THEMA DER WOCHE EU-Kommission legt Erdgas-Winter

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24.03.2016
Daten | Fakten | Argumente
THEMA
DER
WOCHE
EU-Kommission legt Erdgas-Winterpaket vor
Solidarität heißt gemeinsame Verantwortung im Binnenmarkt
Zentrales Element des EU-Plans ist der Ausbau grenzüberschreitender Kooperation in der Versorgungssicherheitsverordnung. Die Mitgliedstaaten sollen in Regionalgruppen – Deutschland mit
Polen, Tschechien und der Slowakei – gemeinsam Präventions- und Notfallpläne ausarbeiten und
sich bei Engpässen aushelfen. Dabei haben „geschützte“ Kunden wie private Haushalte Vorrang
vor „nicht geschützten“ Kunden wie etwa Unternehmen. Die Folgen verdeutlicht ein Beispiel:
Können Haushalte in Polen nicht mehr versorgt werden, müssten möglicherweise Unternehmen in
Deutschland auf Gas verzichten.
Voraussetzung für einen solchen Solidaritätsmechanismus muss nach Ansicht des DIHK ein „level
playing field“ im EU-Gasmarkt sein. Konkret: Vergleichbare Abnehmer sollten EU-weit den gleichen
Schutz genießen. Solidarität funktioniert zudem nur, wenn alle Länder Verantwortung im Binnenmarkt übernehmen. Dieser sollte also vollendet werden, bevor über ein solches Verfahren entschieden wird. Dazu braucht es Liberalisierung, freien Marktzugang und Infrastrukturausbau. Nur dann
kann der Markt funktionieren und Versorgungseinschränkungen möglichst vermeiden helfen.
Wärme- und Kälte­
strategie: Bedeutung
von Erdgas wird weitgehend ignoriert
Zum Winterpaket gehört auch die Wärme- und Kältestrategie. Diese sieht vor, durch mehr Effi­
zienz die Importkosten zu verringern und die Versorgungssicherheit zu verbessern. Dabei überrascht
es, dass sie Wärmeerzeugung aus Gas eher ausblendet – obwohl doch die Wärme- und Kälteerzeugung aus Erdgas immerhin ein Viertel des Energieverbrauchs in Europa ausmacht. Stattdessen hebt
der Plan die Potenziale einzelner Technologien wie Wärmepumpen oder Fernwärme hervor. Erdgas
sollte jedoch ebenfalls einbezogen werden, denn Binnenmarkt bedeutet auch, dass alle Energie­
träger im Interesse wettbewerbsfähiger Energiepreise gleichberechtigt konkurrieren können.
LNG-Strategie: gutes
Signal für Binnenmarkt
und Versorgungssicherheit
Weiter sieht das Paket vor, die Infrastruktur für verflüssigtes Erdgas (LNG) sowie Erdgasspeicher
besser im europäischen Gasnetz zu vernetzen. Zwar gibt es zahlreiche gering ausgelastete LNGTerminals in der EU, diese sind jedoch bisher unzureichend an andere Märkte innerhalb der EU
angebunden. Daher ist es richtig, bisherige Randregionen besser mit LNG-Terminals zu verbinden.
So kann Europa zudem stärker vom dynamischen Weltmarkt für Erdgas profitieren. Im Ergebnis
wird zum einen die Infrastruktur des Binnenmarkts verbessert, zum anderen ein Beitrag zur Diversifizierung der Gasversorgung geleistet.
Langfristige Rolle von
Erdgas nicht berücksichtigt
Insgesamt ist es strategisch richtig, dass die EU die Versorgungssicherheit stärken will. Dabei
sollte sie jedoch zuerst auf die Potenziale des Binnenmarktes setzen. Dazu gehört nicht zuletzt eine
gemeinsame Vorstellung über die langfristige Rolle von Erdgas. Denn Erdgas bleibt mittelfristig der
mit Abstand wichtigste Energieträger zur Wärmeerzeugung in Gebäuden und in der Industrie. Erdgas bildet zudem ein wichtiges Back-up für die erneuerbare Stromerzeugung sowie eine Alternative
im Verkehrssektor. Auch 2050 wird es daher noch eine substanzielle Nutzung von Erdgas geben.
Ein Signal für stabile Investitionsbedingungen ist hier deshalb im Interesse der Wirtschaft nötig.
Ansprechpartner:
Till Bullmann, DIHK Berlin, Telefon 030 20308-2206
Die EU-Kommission reagiert auf die Sorge um Gasengpässe, die der Ukraine-Konflikt hervorgerufen hat, mit dem sogenannten Erdgas-Winterpaket: einem Maßnahmen- und Strategieplan, der
Gaskrisen vorbeugen und eindämmen soll. Leider greift die EU vor allem zu neuen Regulierungen
– die Potenziale des Binnenmarkts für die Versorgungssicherheit kommen zu kurz. Sie müssen aus
DIHK-Sicht aber genutzt werden, bevor über neue Regulierungen entschieden wird.