RAW vs. JPEG … Eine Glaubensfrage? - DK

RAW vs. JPEG … Eine Glaubensfrage?
Aus aktuellem Anlass (diese Woche scheint in vielen Fotogruppen die RAW-Woche zu sein)
schreibe ich diesen Artikel.
Gerade heute morgen tauchte die Frage in einer Gruppe auf, warum man immer dazu rät in
RAW anstatt in JPEG zu fotografieren und ob es für Anfänger nicht besser wäre die Fotos in
JPEG aufzunehmen und sich erstmal mit Grundlagen wie ISO, Blende und Belichtungszeit
auseinanderzusetzen.
Da fällt mir ja ein, dass wir diese Dinge hier schon in zwei Artikeln behandelt hatten: Teil 1
und Teil 2.
Was ist eigentlich JPEG und warum gibt es das?
JPEG ist ein 1992 vorgestellter Standard zur Bildkompression.
Zu dieser Zeit waren Bandbreite im Internet und Speicherplatz sowohl Mangelware als auch
sehr teuer und man musste sich etwas überlegen Bilddateien mit sowenig Speicherplatz wie
nur möglich sichern zu können.
Da es mit JPEG dann möglich war die Dateigrössen von Bildern zu minimieren sparte man
sich Speicher und es dauerte beim Laden im Internet über eine 56,6k Modemleitung nicht
mehr so lange.
Bildkompression?
Ja, Kompression.
Das bedeutet wie bei einem MP3, dass versucht wird eine grosse
Ausgangsdatei in eine kleine Ergebnisdatei zu transferieren. Wer nun logisch denken kann
wird sofort verstehen, dass dies niemals ohne Qualitätseinbussen von statten gehen kann.
Bei einer Kompression ins JPEG-Format werden viele Verfahren hintereinander
angewandt und manche davon sind sehr verlustbehaftet:
1. Umrechnung des Farbraumes von (meist) RGB ins YCbCR-Farbmodell.
2. Tiefpassfilterung und Unterabtastung der Farbabweichungssignale Cb und Cr.
3. Einteilung in 8×8-Blöcke und diskrete Kosinustransformation dieser Blöcke
(theoretisch verlustfrei, durch Rundungsfehler aber verlustbehaftet).
4. Quantisierung
5. Entropiekodierung
Eine kurze Erklärung zu diesen verlustbehafteten Verfahren:
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Bei der Umrechnung des Farbraums entstehen die üblichen Rundungsfehler durch
begrenzte Rechengenauigkeit und zusätzlich eine Datenreduktion, da die Cb- und CrWerte nur für jeden zweiten Pixel berechnet werden.
Bei der Tiefpassfilterung und Unterabtastung werden die Farbabweichungssignale Cr
und Cb in reduzierter Auflösung gespeichert. Bei YCbCr 4:2:0 zum Beispiel wir die
Datenmenge um Faktor 4 reduziert. Es wird die Tatsache verwendet, dass die
Auflösung des Auges für Farben deutlich geringer ist als für Helligkeitsunterschiede.
Es wird also etwas weggeschnitten, von dem man ausgeht, dass das Auge die fehlende
Datenmenge eh nicht wahrnehmen wird.
Bei der Quantisierung wird zugrunde gelegt, dass das Auge für grobe Strukturen
empfindlicher ist als für feine. Somit werden bei einem JPEG feine Strukturen stärker
komprimiert als Grobe. Dies merkt man wenn man ein JPEG vergrössert.
Zusammengefasst:
Bei der Komprimierung eines Bildes zu JPEG werden (ähnlich wie beim mp3) Verfahren
angewendet die sich auf Vermutungen stürzen, was wir deutlicher wahrnehmen und was nicht
so deutlich. Strukturen die wir deutlich wahrnehmen bleiben relativ unkomprimiert und
Strukturen die uns nicht sofort auffallen werden entweder stark komprimiert oder einfach
schlichtweg weggelassen.
Bei MP3 wird z.B. bei manchen Kompressionsverfahren davon ausgegangen, dass das
menschliche Ohr Frequenzen ab 20000Hz eh nicht wahrnehmen kann und somit wird alles
oberhalb dieser Frequenz einfach abgeschnitten. Die Praxis zeigt jedoch, dass der Mensch
diese Frequenzen im Zusammenspiel mit der anderen Musik sehr wohl unterbewusst
wahrnimmt und sie der Musik eine Qualität und „Wärme“ verleihen.
Wenn jetzt z.b. der Algorithmus zur Komprimierung besagt, dass das Auge alles was dunkler
ist als ein gewisser Wert eh nicht mehr wahrnimmt wird alles was dunkler ist einfach
weggeworfen.
Klar fällt es mir nicht auf, aber ich kann diese Bereiche auch nicht mehr aufhellen, da sie
schlicht und einfach im JPEG nicht mehr existent sind.
Aber ich kann doch auch mein JPEG gut und verlustfrei bearbeiten!!!
Falsch!!!
Wichtig: Ein JPEG ist dekodiert und muss für eine Bearbeitung und Darstellung also rekodiert
werden!
Was man an JPEGS verlustfrei bearbeiten kann ist folgendes:
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Bilddrehung um 90°, 180° oder 270°
horizintale und vertikale Bildspiegelung
Beschneiden von Rändern um Vielfache von 16 Pixeln (bzw. 8 Pixel bei
Schwarzweißbildern oder Farbbildern ohne Unterabtastung).
Alles andere was ich bei einem JPEG bearbeite oder verändere MUSS beim Speichern
zwingend neu komprimiert und dekodiert werden und ist somit mit einem erneuten
Qualitätsverlust behaftet!!!!!
Vielleicht wird es manchen deutlicher wenn ich sage Ihr sollt mal versuchen ein
komprimiertes Video oder ein MP3 ständig neu bearbeiten und wieder komprimieren bis
entweder nur noch Rauschen oder Artefakte auftreten.
Ich brauche kein RAW, ich schau mir lieber meine Fotos an die als unbearbeitetes
JPEG Out of Cam (OoC) kommen.
Dann viel Spass mit dem Irrglauben, ein JPEG sein unbearbeitet wenn es direkt frisch aus der
Cam kommt.
Warum? – Ganz einfach:
JEDE Digitalkamera nimmt in RAW auf! Diese Daten werden dann in einem Puffer
gespeichert.
Wenn Ihr in JPEG fotografiert werden diese Rohdaten nun von der Kamera intern bearbeitet
und komprimiert und dann als JPEG auf die Speicherkarte geschrieben. Dies erfolgt so, wie es
die Entwickler der Kamerasoftware programmiert haben.
Das bedeutet folgendes:
Je nachdem was die Entwickler bei Canon, Nikon, Sony und Co als „schön“ empfinden
programmieren sie den Algorithmus der die Rohdaten zum JPEG macht.
Das ist auch der Grund, warum die Bilder von verschiedenen Herstellern immer anders
aussehen, auch wenn exakt der Gleiche Sensor verbaut ist.
Wenn Du nur in JPEG fotografierst ist Dein Foto nie und nimmer unbearbeitet, auch
wenn es ganz frisch aus der Cam kommt.
RAW – Das Rohdatenformat vs. JPEG
Im Gegensatz zu einem JPEG ist das RAW einer Kamera nun wirklich fast gänzlich
unbearbeitet.
Ich höre immer den Satz „Man muss erst das Spiel Blende, ISO und Belichtungszeit verstehen
und sollte deswegen erstmal in JPEG fotografieren um sofort sehen zu können ob alles richtig
ist.“
Dieser Satz ist ein Widerspruch in sich selbst, denn wenn ich in JPEG fotografieren muss ich
mir um einiges mehr Gedanken an Voreinstellungen machen als „nur“ Blende, ISO und
Belichtungszeit.
Dinge, die ich wenn ich in JPEG fotografiere vor der Aufnahme ausserdem beachten muss:
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Weissabgleich (einmal falsch eingestellt, kann ich ihn im JPEG nicht mehr ändern).
Farbraum
Kontrast
Schärfe
Auflösung
JPEG-Kompressionsrate
um nur ein paar zu nennen.
Klaro stellt die Kamera das im Automatikmodus alles meist von selbst ein, jedoch geht mal
tiefer ins Menü und seht was Ihr alles ändern könnt wenn Ihr in JPEG fotografiert und was
auch geändert werden sollte wenn man ernsthaft fotografieren will.
Beim RAW hingegen muss ich mich wirklich NUR darauf beschränken ISO, Blende und
Belichtungszeit vor der Aufnahme einzustellen. Eventuell noch Gedanken über den
Fokusmodus.
Alle anderen Werte die ich bei JPEG zuvor bedenken muss kann ich bei einem RAW in Ruhe
zuhause am PC einstellen. Und das genau so wie ich es will.
Bildqualität:
RAW liefert mir die uninterpolierten Daten des Sensors. Ich habe eine immens höhere
Auflösung der Helligkeit und fast die kompletten Daten die der Sensor aufgenommen hat
bleiben vorhanden.
Es wird nichts im Bild „weggeworfen“, da es dem Auge psychologisch ja eh nicht sofort
auffällt.
Ich kann alles komplett verlustfrei bearbeiten und entwickeln.
Bei JPEG bedeuten Tonwertkorrekturen immer Lücken im Histogramm, bei RAW nicht.
Bei JPEG gehen feine Strukturen aufgrund der Kompression verloren, es entstehen
Kompressionsartefakte, bei RAW nicht.
usw….. ich könnte die Liste der Vorteile noch fortführen.
FAZIT:
Wir befinden uns im Jahr 2016. Bandbreite ist vorhanden, Speicherplatz ist günstig.
Wieso also eine 1992 eingeführte Technik verwenden??? – Mir persönlich unlogisch.
Zumindest dann, wenn ich das Hobby Fotografie ernsthaft erlernen und betreiben will führt
nichts an RAW vorbei.
Ich denke viele verfallen dem Irrglauben, dass man damals ja auch nur seinen Film abgeben
musste und dann ein paar Tage seine fertig entwickelten Fotos bekam und dabei der Film ja
nur in ein paar Lösungen getaucht wird.
Wer das denkt liegt falsch. Ich bin zwar niemand, der heute analog fotografiert, aber ich weiss
dass man bei der analogen Fotografie sehr wohl sehr viel Entwicklungsarbeit in der
Dunkelkammer machen kann und dort die Qualität der gemachten Bilder durch eine
Änderung der Prozesse nochmal bearbeitet und so schöner macht.
Mein Tipp:
Fotgrafiert von mir aus in JPEG, aber stellt die Cam so ein, dass sie zusätzlich das RAW auch
speichert.
Irgendwann kommt der Punkt an dem Ihr tiefer in die Materie einsteigen und Eure Fotos
selbst in Lightroom und Co entwickeln wollt und Ihr werdet Euch ärgern, wenn Ihr dann von
Euren besten Bildern von früher kein RAW zur Hand habt.
Ein RAW zu entwickeln hat viele Vorteile und hat in erster Linie auch nichts mit
Bildbearbeitung ala Photoshop zu tun.
Nein, ich überlasse es nur nicht einem Entwickler beim Kamerahersteller und der
programmierten Software der Kamera.
Ich bin ich!!!! Es sind meine Fotos!!! Und ich will sie so entwickeln wie ich es für schön
und gut empfinde!!!
Willst Du auch Du sein oder willst Du Deinen Geschmack auch in Zukunft den
kamerainternen Algorithmen unterordnen?
P.S.:
Ein guter Freund meinte letztens: RAW ist ein Filetstück dass ich bearbeiten kann. JPEG ist
Hackfleisch dass ich nie mehr zu einem Filet machen kann.
Quelle http://fotocoaching-bayern.de/raw-vs-jpeg-eine-glaubensfrage/