w w w . m o e r rr. d e NO. 2 N E U BAUEN: Architektur der Freiheit NEUE STADT: Smart Nein Danke NEUE SCHULE: Von Tesla zu Tesla NEUES MITEINANDER: Ökodorf Sieben Linden NEU KAPUTT: Made in Murks INHALT SMARTE NEUE STADT Gefangen im Netzwerk: Smart nein Danke SMART GARDEN An der Schnittstelle von Natur und Technologie DIE STADT UND DAS WASSER Fragen an den grünen Stadtökologen Sven Benthin ERWISCHT! Inside Klunkerkranich Dr. Emiliano Feresin, Berlin Wissenschafts-Autor und -Berater VON TESLA ZU TESLA. Seite 50 “Ich liebe es, in das einzutauchen, was die Zukunft unserer Gesellschaft antreibt: Technologie, Klima, BEES WITHOUT BORDERS und das menschliche Gehirn." Die Dach-Bienen und die Detroit-Berlin Connection HOCHHÄUSER AUS HOLZ Neues Denken in der Architektur ARCHITEKTUR DER FREIHEIT Neues Leben, neues Bauen und die Rebel Architects BUCKMINSTER MÜLLER und derWhole Earth Catalog Sven von Thülen, Berlin Buchautor, Journalist und DJ BEES WITHOUT BORDERS, Seite 18 PLATTE SATT Tiny-Houses (nicht nur) für Obdachlose ÖKODORF SIEBEN LINDEN Keimzellen eines neuen Miteinanders „Inspirierend ist für mich alles, was mich m it m ir selbst und meiner Umwelt verbindet. Das kann ein Morgenspaziergang sein, ein Clubbesuch oder eine Yogastunde. “ AUSGABE /2015 DIE PRINZESSIN AUF DER ERBSE Die Eierlegende Woilmilchsau LOKALHELDEN Essbare wildwachsende einheimische Pflanzen MADE IN MURKS Geplante Obsoleszenz und Repair-Cafes ARCHITEKTUR DER FREIHEIT VON TESLA ZU TESLA Neudenker und freie Energie DER HUNDERTSTE AFFE Netzwerke des Bewusstseins, menschlich und künstlich FOUNDED IN 1991 IN THE BASEMENT OF TRESOR BERLIN B 612 Eine Kurzgeschichte COMIC Neue Abenteuer von Otter und Biber DER HACKTIVIST Crypto Partys DIE STADT DER PFERDE Der hippophile Blickwinkel DIE LETZTE SEITE © TRESOR ... so und wer bringt jetzt den Müll weg? mö RR R8 SMART GARDEN IPG-Tower: „Haben Sie genug Sprit oder nicht?“ Hummel: „Ja.“ IPG-Tower: „Ja, was?“ Hummel: „Ja, Sir!!!“ Foto: IP Garten Reality-TV? War gestern. Das Next Level ist Reality-Gaming! Überwachungskameras, Wasserstrahl-Schießen, Handel - alles per Internet aber doch im richtigen Leben. Worum es geht? Natürlich um nachhaltigen Anbau von Obst und Gemüse! An der Schnittstelle von Natur und Technologie: IPGarten. er gebürtige Berliner Martin Kruszka ist der Initiator von IPGarten. IPGarten ist - kurz gesagt - ein realer Garten mit virtueller Adresse. Die Idee dazu kam Martin vor ca. drei Jahren. Das war die Hochzeit der sog. Free-to-Play Social Games. Damals spielten weit mehr als 100 Millionen User Spiele wie Farmville, Farmarama, Empires & Allies und andere. Die soziale Spielmechanik des Farmings war so weit verbreitet, dass man Farming als den eigentlichen Herzschrittmacher des inzwischen allmählich abflauenden Social Gaming Hypes betrachten kann. Selbst heute haben Spiele wie Farmville 1 + 2 als App noch mehr als 50 Millionen registrierte User, von denen sicher noch M illi onen aktiv sind. Da ist die Hoffnung sicher nicht unbegründet, einen Teil dieser an und für sich produktiven Energie der M illi onen von Menschen, die tagtäglich zusammen mit ihren Freun den gegenseitig ihre virtuellen Felder bewirtschaften, wieder ins D reale Leben zurückkoppeln zu können. Denn „der Wunsch ist es, Menschen wieder an das reale Thema Garten heranzuführen“, so Martin. Angefangen hatte jedoch alles damit, dass Martin vor vielen Jahren in Sachsen-Anhalt in einem kleinen Dorf ein Grundstück erworben hatte, zu dem ein knapper Hektar Land gehörte. Mit Urban Gardening oder Nachhaltigkeit hatte man damals zu nächst gar nichts am Hut. Aber ohne es zu wissen, handelten Martin und seine Freunde gemäß den Prinzipien der Permakultur, als sie Samen von guter Qualität auf den Acker streuten und dann einfach der Natur ihren Lauf ließen. Da sie keine Zeit hatten, sich zum Gießen auf den langen Weg zu machen, ka men sie erst vier Wochen später wieder zum Feld zurück. Und staunten nicht schlecht. Alles Mögliche war am Wachsen, ganz ohne Düngen oder sonstige Pflegemaßnahmen, den anhalten den Unkenrufen der einheimischen Bevölkerung zum Trotz, die m öR R R 10 Das nächste Level war die Ermittlung eines Kosten-NutzenFaktors. Nach einigem Grübeln kamen die drei an dem Projekt beteiligten Betriebswirte zu dem Schluss, dass sich ein Invest ment aus Nutzersicht durchaus lohnen kann: „Bei der Fläche, die wir zur Verfügung stellen, sieht es sehr sicher so aus, dass man Geld investiert und den Wert des Doppelten dafür zurück bekommt nach der Saison." Insgesamt soll es auf dem einen Hektar 40 Parzellen geben, und um das Gefühl des Live-Dabeiseins zu ermöglichen, steht zwischen vier Parzellen jeweils ein Tower, in dem die Elektronik installiert ist wie Sensoren und Kameras, die die Parzellen Tag und Nacht abfilmen und dem User 24 Stunden am Tag online einen direkten partizipierenden Kontrollblick erlauben. „Auf einer gekauften Zucchini mag ,bio‘ stehen, aber eine Zuc chini hier kann man ihr ganzes Leben lang beobachten. Das ist Transparenz für mich“ , so Martin. „Ich finde bei unserem Projekt wird beispielhaft dargestellt, wie man mit Überwachung sinnvoll umgehen kann. Es macht einfach Sinn, die Lebensmit tel, die man isst, auch selber zu überwachen.“ So kann man beispielsweise die Dichte der Pflanzungen ge nauso bestimmen wie die Art des Saatguts. Der Spieler erhält zwischendurch E-Mails nach Hause geschickt wie zum Beispiel: „Hallo, hier ist Deine Möhre 5/17 auf Parzelle 1 Quadrant 4, bin jetzt 3 Zentimeter groß“ . Dadurch kann er anhand des Bildmaterials selbst entscheiden, welche Aktion er auslösen will, bzw. ob er eine Aktion überhaupt für nötig hält. Zum Beispiel wäre eine mögliche Aktion: das Jä ten von Unkraut. Da Drohnen oder Roboter in dem Zusammen hang zurzeit noch keine praktikablen Optionen sind, gibt es bei IPGarten einen Online-Shop, in dem man beispielsweise „eine Stunde Unkraut-Jäten“ buchen und bezahlen kann. Nach so ei nem Auftrag jätet dann ein Helfer eine Stunde lang Unkraut. „Ob man überhaupt von Unkraut reden kann oder nicht, das kann jeder selber entscheiden“, so Martin. Für das Gameplay haben sich Martin und seine Kollegen auch Action-Elemente überlegt, die den Spieler live in das Geschehen m it einbeziehen: „Um den Spielefaktor noch doller zu bedienen, kann man den Wasserstrahl auch lenken, man kann auch von oben bewässern, das macht von der Effektivität her zwar keinen Sinn, macht aber Spaß. Um Wasser zu sparen, hat man pro Tag auch nur 15 Minuten Zeit, um seine Parzelle zu bewässern.“ Der Spieler steuert per Knopfdruck über das Internet kleine Pumpen sowie die Steuermotoren der Wasserdüsen. Um dem Spieler ein direktes Feedback zu seinen Bewässerungsbemü hungen geben zu können, gibt es zusätzlich Sensoren, die die Bodenfeuchtigkeit messen. „Wenn man dummerweise gegen den Wind gegossen hat, wird man sehen, es ist nichts angekommen auf dem Boden, aber mein Kontingent an Wasser ist schon verbraucht.“ Für noch mehr Fun sorgt die spielinterne Ökonomie: „Der Gaming-Faktor wird durch das Handeln bedient.“ Aller Wahrscheinlichkeit nach wird es bei IPGarten ähnlich wie bei anderen Social Games auch eine spiel-interne Währung geben. Der Wettstreit zwischen den ein zelnen Mitspielern ist durchaus beabsichtigt. Ziel des Spiels ist es, möglichst effektive Bewirtschaftungsstrategien zu entwickeln. Die Patenschaft für eine Parzelle übernimmt ein Spieler immer für eine Saison. Im Winter ist Pause, aber im Herbst kann man schon bestimmen, wie die Felder vor bereitet werden, die dann von Gärtnern nach den Angaben der Spieler bepflanzt werden. Besonders fruchtbare Parzellen wer den wohl stärker umworben sein als andere. Dadurch entsteht wieder die beabsichtigte Konkurrenz unter den Spielern. Durch das geschickte Re-Engineering bestehender Online-SpielTechnologien und das Addieren von Elementen aus der realen Welt ergeben sich völlig neue Möglichkeiten des Gameplays bei der Interaktion mit der Realwelt. Vielleicht schärft dies bei Spie lern auch den Blick auf das Reale. Neu ist, dass nach dem Spielen auch etwas bei rumkommt, wo mit sich die Frage nach der Distributionslogistik der erwirtschaf teten Erträge stellt. „Das wird wohl eine Kooperation werden, dass einmal die Wo che die Ernte irgendwo hingebracht wird, in die entsprechende Stadt, und sich die Leute dann dort ihre Gemüsekiste abholen. Wir müssen die Projekte ganz dicht an die Städte ranholen. Ich bin jetzt kein Freund davon, in den Städten was anzupflanzen (wegen der Boden- und Luftbelastung), für mich hat das ,nen bitteren Beigeschmack, ich habe keine Ahnung davon, aber mein Gefühl sagt, komisch." Sicher bleibt es spannend, wie das Spiel dann am Ende tatsäch lich aussehen wird, denn ein zu bewirtschaftendes Feld ist wie ein Online-Spiel vergleichbar mit einem Organismus, der sich aus vielen Einzelteilen zusammensetzt. Die einzige Systemvoraussetzung, die man zum Spielen von IP Garten braucht, ist ein funktionierender Internetzugang: es ist damit Lo-Spec und trotzdem ein Spiel der Superlative: ein Spiel für die wachsende Gemeinde der Selbstversorger eben so wie für realitätsresistente Gamer um den nachhaltigen Anbau von Obst und Gemüse. Die Idee, so Martin, ist weltweit einmalig. Wer weiß, vielleicht ist das Next-Next Level die Freie Republik IPGarten. Text: Peter C. Krell den sandigen Boden als äußerst ungeeignet für den Anbau be zeichnet hatten. Aus all diesen Faktoren entwickelte sich dann die Idee, im Rah men eines Computerspiels Parzellen zur Verfügung zu stellen, die man von zu Hause aus über das Internet bewirtschaften kann. Diese Parzellen bringen dann einen Ertrag und diesen Er trag können die Spieler dann untereinander tauschen. Letztes Jahr hatten Martin und seine inzwischen neun Mitstrei ter („vom Programmierer über'n Tischler bis hin zum Land schaftsarchitekten“) um die 80 Kilo Gemüse erwirtschaftet. Sie wussten gar nicht, wohin damit und fingen an, es zu verschen ken und so manches einzukochen. „Da essen wir heute noch von“ , grinst Martin lakonisch. „Ich finde bei unserem Projekt wird beispielhaft dargestellt, wie man mit Überwachung sinnvoll umgehen kann. Es macht einfach Sinn, die Lebensmittel, die man isst, auch selber zu überwachen.“
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