprecherin A: Resigniert hat Krause nicht. Sein Archiv in Glenn Ellen bietet umfangreiches Material für eine interdisziplinäre Wissenschaft, für Biologen und Bioakustiker, für Mathematiker und Statistiker, für Architekten und Stadtplaner. Es eröffnet Zugänge für Pädagogik, Philosophie und Literaturwissenschaft, denn auch für diese Disziplinen werden die natürlichen Klanglandschaften immer interessanter. Besonders interessant sind sie für die Musik. Nach der Lektüre des Buchs „Das große Orchester der Tiere“ hat sich sogar ein Komponist aus England fasziniert gezeigt von den digitalen Klanglandschaften. Richard Blackford will das Orchester der Tiere mit einem großen symphonischen Orchester in Beziehung setzen. Während unseres Besuchs in Kalifornien bekommt Krause gerade die ersten Probeaufnahmen ins Haus. Die Partitur liegt auf dem Tisch, aber Krause zeigt uns etwas anderes: O-Ton 31 B.K. So what we are looking at right now is a spectrogram of the first movement of “The Great Animal Orchestra”, Symphony for Orchestra and Wild Soundscapes. Sprecher B: Dieses Spektrogramm ist eine Visualisierung unserer Symphonie. Dies hier ist der erste Satz. So you can see that this first part, the first minute of the symphony, is dedicated to a Borneo soundscape right in the middle of the jungle. And at the top of the spectrogram you can see where that particular Borneo piece is. You can see that there are insects and that there are birds and in the button there are gibbons again. Sprecher B: 18 Hier oben sieht man, wie in der ersten Minute die Klanglandschaft aus dem Urwald von Borneo erscheint, das ist mitten im Dschungel. Hier sind die Insekten, hier die Vögel und hier wieder die Gibbons. Sie können also sehen, wie die akustische Organisation der Klanglandschaft Borneo unmittelbar in die Eröffnung des Stückes hinein wirkt. And you can see how the strings come in here and here and here, and how they follow this line of the insects throughout the opening of the piece, the first two minutes, and then the strings come in and then the flutes come in. Again based on the soundscape in the beginning Sprecher B: Man erkennt in diesem Spektrogramm noch deutlich die Linienführung der Insekten, und dieser Linienführung folgen die Streicher durch den gesamten Anfang der Einleitung. Das dauert zwei Minuten, dann kommen die Flöten und neue Streicher, der Anfang wird wiederholt, jetzt kommen die Gibbons, and immediately is playing off of the sounds of the gibbons and the insects. throughout a lot of this piece, until we get into about 4 minutes, and he reintroduces insects again which is right here in the upper part of the piece. And you can see how he arranges all of the instruments around these insects and the entrance of the insects. Sprecher B: Das setzt sich bis zur vierten Minute fort. Jetzt erscheinen wieder die Insekten und alle Instrumente werden um den Einsatz der Insekten herum arrangiert. CD THE GREAT ANIMAL ORCHESTRA, T. 1 Introduction and Tuning O-Ton 31 B.K. So it is a very organic piece, the material is integrated in a way that has never been done before. Sprecherin A: Die Symphonie mit weiteren vier Sätzen soll auf dem traditionsreichen Cheltenham Musicfestival in England uraufgeführt werden. Das ist ein kleiner Triumph für Bernie Krause. Denn die Rückkehr der Natur in die Musik gehört für ihn zu einer neuen Schule der 19 ökologischen Besinnung. Der Ausschluss der Natur aus dem kulturellen Wertesystem sei der große Fehler unserer Kultur, angefangen mit den Kirchenvätern: O-Ton 32 B.K. The idea was that because the natural world was so evil and unknowable that we should dismiss it because we are human beings and we are on the top of the heap. Because God created us in his image and everything else isn’t created in his image but God created us in his image and all that crap which I hate. Sprecher B: Das theologische Denken ging davon aus, dass die Natur etwas Böses ist und wir uns grundsätzlich davon zu unterscheiden hätten, denn der Mensch ist ja die Krone der Schöpfung. Musik: Gregorianik Schließlich hat Gott uns als sein Ebenbild geschaffen, und all die anderen Kreaturen sind nicht das Ebenbild Gottes. Als später im Mittelalter die von dicken Mauern geschützten Kirchen aufkamen, ein Schutz gegen Lärm und gegen die Klänge der Natur, da hat sich in diesem geschützten Raum unsere selbstreferentielle Musik entwickelt. Eine Musik, die nur noch der Widerhall menschlicher Klangwelten ist. Der Mensch feiert seine Überlegenheit über die Natur und erschafft in der Musik eine göttliche Klangwelt. Musik: Louis Sarno: BayaKa Sprecherin A: Für Bernie Krause steht heute fest: Die Musik kommt aus dem Wald, und aus der Erfahrung mit den wilden Klanglandschaften sind wir auf die tiefsten Geheimnisse unserer Musik gestoßen. Krause hat in den Wäldern Musiker gehört, die diesen Geheimnissen sehr nahe sind, in seinem Buch nennt er die Gruppe der BayaKa in Zentralafrika, die in rituelle Wechselgesänge mit ihrer natürlichen Umgebung eintreten: Musik: Louis Sarno: BayaKa Sprecherin A: Die wilden Töne im Urwald sind also gar nicht so wild, denn die Menschen konnten sie schon immer in kulturelle Muster übertragen, in eine Musik, die von Rhythmen und Melodien, 20 Klängen und Harmonien der Wälder geprägt ist. Diese Kunst des Musizierens hat sich in den Kirchenräumen verloren, so Krause. Aber hat die europäische Musik die Natur wirklich so absolut verbannt? Die Vogelstimmen stehen jedenfalls seit langem in den Partituren, der Musik: Hilliard Ensemble vitale Ausbruch aus den Mauern hat Tradition. Sprecher C: Das Hilliard Ensemble interpretiert John of Fornsete aus dem 13. Jahrhundert. Die menschliche Stimme ahmt den Kuckuck nach. Musik: Ottorino Respighi Sprecher C: Ottorino Respighi setzt noch im 20. Jahrhundert die Renaissance-Traditionen der instrumentalen Vogelnachahmungen fort. Musik: Wagner: Ring-Siegfried-Waldweben Sprecher C: In Richard Wagners Ring des Nibelungen versteht Siegfried den Gesang eines Vogels. Wagner inszeniert in Waldweben zugleich eine ganze Landschaft als Musik. Musik: Olivier Messiaen Sprecher C: Olivier Messiaen ist der Ornithologe unter den modernen Komponisten. Er hat die Vogelstimmen sogar für das Klavier katalogisiert. Musik: Olivier Messiaen Sprecher C: Die Chronochromie von Olivier Messiaen setzt Farbklänge und komplexe Akkorde ein, die bereits ganze Strukturen von Klanglandschaften imitieren. 21 Musik: Einojuhani Rautavaara Sprecher C: Im Cantus Arcticus des finnischen Komponisten Einojuhani Rautavaara kommen die Stimmen der echten Vögel vom Tonband. Atmo Möwen Sprecherin A: Die Möwen von Cheltenham haben den Luftraum über dem englischen Städtchen erobert, andere Vögel hört man nicht. Im sechsten Stock des Hotels finden wir uns mitten in ihren Dachkonzerten, morgens, abends, nachts. Am Horizont sieht man die normannischen Münster der Nachbarorte, unter uns das biedere Cheltenham, seit 70 Jahren Veranstaltungsort für Kulturfestivals von Literatur bis zu Musik. Hier wird Richard Blackfords Symphonie für Orchester mit den wilden Klanglandschaften von Bernie Krause uraufgeführt. Vor der Generalprobe treffen wir den Komponisten zum Interview. Atmo Publikum O-Ton 33 Blackford I think that even from the 16th century composers were trying to imitate the sounds of nature, for example the work of Clement Jarnaquin, the french composer. .. Sprecher C: 22 Die Komponisten haben schon mindestens seit dem 16. Jahrhundert versucht, die Klänge der Natur nachzuahmen. Es gibt auch analoge Tonbandreproduktionen von Vogelgesang, die in Orchestermusik eingespielt werden. Aber unsere Symphonie ist ganz anders, weil die digitale Technik viel flexibler ist. Ein Tonbandauszug ist normalerweise Atmosphäre, die Atmosphäre von Vogelgesang oder Regenwald oder was auch immer. Wir integrieren die Aufnahmen von Bernie Krause durch die digitale Samplingtechnologie in einer Weise, dass Sie am Ende kaum noch hören können, was natürliche und was musikalische Klanglandschaft ist. Im Schlusssatz meiner Symphonie hören wir einen musikalischen Zaunkönig, wie ihn auch Olivier Messiaen kennt, aber der Unterschied zwischen mir und Messiaen ist, dass ich das Original spiele. Der Zuhörer hört also zuerst das Original und danach meine musikalische Version davon. …so you can actually compare the two. Atmo Cheltenham Aufführung City Hall-Applaus-Begrüßung Musik: The Great Animal Orchestra, T. 5 Atmo Applaus Sprecherin A: Es gibt stehende Ovationen. In Cheltenham ist überhaupt ein Trend zur Natur zu erkennen. Schon am Morgen wird der „Karneval der Tiere“ von Camille Saint-Saëns gespielt, und auf das „Große Orchester der Tiere“ folgt eine Aufführung der „Planeten“ von Gustav Holst, einem Sohn der Stadt. Nach dem Konzert gibt es ein großes Essen, die Musiker und Blackford sind da, Krause und seine Frau Katherine und eine besondere Musikerszene – die Freunde der ökoakustischen Musik, angereist aus Deutschland und Italien, den USA und Australien. Bernie Krause hat uns schon in Kalifornien von David Monacchi erzählt, dem ökoakustischen Komponisten aus Italien, der die äquatorialen Regenwälder bereist, ihre Klanglandschaften elektronisch verwandelt, Spektrogramme an die Wände projiziert und dann selbst dazu Flöte spielt. O-Ton 34 Monacchi: It was a very good experiment but I think we need to work more if you want to integrate the two worlds in a real, how can you say, to keep them on the same level… Sprecher C: 23 Es war ein gutes Experiment. Aber man muss doch noch etwas mehr daran arbeiten, die Welt der Musik und die der Klanglandschaften auf ein gemeinsames Level zu heben. Denn Musik ist Sprache: Ein orchestrales Stück besteht aus den elementaren Komponenten der Musiksprache, aus Harmonie, Rhythmus, Melodie. Und diese Sprache tritt dem Klang sehr dominant gegenüber. Die Klanglandschaften benötigen einen besonderen Zugang, sie wollen wirklich gehört werden, man muss der Musiksprache entkommen und sich ganz dem Klang hingeben. Aber das ist ja alles nicht ganz neu, die Ästhetik der Klanglandschaften ist ein erprobtes Feld. O-Ton 35 Monacchi Concrete Sound as Pierre Schaeffer called it has been used since the Fourties. Incorporate concrete sound into the composition so work built on concrete sound as it was an instrument. Sprecher C: Da gibt es schon die „musique concrète“ mit Pierre Schaeffer seit den 1940er Jahren. Konkreter Klang wird in eine Komposition inkorporiert, das Stück wird dann um diesen Klang herum komponiert, als wäre er ein Instrument. And then soundscape composition in Canada – Murray Schafer and the Vancouver school, the world soundscape project and the acoustic ecology school in Simon Fraser University, they started to enlarge the interest into the concrete reproduced sound to an environment. So the idea was: it is the environment that is the focus. Sprecherin A: Die kanadische Schule um Murray Schafer und die ökoakustische Schule der Simon Fraser Universität setzen die Klanglandschaften der Umwelt in den Fokus. Bernie Krause bringt nun Klanglandschaften in die Naturwissenschaft und die wilden Töne in die Musik. Musik: AMAZONIEN O-Ton 36 B.K. 24 I prefer Socrates because, because I don’t know the answer, I think that the question why is probably the most important question to ask. And for me it was: Why does music have to be limited to the human scope? And the answer is: It doesn’t. Sprecher B: Ich halte mich an Sokrates und ich denke die Frage „Warum?“ ist wahrscheinlich die wichtigste Frage. Und für mich hieß das: Warum muss Musik eigentlich auf den Bereich des Menschen begrenzt sein? Und die Antwort ist: Sie muss nicht. O-Ton 37 B.K. The Greeks had it wrong. It wasn’t Orpheus who taught the animals to sing, it was the animals who taught Orpheus. Sprecher B: Die Griechen lagen daneben. Es war nicht Orpheus, der den Tieren den Gesang beibrachte. Es war genau umgekehrt. And I began to explore it over time and found that indeed there were many groups that in the 90’ies, late 80’ies, early 90’ies, were still living in a way that related to the natural environment where they weren’t separated out. Sprecher B: Ich bin ganz sicher, dass es zwischen den Menschen, die in einer direkte Beziehung zur Natur leben, zwischen ihren musikalischen Ausdrucksweisen und der Inspiration durch die Biophonien ihrer Umwelt gibt. There wasn’t nature out there somewhere, you know we have this word nature, and we are looking at nature and viewing nature like we were in a Zoo. They have no word for nature. Course they don’t need a word for nature. They understand they are a part of it, we don’t. Sprecher B: Sie haben in Beziehung mit den Biophonien gesungen und getanzt, sie haben die Biophonien imitiert, Rhythmus, Melodien, Strukturen und Harmonien, und so sind wir zu unserer Musik gekommen. 25 …And that’s how we got our music. It made it really clear at that point. We don’t teach that in school yet. Musik: Bayaka O-Ton 38 B.K. But people who live closely connected to the natural world like the BayaKa who live in the Central African Republic, a group of pygmies. All of these groups who live really within the natural world and they understand it. Sprecher B: … all diese Gruppen von Menschen, die noch wirklich in der Natur leben, die lauschen der Natur und verstehen sie. Sie hören diese Töne als organisierten Klang, als eine klar verständliche Erzählung über alle möglichen Dinge. Its informing them, what creature is under the path, and they don’t have flashlights…all by sound. Sprecher B: Die Klanglandschaft des Waldes erzählt ihnen, welche Tiere in der Nähe sind, wohin sie gehen, mitten in der finsteren Nacht hören sie, was 400 Meter weiter vor sich geht. Sie hören, ob es etwas zum Jagen gibt, welche Art von Tier da rumschleicht, in welche Richtung es geht und alles, was um dieses große Tier herum geschieht – all das wird durch die Klanglandschaft verstanden. Durch die Nacht geleitet sie ein Raster aus Klängen. So they walk through these grids of sound at night and each one of these grids contains his own story, its own narrativ…by all the animal sounds. ABSAGE 26
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