Dr. Beatrice von Matt, Zürich

Eidgenössisches Departement des Innern EDI
Bundesamt für Kultur BAK
Schweizerische Nationalbibliothek NB
Ringvorlesung, Universität Bern «Avantgarden im Archiv»
Konzipiert und begleitet von PD Dr. Irmgard Wirtz
18. April 2016, 18.15 bis 19.45 Uhr im Saal Dürrenmatt der Schweizerischen
Nationalbibliothek, Bern
Dr. Beatrice von Matt, Zürich
Nachkriegsmoderne.
Formen des neuen Erzählens
in der deutschsprachigen
Schweiz von den fünfziger bis
zu den siebziger Jahren
Wenn der Krieg und die Geistige Landesverteidigung den Blick der kulturellen Schweiz stark auf das
eigene Land eingeengt hatten, forderte die Nachkriegszeit literarische Ausdrucksformen, die der neuen
Gegenwart und ihrer internationalen Vernetzung entsprachen. Zwar blieb die Schweiz selbst immer
auch ein Thema, nicht zuletzt wegen ihrer oft zweideutigen Überlebensstrategien in der Hitlerzeit, die
mit unterschiedlichen künstlerischen Verfahren zur Sprache gebracht werden mussten –
dokumentarisch beispielsweise, polyperspektivisch … Daneben aber galt es, wieder an die vergessene
Moderne des frühen 20. Jahrhunderts anzuschliessen und sich den aktuellen Tendenzen der
amerikanischen und europäischen Literaturen zu öffnen. Exemplarisch dafür ist Friedrich Dürrenmatts
radikale frühe Prosa, die bei Kafka ansetzte. Max Frisch findet das Konzept für seinen Epochenroman
„Stiller“ über die Begegnung einerseits mit den USA, andererseits mit den Identitätsspielen Pirandellos
aus den ersten Jahrzehnten des Jahrhunderts.
Die so vielseitigen 35 Jahre zwischen 1945 und 1980 sind also in der Literatur der deutschen Schweiz
von einem kühnen Erproben neuer Erzählweisen geprägt. Die Autorinnen und Autoren stellen sich
diesem Unternehmen, angestachelt – aber keineswegs eingeschüchtert – vom Welterfolg der zwei
überragenden Figuren Frisch und Dürrenmatt. Ein exemplarischer Fall ist Otto F. Walter, der mit seinem
Jammers-Projekt nichts Geringeres unternimmt, als William Faulkners Erzählen aus dem MississippiRaum herüberzuholen in den Raum der Aare am Jurarand.
Vor diesem Hintergrund lässt sich der breite Fächer innovativer Tonarten zeigen, die das Schreiben
hierzulande von Jahrzehnt zu Jahrzehnt bestimmen. Dabei werden auch die Phasen eines
unterschiedlichen politischen Engagements sichtbar, das sich mit ungestümer sprachlicher Artistik
verbinden kann.
Mit einer Führung durch die Kabinettausstellung „Neue Öffentlichkeit und Literatur“ von Dr. Corinna
Jäger-Trees und Margit Gigerl.
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