8 Landkreis Osterholz Die Norddeutsche 09.04.2016 S. 8 Fahr-Check für über 70-Jährige 89-Jährige bisher älteste Teilnehmerin SONNABEND 9. APRIL 2016 Blick ins Revier Mit Kreisjägermeister Heiko Ehing auf dem Hochsitz / Heute trifft sich die Jägerschaft in Schwanewede V ON A LBRECH T-J O A C H IM BA H R Landkreis Osterholz. Immer mehr Menschen sind darauf angewiesen, auch im Alter mobil zu bleiben. Bleibt nur die Frage: wie sicher ist man als Ü-70er noch am Steuer eines Autos? Um das zu überprüfen, bietet der Landkreis Osterholz für Inhaber einer Fahrerlaubnis, die mindestens 70 Jahre alt sind, einen kostenlosen Fahr-Fitness-Check an. Entsprechende Flyer mit Gutschein liegen an folgenden Stellen aus: im Kreishaus, den Rathäusern und bei der Polizei, im Gesundheitsamt, bei den Seniorenbeiräten der Stadt und der Gemeinden sowie im Musterhaus zum Wohnen mit Zukunft; weiter bei der Seniorenbegegnungsstätte und dem Senioren- und Pflegestützpunkt Niedersachsen im Landkreis Osterholz. Die Gutscheine sind bis Ende des Jahres gültig. Die Beratung erfolgt vertraulich. Weder Kreisverwaltung, noch Polizei oder sonstige öffentliche Institutionen erhalten Kenntnis von der Beratung oder deren Ergebnisse. Wer sich checken lassen will, kann sich mit dem Gutschein an eine der vier auf dem Flyer genannten Institutionen zu Beratung wenden und dort auch einen Fahr-FitnessCheck machen. Die genauen Inhalte des Beratungsgespräches beziehungsweise des Fahr-Fitness-Checks können bei den jeweiligen Anbietern erfragt werden. Das Spektrum reicht von der medizinischen Beratung über einen Reaktionstest bis hin zum praktischen Fahrtest im eigenen Wagen. Der Kreis hat im vergangenen Jahr entschieden, 15 000 Euro aus den Überschüssen der Geschwindigkeitsüberwachung bereitzustellen. Insgesamt haben bereits 132 Ü-70er eine Beratung wahrgenommen, 52 Frauen und 80 Männer. Die älteste Teilnehmerin war 89 Jahre alt. ABENDHOCHSCHULE SCHWANEWEDE Englisch-Konversationskurs Schwanewede. Einen Englisch-Konversationskurs startet die Abendhochschule Schwanewede am nächsten Mittwoch, 13. April, um 19 Uhr an der Waldschule. Im Gespräch über aktuelle Themen und Texte können die Kursteilnehmer ihr Vokabular erweitern und mehr Sicherheit beim Sprechen der englischen Sprache gewinnen. Anmeldungen nimmt Kursleiterin Hilde Hütten unter der Telefonnummer 0 42 09 / 14 89 (wochentags von 9 bis 12 Uhr) entgegen. GKE LANDFRAUEN STENDORF Vortrag über Ernährungsmythen Brundorf. Im Vortrag „Stimmt’s oder stimmt’s nicht?“, zu dem die Landfrauen Stendorf für Donnerstag, 14. April, ins Dorfgemeinschaftshaus an der Ahrnkenstraße in Brundorf einladen, werden Ernährungsmythen unter die Lupe genommen. Darin geht es um Fragen wie: Darf man Spinat noch mal aufwärmen? Ist Bio gesünder? Der Vortrag beginnt um 19.30 Uhr. Gäste sind dazu willkommen. Referentin ist die Hauswirtschaftsberaterin Karin Reinking von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen. AJB Vom Hochsitz aus beobachtet Heiko Ehing das Wild. Auf die Jagd gehen darf er momentan nicht. Es ist Schonzeit. Erst am 1. Mai beginnt wieder die Rehbockjagd. V ON V OL K E R K ÖL L I N G Landkreis Osterholz. 1500 Rehe sind im Jagdjahr 2015/2016 von den 800 Jägern im Kreis Osterholz geschossen worden. Nicht einmal zwei pro Jäger. Kreisjägermeister Heiko Ehing amüsiert sich über Anrufe wie den am 20. Dezember, als ihm jemand den Auftrag geben wollte, doch mal eben in den Wald zu gehen und einen Weihnachtsbraten zu schießen: „Viele Menschen da draußen haben ein vollkommen falsches Bild von dem, was wir Jäger tun.“ Was sie tun? Eine Abendreportage aus dem Revier. Der Allradantrieb von Ehings Kombi verspritzt den Schlamm vom Weg zur Seite. „Regen ist gut, wenn man Tiere sehen will. Die wissen dann, dass der Wald ihnen gehört und kommen raus. Das Auto stört sie gar nicht. Die können plötzlich vor uns stehen.“ Immer wieder guckt Heiko Ehing in Waldschneisen. Auch am Wasserloch suhlt sich heute keine Wildschweinmeute: „Die Wiese da vorne: Sehen Sie die Erdklumpen? Das haben Wildschweine umgebrochen auf der Suche nach Insektenlarven und Mäusenestern.“ Ehing ist nicht nur seit 15 Jahren Kreisjägermeister, sondern auch seit 1984 Funktionsbeamter für Waldökologie – man darf auch Förster sagen. Der Wald ist seine Welt, und er lacht über die Vermutung, dass das Rauschen da oben von der Autobahn 27 kommt: „Hören Sie mal genau hin: Das sind keine Autos. Das sind die Baumwipfel im Wind.“ Ehing kennt das von den Anfängern im Wald: „Wir bilden ja auch Jungjäger aus. Und das Sehen und Hören hier kommt erst mit der Zeit. Oft sagen uns die Jungjäger, dass sie zum Beispiel all die Fährten im Wald vorher nie gesehen haben.“ Der Kombi kommt ruckelnd zum Stehen und Ehing späht mit seinem Fernglas in Richtung eines hellen Flecks ganz hinten auf einer Lichtung: Nur Sand an der Wurzel eines umgestürzten Baumes. Wo ist das Wild? Ehing meint, die Tiere könnten ein paar Meter neben dem Wagen stehen und man würde sie im Wald nicht bemerken. So sei das eben in diesem Jagdrevier mit 2000 Hektar zusammenhängendem Wald bis nach Meyenburg. Gerade im März haben die Jäger in den 25 Revieren in seinem Zuständigkeitsbereich wieder eine Wildzählung unternommen. Aber absolut sichere Zahlen über den Bestand gebe es nicht. Da gibt die Kreishegeschau fast schon mehr Anhaltspunkte über das Wildleben. Bis zum frühen Abend ist Ehing mit der Organisation in der Schützenhalle Schwanewede beschäftigt gewesen: „Beim Jägertag muss jeder seine Trophäen vorzeigen. Das ist Pflicht.“ Er hält und zeigt auf seinem Handy Fotos von Stellwänden voller Tierschädel und Erläuterungen über die Besonderheiten der Jagd. Die ist keine Männerdomäne mehr. Ehing: „Inzwischen haben wir bei jedem Jagdscheinkursus meist um die vier Frauen dabei. Wir haben jetzt einen Frauenanteil von zehn bis 15 Prozent und das wird von Jahr zu Jahr mehr.“ Heiko Ehing hat einen Hochsitz für die Wildbeobachtung ausgeguckt: 500 Meter Fernblick von einem Hügel auf einer breiten Waldschneise: „Bei der Jagd sitzt man und wartet. Das ist erst einmal alles.“ An- sitz heißt das – alles um die Jagd scheint eigene Vokabeln zu haben. Und wo ist das Gewehr? „Es ist absolute Schonzeit auf Schalenwild – also Rehwild und Damwild – seit dem 1. Februar. Erst am 1. Mai beginnt wieder die Rehbockjagd.“ Okay, also rauf über eine glitschiggrüne Holzleiter in den erstaunlich gemütlichen Hochsitz. Ehing hat auf der Brüstung eine Fleecedecke ausgebracht und dicke Isolierkissen für das trockene Sitzen. Sogar überdacht ist das Gestell. Mit dem Dämmerlicht wird es mucksmäuschenstill im Wald. „In den Wald auf Jagd zu gehen ist für mich Erholung pur. Man findet hier wirklich Ruhe, kann vollkommen entspannen,“ beschreibt er den Reiz, den er der Jagd nach all den Jahren immer noch abgewinnt. Der 54-Jährige erläutert, wie er von hier oben schießen würde. So eine Gewehr- „Beim Jägertag muss jeder seine Trophäen vorzeigen. Das ist Pflicht.“ Heiko Ehing kugel fliege 5000 Meter, auf 200 Meter könne man tödlich treffen: „Tatsächlich schießen die meisten Jäger auf sechzig bis hundert Meter Distanz. Aber man muss immer genau darauf achten, wohin man schießt.“ Wie zur Bestätigung taucht einige Minuten später eine Reiterin auf. Ehing hatte kurz zuvor gesagt: „Da in den Wald mit seinen dünnen Bäumen darf ich nicht schießen, weil da ein Weg dahinter ist. Das muss ich mir vorher klarmachen.“ Dem hingegen hat er direkt nach vorne und zur Seite einen Schusswinkel, bei dem Fehlschüsse in der Anhöhe und einer Böschung stecken bleiben würden. Ehing: „Das wäre ein gutes Schussfeld.“ Statt einem Gewehr wird die Kamera scharf gemacht. Zoom. Nein, auch das da hinten ist kein Geweih, sondern ein Busch, gespickt mit Ästen. „Aber nur nach Ahnung darf man ohnehin nicht schießen. Man muss vorher genau ausgemacht haben, was man da eigentlich vor sich hat: Welches Geschlecht ein Tier hat und wie alt es ist.“ Die Jäger hätten genaue Vorgaben, was zu schießen sei. Und der Landkreis bestehe auch auf diese Vorgaben. Gebe es zu viel Wild, würden sich Krankheiten wie Darmparasiten verbreiten oder etwa Bäume geschädigt – sprich Wildschäden entstehen. Ehing packt in dem Hochsitz seinen Rucksack aus: Fernglas, Messer, Warnweste für Gesellschaftsjagden und den Fotoapparat hat er immer eingepackt, so wie er selbstverständlich eine Thermohose, eine dicke Jacke und gepolsterte Stiefel trägt. Dann ist da noch eine Halterung aus Metall: „Wenn ich Wild geschossen habe, warte ich noch zehn Minuten, bevor ich hingehe und es an den Hochsitz heranziehe. Hiermit kann ich es dann aufhängen und aufbrechen.“ Jeder Jäger müsse ler- KÖ·FOTOS: VOLKER KÖLLING nen, das Wild vor Ort auszunehmen. Ehing: „Wild ist ein wertvolles Lebensmittel. Wildbrethygiene steht ganz oben bei uns.“ Das Fleisch gehöre grundsätzlich dem Eigentümer der Jagd, dem Jagdpächter. Ob es heutzutage noch Wilderei gebe? Ehing schüttelt den Kopf: „Nicht wegen des Fleisches. Hin und wieder haben wir Idioten, die in den Wald kommen und rumballern wollen. Aber das ist etwas ganz anderes.“ Ehing spricht von Tierschutz und wie wichtig es sei „ein Stück“, also ein Tier, mit einem sauberen Blattschuss zu erlegen: „Habe ich eine schwache Ricke mit eingefallenen Flanken und ihr schwaches Kitz, dann erlege ich zunächst das Kitz. Treffe ich es sauber, grast die Mutter daneben, ohne es zu bemerken. Dann sollte ich mit einem zweiten Ansatz die Ricke schießen.“ Die Beschreibung ist nicht brutal, eher sehr nüchtern. Vokabelkunde im Hochsitz: Ricke ist ein Reh, ein Kitz, praktisch Bambi. Ein jagendes Tier heißt bei Ehing und den Jägern „Prädator“, und gemeint sind damit etwa Füchse, Marderhunde oder auch Waschbären. Waschbären haben die Jäger drei erlegt und außerdem 54 Nutria. Die Sumpfbiber haben sich ziemlich ungehindert an der Hamme vermehrt und sorgen dort laut Ehing für reichlich Schäden. Noch mehr Vokabelkunde: Ein Mutterwildschwein ist eine Bache, die Kinder heißen Frischlinge und von deren Kessel, sprich Nest aus Farn, sollte man sich tunlichst fernhalten, wenn man nicht Ärger bekommen will. Das Licht ist fast weg und das Thema kommt auf den sehr heimlich lebenden Wolf. Zigmal ist Ehing schon in die Lausitz gefahren, wo es gleich zwölf Rudel gibt. Nie hat er auch nur einen Wolf gesehen: „Hier hatten wir Richtung Holste zwei bestätigte Sichtungen aus dem Rudel aus Munster. Was da in Leuchtenburg fotografiert worden ist, lässt sich nicht zweifelsfrei als Wolf identifizieren.“ Abstieg vom Hochsitz. Der Kombi lockt mit seiner Heizung. Es beginnt zu regnen, und da hoppelt doch tatsächlich ein dicker Hase vor dem Scheinwerferlicht davon. Ehing hat aufgelistet, dass es in der Jagdsaison 2015/2016 allein 600 Wildunfälle mit Rehwild gegeben hat. Oft genug wird der ehrenamtliche Kreisjägermeister auch noch nachts angerufen. Und sei es nur, um über den jeweiligen Jagdpächter in einer Gegend Auskunft zu geben. Ehing: „Ich bin 24 Stunden am Tag praktisch in Bereitschaft und komme dazu noch auf einhundert Termine in meinem Ehrenamt.“ Mal treffe er die Hegeringe, mal die Jagdhundzüchter oder die Jagdhornbläser. So ganz begeistert ist seine Frau davon nicht. Blumen muss Heiko Ehing zum Ausgleich nicht mitbringen – eher frisches Wildbret. „Klar essen wir Wild. Seit ein paar Jahren haben wir das Wildgrillen kultiviert. Es gibt nichts Besseres.“ Gleich ist die B 6 erreicht. Rechts ein Eichenhain, und dann huscht da doch noch ein Reh über den Weg. Happy End, auch wenn das viel zu schnell ging, um den Auslöser zu betätigen – an der Kamera, wohlgemerkt. Diese Aussicht hat der Kreisjägermeister vom Hochsitz, der auf einem Hügel steht: 500 Meter Fernblick auf eine KÖ Waldschneise.
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