Süddeutsche Zeitung

Krasser Kiez: In Kreuzberg explodiert die Kriminalität
Die
Seite Drei
NEUESTE NACHRICHTEN AUS POLITIK, KULTUR, WIRTSCHAFT UND SPORT
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(SZ) Manche Dinge sind viel gefährlicher,
als sie aussehen. Türklinken zum Beispiel.
Sie geben sich gern aufgeschlossen, laden
dazu ein, Räume zu öffnen, in denen Menschen sich begegnen können, und man
muss Türen schon abschließen, will man
Klinken daran hindern, die stets griffbereiten Dienstboten der Öffnung von Räumen
zu sein. Aber längst hat die Wissenschaft,
zu deren vornehmsten Aufgaben es gehört, noch die unscheinbarsten Elemente
des Alltags in Gefahrenquellen zu verwandeln, die Türklinken als Geheimagenten
des mächtigen Reichs der Krankheiten enttarnt: als Ansteckungsherde, die verlässlich zur Verbreitung von Erkältungen und
Magen-Darm-Infekten beitragen.
In der Spitzengruppe der Übertragungsmedien von Infektionskrankheiten gibt es
eigentlich nur einen ernsthaften Konkurrenten der Türklinken: das Händeschütteln. Und das ist sehr deprimierend. Denn
ist nicht der Handschlag die Türklinke unter den Gesten? Sie öffnet den Zugang zum
Gegenüber, ausgerechnet mit der Hand,
die früher die Waffe trug oder sich zur
Faust ballte. Nun aber signalisiert sie Offenheit und Vertrauen, sodass es, wenn kein
Papier zur Hand ist, ausreicht, einen Vertrag per Handschlag zu besiegeln. Es muss
eine starke Kraft sein, die ausgerechnet die
Instrumente der Kommunikation und Verbindung nutzt, um den Menschen Schaden
zuzufügen. Diese böse Kraft, die stets das
Gute nutzt und stets das Böse schafft, ist,
wie im christlichen Abendland allseits bekannt, der Teufel. Faust, der nicht nur Philosophie, Juristerei und Medizin, sondern
auch Theologie studiert hat, hätte das eigentlich wissen sollen, als er die Wette mit
Mephisto per Handschlag besiegelte. Und
er hätte misstrauisch werden müssen, als
Mephisto sich dann mit dem Handschlag
nicht begnügte, einen Zettel hervorzauberte und das Ganze auch noch schriftlich haben wollte. Mit Blut als Tinte. Da war aber
das Malheur längst passiert: Faust hatte
sich beim Handschlag mit Mephisto mit
dem Teuflisch-Dämonischen infiziert,
denn die Medizin seiner Zeit war noch
nicht so weit, dass sie ihn hätte warnen können. Und so nahm die Gretchen-Tragödie
unaufhaltsam ihren Lauf.
Angeblich steht es ja im Koran, dass junge Mädchen den Männern nicht die Hand
geben sollen. Und junge Männer das Recht
haben, Frauen das Händeschütteln zu verweigern. Das wurde jetzt in der Schweiz diskutiert, weil zwei Schüler aus dem Kanton
Baselland sich weigerten, ihrer Lehrerin
die Hand zu geben. Es erwies sich, dass das
Händedruck-Verbot nicht zum Koran gehört, sondern zu den Lehren der saudischen Wahhabiten. Das sind, wie die meisten religiösen Fundamentalisten der Gegenwart, moderne Leute, die leider dazu
neigen, Theologie, Juristerei und Medizin
durcheinanderbringen. Wahrscheinlich
hat die aktuelle Infektionsforschung sie zu
ihrem Händedruck-Verbot inspiriert.
HEUTE
Meinung
Die neue Rechte missbraucht
die alte Abtreibungsdebatte
zum Stimmenfang
4
Panorama
20 Jahre für den Diebstahl eines
Schokoriegels. Amerika diskutiert
über seine Strafgesetze
12
Wissen
Die Florida Keys versinken im Meer –
doch der Klimawandel kümmert
die Bewohner wenig
16
Wirtschaft
In der Euro-Zone steigen die
Schulden. Schlecht, wenn jetzt
eine Krise käme
17
MÜNCHEN, DONNERSTAG, 7. APRIL 2016
72. JAHRGANG / 14. WOCHE / NR. 80 / 2,60 EURO
Unterm Rad Im Wiener Prater herrschen
Schausteller-Dynastien. Zu Besuch bei einer der mächtigsten Familien. Seite 39
Dorthin? Totalitär regierte Länder zu bereisen, kann die eigenen Ansprüche auf die
Probe stellen.
Seite 40
Kaukasischer Traum Wer in der georgischen Bergwelt unterwegs ist, darf sich
noch wie ein Entdecker fühlen. Seite 42
Mindestlohn hilft
Arbeitnehmern
Bis zu vier Millionen Beschäftigte
profitieren von der Neuregelung
Wahl der Waffe
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) reiste am Mittwoch nach Mali, um sich über den Stand der Truppenausbildung
zu informieren. In dem westafrikanischen Land schulen bislang 200 deutsche Soldaten die dortige Armee. Von der Leyen will, dass
künftig bis zu 600 Deutsche an verschiedenen Standorten im Land arbeiten, auch in Malis gefährlichem Norden – zum Beispiel Timbuktu. Dafür müsste der Friedensprozess allerdings noch Fortschritte machen.
FOTO: MICHAEL KAPPELER / REUTERS
Razzia bei Uefa wegen Panama Papers
Die Schweizer Bundespolizei durchsucht die Verbandszentrale, Fifa-Ethikkommissar tritt zurück.
Chinas Behörden sperren Internetseiten zu den Enthüllungen, in Island wächst der Ärger der Bürger
von s. bigalke, c. boss,
c. giesen und u. schäfer
Reykjavik/Peking/Zürich – Um die Enthüllungen zu den Panama Papers gibt es
weltweit immer mehr Aufregung: In der
Schweiz durchsuchten Ermittler die Zentrale des europäischen Fußballverbandes
Uefa, nachdem die Süddeutsche Zeitung
über dubiose Geschäfte des ehemaligen
Uefa-Manns und heutigen Fifa-Chefs Gianni Infantino berichtet hatte. In China sperrten die Behörden im Internet Berichte zu
den Panama Papers, nachdem Verwandte
hoher Parteikader in den Dokumenten aufgetaucht waren. Island steckt in einer
schweren Regierungskrise, nachdem Ministerpräsident Sigmundur Davíð Gunnlaugsson wegen einer Briefkastenfirma zunächst zurückgetreten war – und dann diesen Rücktritt wieder zurücknahm.
Früher, als bekanntlich alles irgendwie
besser war, da lief das mit dem Ackerbau
so: Der Bauer kaufte sich beim Züchter Samen und verstreute diese auf seinen Feldern. Wenn die Ernte so weit war, hielt er
einen Teil davon zurück. Den säte er dann
wieder aus und erntete erneut – auf eigene Rechnung. Nachbau heißt das in der
Sprache der Bauern.
Nun haben rund 80 000 Landwirte in
Deutschland in dieser Sache Post bekommen. Darin heißt es knapp: Wer für den
Nachbau nicht zahle, „ist zur Unterlassung und zum Schadenersatz verpflichtet. Zudem macht er sich strafbar“. Geschrieben hat den Brief die Saatgut-Treuhandverwaltung, die Inkasso-Gesellschaft der Pflanzenzüchter. Seitdem
steht bei Georg Janßen das Telefon nicht
mehr still: „Viele Bauern sind verängstigt
durch das Schreiben.“ Janßen kämpft mit
seiner „Interessengemeinschaft Nachbau“ seit 1998 dafür, dass die Bauern
Die Uefa bestätigte am Mittwoch, dass
die Schweizer Bundespolizei eine Razzia
durchgeführt hatte. Die Beamten forderten Einsicht in Fernsehverträge zwischen
dem Verband und der Briefkastenfirma
Cross Trading, die Infantino als Chef der
PANAMA PAPERS
Die Geheimnisse
des schmutzigen Geldes
Uefa-Rechtsabteilung abgezeichnet hatte.
Die Bundespolizei erklärte, sie ermittele gegen unbekannt – also noch nicht gegen Infantino. Kurz zuvor hatte der Fifa-Ethikrichter Julian Pedro Damiani seinen Rücktritt erklärt. Er hatte in seinem Beruf als Anwalt eben jene Briefkastenfirma, die Cross
Trading, betreut. Die Firma wurde von
Mossack Fonseca in Panama aufgesetzt.
Die Panama Papers betreffen auch Chinas Machtelite. Die Verwandten von mindestens acht ehemaligen oder aktiven Mitgliedern des Ständigen Ausschusses des
Politbüros, des mächtigsten Gremiums
Chinas, lassen sich in den Daten finden.
Selbst die Familie von Staats- und Parteichef Xi Jinping, der vorgibt vehement gegen Vetternwirtschaft vorzugehen, ist betroffen. Laut Unterlagen unterhielt sein
Schwager, Deng Jiagui, zeitweise mindestens drei Offshore-Firmen. Prominent ist
auch der Fall Li Xiaolin. Die Tochter des
ehemaligen Premierministers Li Peng ist
gemeinsam mit ihrem Ehemann Eigentümerin eines 1994 auf den Britischen Jungferninseln registrierten Unternehmens.
Zum Zeitpunkt der Firmengründung war
ihr Vater noch Ministerpräsident.
Früchte des Zorns
Landwirte und Züchter streiten über eine uralte Tradition
auch weiter das Saatgut kostenlos wieder
ausbringen dürfen. Doch „so einen Sturm
wie jetzt habe ich noch nicht erlebt.“
Der Mahnbrief der Saatgut-Treuhandverwaltung ist ein weiterer Höhepunkt in
dem seit knapp 20 Jahren schwelenden
Streit zwischen Züchtern und Bauern.
Denn deutsche Landwirte durften über
Jahrhunderte Nachbau betreiben, ohne
dafür zahlen zu müssen. Dahinter steckt
die Überzeugung, dass mit dem Kauf des
Saatguts alle Lizenzgebühren abgegolten
sind. Dieser Meinung scheint auch das
Gros der Bauern zu sein. In einer Umfrage
der Zeitschrift top agrar gaben fast drei
Viertel der befragten Landwirte an, dass
der Nachbau Sache der Bauern bleiben
müsse. Und üben sich in stiller Anarchie.
Bei ihrem Bemühen, das Geld einzutreiben, hat die Saatgut-Treuhandverwaltung (STV) nämlich ein Problem: Sie kann
nur dann Gebühren verlangen, wenn sie
weiß, welche Sorten ein Bauer nachbaut.
Viele Landwirte denken deshalb gar nicht
daran, dies preiszugeben. Bei Kartoffeln,
so schätzt die STV, werde 80 Prozent des
Nachbaus schwarz betrieben, bei Getreide sei es rund ein Drittel. Den Züchtern
entgingen so 13 Millionen Euro im Jahr.
Das „sehr emotionale Thema“ des
Nachbaus beschäftigt auch den Deutschen Bauernverband. Er appelliert an seine Mitglieder, die Nachbaugebühr zu bezahlen. Denn allein die Zucht einer neuen
Sorte Weizen benötige zehn bis fünfzehn
Jahre; bis zu einer Million Euro könne die
Ebenfalls in den Daten finden sich Offshore-Firmen, an denen nordkoreanische
Beamte beteiligt gewesen sind. Mindestens eine der Firmen könnte mutmaßlich
genutzt worden sein, um Gelder aus Waffenverkäufen in das Land zu schleusen.
Nordkorea hätte damit mit Hilfe von Briefkastenfirmen aus der Kanzlei Mossack
Fonseca ebenso gegen internationale Sanktionen verstoßen wie Syrien und Iran.
In Island erklärte Ministerpräsident
Gunnlaugsson am Mittwoch, er sei doch
nicht zurückgetreten, sondern wolle lediglich eine Pause einlegen, um die Vorwürfe
gegen ihn klären zu lassen. Der Fischereiminister solle ihn vorübergehend vertreten. Am Nachmittag versuchten die Chefs
der beiden Regierungsparteien, ein neue
Regierung zu bilden. Für den Abend wurden weitere Proteste in Reykjavik erwartet. Seiten 2, 4, 6 , 7 und 8, Wirtschaft
Entwicklung kosten. Außerdem sei das
Angebot der Züchter wesentlich ausgefeilter als früher: Gab es 1985 noch etwa 50
Sorten von Winterweizen in Deutschland,
sind es inzwischen 150; bei Kartoffeln
sind es immerhin gut 50 Varianten mehr.
Davon profitierten auch die Bauern. Denn
so könnten unterschiedliche Böden, aber
auch der Klimawandel, bei der Aussaat
besser berücksichtigt werden.
Doch Argumente spielen in der aufgeheizten Auseinandersetzung nur noch eine untergeordnete Rolle. Das Verhältnis
zwischen Züchtern und Landwirten ist
zerrüttet. In dieser Woche werden die Bauern von der Saatgut-Treuhand zusätzlich
aufgefordert werden, ihren Nachbau für
das laufende Wirtschaftsjahr 2015/2016
zu melden. Dann wird sich zeigen, welche
Wirkung der Drohbrief hatte. Georg Janßen gibt sich gelassen: „Ich rechne mit einer stabilen Zahl von Verweigerern.“
jan heidtmann
Berlin – Bis zu vier Millionen Arbeitnehmer in Deutschland dürften von der Einführung des Mindestlohns profitiert haben. Dies ergibt sich aus einer neuen Auswertung des Statistischen Bundesamtes,
das dafür 60 000 Betriebe erfasste. Danach gab es im April 2014 etwa 5,5 Millionen Arbeitsplätze, für die weniger als 8,50
Euro brutto pro Stunde bezahlt wurden.
Vier Millionen entfielen unter den Mindestlohn, den die Bundesregierung Anfang
2015 einführte. Im Durchschnitt erhielten
diese Arbeitnehmer vorher nur um die 7,20
Euro pro Stunde. Mehr als 80 Prozent arbeiteten in Betrieben, die keine Tariflöhne
zahlten. tö
Seite 4, Wirtschaft
Schwere Niederlage
für Donald Trump
Washington – Donald Trumps Bewerbung
um die Präsidentschaftskandidatur der USRepublikaner hat einen Dämpfer erlitten.
Trump verlor die Vorwahl in Wisconsin gegen den erzkonservativen Ted Cruz mit einem Abstand von mehr als 13 Prozent, das
ist deutlich höher als prognostiziert. Damit
wächst die Wahrscheinlichkeit, dass es
Trump bis Juli nicht mehr schafft, eine absolute Mehrheit der Delegierten zu erobern. sz
Seiten 4 und 11
Neues Gesetz
gegen Wettbetrüger
Berlin/München – Das Bundeskabinett
hat am Mittwoch einen Gesetzentwurf verabschiedet, der den Wettmarkt regulieren
soll. Sportlern, Trainern und Schiedsrichtern drohen dem Entwurf nach bis zu fünf
Jahre Haft, wenn sie Wettbewerbe beeinflussen, um sich zu bereichern. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU)
sagte, das Gesetz sei, nach dem Anti-Doping-Gesetz, ein weiterer „Schritt hin zu
mehr Fairness im Sport“. sz
Sport
Schärfere Strafen
bei Zwangsprostitution
Berlin – Freier, die in Deutschland Zwangsprostituierte aufsuchen, können künftig
mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden. Ein entsprechendes Gesetz, das EURichtlinien zum Menschenhandel umsetzt, hat das Kabinett am Mittwoch verabschiedet. Wer den Behörden den Verdacht
einer Zwangslage meldet, geht jedoch straffrei aus. Wer mit Gewalt oder Drohungen
sexuelle Handlungen veranlasst, riskiert
bis zu zehn Jahre Haft. sz
Seite 10
Medien
Präsidentschaftswahlkampf:
Warum der ORF Richard
Lugner nicht einladen will
TV-/ Radioprogramm
Forum & Leserbriefe
München · Bayern
Rätsel
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Seehofer: De Maizière handelt „selbstherrlich“
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Der Bundesinnenminister stellt ein Ende der Kontrollen an der Grenze zu Österreich in Aussicht – und empört damit die CSU
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München/Berlin – Mit scharfer Kritik hat
Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer
auf die Ankündigung von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) reagiert,
die Grenzkontrollen zwischen Deutschland und Österreich möglicherweise bereits im Mai zu beenden. „Wir sind als
hauptbetroffenes Land nicht beteiligt und
nicht informiert worden. Das ist ein selbstherrlicher Regierungsstil“, sagte der CSUChef am Mittwoch der Mittelbayerischen
Zeitung. „Diese Selbstherrlichkeit richtet
sich zunehmend gegen Bayern. Wir sind
den Berlinern einfach zu stark“, sagte Seehofer. Die Entscheidung sei aus sicherheitspolitischen Gründen abzulehnen. Zuvor
hatte de Maizière im österreichischen Fernsehen ORF mit Blick auf die stark gesunke-
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Jegliche
nen Flüchtlingszahlen erklärt, dass die
Grenzkontrollen am 12. Mai auslaufen
könnten, sollte sich an der aktuellen Situation bis dahin nichts mehr ändern. Die
Grenzkontrollen waren im September des
vergangenen Jahres angesichts des großen
Andrangs an der Grenze nach Österreich
eingeführt und danach zweimal um drei
Monate verlängert worden.
Der bayerische Innenminister Joachim
Herrmann (CSU) kritisierte die Ankündigung ebenfalls. Er betonte, eine Beendigung der Grenzkontrollen an der österreichisch-deutschen Grenze sei „weder auf
der politischen Ebene noch auf der fachlichen Ebene abgesprochen“ gewesen. Herrmann teilte de Maizière mit, dass Bayern eine Einstellung der Grenzkontrollen derzeit
„definitiv ablehnt“. Der Bundesinnenminister habe ihm daraufhin versichert, ein
Ende der Grenzkontrollen komme nur infrage, wenn die Flüchtlingszahlen so niedrig blieben wie jetzt und wenn der Schutz
der EU-Außengrenzen garantiert sei. „Gerade Letzteres ist gegenwärtig aus unserer
bayerischen Sicht definitiv nicht gewährleistet“, sagte Herrmann. Vielmehr habe
sich „die Gefahr durch Terroristen aus
dem islamistischen Bereich eher noch verschärft“. Die Botschaft, man könne wieder
ungehindert nach Deutschland einreisen,
wäre „völlig falsch“.
Der Zorn aus Bayern stößt in Berlin auf
wachsendes Unverständnis. In Regierungskreisen hieß es, hier werde versucht, durch
„bewusstes Missverstehen“ neuen Ärger
zu schüren. Ein Sprecher des Ministers hatte zuvor gesagt, de Maizière habe auf Fragen eines Journalisten eine „Selbstverständlichkeit“ geäußert. Sollten die Flüchtlingszahlen so niedrig bleiben wie derzeit,
gebe es nach den Schengen-Regularien keine Basis dafür, die am 12. Mai auslaufenden Kontrollen noch einmal zu verlängern.
Die Entscheidung Österreichs, Grenzkontrollen am Brenner einzuführen, findet
dagegen in Bayern wie im Bund Zustimmung. Herrmann bot seiner Kollegin Johanna Mikl-Leitner an, bayerische Polizisten zur Unterstützung an den Brenner zu
schicken. Auch das Bundesinnenministerium zeigte am Mittwoch Verständnis für
die Entscheidung der Österreicher.
w. wittl, s. braun
Seiten 4 und 9
DAS WETTER
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