klicken, um den Anhang zu öffnen

Mobile Seite
du bist salto
 login
 register
fördern • werben
das nachrichten- und communityportal für südtirol
16° c / 3° c | deutsch | italiano
politik wirtschaft gesellschaft chronik kultur
magazine gruppen
Quelle: unibz
interview mit prof. mirco tonin
„Diskriminierung ist überall“
Auch von der öffentlichen Verwaltung werden Afroamerikaner in den USA ungleich be
sind die „Täter“ gar nicht bewusst rassistisch, sagt Professor Mirco Tonin.
Von Unibzone 6.4.2016
Heißen Sie mit Vornamen DeShawn oder mit Nachnamen Jackson? Oder gar beides
zusammen? Dann haben Sie in Amerika schlechte Karten – zumindest dann, wenn
es darum geht, von öffentlichen Stellen eine Antwort auf etwaige Anfragen zu
erhalten, die man per E-Mail gestellt hat. Der Grund dafür, ist dass Namen wie
DeShawn Jackson oder Tyrone Washington auf eine afroamerikanischen
Hintergrund schließen lassen. Somit hätten Sie schlechtere Chancen, auf Anfragen
per E-Mail eine Antwort zu erhalten, als Ihre Mitbürger mit einem „weiß“klingenden Namen wie Jake Mueller oder Greg Walsh. Das hat ein Feldexperiment
gezeigt, an dem unter anderem Mirco Tonin, Professor für Volkswirtschaftslehre
an der Uni Bozen, mitbeteiligt war.
In der Studie haben Mirco Tonin und seine Kollegen annähernd 20.000 E-Mails an
öffentliche Stellen geschickt, an Job-Center, Schulen, Bibliotheken und
Polizeiwachen. Dabei hat sich herausgestellt, dass die Wahrscheinlichkeit, eine
Antwort zu erhalten, bei Absendern mit einem „schwarz“-klingenden Namen um
4% geringer ist als bei Absendern mit einem „weiß“-klingenden Namen. Bei
Anfragen an eine Polizeiwache handelte es sich sogar um 7%. Laut der Studie fällt
die Diskriminierungen in ländlichen Gebieten stärker aus als in städtischen. Wie
sehr Diskriminierung gegen Afroamerikaner in den USA noch eine Rolle spielt und
wie diskriminierendes Verhalten auch bei bestem Willen jedem von uns
unterlaufen kann, erklärt Mirco Tonin im Interview.
beitrag erstellt
unibzone 137 beiträge
Wie lange haben Sie gebraucht, dieses Experiment durchzuführen?
Wir haben die E-Mails automatisch durch einen Verteiler versandt, aber mussten
unter der Grenze von maximal 500 E-Mails täglich bleiben, um nicht als Spam
gewertet zu werden. Das Ganze hat sich also innerhalb einiger Wochen abgespielt.
Was war dabei eure Methode?
Wir haben eine erste Runde E-Mails verschickt, dabei war es dem Zufall überlassen,
wer eine „schwarz“-unterzeichnete oder eine „weiß“-unterzeichnete E-Mail
bekommt. In der zweiten Runde haben wir eine weitere E-Mail an dieselben
Empfänger geschickt, diesmal von einem anderen Absender, der wiederum einen
typisch „schwarzen“ oder „weißen“ Namen haben konnte. Allerdings haben wir
diesmal auch den Beruf des Absenders genannt, und zwar jeweils einen
angesehenen Beruf. Das haben wir gemacht um sicherzugehen, dass die
Diskrimination nur aufgrund des vermuteten ethnischen und nicht des vermuteten
sozialen Hintergrunds erfolgt. In der Tat hat sich auch durch das Nennen eines
angesehenen Berufs wenig geändert.
Hattet du und deine Kollegen schon vor eurer Studie Evidenzen über Diskrimination
zwischen Weißen und Schwarzen?
Vor unserer Studie habe ich mich zunächst mit Literatur zum Thema
auseinandergesetzt. Und da kommt ganz klar zum Vorschein: Die Diskrimination
ist überall. Zum Beispiel wurden identische Curricula an verschiedene Arbeitgeber
verschickt. Zum Vorstellungsgespräch wurden aber hauptsächlich Bewerber mit
„weiß“-klingendem Namen eingeladen. Solche Studien gibt es in sehr hoher Zahl
und sie laufen sämtlich aufs Selbe hinaus: Schwarze sind in den USA benachteiligt.
Wo es bisher eben wenige Studien gab, ist im öffentlichen Bereich, und hier sind
Diskriminierungen natürlich umso schwerwiegender. Solche Unterschiede in der
Behandlung sind absolut illegal, es darf sie nicht geben. Als wir unsere Studie in
den USA präsentiert haben, hat man uns allerdings schon ein paar Mal entgegnet,
dass man sich eigentlich noch schlimmere Zahlen erwartet hätte.
Wie fiel die Resonanz in US-amerikanischen Medien aus?
Über die Studie wurde in verschiedenen Zeitungen berichtet. Es ist für die USA auf
jeden Fall ein Thema mit einer gewissen Relevanz. Vor allem die Diskrimination
von Seiten der Polizei, die in einigen Fällen sogar in exzessiver Gewalt und in
Erschießungen gegen Afroamerikaner und sogar minderjährige Afroamerikaner
ausartete, war vor einiger Zeit ein omnipräsentes Thema. Das war natürlich weit
schwerwiegender als eine nicht beantwortete E-Mail. Und auch die Gesinnung
dahinter muss nicht unbedingt dieselbe sein.
So?
Ja, das ist meiner Meinung nach eine wichtige Tatsache: Bei der Diskriminierung,
die wir mit unserer Studie aufgedeckt haben, handelt es sich oft gar nicht um eine
explizite Art von Diskrimination oder Rassismus. Das heißt, die Personen, die diese
Diskriminierung ausüben, haben oftmals die besten Absichten und sind sich ihres
diskriminierenden Verhaltens gar nicht bewusst. Sie halten sich selbst für absolut
fair und vorurteilslos, aber verhalten sich unbewusst doch nicht jedem gegenüber
auf dieselbe Weise.
Auf diese Art und Weise zu diskriminieren, kann also jedem von uns passieren?
Genau. Das ist aber auch der Grund, warum wir mit solchen Experimenten und
Studien einen Beitrag leisten können, dass sich konkret etwas ändert. Man hat zum
Beispiel bereits zeigen können, dass unbewusste Diskrimination gegenüber Frauen
merklich zurückging, indem man lediglich auf diese Art von ungleicher
Behandlung aufmerksam gemacht hat. In manchen Fällen gibt es also gar nicht
eine bewusste böswillige Absicht zur Diskrimination. Die Hoffnung war nun, dass
diese Art von Diskrimination in der öffentlichen Verwaltung zurückgeht, indem
manche Beamten, die eigentlich keine schlechten Absichten haben, auf ihre
unfairen, aber bisher nicht bewussten Verhaltensweisen aufmerksam werden. So
können sie in Zukunft mehr Acht darauf geben, dass ihnen das nicht (wieder)
passiert. 
mehr politik