Auch Polizisten sind nur Menschen K U L T U R

KULTUR
M i ttwo c h , 3 0. M ä r z 2 0 1 6
K U LT U R NAC H R I C H T E N
Trauer um «Mr. Swing»
Roger Cicero
B ü n d n e r Ta g b l a tt
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Auch Polizisten sind nur Menschen
Ein Polizist auf verlorenem Posten, ein dreister Gauner und jede Menge Betrügereien sind die Beigaben von «Polizeiruf 117».
Am 14. April geht die Mundartkomödie in Chur über die Bühne – mit dem Bündner Andrea Zogg in einer Hauptrolle.
HAMBURG Er war «Mr. Swing»: Roger Cicero hat
den deutschsprachigen Swing salonfähig gemacht.
Der Jazzmusiker landete Hits und hätte im April in
Zürich auftreten sollen. Am Donnerstag vor Ostern
ist er mit nur 45 Jahren unerwartet an einem Hirninfarkt gestorben. Familie, Fans und Kollegen stehen unter Schock.
Auch wenn schwere Wochen hinter Cicero lagen, er wegen eines akuten Erschöpfungssyndroms
mit Verdacht auf Herzmuskelentzündung für eine
lange Zeit alle Termine abgesagt hatte: Die grosse
Bühne wartete wieder auf «Mr. Swing». Gleich zwei
seiner Projekte wurden für einen Echo nominiert,
im April wollte er wieder Konzerte geben. Cicero
hatte den deutschsprachigen Swing salonfähig gemacht. Mit seiner Mischung aus Pop, Jazz und
Swing, gewürzt mit frechen und amüsanten Texten,
traf er den Nerv der breiten Masse. Sein Album
«Männersachen» (2006) eroberte die Charts, er gewann den Musikpreis Echo als bester Rock/PopSänger (2007).
Durchbruch nur mit Unterstützung
Doch Cicero kannte auch andere Zeiten. Bis zu
«Männersachen» war der Sohn des Jazz-Pianisten
Eugen Cicero ausserhalb der Jazz-Szene kaum bekannt. Dabei hatte er schon mit zwölf Jahren seinen
ersten Bühnen-Auftritt, später studierte er Musik in
den Niederlanden und finanzierte mit Clubauftritten sein Leben. Die Begegnung mit Texter Frank Ramond und Komponist Matthias Hass verhalf ihm
zum Durchbruch. Mit Swing und Wortspielereien
entdeckte er eine Nische, der Song «Zieh die Schuh
aus» katapultierte ihn in die Hitparade.
«Mr. Swing» überraschte nicht nur mit ungewohnten Klängen und Texten, auch optisch machten seine Auftritte etwas her. Elegant mit Hut und
Lackschuhen kam er mit seinen Big-Band-Musikern ganz im Stil der grossen Swing-Künstler auf
die Bühne. Als er zuletzt mit seinem Programm
«Cicero Sings Sinatra» auftrat, lieferte nicht nur
eine beleuchtete Showtreppe Las-Vegas-Flair. Die
in Hamburg aufgezeichnete Show wurde für den
Echo nominiert, der am 7. April vergeben wird. Mit
seinem Album «The Roger Cicero Experience»
schaffte er eine Nominierung für den Jazz-Echo am
26. Mai in Hamburg.
Seitenhieb und Trennungsverarbeitung
Alle seine Alben landeten seit «Männersachen»
weit vorn in den Charts. Mit «Artgerecht» (2009),
auf dessen Cover Cicero im knallroten Anzug und
mit einem Hahn unterm Arm posierte, lieferte er
einen ganz persönlichen Gruss an die feministische
Zeitschrift «Emma», die ihn zum «Pascha des Monats» gekürt hatte. Einen Song auf «Artgerecht»,
«Für ‘nen Kerl», hatte der Musiker seinem 2008
geborenen Sohn Louis gewidmet. Von dessen Mutter trennte sich der Musiker 2013. Diese Trennung
wurde zum Leitmotiv des Albums «Was immer
auch kommt» (2014).
Er habe nie einen Plan B gehabt, auch in schweren Zeiten habe es immer nur die Alternative «Weitermachen!» gegeben, erzählte er. Von Durchhalteparolen geprägt war das Album. «Hab die Kontrolle
verlor’n, bin gekentert im Sturm, und zum ersten
Mal schau ich nur nach vorn», sang er darauf im
Lied «Wenn es morgen schon zu Ende wär’». (SDA)
Wie das Leben so spielt: Hauptwachtmeister Alois Keller (Beat Schlatter) und der Einbrecher Richard Graber (Andrea Zogg) teilen sich eine Zelle. (ZVG)
D
▸ CORNELIUS RAEBER
Der grundgute und seriöse Hauptwachtmeister Alois Keller (Beat
Schlatter) ist ein bemitleidenswerter Mensch. Seine Ehe ging kürzlich
in die Brüche und nach einer Kampfscheidung muss er mangels Wohnalternativen und fehlender finanzieller Ressourcen – so viel sei hier
schon mal verraten – in der Zelle
seines geliebten Zürcher Polizeipostens hausen. Das darf natürlich niemand wissen.
Aber noch nicht genug des Ungemachs: Aus Spargründen soll
«sein» geliebter Posten geschlossen
werden. Die 200 000 Franken für die
dringend nötige Sanierung des
Rathauspostens sind dem Stadtrat
zu viel Geld und Keller droht die Versetzung in eine andere Abteilung –
und ein tatsächlicher «Sch…»-Job.
Als Hundekotsammler darf er vielleicht schon bald zur Sauberkeit
auf Zürcher Strassen beitragen.
Dank der ermittelten DNA-Analysen sollen nämlich die verantwortlichen Herrchen der fehlbaren Vierbeiner ermittelt werden. In dieser
trostlosen Situation können Keller
auch die eindeutigen Avancen seiner Dienstkollegin Renate Strittmatter (Regula Imboden) nicht aufheitern.
Komplizen wider Willen
Alles wird aber noch viel schlimmer,
als Richard Graber (Andrea Zogg),
ein notorischer Einbrecher und
ehemaliger Klassenkamerad von
Keller, bei einem Diebstahl erwischt
und verhaftet wird. Graber liess in
einem Luxusgeschäft an der Bahnhofstrasse einen Pelzmantel für seine «Züriberg»-Freundin Jacqueline
de Fleury (Bettina Dieterle) mitgehen. Weil jedoch alle Zürcher Gefängnisse voll sind, muss Graber auf
dem Rathausposten bleiben – und
man ahnt es schon – mit Polizist
Keller Zelle und Dosenrösti teilen.
Der durchtriebene Profi-Einbrecher und Schlaumeier ist es denn
auch, der den «unkorrumpierbaren» Keller auf eine Idee bringt, wie
der Polizeiposten gerettet werden
könnte. Ein Versicherungsbetrug
solls richten. Der ehrlich-korrekte
Keller kommt ins Grübeln und will
nicht länger der Dumme sein. Sowieso nicht, als Graber ihn darüber
aufklärt, welche Gaunereien sich
die ehrenwerten Geschäftsleute
von der nahen Bahnhofstrasse leisten. Die beiden werden wider Willen zu Komplizen.
Als der dilettantisch eingefädelte Betrug zur Postenrettung scheitert, scheint Kellers Karriere als
Polizist ein Ende zu haben. Dank
Grabers Einbrecherkünsten und
einem Deal mit dem Schadenfallexperten und Schlangenliebhaber
Hardmeier (Pascal Ulli) nimmt die
Geschichte jedoch eine ungeahnte
Wendung.
Erfolgsstück «Polizeiruf 117»
Die heitere und von einer Versicherungsgesellschaft mitgesponserte
Mundartkomödie «Polizeiruf 117»
feierte am 9. Januar 2015 im Theater
Hechtplatz in Zürich Premiere.
Seitdem wurde das Stück rund 60mal vor zirka 15 000 Zuschauern
in der ganzen deutschsprachigen
Schweiz aufgeführt – im Dezember
auch am Humor-Festival in Arosa.
Geschrieben haben es Beat Schlat-
ter und Stephan Pörtner, Regisseur
ist Pascal Ulli. Das Bühnenbild
der 160 000-Franken-Produktion
stammt von Felicitas Dagostin, die
Musik schrieb Christian Häni.
«Polizeiruf 117»: Donnerstag, 14. April,
20 Uhr im Theater Chur. Online-Reservation: www.theaterchur.ch
Andrea Zogg
Der Bündner Schauspieler Andrea
Zogg stand schon in über 80
Film- und Fernsehproduktionen
vor der Kamera. Schon 1990 war er
beim ersten Schweizer «Tatort»
dabei. Neben vielen weiteren
Rollen überzeugte Zogg auch als
grobschlächtiger Senn in «Sennentuntschi» (2010) oder als Pfarrer
in der aktuellen Schellen-UrsliVerfilmung. Sein Schauspielerleben
führte ihn zudem an verschiedene
Theaterbühnen im ganzen
deutschsprachigen Raum. Zogg ist
für den 42. Prix Walo 2016 in der
Sparte Schauspieler/Schauspielerin
nominiert. Im Sommer führt
er Regie bei den Opera-vivaAufführungen zu «Guglielmo Tell»
in Obersaxen. (CR)
Theaterpreis für Junges Theater Graubünden
Unter den fünf Preisträgern des diesjährigen Schweizer Theaterpreises befindet sich das Junge Theater Graubünden.
Die Verleihung findet am 26. Mai erstmals in der Romandie statt.
Wurde nur 45 Jahre alt: der Pop- und Jazzmusiker
Roger Cicero. (FOTO KEYSTONE)
K U LT U R NO T I Z
«Die Steinkönigin» in der Postremise In der
Postremise Chur wird am Sonntag, 3. April, um
17 Uhr mit «Die Steinkönigin» eine musikalische
Erzählung für Stimme, Blechbläserquartett und
Piano aufgeführt. Auf der Bühne stehen werden
Silvia Jost (Stimme), das Altophonium Quartett
und Kathrin Hartmann (Piano). Vorstellungskasse
ab 16 Uhr. Keine Reservationen möglich.
Fünf Schweizer Theaterpreise werden in diesem Jahr an Personen
oder Institutionen vergeben, die
sich um das vielfältige Theaterschaffen der Schweiz verdient gemacht haben. Darunter werden
auch künstlerische Leistungen im
Schauspiel und in der Regie geehrt.
Neu wird die Kategorie «Herausragende Schauspielerin/Herausragender Schauspieler» in die fünf
Theaterpreise integriert. Die Preissumme beträgt 30 000 Franken für
Personen und 50 000 Franken für
Institutionen. Die dritte Ausgabe
der Verleihung der Schweizer Theaterpreise findet erstmals in der Romandie im Théâtre de Carouge-Atelier de Genève am 26. Mai statt. Der
Schweizer Grand Prix Theater/HansReinhart-Ring 2016 wird erst an der
Preisverleihung in Genf durch Bundesrat Alain Berset bekannt gegeben.
«Wichtiger Impulsgeber»
Das Junge Theater Graubünden
(TGG/JTG/GTG), das 2011 vom Theaterpädagogen Roman Weishaupt
gegründet worden ist, ist bereits ein
wichtiger Impulsgeber in der Bündner Theaterszene, wie das Bundesamt für Kultur (BAK) in einer Mitteilung von gestern in seiner Begründung schreibt. In Workshops und
anschliessenden Aufführungen eröffne und ermögliche es Jugendlichen im Kanton Graubünden den
Zugang zum zeitgenössischen Theaterspiel. Dafür wird die Theatergruppe mit 50 000 Franken ausgezeichnet.
Neben dem Jungen Theater
Graubünden erhält auch die freie
Compagnie 400asa, die 1998 unter
anderem vom Berner Samuel
Schwarz ins Leben gerufen worden
ist, einen mit 50 000 Franken dotierten Schweizer Theaterpreis 2016.
Eine Auszeichnung in Höhe von je
30 000 Franken in Empfang nehmen können die Regisseurin und
Leiterin des Schauspielhauses Zürich, Barbara Frey, der Genfer Schauspieler Jean-Quentin Châtelain sowie der Theatervermittler im Jura,
Germain Meyer. (BT/SDA)
Roman Weishaupt, Gründer des
Jungen Theater Graubünden. (YB)