Transnationale Täterschaft und Teilnahme

Transnationale Täterschaft und Teilnahme –
Beteiligungsdogmatik und Strafanwendungsrecht
Von Dennis Miller und Dr. Peter Rackow, Göttingen
I. Einführung
Mit dem Begriff „Distanzdelikt“ bezeichnet man gemeinhin Straftaten, die
durch ein Agieren des Täters im räumlichen Geltungsbereich einer (Straf-)
Rechtsordnung begangen werden, deren tatbestandlicher Erfolg jedoch auf
dem Gebiet einer anderen Rechtsordnung eintritt, bei denen also der Handlungs- und der Erfolgsort auseinander fallen1. Ein spezifischer Ausschnitt
der strafanwendungsrechtlichen Probleme, welche derartige Distanzdelikte
mit sich bringen, ist durch die Möglichkeiten globaler Kommunikationstechnologien in den vergangenen Jahren mehr als deutlich geworden. Zu
diesem Bereich liegt eine Vielzahl kontroverser Stellungnahmen vor 2. Verbreitet wird versucht, der eigenen Strafgewalt in einer sich im Wortsinne
vernetzenden Welt sachgerechte Grenzen zu setzen. Dazu wird der Umstand genutzt, dass es sich bei grenzüberschreitender Internetkriminalität
vielfach nicht um Erfolgsdelikte handelt 3, demgemäß allein auf den (ausländischen) Handlungsort abzustellen sei und daher deutsches Strafrecht nicht
zur Anwendung gelangen könne 4. Der hier vorgelegte Beitrag widmet sich
demgegenüber den gleichsam „klassischen“ strafanwendungsrechtlichen Fragen, welche sich stellen, wenn mehrere Personen an einem grenzüberschreitenden Delikt in der Weise mitwirken, dass der Ort des Taterfolgs und der
Ort, an dem ein Beteiligter gehandelt hat, durch eine Staatsgrenze voneinander getrennt sind. Liegt es dabei so, dass der Taterfolg im Ausland eintritt,
kann sich die weitere Besonderheit ergeben, dass dort das fragliche Delikt
gar nicht unter Strafe gestellt ist.
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4
Jescheck/Weigend, Allgemeiner Teil, 5. Aufl. 1996, § 18 IV 2b.
Vgl. nur Tröndle/Fischer, StGB, 52. Aufl. 2004, § 9 Rdn. 5 ff. mit umfangreichen Nachweisen.
Man denke etwa an Gewaltdarstellungen im Internet (§ 130 StGB) oder insbesondere
an die Problematik des § 130 Abs. 3 StGB (sog. „Auschwitzlüge“; zutr. kritisch zu diesem missglückten, da aus dem Fundus antisemitischer Hetze stammenden, Begriff
Tröndle/Fischer [Anm. 2], § 130 Rdn. 25).
Nachweise bei Tröndle/Fischer (Anm. 2), § 9 Rdn. 6.
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II. Täterschaft und Teilnahme im Strafanwendungsrecht
Das sog. Strafanwendungsrecht (bzw. internationale Strafrecht 5) beantwortet die Frage, welcher Strafgewalt ein Sachverhalt mit internationalem Einschlag – sei es durch Nationalität von Täter oder Opfer, durch Handlungen
oder Auswirkungen im Ausland – unterfällt und die nachgelagerte Frage,
welches Strafrecht von dem zuständigen Staat darauf angewendet wird 6.
Dazu bedient es sich der völkerrechtlich anerkannten Anknüpfungsprinzipien nationaler Strafgewalt 7, deren wichtigstes und vorrangiges das Territorialitätsprinzip ist 8. Der auf dem Nichteinmischungsgrundsatz basierende
völkerrechtliche Vorrang des Territorialitätsprinzips schlägt sich (seit 1975
wieder 9) in § 3 StGB augenfällig nieder: „Das deutsche Strafrecht gilt für Taten, die im Inland begangen werden.“ Ob nun auf eine bestimmte Tat gemäß
§ 3 StGB deutsches Strafrecht zur Anwendung gelangt, hängt damit davon
ab, wo diese Tat begangen wurde. Die Bestimmung des Tatorts entscheidet
also darüber, welcher Staat territorial für die Verfolgung der Tat zuständig
ist 10. Um das Territorialprinzip für die Bestimmung der Strafgewaltserstreckung nutzbar zu machen, bedarf es nämlich zweier Voraussetzungen: (1)
Eine Straftat muss genau lokalisiert bzw. lokalisierbar sein, d. h. ihr Tatort
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Der Streit um die Bezeichnungen „Strafanwendungsrecht“ und „internationales Strafrecht“ (vgl. nur Gribbohm, in: LK StGB, 11. Aufl., 1997, Vor § 3 Rdn. 3 einerseits und
Ambos, in: Münchener Kommentar zum StGB, 2003, Vor §§ 3–7 Rdn. 1f. andererseits)
dürfte eher begrifflicher Natur sein. Hier wird, um Verwechslungen mit dem Völkerstrafrecht zu vermeiden und den Charakter als nationales Recht (mit internationaler
Auswirkung) zu betonen, die Bezeichnung „Strafanwendungsrecht“ vorgezogen.
Jescheck/Weigend (Anm. 1), § 18 I 1. Die zweite Frage ist zumindest in Deutschland
nur von theoretischer Bedeutung, weil im deutschen Strafanwendungsrecht in keinem
Fall auf die Anwendung ausländischen Strafrechts verwiesen wird; vgl. Ambos
(Anm. 5), Vor §§ 3–7 Rdn. 2.
Vgl. zur Rückkoppelung an das Völkerrecht ausführlich Ambos (Anm. 5), Vor §§ 3–7
Rdn. 17ff.
Die anderen, scil. das aktive und passive Personalitätsprinzip, das Realprinzip und der
Grundsatz der stellvertretenden Strafrechtspflege, sind jenem hierarchisch nachgeordnet, das Weltrechtsprinzip ist im Verhältnis zum Gebietsgrundsatz bedingt subsidiär.
Vgl. dazu Ambos (Anm. 5), Vor §§ 3–7 Rdn. 64 ff., 69f.
Zur Geschichte des Strafanwendungsrechts vgl. Gribbohm (Anm. 5), Vor § 3 vor
Rdn.1; Zieher, Das sog. Internationale Strafrecht nach der Reform, 1977, S. 97 ff.;
Krapp, Distanzdelikt und Distanzteilnahme im Internationalen Strafrecht, 1977,
S. 13ff.; ausführlich Oehler, Internationales Strafrecht, 2. Aufl. 1983, Rdn. 48ff.
So schon Bergmann, Der Begehungsort im internationalen Strafrecht Deutschlands,
Englands und der Vereinigten Staaten von Amerika, 1966, S. 5; Oehler (Anm. 9),
Rdn. 223; auch Lemke, in: NK StGB, 14. Lfg. 2003, § 9 Rdn. 2.
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muss bestimmt bzw. bestimmbar sein. (2) Für jeden möglichen Tatort muss
bestimmt bzw. bestimmbar sein, ob er im Inland oder im Ausland liegt. Die
zweite Frage beantwortet das Völkerrecht 11, die erste (in Deutschland) § 9
StGB. Diese Norm regelt im deutschen Strafrecht die Bestimmung des Tatorts und des Teilnahmeorts und konkretisiert auf diese Weise das Territorialitätsprinzip ebenso, wie es die (völkerrechtlichen) Abgrenzungsregeln zur
Bestimmung von In- und Ausland tun. Die §§ 3 und 9 StGB bilden insoweit
eine untrennbare Einheit: Ohne die Bestimmung des Tatorts ist der Gebietsgrundsatz hilflos 12. Die überragende Bedeutung der Tatortfrage für die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts zeigt sich des Weiteren darin, dass es
beim Territorialitätsgrundsatz nicht auf die Nationalität von Tätern (und
Teilnehmern) ankommt, sondern nur auf die Begehung im In- und Ausland,
um die Bestimmung des Tatorts also. Diese Tatortbestimmung erfolgt nach
deutschem Recht anhand der sog. Ubiquitätstheorie, welche die Tätigkeitstheorie, die auf den Ort des Handelns bzw. Handelnmüssens abstellt, mit
der Erfolgstheorie, die an den Ort des Erfolgseintritts anknüpft, vereinigt 13,
und in § 9 StGB Gesetz geworden ist.
Wegen der besonderen Gestaltung der deutschen (differenzierenden) Beteiligungsregelung legt § 9 StGB die Tatorte für Täterschaft (§ 9 Abs. 1 StGB)
und Teilnahme (§ 9 Abs. 2 StGB) – jeweils nach der Ubiquitätstheorie – getrennt fest. Dieser Tatortbestimmung logisch folgend kann § 3 StGB alle im
Inland verorteten „Taten“ deutschem Strafrecht unterwerfen. Die „Taten“
gem. § 3 StGB sind also (Haupt-)Taten und Teilnahmehandlungen 14. Dieses
systematische Zusammenspiel der §§ 3 und 9 StGB verkennen diejenigen
Literaturstimmen, die behaupten, § 3 StGB liege ein enger Tatbegriff zugrunde, der nur Täterschaft, nicht aber Teilnahme erfasse 15. Das von dieser
Auffassung vorgebrachte systematische Argument, dass ansonsten die Sonderregel des § 9 Abs. 2 Satz 2 StGB überflüssig sei, geht schon insoweit fehl,
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15
Vgl. Epping/Gloria, in: Ipsen, Völkerrecht, 5. Aufl. 2004, § 23 Rdn. 2ff.; Graf
Vitzthum, in: Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 2. Aufl. 2001, 5/15 ff. So auch die
Gesetzesbegründung, BT-Drucks. IV/650 S. 106.
Jescheck/Weigend (Anm. 1), § 18 IV.
Jescheck/Weigend (Anm. 1), § 18 IV 1. Die Ubiquitätstheorie ist in Kontinentaleuropa
in Rechtsprechung und Literatur weit verbreitet. In Deutschland brachte sie Binding
entscheidend voran, Reichsgericht und Gesetzgebung folgten. Vgl. zur geschichtlichen
Entwicklung Oehler (Anm. 9), Rdn. 246 ff., 252 ff.
So auch Gribbohm (Anm. 5), § 3 Rdn. 6.
Mitsch, Jura 1989, 193, 194; Eser, in: Schönke/Schröder, StGB, 26. Aufl. 2001, § 3
Rdn. 4; Ambos (Anm. 5), § 3 Rdn. 7.
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als § 9 Abs. 2 Satz 2 StGB nur eine Sonderregelung für die inländische Teilnahme an ausländischer Haupttat vorsieht. Den absoluten Regelfall, die inländische Teilnahme an inländischer Haupttat, betrifft § 9 Abs. 2 Satz 2
StGB jedoch nicht. Da § 9 Abs. 2 Satz 1 StGB nur den Teilnahmeort festlegt,
nicht aber die Geltung deutschen Strafrechts anordnet (dies leistet § 3 StGB),
wäre – wenn § 3 StGB nur „Taten“ im täterschaftlichen Sinne erfasste – gerade dieser Regelfall nicht der Geltung deutschen Strafrechts unterworfen –
ein absurdes Ergebnis. Folglich muss sich die Anordnung der Geltung deutschen Strafrechts durch § 3 StGB auch auf die Teilnahme beziehen 16. Dies
wird dadurch bestätigt, dass im gesamten 1. Titel des 1. Abschnitts des Allgemeinen Teils (§§ 1–10 StGB), mit Ausnahme von § 9 StGB, unter „Tat“ sowohl Täterschaft als auch Teilnahme verstanden wird. Diese Ausnahme
schadet jedoch nicht: Jener § 9 StGB ist letztlich nur eine Konkretisierung
des Territorialitätsprinzips, wie auch die historische Auslegung zeigt: Durch
die Einführung von § 9 Abs. 2 StGB sollte nur die bisher in der Rechtsprechung und Literatur entwickelte Bestimmung des Teilnahmeortes ins Gesetz
aufgenommen werden, wobei es dem Gesetzgeber nicht um eine Differenzierung der Tatbegriffe ging 17. Richtigerweise erfasst § 3 StGB also Täterschaft und Teilnahme; für die anderen Prinzipien ergibt sich – wenn man im
Rahmen der teleologischen Auslegung nach dem (völkerrechtlichen) Zweck
der Anknüpfungspunkte für die deutsche Strafgewalt fragt – nichts anderes 18. „Tat“ im Sinne des Strafanwendungsrechts meint also immer Täter-
16
17
18
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Gribbohm (Anm. 5), Vor § 3 Rdn. 203, § 3 Rdn. 6; ders., JR 1998, 177.
Vgl. auch die Erläuterungen zu § 8 des E 1962, BT-Drucks. IV/650 S. 113. Damit
wurde die schon früher herrschende Auffassung in Rechtsprechung und Literatur Gesetz, vgl. RG JW 1936, 2655; BGHSt. 4, 333 (335); Binding, Handbuch des Strafrechts,
Bd. 1, 1885, S. 425; Wegner, Festschrift für Frank, 1930, Bd. 1, S. 98 (144 ff.); Schröder,
ZStW 61 (1942), S. 57, 76 ff.
Wenn die strafanwendungsrechtliche Norm allein an das aktive Personalitätsprinzip
anknüpfte, würde eine Beschränkung auf die Täterschaft seinem Sinn zuwiderlaufen:
Denn aus völkerrechtlicher Sicht wird mit dem aktiven Personalitätsprinzip die Ausdehnung der Strafgewalt mit der natürlichen Nähebeziehung zwischen dem Staat und
seinen Staatsangehörigen begründet. Ob der betreffende Staatsangehörige an einer
Straftat als Täter oder Teilnehmer beteiligt war, ändert an dieser Nähebeziehung nichts.
Der Staat beansprucht die Strafgewalt allein aufgrund der Bande der Staatsangehörigkeit zum Täter oder Teilnehmer, auf die Unterscheidung zwischen Täterschaft und
Teilnahme kommt es zu diesem Zeitpunkt noch nicht an, zumal sich häufig erst im
Laufe des Strafverfahrens die Beteiligungsverhältnisse genau klären lassen (i. E. ebenso
Gribbohm [Anm. 5], § 5 Rdn. 42 ff. [44, 47], 53 f. [für Nr. 8, 9]; Oehler [Anm. 9],
Rdn. 769; a. A. Eser [Anm. 15], § 5 Rdn. 16 f. [für Nr. 8, 9]; Tröndle/Fischer [Anm. 2],
§ 5 Rdn. 8.). Die Unterscheidung wird erst auf einer späteren Stufe – im Zuge der straf-
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Voraussetzung der Durchführung des Territorialitätsgrundsatzes (§ 3 StGB),
der – wie die anderen Anknüpfungsprinzipien auch – für Täter und Teilnehmer gleichermaßen gilt und deren Strafbarkeit anordnet 19.
Die konkreten Fälle der Beteiligung an der Haupttat eines anderen lassen
sich hinsichtlich der territorialen Strafgewaltserstreckung in einer Matrix aus
vier Elementen systematisieren: (1) Tat und Teilnahme bzw. sämtliche (täterschaftliche) Tatbeiträge werden im Inland begangen, (2) Tat im Inland, Teilnahme bzw. ein (täterschaftlicher) Tatbeitrag erfolgt im Ausland, (3) Tat im
Ausland, Teilnahme bzw. ein (täterschaftlicher) Tatbeitrag erfolgt im Inland
und (4) Tat und Teilnahme bzw. sämtliche (täterschaftliche) Tatbeiträge erfolgen im Ausland 20.
Die Problematik der in der vorrangigen Ausrichtung des deutschen Strafanwendungsrechts auf das Territorialprinzip in Kombination mit dem Ubiquitätsgedanken angelegten, recht weitgreifenden Ausdehnung deutscher
Strafgewalt 21 wird für die gebildeten Fallgruppen im Folgenden im Überblick aufgezeigt. Unter III. und IV. sollen dann die diametralen Konstellationen der Inlandsbeteiligung an ausländischer Tat und der ausländischen Beteiligung an inländischer Tat einer kritischen Analyse unterzogen werden,
welche die besonders komplexe und umstrittene Regelung des § 9 Abs. 2
Satz 2 StGB zum Ausgangspunkt nimmt.
Nur wenn Tat und Teilnahme bzw. sämtliche (täterschaftliche) Tatbeiträge im Ausland erfolgen, ist eine Anknüpfung an das Territorium eindeutig ausgeschlossen: Es ergibt sich bei dieser (vierten) Kombinationsmöglichkeit weder bei Täterschaft noch bei Teilnahme eine Betroffenheit deutschen
Staatsgebiets, die deutsche Strafgewalt kann sich deswegen allenfalls auf-
19
20
21
rechtlichen Aburteilung und Zurechnung – relevant. Das Gleiche gilt erst recht bei
Kombination von Real- und aktivem Personalitätsprinzip, denn das Realprinzip verlangt auch einen Schutz vor Teilnahmehandlungen; vgl. auch Gribbohm (Anm. 5), § 9
Rdn. 45.
Auf diese wichtige Trennung von Lokalisierung der Teilnahme und Strafbarkeit der
Teilnahme wurde erstmals hingewiesen von Frank, Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, 18. Aufl. 1931, § 3 Anm. IV. Sie wird verkannt von Lackner/Kühl, StGB,
24. Aufl. 2001, § 9 Rdn. 3. Daher ist es auch nicht korrekt, wenn § 9 Abs. 2 S. 2 (auch)
als Bestimmung des Tatorts angesehen wird; so aber Ambos/Ruegenberg, in: MüKo
StGB, § 9 Rdn. 39; Gribbohm, JR 1998, 177, 178.
Ähnlich schon Schröder, ZStW 61 (1942), S. 57, 60.
Jescheck/Weigend (Anm. 1), § 18 III 1.
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grund anderer Prinzipien – auf die hier nicht näher einzugehen ist – auf einen
solchen Fall erstrecken (§§ 5–7 StGB). Unter dem Gesichtspunkt des Gebietsgrundsatzes bleiben also die erste, zweite und dritte Konstellation von
Täterschaft und Teilnahme interessant. Die erste Kombinationsmöglichkeit
scheint unproblematisch zu sein; das Territorialitätsprinzip erlaubt die Erstreckung deutscher Strafgewalt sowohl auf Täterschaft als auch auf Teilnahme. Eine genauere Betrachtung der Tat- und Teilnahmeortsbestimmung
durch § 9 StGB wird allerdings ergeben, wie weit sich diese Fallgruppe bereits ins Ausland erstrecken kann, wie wenig an territorialer Betroffenheit
oft schon für eine (territorial begründete) Anknüpfung deutscher Strafgewalt ausreicht. Das gilt schon für die Täterschaft und erst recht für die Teilnahme. Außerdem ist die Lokalisierung von Täterschaft und Teilnahme im
Inland keineswegs damit gleichbedeutend, dass es nicht trotzdem zu positiven Jurisdiktionskonflikten 22 kommen kann. Denn es können zum einen
nicht-territoriale Anknüpfungspunkte für die Strafgewalt anderer Staaten
bestehen (z. B. bei Tatbegehung durch einen Ausländer (aktive Personalität)
oder bei einem Ausländer als Tatopfer (passive Personalität)), zum anderen
kann auch gleichzeitig das Territorium eines anderen Staates betroffen sein
(z. B. durch Auseinanderfallen von Handlungs- und Erfolgsort der Tat).
Von zentraler Bedeutung für die erhebliche Ausweitung deutscher Strafgewalt auf Auslandssachverhalte ist § 9 Abs. 1 StGB, in welchem die Ubiquitätstheorie zur Bestimmung des (Haupt-)Tatorts kodifiziert worden ist.
§ 9 Abs. 1 StGB bestimmt demgemäß, dass der Ort des Handelns (§ 9 Abs. 1
Alt. 1 und 2 StGB) und der Ort des Erfolgseintritts (§ 9 Abs. 1 Alt. 3 StGB)
gleichermaßen Tatorte und damit Anknüpfungspunkte für die Anwendung
des Territorialgrundsatzes darstellen (objektive Ubiquität). Eine erhebliche
Weiterung ergibt sich ferner daraus, dass das Gesetz in § 9 Abs. 1 Alt. 4
StGB selbst die subjektive Variante der Ubiquitätstheorie, der zufolge auch
dort ein Tatort begründet wird, wo nach Vorstellung des Täters der Taterfolg
eintreten sollte 23, umsetzt. Bemerkenswerterweise ist die Rechtmäßigkeit
22
23
ZStW
Positive Jurisdiktionskonflikte entstehen dann, wenn mehrere Staaten einen hinreichenden Anknüpfungspunkt für ihre Strafgewalt geltend machen, negative hingegen,
wenn kein Staat von seiner Strafgewalt Gebrauch machen will; vgl. Ambos (Anm. 5),
Vor §§ 3–7 Rdn. 62 mit Fn. 433.
Die Terminologie „objektive und subjektive Ausprägung der Ubiquitätstheorie“
stammt von Oehler (Anm. 9), Rdn. 246. Sie ist deswegen problematisch, weil international unter „subjective application of the territorial principle“ die Tätigkeitstheorie
verstanden wird und unter „objective application“ die Erfolgstheorie. Vgl. nur Brownlie, Principles of International Law, 6. Aufl. 2003, S. 299 f.; auch Frimpong, in: Eser/La-
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des Ubiquitätsgedankens aus völkerrechtlicher Perspektive nie bestritten
worden 24, nicht einmal in seiner subjektiven Ausprägung 25. In Deutschland
wird die Ubiquitätstheorie ganz allgemein gebilligt 26. Einige ihrer Auswirkungen sind jedoch durchaus problematisch. Das zeigt sich insbesondere bei
der subjektiven Ubiquitätstheorie, die sich insbesondere auf den im Ausland
begangenen Versuch bezieht. Wenn der Erfolg in Deutschland eintreten
sollte, erfolgt die Anknüpfung deutscher Strafgewalt auf der Grundlage von
§ 9 Abs. 1 Alt. 4 StGB allein aufgrund dieser Vorstellung. Gleiches gilt in
Irrtumsfällen, wenn sich bei einem im Ausland begangenen Versuch der Erfolg in Deutschland einstellen sollte, aber tatsächlich im Ausland eingetreten
ist 27.
24
25
26
27
godny (Hrsg.), Principles and Procedures for a new Transnational Criminal Law, 1992,
S. 29, 30; Blakesley/Lagodny, ebd., S. 47, 49 f.
Germann, SchwZStr 1954, 237, 238 m. w. N.
Kelsen, Principles of International Law, 2. Aufl. 1967, S. 309.
BGHSt. 44, 52, 56; Oehler (Anm. 9), Rdn. 251; Jescheck/Weigend (Anm. 1), § 18 IV;
Hoyer, in: SK StGB, 6. Aufl. 1997, § 9 Rdn. 2 f.; Lemke (Anm. 10), § 9 Rdn. 5 f.; Gribbohm (Anm. 5), § 9 Rdn. 1 ff. Es gibt aber auch vereinzelte Gegenstimmen: Schroeder,
NJW 1976, 490; ders., NJW 1969, 82. Neuerdings vertritt Deiters, ZRP 2003, 359, 361,
vor dem Hintergrund der europäischen ne-bis-in-idem-Problematik eine Rückkehr
zur Handlungstheorie. Auch aus strafrechtsdogmatischer Sicht könnte man sich – unter Zugrundelegung eines gänzlich auf das Handlungsunrecht abstellenden Verständnisses – gegen die strafanwendungsrechtliche Anknüpfung an den Erfolgsort stellen
(man denke an Zielinski, Handlungs- und Erfolgsunwert im Unrechtsbegriff, 1973,
S. 143: „Unrecht ist der pflichtwidrige Akt – und nur er.“). Darauf kann hier nicht
näher eingegangen werden.
Oehler (Anm. 9), Rdn. 259 f., kritisiert die subjektive Ausprägung der Ubiquität fundamental: Territoriale Betroffenheit könne nicht allein durch den Willen geschehen, sondern bedürfe (zumindest geringer) objektiver Anknüpfung. Indes wird die Auswirkung der subjektiven Ubiquität von Oehler überschätzt: Beim tauglichen Versuch
besteht – im Gegensatz zum untauglichen Versuch – die Gefährdung des geschützten
Handlungsobjekts (vgl. Jescheck/Weigend [Anm. 1], § 50 I 4). Diese Rechtsgutsgefährdung stellt im Grunde einen Erfolgsort i. S. v. § 9 Abs. 1 Alt. 3 StGB dar. Nur der untaugliche Versuch bedarf der subjektiven Ubiquität gem. § 9 Abs. 1 Alt. 4 StGB. Diese
– und nur diese – Anknüpfung kritisiert Oehler zu Recht, ist es doch äußerst fraglich,
welchen generalpräventiven Effekt die Bestrafung untauglicher Versuche hat, deren Erfolg im Inland eintreten sollte. Bewirkt ein Normverstoß im Ausland, der einen Erfolg
im Inland erzielen sollte, aber nicht konnte, eine rechtserschütternde Wirkung im Inland? De lege lata wird jedenfalls gem. § 9 Abs. 1 Alt. 4 StGB der untaugliche Versuch
eines Italieners, der in Italien handelt, dessen Erfolg aber in Deutschland eintreten soll,
aber wegen Untauglichkeit nicht kann, nach deutschem Strafrecht bestraft, obwohl untaugliche Versuche in Italien generell nicht unter Strafe stehen (vgl. Art. 56 codice penale italiano).
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Die Prinzipien objektiver und subjektiver Ubiquität entscheiden gem. § 9
Abs. 2 StGB auch darüber, ob eine Teilnahme im Inland begangen wurde,
denn die Haupttat stellt insoweit einen „Erfolg“ i. S. d. Ubiquitätstheorie
dar 28, so dass z.B. bei einer im Ausland geleisteten Förderung einer inländischen Haupttat für die Beihilfehandlung ein inländischer Tatort gegeben ist.
Genau genommen lassen sich im Rahmen des § 9 Abs. 2 StGB zehn verschiedene Varianten unterscheiden, bei denen die Teilnahme im Inland begangen wurde 29. Dem Kriterium objektiver bzw. subjektiver Ubiquität entsprechend ergeben sich zehn Teilnahmeorte, die sich drei Gruppen zuordnen lassen: In der ersten befinden sich die Teilnahmeorte, die durch den „Erfolg“ der Teilnahme, scil. die Haupttat, entstehen (Möglichkeiten 1 bis 4),
die zweite besteht aus den Tätigkeitsorten der Teilnahme (Möglichkeiten 5
und 6), die dritte Gruppe enthält die Teilnahmeorte, an denen nach Vorstellung des Teilnehmers der „Erfolg“, scil. die Haupttat, eintreten soll (Möglichkeiten 7 bis 10). Die Teilnahme ist also im Inland begangen, wenn
(1) der Handlungsort der Haupttat im Inland liegt (§ 9 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1
i.V. m. Abs. 1 Alt. 1 StGB) oder
(2) der Ort des Handelnmüssens (§ 9 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 i.V. m. Abs. 1
Alt. 2 StGB) oder
(3) der Erfolgsort (§ 9 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 i. V. m. Abs. 1 Alt. 3 StGB)
oder
(4) der Erfolgsort nach der Vorstellung des Haupttäters im Inland liegen
sollte (§ 9 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 i.V. m. Abs. 1 Alt. 4 StGB).
Die Teilnahme ist auch im Inland begangen, wenn
(5) der Teilnehmer im Inland gehandelt hat (§ 9 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2
StGB) oder
(6) hätte handeln müssen (§ 9 Abs. 2 Satz 1 Alt. 3 StGB).
Schließlich ist die Teilnahme auch dann im Inland begangen, wenn
(7) der Handlungsort der Haupttat nach Vorstellung des Teilnehmers im
Inland liegen sollte (§ 9 Abs. 2 Satz 1 Alt. 4 i.V. m. Abs. 1 Alt. 1 StGB)
oder
(8) der Ort des Handelnmüssens (§ 9 Abs. 2 Satz 1 Alt. 4 i.V. m. Abs. 1
Alt. 2 StGB) oder
28
29
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Jescheck/Weigend (Anm. 1), § 18 IV 3; Hoyer (Anm. 26), § 9 Rdn. 9; Bergmann
(Anm. 10), S. 44; grundlegend zur akzessorischen Haftung Bloy, Die Beteiligungsform
als Zurechnungstypus im Strafrecht, S. 252 ff.
So auch Oehler (Anm. 9), Rdn. 359.
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(9) der Erfolgsort der Haupttat nach Vorstellung des Teilnehmers im
Inland liegen sollte (§ 9 Abs. 2 Satz 1 Alt. 4 i. V. m. Abs. 1 Alt. 3
StGB) oder
(10) der Teilnehmer sich vorstellte, dass der Erfolgsort der Haupttat nach
der Vorstellung des Haupttäters im Inland liegen sollte (§ 9 Abs. 2
Satz 1 Alt. 4 i.V. m. Abs. 1 Alt. 4 StGB).
Es ist nicht leicht, sich in diesem Dickicht von Möglichkeiten territorialer
Anknüpfung zurechtzufinden, weil es eine kaum abzählbare Anzahl von
Kombinationsmöglichkeiten verschiedener Tat- und Teilnahmeorte im Inund Ausland gibt 30.
Allerdings muss man auch sehen, dass zum einen all jene Kombinationen,
bei denen es an jeglichem Auslandsbezug fehlt, vergleichsweise unproblematisch sind; dass zum anderen die oben angeführte Kombinationsmöglichkeit
Auslandsteilnahme an einer Inlandstat streng genommen gar nicht existiert!
Denn die Teilnahme ist, wie wir gesehen haben, gem. § 9 Abs. 2 Alt. 1 StGB
immer auch am Ort der Haupttat begangen (gem. § 9 Abs. 1 StGB), sie ist
also immer Inlandsteilnahme, und zwar vollkommen unabhängig davon, wo
sich der tatsächliche Handlungs- bzw. Unterlassungsort des Teilnehmers befindet. Die Struktur der Auslandsteilnahme an einer Inlandstat geht also
vollständig in der ersten Möglichkeit (Inlandsteilnahme an einer Inlandstat)
auf. Die Haupttat mit territorialem Bezug zu Deutschland (gem. § 9 Abs. 1
StGB) entfaltet also eine Art Sogwirkung bezüglich aller Teilnahmehandlungen und macht diese zu inländischen. In den hier besprochenen Fällen soll
gleichwohl am Begriff der „Auslandsteilnahme“ festgehalten werden, der in
plakativer Weise deutlich macht, dass der Teilnehmer seine Tätigkeit im
Ausland entfaltet hat, scil. dort gehandelt hat oder hätte handeln müssen (§ 9
Abs. 2 Alt. 2, 3 StGB).
Infolge der gesetzlichen Verankerung des (objektiven und) subjektiven
Ubiquitätsgedankens kommt es auch beim Teilnehmer auf die Vorstellung
30
Zur Illustrierung mag folgendes Beispiel dienen: A stiftet den B in Frankreich zu einem
Mord an, der in Deutschland geschehen soll, tatsächlich aber in Belgien ausgeführt
wird. Dabei hilft C, der weiß, dass in Belgien gemordet wird, in Deutschland mit. Für
A ergibt sich die Inlandsteilnahme nicht aus Möglichkeit (1) bis (4), denn die Haupttat
wurde nicht im Inland begangen, und nicht aus Möglichkeiten (5) und (6), denn er handelte im Ausland, sondern nur aus den Möglichkeiten (7) und (8), denn die Tat sollte
nach Vorstellung des Teilnehmers in Deutschland begangen werden. Für C ergibt sich
die Inlandsteilnahme ebenfalls nicht aus Möglichkeiten (1) bis (4), aber auch nicht aus
Möglichkeiten (7) bis (10), weil er nicht über den Haupttatort irrt. Die deutsche Strafgewalt erstreckt sich auf C nur gemäß Möglichkeit (5), weil er im Inland gehandelt hat.
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vom Erfolgsort – scil. dem (Haupt-)Tatort – an. Die Auswirkungen sind beachtlich, insbesondere kommt es zu seltsamen und fragwürdigen Ergebnissen, wenn die Vorstellungen über den Erfolgsort, den Tatort der Haupttat
also, bei Täter und Teilnehmer inkongruent sind 31. Bei Möglichkeit (4) wird
das deutlich: Der im Ausland tätige Teilnehmer an einer im Ausland ausgeführten Tat, die nur in der Vorstellung des Täters (ohne Wissen des Teilnehmers) im Inland ihren tatbestandlichen Erfolg verwirklichen soll, unterfällt
deutscher Strafgewalt. Auch bei den Möglichkeiten (7) bis (9) führt ein Auseinanderfallen von Täter- und Teilnehmervorstellungen zu seltsamen Ergebnissen. Selbst wenn es für die Haupttat an jeglicher objektiver territorialer
Betroffenheit Deutschlands fehlt und subjektiv eine solche auch nicht in der
Vorstellung des Täters besteht, so kann der Teilnehmer allein durch seine
Vorstellung seinen Teilnahmeort nach Deutschland „verlegen“ 32. Ganz unberechenbar ist schließlich die Möglichkeit (10), bei der sich der Teilnahmeort nach der Vorstellung des Teilnehmers von der Vorstellung des Täters
über den Ort des tatbestandlichen Erfolgs richtet. Wenn sich der Teilnehmer
– in einem ansonsten vollständig im Ausland lokalisierten Fall – vorstellt,
dass der Täter den Erfolg der Tat in Deutschland eintreten lassen wolle, so
genügt das dem deutschen Strafanwendungsrecht für eine Anknüpfung deutscher Strafgewalt auf Grundlage des Territorialitätsprinzips. Man könnte
diese Konstellation als doppelt subjektive Ausprägung der Ubiquität bezeichnen.
Immerhin hat der Gesetzgeber die beachtliche Weite des § 9 Abs. 2 StGB
erkannt und durch eine prozessuale Regelung zu entschärfen versucht: Wenn
alle Tatorte im Ausland liegen, aber die Teilnahme im Inland begangen
wurde, kann die Staatsanwaltschaft gem. § 153c Abs. 1 Nr. 1 StPO von Verfolgung absehen 33. Davon sind die Möglichkeiten (5) bis (10) der Inlandsteilnahme erfasst, also alle Fälle in denen die Haupttat nicht im Inland begangen wurde und der Teilnehmer im Inland gehandelt (5) oder unterlassen
hat (6) oder sich die Haupttat irrtümlich im Inland vorgestellt hat (7–10).
Für den umgekehrten Fall der Auslandsteilnahme an einer Inlandstat bietet
sich der prozessuale Ausweg gemäß § 153c Abs. 1 Nr. 1 StPO jedoch nicht
an, weil die (Haupt-)Tat im Inland begangen wurde und deswegen keine
Auslandstat i. S. v. § 153c Abs. 1 Nr. 1 StPO vorliegt 34. Auch § 153c Abs. 3
31
32
33
34
ZStW
Gribbohm (Anm. 5), § 9 Rdn. 48; Oehler (Anm. 9), Rdn. 359.
Insbesondere gegen diese Konsequenz des Gesetzeswortlauts wendet sich Oehler
(Anm. 9), Rdn. 359 a. E.
Vgl. Beulke, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl. 2002, § 153c Rdn. 11.
Vgl. dazu Beulke (Anm. 33), § 153c Rdn. 11.
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StPO hilft wohl nur selten weiter, denn er ist zwar für Teilnehmer, die ausschließlich im Ausland tätig geworden sind, anwendbar, erfordert aber die
Gefahr eines schweren Nachteils für die Bundesrepublik Deutschland oder
sonstige überwiegende öffentliche Interessen, die einer Verfolgung im Wege
stehen 35.
III. Inlandsbeteiligung an Auslandstat
Ausgangspunkt der folgenden (eingehenderen) Betrachtung soll die Vorschrift des § 9 Abs. 2 Satz 2 StGB sein. Mit der im Gesetz an letzter Stelle
genannten Fallgruppe der Distanzteilnahme an ausländischer Haupttat zu
beginnen, rechtfertigt sich mit Blick darauf, dass die dieser Vorschrift zu
subsumierenden Fallgestaltungen wohl mit Fug und Recht als die schwierigsten Konstellationen der „Beteiligung mit Auslandsbezug“ bezeichnet werden können. Sie bilden eine Art neuralgischen (Treff-)Punkt, in welchem
sich teilnahmedogmatische und strafanwendungsrechtliche Fragestellungen
in schwieriger Weise verschränken.
1. Distanzteilnahme an ausländischer Haupttat
a) § 9 Abs. 2 S. 2 StGB als rein-strafanwendungsrechtliche Vorschrift
oder als gesetzliche Fiktion einer teilnahmefähigen Haupttat?
§ 9 Abs. 2 Satz 2 StGB regelt Fälle der Distanzteilnahme. Dieser Begriff
meint die Anstiftung oder Beihilfe zu einer fremden Haupttat, welche auf
einem anderen staatlichen Territorium stattfindet als die Handlung des Teilnehmers. § 9 Abs. 2 Satz 2 StGB unterwirft den inländischen Teilnehmer
einer „Auslandstat“ auch dann deutschem Strafrecht, wenn die „Haupttat“
nach dem Recht des anderen Staates gar nicht mit Strafe belegt ist. Irrig wäre
es nun, derartige Konstellationen als irrelevante Lehrbuchkriminalität zu
bezeichnen 36. In einer „kleiner“ werdenden Welt wächst das Potenzial für
Fälle der Distanzteilnahme an dort strafloser ausländischer Haupttat. Und
die Problematik wird – wie etwa die kontroverse Diskussion um den
Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung im Europäischen Strafrecht 37
35
36
37
Beulke (Anm. 33), § 153c Rdn. 27.
Dagegen zu Recht Jung, JZ 1979, 325, 327.
Hierzu eingehend Böse, in: Momsen/Bloy/Rackow (Hrsg.), Fragmentarisches Strafrecht, 2003, 233; vgl. ferner erneut Deiters, ZRP 2003, 359.
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aufzeigt – bei weitem nicht durch eine regionale, geschweige denn globale
Harmonisierung der Rechtsordnungen aufgelöst. Ganz im Gegenteil: Seitdem in den Niederlanden eine kontroverse gesetzliche Regelung die aktive
ärztliche Sterbehilfe erlaubt 38, macht sich de lege lata derjenige, der auf deutschem Boden dazu beiträgt, dass ein Sterbewilliger in die Niederlande verbracht wird, wo dortige Ärzte im Einklang mit dem dortigen Recht seinem
Leben ein Ende bereiten 39, wegen Beihilfe zu einem Tötungsdelikt 40 strafbar 41. Ein weiteres aktuelles Problemfeld der Inlandsteilnahme an strafloser
Auslandstat beruht auf einer Entscheidung des deutschen Gesetzgebers,
welcher bewusst auf eine Klausel in § 13 des Stammzellgesetzes (StZG) verzichtet hat, die § 9 Abs. 2 Satz 2 StGB für Konstellationen der inländischen
Mitwirkung an im Ausland strafloser Stammzellenforschung suspendiert.
De lege lata liegt also im Fall der inländischen Mitwirkung eines Forschers
an im Ausland stattfindender medizinischer Forschung gegebenenfalls strafbare inländische Anstiftung zu oder Beihilfe an im Ausland straflosen Forschungen an Stammzellen vor, soweit diese nach deutschem Recht strafbar
wären (vgl. § 13 Abs. 1 und Abs. 2 StZG) 42. Dagegen könnte der inländische
38
39
40
41
42
ZStW
Vgl. zur Rechtslage in den Niederlanden Janssen, KJ 2003, 103, 104ff.
Vgl. aber Janssen, KJ 2003, 103, 105 ff., der zu dem Ergebnis gelangt, dass die Gefahr
eines „Sterbe-Tourismus“ nach den Niederlanden nicht bestehe, weil nach dem dortigem Recht der Arzt zu der Überzeugung gelangen muss, dass das Sterbeverlangen frei
verantwortlich und wohl überlegt ist, was das Bestehen eines dauerhaften Vertrauensbzw. Behandlungsverhältnisses zwischen dem Arzt und dem Patienten voraussetze.
Denkbar blieben aber Fälle, bei denen der in Deutschland lebende Patient den niederländischen Arzt regelmäßig aufsucht.
Vgl. Tröndle/Fischer (Anm. 2), § 216 Rdn. 8.
Vgl. zu dieser Konstellation ‚Aus der Gutachtenpraxis des DNotI‘, DNotI-Report,
2001, 105, 107f. Ein deutscher Notar, der auf deutschem Boden entsprechende Verfügungen des Sterbewilligen beurkundet, verstößt zwar gegen die §§ 14 Abs. 2 BNotO, 4
BeurkG, doch macht er sich nicht wegen Beihilfe strafbar, weil die Erklärung des Patienten, die er beurkundet, als solche nicht strafbar ist, da der Sterbewillige notwendiger
Teilnehmer des Totschlags auf Verlangen ist (vgl. nur Jähnke, in: LK StGB, 11. Aufl.
2002, § 216 Rdn. 10). Strukturell liegt für den Notar, der gleichsam im Lager des Patienten steht und lediglich das Zustandekommen von dessen Verfügung fördern will,
(allein) eine Kettenteilnahme an strafloser notwendiger Teilnahme vor. Die Situation
stellt sich vergleichbar der Teilnahme an §§ 333, 334 StGB dar, welche regelmäßig mittelbar auch das parallele Delikt der Vorteilsannahme bzw. der Bestechlichkeit fördert,
so dass eine sachwidrige „Vervielfältigung der Teilnahmekonstruktionen“ (Arzt/Weber, Strafrecht Besonderer Teil, 2000, § 49 Rdn. 45) droht, wenn der Teilnehmer im Lager des Vorteilsgebers steht und (nur) dessen Tat fördern will (hierzu BGHSt. 37, 207,
212f.; Arzt/Weber, a. a. O., § 49 Rdn. 45; Tröndle/Fischer [Anm. 2], § 331 Rdn. 38).
Dazu eingehend Schwarz, MedR 2003, 158, 159; vgl. auch Lilie/Albrecht, NJW 2001,
2774, 2775f.
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Forscher im Ausland ohne weiteres verbrauchende Embryonenforschung
und nach dem Stammzellgesetz bei Strafe verbotene Forschung an Stammzellen betreiben – er müsste es nur unterlassen, nach seiner Rückkehr ins Inland seinen ausländischen Kollegen noch irgendwelche Ratschläge zu dem
Forschungsvorhaben zukommen zu lassen 43!
Schon die kurze Betrachtung der Normen, die de lege lata diese bemerkenswerten Befunde tragen, macht deutlich, dass strafrechtsdogmatischer 44
Erklärungsbedarf besteht: § 9 Abs. 2 Satz 2 StGB ordnet die Geltung deutschen Strafrechts für die inländische Teilnahme an strafloser Auslandstat unter der Voraussetzung lapidar an, dass die Haupttat nach Maßgabe deutschen
(Straf-)Rechts strafbar wäre. Da nun aber die „Haupttat“ regelmäßig nicht
deutscher Strafgewalt untersteht, liegt es auf der Hand, dass § 9 Abs. 2 Satz 2
StGB in einem gespannten Verhältnis zu einem akzessorietätsorientierten
Verständnis der Teilnahme stehen muss 45. Zuspitzend ließe sich mit Blick
auf eben diese der Regelung innewohnende Spannung gar die Frage aufwerfen, ob eine Vorschrift über die strafbare Teilnahme an (strafloser) Auslandstat im ersten Titel „Geltungsbereich“ des ersten Abschnitts des StGB überhaupt zutreffend verortet ist oder ob sie ihrem Regelungsgehalt nach nicht
besser im dritten Titel „Täterschaft und Teilnahme“ des zweiten Abschnitts
aufgehoben wäre.
Jung versucht, durch eine kühne Volte diese Spannung ganz nach der
strafanwendungsrechtlichen Seite der Problematik aufzulösen 46:
„… mit der Behauptung, es handele sich bei § 9 Abs. 2 Satz 2 StGB um eine Durchbrechung des Akzessorietätsgrundsatzes, wird das Pferd vom Schwanz her aufgezäumt.
Akzessorietätsfragen können überhaupt erst zum Tragen kommen, wenn feststeht,
dass ein bestimmter Sachverhalt nach deutschem Strafrecht zu beurteilen ist. § 9 Abs. 2
43
44
45
46
Schwarz, MedR 2003, 158, 162; ferner Lilie/Albrecht, NJW 2001, 2774, 2776 für Fälle
finanzieller Unterstützung deutscher Wissenschaftler, die im Ausland arbeiten, durch
inländische Forschungseinrichtungen.
Eingehend in Bezug auf die Problematik der Anwendbarkeit des § 9 Abs. 2 Satz 2 StGB
im Bereich der internationalen Kooperation in der medizinischen Forschung mit Blick
auf die hiermit verbundenen verfassungsrechtlichen Fragen (Wissenschaftsfreiheit!)
Schwarz, MedR 2003, 158, 161 ff.
Hoyer (Anm. 26), § 9 Rdn. 10: „Probleme entstehen bei einer derartigen Distanzteilnahme daraus, dass das Unrecht der Teilnahme sich grundsätzlich akzessorisch zum
Unrecht der Haupttat verhält.“
Jung, JZ 1979, 325, 328; ähnlich Jescheck/Weigend (Anm. 1), § 18 IV 3 (Hervorh. durch
Verf.): „Bezieht sich die Teilnahme auf eine Auslandstat, die zwar nach deutschem,
nicht jedoch nach dem ausländischen Recht des Begehungsorts mit Strafe bedroht ist,
so wird das Gesamtgeschehen hinsichtlich der Strafbarkeit der Teilnahme gleichwohl
nach deutschem Recht behandelt.“
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Satz 2 StGB verzichtet nicht auf das Akzessorietätserfordernis, sondern stellt nur klar,
dass die Rechtswidrigkeit der Haupttat sich nach deutschem Recht beurteilt, wenn der
Teilnehmer im Inland gehandelt hat.“
Die Crux dieses Befreiungsschlags liegt aber in der Unschärfe des Begriffs
„Sachverhalt“ und führt im Wege einer Umformulierung der § 9 Abs. 2 Satz 2
StGB immanenten Problematik lediglich zu der vorab zu klärenden Frage,
wie denn „Sachverhalte“ beschaffen sein müssen, damit der deutsche Gesetzgeber legitimer Weise deutsche Strafgewalt auf sie erstrecken kann.
Wenn es denn nun aber so ist, dass es ihm verwehrt wäre 47, deutsche Strafgewalt auf eine Handlung auszudehnen, die in einem fernen Land im Einklang mit dessen Kultur und Rechtsordnung stattfindet, folgt hieraus, dass
er eben nicht ohne weiteres in der Lage ist, die Rechtswidrigkeit der Haupttat nach Maßgabe deutschen Strafrechts zu deklarieren und – anders gewendet – dass er ohne weiteres den gesamten Sinnzusammenhang zwischen dieser Handlung und der inländischen Teilnahme hieran nicht seiner Strafgewalt unterwerfen kann 48. Unter dem „Sachverhalt“ genau diese Sinneinheit zu verstehen, liegt aber alles andere als fern – wenn man denn von der
akzessorischen Natur der Teilnahme ausgeht. Folglich kann jenseits der
anderweitig – etwa in den Anwendungsfällen des Weltrechtsprinzips – deutscher Strafgewalt unterfallenden Auslandstaten allenfalls in begründungsbedürftiger Weise auf den „Inlandsanteil“ des „Sachverhalts“ Zugriff genommen werden. Denn kann deutsches Strafrecht nicht auf die „Tat“ des
ausländischen „Täters“ als solche erstreckt werden, ist es alles andere als erwiesen, dass die deutsche Strafgewalt auf sie ausgedehnt werden darf, soweit
sie im Lichte des deutschen Verständnisses von der strafbaren Teilnahme als
„Haupttat“ in Betracht kommen mag. Oehler gelangt auf dieser Linie zu
einer fundamental-kritischen – derjenigen Jungs genau entgegen gesetzten –
Perspektive 49:
47
48
49
ZStW
Eine Ausdehnung des deutschen Strafrechts auf Auslandstaten nach dem Weltrechtsprinzip kommt nur in Betracht, wenn es um Auslandstaten gegen supranationale Kulturwerte und Rechtsgüter geht, an deren Schutz alle Staaten ein Interesse haben; vgl.
nur Wessels/Beulke, Allgemeiner Teil, 33. Aufl. 2003, Rdn. 70.
Vgl. auch Mitsch, Jura 1989, 193, 195: „Beihilfe [zu ausländischer Haupttat] untersteht
deutschem Strafrecht nach § 9 II 2 soweit es sich um die auf deutschem Territorium geleistete Unterstützung handelt …“
Oehler (Anm. 9), Rdn. 360; kritisch des Weiteren insbes. Sieber, NJW 1999, 2065, 2072,
der von einer „erheblichen Überdehnung des Territorialprinzips“ spricht. Dem Ansatz
von Oehler (Erfordernis doppelter Strafbarkeit) folgt aus europäisch-rechtsvergleichender Perspektive auch Cornils, in: Eser/Huber/Cornils (Hrsg.), Einzelverantwortung und Mitverantwortung im Strafrecht, 1998, S. 319, 326.
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„Ist der im Ausland sich betätigende Täter wegen mangelnder lex loci nicht strafbar, so
ist es nicht gerechtfertigt, den in Deutschland handelnden Teilnehmer dieser Tat zu bestrafen.“
Anders ausgedrückt soll nach Jungs rein strafanwendungsrechtlichem Verständnis des § 9 Abs. 2 Satz 2 StGB diesem die Bedeutung beigelegt werden,
die ausländische Tat lediglich zum Zweck der Erfassbarkeit inländischer
Teilnahme hieran der Bewertung durch deutsches Strafrecht zu unterwerfen
– und dies obgleich der ausländische Täter dann doch nicht bestraft werden
kann und soll 50. Zuspitzend ließe sich fragen, ob dadurch die Haupttat nicht
kontra-akzessorisch in ein gleichsam rein-dienendes Verhältnis zur Teilnahme gesetzt wird, was die Dinge mit Blick auf die Teilnahmedogmatik auf
den Kopf stellt.
Die Verengung des Blicks auf die strafanwendungsrechtliche Seite kann
dann auch nicht überzeugen, löst sie doch die Problematik des § 9 Abs. 2
Satz 2 StGB nicht auf, da diese verquickt ist mit der Frage der Konsequenzen eines akzessorietätsorientierten Teilnahmeverständnisses, denn ohne
Zugrundelegung eines solchen Grundverständnisses einer Sinneinheit von
Haupttat und Teilnehmerhandlung würde es doch gar kein Problem sein,
den Distanzteilnehmer zu bestrafen, da dieser im Inland – also ohne weiteres
im räumlichen Geltungsbereich deutschen Strafrechts – handelt. Die Annahme, das Band zur Haupttat sei zerschnitten, dürfte aber auch für die Fälle
der Distanzteilnahme an ausländischer Haupttat zu kaum überwindbaren
Schwierigkeiten führen: Die Zuweisung einer Handlung zum Typus der
Teilnahme lässt sich unabhängig von den Umständen der Haupttat nicht
vornehmen. Und umgekehrt lässt sich das Problem auch nicht angemessen
beschreiben, wenn man versucht, es isolierend auf das Terrain der Teilnahmedogmatik zu ziehen 51. Im Zentrum steht damit die beide Elemente ver-
50
51
Vgl. wiederum auch Jescheck/Weigend (Anm. 1), § 18 IV 3.
Die Komplexität des Zusammentreffens strafanwendungsrechtlicher mit teilnahmedogmatischen Fragestellungen in den Fällen des § 9 Abs. 2 Satz 2 StGB vereinfacht deshalb Gribbohm, JR 1998, 177, wenn er meint, dass eine (Auslands-)Tat, für die deutsches Strafrecht (lediglich) nicht gilt, bereits Straftatbeständen des StGB nicht subsumierbar ist und es deshalb (bereits) an einer tatbestandlich-teilnahmefähigen Haupttat fehlt. Es macht nämlich durchaus einen Unterschied, ob man einen (ausländischen)
Sachverhalt unter der Fragestellung würdigt, ob er sich z. B. nach den einschlägigen
Definitionen als körperliche Misshandlung (i. S. d. § 223 StGB) oder als Tatsachentäuschung in Bereicherungsabsicht (i. S. d. § 263 StGB) darstellt oder ob danach gefragt
wird, ob deutsches Strafrecht für ihn gilt. Die besondere Schwierigkeit der Distanzteilnahme an strafloser Auslandstat erschließt sich erst aus der genauen Analyse des Zusammenspiels strafanwendungsrechtlicher und teilnahmedogmatischer Elemente.
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schränkende Fragestellung, ob es auf der strafrechtsdogmatischen Folie eines
akzessorietätsorientierten Teilnahmeverständnisses passen kann, wenn § 9
Abs. 2 Satz 2 StGB in seiner spezifisch strafanwendungsrechtlichen Funktion
nicht die „Haupttat“, sondern nur die Teilnehmerhandlung deutschem
Strafrecht unterwirft.
Ratio legis des § 9 Abs. 2 Satz 2 StGB ist der Gedanke, dass ohne eine
derartige Regelung die Strafbarkeit des im Inland Handelnden, der sich an
einem im Ausland nicht strafbaren Verhalten beteiligt, welches nach deutschem Recht strafbar ist, allein von der vielfach mit Unsicherheiten behafteten Abgrenzung der Teilnahme von Mittäterschaft und mittelbarer Täterschaft abhinge 52. Doch kann eine reine Zweckmäßigkeitserwägung für sich
die in ihrer Konsequenz die Strafbarkeit erheblich ausdehnende Norm des
§ 9 Abs. 2 Satz 2 StGB nicht tragen. Die eigentliche Begründung des Zugriffs
auf den „Inlandsanteil“ will Jung dann auch tiefer schürfend durch den Verweis auf den Gesichtspunkt der Generalprävention leisten: Das Vertrauen
der Bürgerinnen und Bürger in die Bestandskraft der Rechtsordnung würde
erschüttert, „wenn von Deutschland aus, ohne dass der Staat eingriffe, alle
möglichen Delikte mit Auslandserfolg begangen werden könnten“ 53. Es
liegt natürlich in der Konsequenz seiner einmal eingenommenen Perspektive, die Frage der Anwendbarkeit deutschen Strafrechts auch insoweit als
sachlogisch dem dogmatischen Blickwinkel vorgängig zu verstehen, doch
stellt sich in der Sache der Gedanke der generalpräventiven Legitimierung
der Distanzteilnahme an strafloser Auslandstat als Versuch dar, die – wie immer man will – Überwindung oder Beschneidung des Akzessorietätsgrundsatzes zu begründen! Und gerade hierauf wollen die von Jung kritisierten
Stimmen im Schrifttum hinaus, welche nicht die Frage der Anwendbarkeit
deutschen Strafrechts isolierend als vorgängig ansehen, sondern die Notwendigkeit anerkennen, § 9 Abs. 2 Satz 2 StGB mit einem akzessorietätsorientierten Verständnis von der Teilnahme zu versöhnen – oder, gelingt dies
nicht, in der Konsequenz § 9 Abs. 2 Satz 2 StGB als gesetzgeberische Fehlleistung zu brandmarken.
Rekurriert man aber zur Legitimierung der Strafbarkeit der Distanzteilnahme an strafloser Ausgangstat im Kern auf straftheoretische Erwägungen,
52
53
ZStW
Ambos/Ruegenberg (Anm. 19), § 9 Rdn. 41.
Jung, JZ 1979, 325, 329 und weiter a. a. O.: „Manches spricht dafür, dass der Gedanke
des Rechtsgüterschutzes durch Generalprävention überhaupt als das durchgehende
Leitmotiv in all den Fällen angesehen werden muss, in denen das deutsche Strafrecht
auch für Auslandstaten zur Anwendung kommt.“
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erscheint es als sachlich-begrifflich näher liegend, diese unter der Fragestellung einzuführen, ob es sich begründen lässt, dass § 9 Abs. 2 Satz 2 StGB für
seine Anwendungsfälle das Akzessorietätsprinzip über die Limitierungen
der §§ 26, 27, 28 und 29 StGB hinausgehend antastet 54. Denn geht man im
Ansatz davon aus, dass Deutschland als souveräner Staat mit diesbezüglicher
Kompetenz-Kompetenz nach eigenem Ermessen („pouvoir discrétionnaire“)
seine Strafgewalt ausdehnen kann, soweit überhaupt eine Beziehung zu eigenen legitimen Rechtspflegeinteressen gegeben ist und solange der Bereich
des völkerrechtlich Akzeptierten nicht verlassen wird 55, gelangt man wiederum zu der Kernfrage, ob die Konstruktion einer Art von Teilnahme an
deutscher Strafgewalt nicht unterworfener und insoweit gewissermaßen gar
nicht existierender Haupttat strafwürdig sein kann 56. Dieser Fragestellung
ist schließlich auch nicht dadurch zu entgehen, dass man § 9 Abs. 2 Satz 2
StGB als gesetzliche Fiktion einer teilnahmefähigen Haupttat deutet 57, da es
nicht beliebig in der Hand des Gesetzgebers liegen kann, eine zwingende
Voraussetzung strafbarer Teilnahme einfach zu fingieren.
b) § 9 Abs. 2 S. 2 StGB als Regelung inakzessorischer Teilnahme
bzw. als Regelung eines strafbaren Teilnahmeversuchs
In den Blickpunkt gerät damit die Frage, ob das Akzessorietätsprinzip für
den Gesetzgeber eine sakrosankte vorfindliche Bindung bedeutet oder ob
ihm für dessen weitgehende Limitierung oder Suspendierung ein Spielraum
eröffnet ist. Untersucht man das geltende Strafrecht jenseits des Allgemeinen
Teils unter dieser Fragestellung, kommen Zweifel auf, ob Teilnahme ohne
tatbestandsmäßige (täterschaftliche) Haupttat dem deutschen Strafrecht de
lege lata wirklich fremd ist 58. Wer z. B. demjenigen, der eine Sache gestohlen
54
55
56
57
58
Davon, dass § 9 Abs. 2 S. 2 StGB in der Tat eine Akzessorietätsdurchbrechung bedeutet, gehen etwa aus Oehler (Anm. 9), Rdn. 360 und Ambos/Ruegenberg (Anm. 19), § 9
Rdn. 41.
Jescheck/Weigend (Anm. 1), § 18 I 2.
Insoweit zutreffend Lemke (Anm. 10), § 9 Rdn. 28.
Dafür Gribbohm, JR 1998, 177, 178; Döllel, wistra 1998, 70, 70; Hoyer (Anm. 26), § 9
Rdn. 10 „begrenzte Geltungsfiktion“. In der Gutachtenpraxis des Deutschen Notarinstituts, DNotI-Report 2001, 105, 106, ist die Rede davon, dass „für die Inlandsteilnahme die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts auf die Haupttat fingiert“ werde.
Diese Sichtweise treibt die Fiktionalisierung noch einen Schritt weiter, indem nicht
mehr eine bestimmte Anwendbarkeitsvoraussetzung fingiert wird, sondern die Anwendbarkeit selbst.
So aber Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. II, 2003, § 26 Rdn. 3 – vgl. aber auch
Roxins Kritik an „systemwidrigen und rechtsstaatlich bedenklichen“ Aufweichungen
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hat, beim Verkauf der Beute behilflich ist, kann nicht wegen Beihilfe zur
Hehlerei bestraft werden, weil die (Haupt-)Tat der Hehlerei nach der eindeutigen Fassung des § 259 Abs. 1 StGB („…, die ein anderer gestohlen …
hat …“) nicht durch den Vortäter begangen werden kann. Diese Strafbarkeitslücke verschließt das Gesetz durch die (täterschaftliche) Modalität der
Absatzhilfe. Eine bestimmte Handlungsweise, welche nach den allgemeinen
Regeln an sich als (mangels teilnahmefähiger Haupttat de lege lata straflose)
Beihilfe einzuordnen wäre, wird also mit leichter Hand zur täterschaftlichen
Begehung aufgewertet 59. Weitere Fälle zur Täterschaft verselbständigter
Teilnahmehandlungen finden sich beispielsweise in § 84 Abs. 2 StGB und in
§ 129 Abs. 1 StGB 60. Besonders herausgestellt sei in diesem Zusammenhang,
dass diese „Formenfreiheit“, welche sich der Gesetzgeber nimmt, von der
Rechtsprechung gerade auch in ihren strafanwendungrechtlichen Konsequenzen akzeptiert wird: Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat demgemäß in einer neueren Entscheidung die Anwendbarkeit der deutschen
Strafnorm des § 92a Abs. 2 Nr. 2 AuslG in einem Fall inländischer Hilfeleistung beim Einschleusen von Ausländern ohne Rekurs auf § 9 Abs. 2 StGB
mit der Begründung bejaht,
„§ 92a Abs. 2 Nr. 2 AuslG [beschreibe] keine Beihilfehandlung i. S. des § 27 StGB, sondern eine zur Täterschaft verselbständigte Tathandlung. Die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts ergibt sich daher aus § 9 Abs. 1 i. V. mit § 3 StGB“ 61.
Sollte es also so sein, dass die Einordnung bestimmter Handlungstypen als
haupttat-akzessorische Teilnahme zwingend aus vorgegebenen sachlichen
Gegebenheiten folgte, zeigte sich in den genannten Vorschriften zumindest,
dass der Gesetzgeber sich hierüber jedenfalls nicht nur in § 9 Abs. 2 Satz 2
StGB hinweggesetzt hätte. Und es fragt sich vor diesem Hintergrund doch,
ob dogmatische Erklärungsmodelle zum Wesen und Strafgrund der Teilnahme es dem deutschen Gesetzgeber wirklich zwingend verwehren können, sich von seinem italienischen Konterpart inspirieren zu lassen und als
59
60
61
ZStW
in Richtung auf die Einheitstäterschaft, a. a. O., § 25 Rdn. 7; vgl. auch Lemke (Anm. 10),
§ 9 Rdn. 29.
Krit. Küper, Strafrecht Besonderer Teil, 5. Aufl. 2002, S. 5f.; ders., NJW 1977, 58, 58 f.;
Freund, GA 1999, 509, 527 Fn. 68.
Vgl. nur Tröndle/Fischer (Anm. 2), § 84 Rdn. 6, § 129 Rdn. 30.
BGH NStZ 2004, 45. Der 3. Strafsenat hatte in einem gleich gelagerten Fall wenige
Jahre zuvor noch § 9 Abs. 2 Satz 2 StGB herangezogen, ohne die täterschaftliche Verselbständigung der Teilnahme durch das Gesetz näher zu problematisieren (BGH
NJW 2000, 1732, 1736).
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zur Täterschaft erhobene Teilnahme (jenseits mittelbarer Täterschaft) die
Förderung fremden Suizids unter Strafe zu stellen 62.
Nun liegt an dieser Stelle der Einwand nahe, dass § 9 Abs. 2 Satz 2 StGB
– zumal er ja keine Teilnahmestruktur zur Täterschaft aufwertet, sondern
demgegenüber noch weitergehend für bestimmte Teilnahmekonstellationen
an das Erfordernis einer (deutscher Strafgewalt unterworfenen) tatbestandlichen, rechtswidrigen Haupttat rührt – ein Ausnahmefall sei, der, wenn er
sich denn – wie erörtert – schwerlich unter isolierend strafanwendungsrechtlicher Perspektive erklären bzw. legitimieren lässt, dann eben als mit
der Teilnahmedogmatik nicht in Einklang zu bringende einmalige gesetzgeberische Fehlleistung zu kritisieren ist 63. Doch es zeigt sich, dass selbst
eine weitestgehende Beschneidung oder gar Suspendierung des Akzessorietätserfordernisses kein Einzelfall ist 64: So stellen sich die Fälle des § 30
Abs. 1 StGB als erfolglose Teilnahme an einer vom Teilnehmer nur vorgestellten und nie umgesetzten Haupttat dar 65, was auf eine Reduktion der
Akzessorietät „auf ein gedankliches Minimum“ hinausläuft 66. So bedroht
§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Kriegswaffenkontrollgesetz (KWG) die Entwicklung und
Herstellung von biologischen und chemischen Waffen mit Freiheitsstrafe
nicht unter zwei Jahren und nach Abs. 1 Nr. 3 wird ebenso bestraft, wer
„eine in Nummer 1 bezeichnete Handlung fördert“. Das LG Stuttgart hat
nun auf der Grundlage von § 20 Abs. 1 Nr. 3 KWG in einem Fall verurteilt,
in dem ein deutscher Unternehmer entsprechende Produkte geliefert hat, jedoch nicht geklärt werden konnte, ob im Empfängerland tatsächlich mit der
Herstellung chemischer Waffen begonnen worden ist 67. Das LG hat dabei
62
63
64
65
66
67
Vgl. Art. 580 Abs. 1 codice penale italiano (Übersetzung von Riz/Bosch, 1995): „Wer
einen anderen zum Selbstmord bestimmt oder seinen Entschluss zum Selbstmord bestärkt oder dessen Ausführung auf irgendeine Weise Vorschub leistet, wird, wenn es
zum Selbstmord kommt, mit Gefängnisstrafe von fünf bis zu zwölf Jahren bestraft.
Kommt es nicht zum Selbstmord, wird der Täter mit Gefängnisstrafe von einem Jahr
bis zu fünf Jahren bestraft, wenn der Selbstmordversuch eine schwere oder sehr
schwere Körperverletzung zur Folge hat.“
Mit diesem Ergebnis Lemke (Anm. 10), § 9 Rdn. 29: „Absatz 2 Satz 2 steht daher zu
dem letztlich im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden Akzessorietätsgrundsatz in Widerspruch.“ Für eine Änderung, welche § 9 Abs. 2 Satz 2 StGB auf die Fälle der Distanzteilnahme an im Ausland strafbaren Haupttaten begrenzt, Krapp (Anm. 9), S. 167.
A. A. Lemke (Anm. 10), § 9 Rdn. 29.
Tröndle/Fischer (Anm. 2), § 30 Rdn. 2 m. w. N.
Tröndle/Fischer (Anm. 2), § 30 Rdn. 2. Ganz inakzessorisch ist auch diese Regelung
nicht, immerhin wird wegen versuchter Teilnahme bestraft, nicht wegen vollendeter
Tat; Hamdorf, Beteiligungsmodelle im Strafrecht, 2002, S. 22.
LG Stuttgart, wistra 2001, 436, 437 „Was danach weiter aus der Anlage wurde, konnte
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mit Blick darauf, dass die Haupttat (möglicherweise) noch gar nicht begonnen hatte, damit argumentiert, dass nach Maßgabe der Strafdrohung im Rahmen des § 20 Abs. 1 Nr. 3 KWG auch der Versuch der Teilnahme strafbar ist.
Dieser setze aber nicht voraus, dass die Haupttat ihrerseits ins Versuchsstadium gelangt sei. Die selbständige Versuchsstrafbarkeit sei inakzessorisch 68.
Ein ähnlich gelagerter Fall findet sich im Kernstrafrecht in § 120 Abs. 1, 3
StGB. Der Versuch der Förderung fremder Selbstbefreiung ist in verselbständigter Form strafbar. Dabei ist ratio legis dieser Verselbständigung der
Umstand, dass die Selbstbefreiung als tatbestandsloses Verhalten „nicht als
Anknüpfungspunkt akzessorischer Beihilfe taugt“ 69. Bei einer an den allgemein anerkannten Kriterien orientierten Abgrenzung von Täterschaft und
Teilnahme hat man es hierbei also materiell mit versuchter Beihilfe zu tun,
die in vollkommen inakzessorischer Weise eigenständig in einem gesetzlichen Tatbestand erfasst ist, vom Gesetzgeber also gesetzestechnisch formell
zur (versuchten) Täterschaft aufgewertet wurde.
Auf dieser Linie wird es nun möglich, die Fälle des § 9 Abs. 2 Satz 2
StGB, bei denen es keinen (Haupt-)Tatort gibt, an dem die Tat mit Strafe bedroht wird, als der Versuchsgrundstruktur insoweit entsprechende Konstellationen zu erklären, als es am Erfolgsunrecht fehlt 70, jedoch ein Handlungsunwert auszumachen ist: § 9 Abs. 2 Satz 2 StGB limitiert als teilnahmedogmatische Norm die Akzessorietät bis auf die rudimentäre Notwendigkeit
einer (Auslands-)Tat, die sich einem deutschen Strafgesetz überhaupt subsumieren lässt 71, ohne dass deutsches Strafrecht sich die Bewertung dieser Tat
68
69
70
71
ZStW
nicht festgestellt werden: Offen ist, ob sie funktionierte, ob sie in eine Anlage zur Giftgasherstellung eingefügt und ob sie dann auch bei der Produktion von Giftgas tatsächlich verwendet wurde.“
LG Stuttgart, wistra 2001, 436, 438; dem zustimmend Kieninger/Bieneck, wistra 2001,
438, 440. So auch Hamdorf (Anm. 66), S. 22.
Treffend Barthelmeß, wistra 2001, 14, 15.
Wenn die Haupttat am Tatort mit Strafe bedroht ist, fehlt es hingegen nicht am Erfolgsunrecht. Zwar hat das deutsche Strafrecht keine Bewertungshoheit über den betreffenden Sachverhalt, doch liegt es gerade im Wesen des – auf den völkerrechtlichen
Nichteinmischungsgrundsatz zurückgehenden – Territorialitätsprinzips, die Bewertung des territorial zuständigen Gesetzgebers zu akzeptieren, die in solchen Fällen ja
gerade zum Vorliegen von Erfolgsunrecht führt.
Es ist h. M., dass die Frage nach der Anwendbarkeit deutschen Strafrechts auf einen
Sachverhalt mit Auslandsbezügen der Frage seiner Subsumierbarkeit unter einen deutschen Straftatbestand logisch nachrangig ist (Oehler [Anm. 9], Rdn. 123; ders., Festschrift für Grützner, 1970, S. 116; Schlüchter, Festschrift für Oehler, 1985, S. 310 m.w.
N.). Die h. M. sieht das Strafanwendungsrecht als Teil der primären Strafrechtsnormen,
weil es den Bereich des „Bewertungsanspruchs“ des deutschen (Straf-)Rechts räumlich
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anmaßen könnte 72. Auf diese Weise – also im Wege einer teilnahmedogmatischen Limitierung der Akzessorietät – ermöglicht § 9 Abs. 2 Satz 2 StGB,
dass die der inländischen Teilnahme zugrunde liegende Verhaltensnorm mit
Blick auf die jeweilige Haupttat – also insoweit limitiert-akzessorisch – inhaltlich aufgeladen werden kann und auf diese Weise überhaupt erst eine fassbare Kontur gewinnt. Nun steckt in diesem „Rudiment“ ein durchaus beachtliches einschränkendes Potenzial. Geht man mit der überwiegenden
Ansicht i. S. e. „akzessorietätsorientierten Verursachungstheorie“ 73 davon
aus, dass der Teilnehmer auch für den Rechtsgutsangriff des Haupttäters haftet, stellt es sich als konsequent dar, für die hier betrachtete Fallgruppe zu
verlangen, dass sich die Haupttat nicht allein gegen überindividuelle ausländische Interessen richtet, welche jenseits des Schutzbereichs des seinem
Wortlaut nach in Betracht zu ziehenden deutschen Strafgesetzes liegen 74. In
einem solchen Fall lässt sich das deutsche Strafgesetz bereits nach seinem
tatbestandsimmanenten Schutzzweck nicht auf die Haupttat anwenden,
ganz unabhängig davon, dass sich deutsches Strafrecht nicht ihre Bewertung
als Unrecht anmaßen kann. Dies zeigt sich deutlich z. B. in der Vorschrift
des § 80 StGB über den Angriffskrieg. Es geht schon nach dem Wortlaut dieses Gesetzes nicht um die Vorbereitung irgendeines Angriffskrieges, sondern
um einen solchen, „an dem die Bundesrepublik Deutschland beteiligt sein
soll.“ Aber – bedenkt man den Stellenwert der Tatbestandsauslegung nach
dem Rechtsgut – selbst wenn bei anderen Delikten die Beschränkung der
Schutzrichtung auf individuelle bzw. inländische hoheitliche Interessen
nicht bereits aus dem Wortlaut folgt, scheidet nach dem Auslegungstopos
der teleologischen Interpretation die Subsumtion einer Tat, welche sich
(nur) gegen ausländische hoheitliche Interessen richtet, aus. Es ist nämlich
72
73
74
abgrenzt und nicht eine bloße Prozessvoraussetzung darstellt. Vgl. nur Ambos
(Anm. 5), Vor §§ 3–7 Rdn. 3 f.; Zieher (Anm. 9), S. 43 f.; Eser (Anm. 15), Vorbem. §§ 3–7
Rdn. 1.
Für eine akzessorietätsmodifizierende Funktion des § 9 Abs. 2 Satz StGB bereits Ambos/Ruegenberg (Anm. 19), § 9 Rdn. 41: „konsequente Zurücknahme des … Akzessorietätsgrundsatzes“; Zieher (Anm. 9), S. 39 Fn. 3: „gesetzlich normierte[r] Verzicht auf
die konsequente Anwendung des Akzessorietätserfordernisses“; Krapp (Anm. 9),
S. 150: „Lockerung der Akzessorietät“, durch die „ein neues delictum sui generis geschaffen“ werde. Derartige Wege gänzlich ablehnend Lemke (Anm. 10), § 9 Rdn. 29;
vgl. auch schon Schröder, ZStW 61 (1942), S. 57, 61 m. w. N.
Vgl. dazu etwa Roxin (Anm. 58), § 26 Rdn. 26 ff.
Vgl. etwa BGHSt. 29, 85, 88 ff.; OLG Düsseldorf NJW 1982, 1242; Hoyer (Anm. 26),
§ 9 Rdn. 13; eingehend „Zur teleologischen Reduktion im Rahmen des Territorialprinzips“ Schlüchter (Anm. 71), S. 307, insbes. S. 309 ff.
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das eine, dass § 9 Abs. 2 Satz 2 StGB die Akzessorietät der Inlandsteilnahme
an der ausländischen Haupttat lockert, weil diese nicht kraft deutschen
Rechts als Unrecht bewertet werden kann, etwas anderes ist es, wenn sie
dem deutschen Strafgesetz bereits nicht als (nach Maßgabe der üblichen
Auslegungskriterien, also insbesondere auch der teleologischen Interpretation) tatbestandlich subsumiert werden kann, weil sie sich nicht gegen ein
tatbestandlich geschütztes Rechtsgut richtet. Richtigerweise ist auf dieser
Linie der notorische Beispielsfall 75 der inländischen Teilnahme an am Ort
der Haupttat nicht strafbarer Bigamie, aus dem durch § 9 Abs. 2 Satz 2 StGB
markierten Bereich strafbarer Inlandsteilnahme an strafloser Auslandstat
herauszunehmen 76. Eine weitere (überwiegend 77) anerkannte Beschränkung der Reichweite des § 9 Abs. 2 Satz StGB ergibt sich ferner daraus, dass
die Anordnung der Geltung deutschen Strafrechts für die Teilnahme nicht
bedeutet, dass sämtliche ausländischen Vorfeldnormen suspendiert werden 78. Das Vorliegen normativer Tatbestandsmerkmale, wie etwa der Fremdheit einer Sache, das Eingreifen von Erlaubnissätzen und das Maß der z. B.
beim Betrieb gefährlicher Anlagen o. ä. anzulegenden Sorgfalt bemisst sich
im Grundsatz nach dem Recht des ausländischen Staates. Es wäre auch
schwerlich zu rechtfertigen, etwa das Fortkommen eines Entwicklungslandes, welches sich die Standards deutscher Arbeitsschutzvorschriften noch
nicht „leisten kann“, dadurch zu behindern, dass die Lieferung von Bauteilen für eine chemische Anlage, welche beim Betrieb die Gesundheit der Beschäftigten – über das nach deutschem Recht tolerable Maß hinaus – beeinträchtigt, gegebenenfalls als Beihilfe zur Körperverletzung geahndet wird 79.
Die Anwendung dieser ausländischen Vorfeldnormen ist aber nicht unbe-
75
76
77
78
79
ZStW
Jung, JZ 1979, 325, 327 Fn. 19: Das Beispiel der Distanzteilnahme an nach dem Recht
des „Tatorts“ der „Haupttat“ strafloser Bigamie findet sich bereits bei Schröder, ZStW
61 (1942), S. 57, 123.
Überzeugend Hoyer (Anm. 26), § 9 Rdn. 13; Jescheck/Weigend (Anm. 1), § 18 IV 3:
„Freilich muss sich die Haupttat gegen ein Rechtsgut richten, das von der entsprechenden Strafvorschrift des deutschen Rechts geschützt wird (…).“ Anders noch Jescheck,
IRuD 1956, 75, 94: „Stellt die Haupttat ausnahmsweise wegen der besonderen Verhältnisse am Tatort materiell kein Unrecht dar, so muss der prozessuale Ausweg über das
Opportunitätsprinzip gewählt werden (…).“
Vgl. Krapp (Anm. 9), S. 154 ff.; gegen die Einbeziehung ausländischer Vorfeldnormen
im Fall der inländischen Teilnahme an im Ausland straflosem Schwangerschaftsabbruch, Eser (Anm. 15), § 9 Rdn. 14. Das Beispiel ist freilich wegen § 5 Nr. 9 StGB unglücklich (zutr. Gribbohm [Anm. 5], § 9 Rdn. 31).
Hoyer (Anm. 26), § 9 Rdn. 12; grundlegend dazu Nowakowski, JZ 1971, 633.
Vgl. erneut Nowakowski, JZ 1971, 633, 635.
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schränkt akzeptabel, wie sich in dem Beispiel der inländischen Teilnahme
(durch wahrheitsgemäße Anzeige oder Zeugenaussage o. ä.) an der vorsätzlichen Tötung eines anderen im Ausland im Wege der nach dortigem Recht
rechtmäßig verhängten Todesstrafe zeigt! Zumindest in Fällen, in denen das
Auslandsrecht „nach rechtsstaatlichen Maßstäben (…) extrem unzureichend
erscheint“ wird man die diesbezüglichen „Vorfeldnormen“, die nach dortigem Verständnis die Hinrichtung des Betreffenden ermöglichen, nicht akzeptieren können 80. Worum es hierbei im Kern geht, hat bereits Nowakowski durch einen erhellenden Seitenblick auf das Internationale Privatrecht aufgezeigt: „In diesem Zusammenhang kommt wohl schlechthin die
Schranke des ordre public zum Tragen“ 81. Eine brauchbare Richtschnur, anhand derer sich die Tragbarkeit der Anerkennung der grundsätzlichen Maßgeblichkeit der ausländischen Vorfeldnormen ermessen lässt, liegt in der
Heranziehung des negativen ordre public, wie er in Art. 6 EGBGB fixiert
ist: Bei der Anwendung deutschen Strafrechts auf eine ausländische Tat im
Rahmen des § 9 Abs. 2 Satz 2 StGB gelten die ausländischen Vorfeldnormen
etwa der dortigen Rechtfertigungsgründe dementsprechend soweit, wie sie
nicht zu „einem Ergebnis führen, dass mit wesentlichen Grundsätzen des
deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar“ wäre 82.
Lässt sich nach Maßgabe der vorstehenden Kriterien und bei Beachtung
der einschlägigen Einschränkungen eine ausländische Tat begrifflich unter
ein bestimmtes deutsches Strafgesetz subsumieren, bewertet § 9 Abs. 2 Satz 2
StGB sodann in seiner strafanwendungsrechtlichen Funktion die inländische
Teilnahmehandlung, also den Verstoß gegen die zugrunde liegende Verhaltensnorm, deren genauer Inhalt mit Blick auf die Auslandstat gewonnen
worden ist, im Wege der Unterwerfung unter die deutsche Strafgewalt als
Unrecht. Dies ist erforderlich, weil sich mangels deutscher Strafgewalt und
damit Bewertungshoheit über die Auslandshaupttat das Handlungsunrecht
des Verhaltens des inländischen Teilnehmers nicht akzessorisch aus der
Haupttat ableiten lässt. Konkret: Das Substrat der Bewertung folgt – insoweit akzessorisch – aus der Auslandstat, je nachdem ob diese in einer (nach
Landesrecht straflosen) aktiven Sterbehilfe, die nach Maßgabe deutschen
Rechts nichts anderes als Tötung auf Verlangen darstellt, oder in verbrauchender Emybryonenforschung besteht. Die Bewertung, dass damit das (ty80
81
82
Überzeugend Hoyer (Anm. 26), § 9 Rdn. 13; weitergehend für eine Teilnehmerstrafbarkeit Krapp (Anm. 9), S. 155 f.
Nowakowski, JZ 1971, 633, 636.
Vgl. Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, 9. Aufl. 2004, S. 516f.
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pische) Unrecht einer Anstiftung oder Beihilfe zu einem Tötungsdelikt oder
zu einem Verstoß gegen das Embryonenschutzgesetz vorliegt, kann nun
aber ersichtlich nicht aus der Haupttat abgeleitet werden, unterliegt diese
doch nicht der Geltung deutschen Strafrechts. Diese Wertung muss daher in
besonderer Weise gesondert strafanwendungsrechtlich angeordnet werden.
Die Inlandsteilnahme an deutscher Strafgewalt nicht unterworfener Auslandstat ist, sofern diese im Ausland nicht unter Strafe steht, nach alledem
handlungsunwertig, ohne dass das Erfolgsunrecht vollendeter Teilnahme zustande kommt. Denn mangels teilnahmefähiger rechtswidriger Haupttat
lässt sich diese auch nicht begrifflich-formal unter ein deutsches Strafgesetz
subsumieren. Dies entspricht bei wertender Betrachtung der Konstellation
des Versuchs. Besteht nun die Funktion der teilnahmedogmatischen Beschränkung der Akzessorietät bis auf das Rudiment der formal-begrifflichen
Subsumierbarkeit eines Auslandssachverhalts unter deutsches Strafrecht
ebenso wie die strafanwendungsrechtliche Unterwerfung der inländischen
Teilnahmehandlung unter die Bewertungshoheit des deutschen Strafrechts
in der Gewinnung einer tatbestandsmäßigen (Teilnahme-)Handlung und
deren anschließender Qualifizierung als (Handlungs-)Unrecht, so muss sich
§ 9 Abs. 2 Satz 2 StGB konsequenterweise an den Maßstäben der Versuchsdogmatik messen lassen. Auf die Schlüssigkeit dieser Perspektive, die den
Umstand reflektiert, dass die Problematik der Fälle der Distanzteilnahme
eine strafanwendungsrechtliche und eine teilnahmedogmatische Seite hat,
welche nicht voneinander zu isolieren sind, weist dabei Jung selbst hin,
wenn er – freilich aus seinem isolierend strafanwendungsrechtlichen Verständnis von § 9 Abs. 2 Satz 2 StGB heraus – argumentiert, es gehe um den
Gesichtspunkt der Generalprävention: Das Vertrauen der Bürgerinnen und
Bürger in die Bestandskraft der hiesigen Rechtsordnung würde erschüttert,
„wenn von Deutschland aus, ohne dass der Staat eingriffe, alle möglichen
Delikte mit Auslandserfolg begangen werden könnten“ 83 – sei es auch so,
dass es dabei zu einer Vollendung akzessorischer Teilnahme gar nicht kommen kann. Es ist ein frappierendes Indiz für die Richtigkeit des hier vorgeschlagenen Erklärungsmodells der Distanzteilnahme, dass diese Erwägungen gleichsam unter dem Schlagwort „Eindruckstheorie“ bestens in das
Vokabular der Versuchsdogmatik einpassen 84/85.
83
84
ZStW
Vgl. oben Anm. 53.
Wohlgemerkt: es liegt nach wertender Betrachtung eine Versuchsstruktur vor, weil –
wie eingehend dargelegt – es nicht in der Macht deutschen Strafrechts liegt, die ausländische Haupttat als Unrecht zu werten. Dieses Verdikt über den inländischen Teil des
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c) Analoge Anwendung des § 23 Abs. 2 StGB
Gewonnen ist nach alledem ein die Funktionsweise des § 9 Abs. 2 Satz 2
StGB plausibel erklärendes Modell. Noch nicht gesagt ist damit, dass die
Ahndung aller ihr unterfallenden Sachverhalte aus den sich nach Maßgabe
der §§ 26 und 27 StGB i. V. m. dem für die Haupttat einschlägigen Strafgesetz
ergebenden Strafrahmen tatsächlich legitim ist. Diese Frage stellt sich auf
einer anderen Ebene. Doch kann beileibe keine Rede davon sein, dass es in
den Fällen der inländischen Distanzteilnahme an (strafloser) Auslandstat
keinesfalls zu einer mittelbaren Erschütterung des Vertrauens in die hiesige
Rechtsordnung von diesbezüglich uneingeschränkt strafwürdigem Ausmaß
kommen kann: Man denke sich etwa den Fall der inländischen Teilnahme an
in einem ausländischen Staat legaler aktiver Sterbehilfe, welche sich nach
deutschem Rechtsverständnis – da die rechtfertigenden „Vorfeldnormen“
des fremden „Sterbehilfegesetzes“ in ihrer Konsequenz absolut inakzeptabel
sind – als nichts anderes als Tötung auf Verlangen darstellt. Gesetzt den Fall,
jemand verdient kräftig daran, dass er die Vermögensangelegenheiten begüterter Sterbewilliger regelt und ihnen dazu noch die erforderlichen Kontakte
in dem anderen Land vermittelt und ihre Reise in den Tod organisiert, erscheint es wegen der Gefahr einer erheblichen Erschütterung des Vertrauens
85
Gesamtsinnzusammenhangs „Distanzteilnahme“ spricht § 9 Abs. 2 Satz 2 StGB dagegen aus, so dass Handlungsunrecht ohne korrespondierendes Erfolgsunrecht vorliegt.
Dies bedeutet nicht, dass § 9 Abs. 2 Satz 2 StGB Fälle des Versuchs erfasst. Dafür, dass
i. d. S. auch die versuchte Distanzteilnahme strafbar wäre, spricht nichts.
Gegen die Bewertung der Distanzteilnahme als Versuchsstruktur lässt sich des Weiteren auch nicht einwenden, dass die versuchte Tat im Unterschied zu den Fällen der Distanzteilnahme stets eine Diskrepanz zwischen der Vorstellung des Täters, welche das
anzurichtende Unrecht umfasst, und der aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen
dahinter zurückbleibenden Realität voraussetzt. § 9 Abs. 2 Satz 2 StGB ist kein Fall des
Versuchs, sondern er schafft eine Situation, in der – wie in den Fällen des Versuchs –
Handlungsunrecht, aber kein Erfolgsunrecht vorliegt. Dies nun muss nicht zwingend
darauf beruhen, dass der Handelnde sich „Mehr“ vorstellt, als dann Realität wird. Eine
diesbezügliche Kritiklinie würde verkennen, dass Art. 9 Abs. 2 Satz 2 StGB das Erfordernis der Akzessorietät bis auf das Rudiment einer einem deutschen Strafgesetz formal-begrifflich subsumierbaren Tat durch § 9 Abs. 2 Satz 2 StGB limitiert. Beim Distanzteilnehmer kann sich – lässt man den Sonderfall beiseite, dass er sich irrig tatsächliche Umstände vorstellt, welche die Haupttat deutscher Strafgewalt unterwerfen
würden – gar nicht die Fehlvorstellung gebildet haben, dass er durch seine Handlung
zur Schaffung akzessorischen Teilnahmeunrechts unmittelbar ansetzt. Denn das Unrecht seiner Handlung kann sich nicht aus demjenigen der Auslandstat ableiten, weil
diese der Bewertungshoheit deutschen Strafrechts nicht unterworfen ist, sondern es
wird durch § 9 Abs. 2 Satz 2 StGB konstituiert.
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in die hiesige Geltungskraft des § 216 StGB durchaus angemessen, ihn als
Teilnehmer eines Tötungsdelikts 86 uneingeschränkt haften zu lassen 87. Bereits auf der vorgelagerten Ebene „rudimentärer Akzessorietät“ ausgeschieden wurden dagegen Fälle, in denen der (deutsche) Tatbestand seinem Zuschnitt nach ausschließlich innerstaatliche überindividuelle Rechtsgüter
schützen soll; allerdings bestätigt sich die Richtigkeit dieser Wertung auch
auf der hier betrachteten Ebene: Die Legitimität eines Staatsschutzdelikts
hängt nun einmal nicht zuletzt von der Legitimität des geschützten Staates
ab. Aus diesem Grund ist es nun einmal nicht ausgemacht, dass derjenige,
der durch eine Teilnahmehandlung zu einer ausländischen Haupttat, welche
sich – schützte z. B. § 81 StGB nicht nur den hiesigen Staat – unter die Vorschrift über den Hochverrat subsumieren ließe, hierdurch mittelbar das Vertrauen in die Bestandskraft des § 80 StGB untergräbt.
Zuzugeben ist den Kritikern des § 9 Abs. 2 Satz 2 StGB jedoch umgekehrt, dass die Fälle der Distanzteilnahme sehr unterschiedlich beschaffen
sein können und demgemäß auch äußerst unterschiedliche Grade an Strafwürdigkeit denkbar sind. Viele der § 9 Abs. 2 Satz 2 StGB subsumierbaren
Konstellationen weisen in der Tat nur einen stark verdünnten Strafwürdigkeitsgehalt auf. Man denke z. B. an inländische Teilnahme an Handlungen,
welche deutschen Straftatbeständen unterfallen, die bereits ihrerseits angreifbar sind, wie etwa in den von Schwarz (aus öffentlich-rechtlicher Perspektive) kritisch betrachteten Fällen der inländischen Teilnahme an im Ausland stattfindender Forschung, welche nach den Maßstäben des (insoweit
mit guten Gründen kritisierten) deutschen Rechts strafbar ist. Eine Lösung
im Wege der Akzeptanz ausländischer Vorfeldnormen scheidet hier aus, weil
diese nicht existieren; es liegt der Fall schlicht so, dass der deutsche Strafgesetzgeber ein Verhalten unter Strafe gestellt hat, bzgl. dessen sich im Ausland
bereits keine Verbotsnorm findet, so dass sich die Frage nach der Einbeziehung ausländischer Erlaubnissätze etc. daher gar nicht erst stellt 88. Auch mit
86
87
88
ZStW
Vgl. nur Tröndle/Fischer (Anm. 2), § 216 Rdn. 8 m. w. N.
Drohen in einem solchen Fall (außen-) politische Unzuträglichkeiten, wird die zuständige deutsche Anklagebehörde ein Vorgehen nach § 153c Abs. 1 Nr. 1 StPO erwägen;
gleiches dürfte gelten, soweit es dazu kommt, dass z. B. ein befreundeter Staat darauf
verfällt, die Todesstrafe nach rechtsstaatlich unzureichendem Verfahren zu verhängen
und zu vollstrecken, und jemand aus dem Inland hieran teilgenommen hat.
Dabei besteht auch ein erheblicher qualitativer Unterschied zu Konstellationen, in
denen eine bestimmte ausländische „Vorfeldnorm“, ein Erlaubnissatz etwa, eingreift.
Denn es fehlt in der erstgenannten Konstellation bereits an einem gesetzlichen Verbot
einer bestimmten Handlung, so dass der Normadressat gar keinen Anlass hat (Appellfunktion des Tatbestands!), über ihr Erlaubtsein zu reflektieren.
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Blick darauf, dass eine „prozessuale Lösung“ derartiger Distanzteilnahmen
von geringfügiger Strafwürdigkeit nach § 153c Abs. 1 Nr. 1 StPO allein in
der Hand der Staatsanwaltschaft liegt 89, ist es geboten, den Gerichten ein
flexibleres Instrument diesseits prozessualer Lösungswege 90 an die Hand zu
geben, um eine sachgerechte Behandlung der Fälle des § 9 Abs. 2 Satz 2
StGB zu gewährleisten.
Insoweit bietet sich die analoge Anwendung des § 23 Abs. 2 StGB geradezu an. Dem Gericht, das über die angemessene Rechtsfolge im Fall einer
Distanzteilnahme an im Ausland strafloser Haupttat zu befinden hat, wäre
damit die Möglichkeit eröffnet, nach seinem Ermessen gem. § 49 StGB zu
mildern. Dabei folgt die dogmatische Tragfähigkeit der Heranziehung der
Vorschrift über die fakultative Strafmilderung bei versuchter Tat zwanglos
aus der strukturellen Versuchsähnlichkeit der inländischen Distanzteilnahme an (strafloser) Auslandstat: Wie eingehend dargelegt, liegt in diesen
Fällen infolge der Funktionsweise des § 9 Abs. 2 Satz 2 StGB Handlungsunrecht vor, es fehlt aber an der Schaffung eines korrespondierenden Erfolgsunwerts 91.
§ 9 Abs. 2 Satz 2 StGB ist nicht erforderlich in solchen Fällen der Inlandsteilnahme, bei denen die Haupttat zwar vollständig im Ausland begangen
wurde (d. h. kein Tatort im Inland liegt), deutsches Strafrecht also nicht aufgrund des Gebietsgrundsatzes auf die Haupttat erstreckt werden kann, jedoch andere Anknüpfungspunkte die Anwendung deutschen Strafrechts auf
die Haupttat erlauben: Kann der Haupttäter z. B. wegen des aktiven Personalitätsprinzips (er ist Deutscher) oder des Schutzgrundsatzes (er verletzt
inländische Rechtsgüter) oder des Weltrechtsprinzips nach deutschem Strafrecht bestraft werden, fehlt es nicht an der Bewertungsmacht deutscher
Strafrechtsnormen hinsichtlich der Haupttat und damit auch nicht am Erfolgsunrecht, so dass es der Strafausdehnung gem. § 9 Abs. 2 Satz 2 StGB
nicht bedarf 92. Eine analoge Anwendung von § 23 Abs. 2 StGB scheidet in
89
90
91
92
Zutreffende Kritik hieran bei Krapp (Anm. 9), S. 165.
Geht es um Teilnahme an Auslandstaten, die nach Maßgabe deutschen Strafrechts lediglich Vergehenscharakter aufweisen, stehen natürlich – dies darf nicht übersehen
werden – auch die §§ 153, 153a StPO bereit.
Der der Ubiquitätstheorie zugrunde liegende Gedanke, dass Handlung und Erfolg
gleichwertig seien für den „kriminellen Gehalt der Tat“(vgl. Jescheck/Weigend
[Anm. 1], § 18 IV 1) steht nichts entgegen; Handlung und Erfolg mögen ja gleichwertig
sein, doch konstituieren sie eben nur zusammengenommen das volle Unrecht vollendeter Tat!
Das verkennt Mitsch, Jura 1989, 193, 194 f., der § 9 Abs. 2 Satz 2 StGB als ausschlag-
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solchen Fällen aus. Eine versuchsähnliche Unrechtsstruktur kann sich allerdings auch bei Auslandsteilnahme an einer Auslandstat, die vor Ort nicht
strafbar ist, darstellen, jedoch nur im Rahmen des aktiven Personalitätsprinzips 93: Die Auslandsteilnahme fällt – unabhängig von der Nationalität des
Haupttäters – unter die auf aktiver Personalität beruhenden Nummern des
§ 5 StGB (z. B. § 5 Nr. 8, 9, 12 Alt. 1, 14a Alt. 1, 15 StGB) sowie unter die
(durch das Erfordernis einer identischen Tatortnorm) eingeschränkte aktive
Personalität gem. § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB – „Tat“ meint hier Täterschaft und
Teilnahme 94. Wenn nun also ein Deutscher im Ausland an der Tat eines Ausländers teilnimmt, stellt sich wiederum das Problem, dass zwar die Teilnahme, nicht aber die Haupttat deutschem Strafrecht unterfällt, es insoweit
also am Erfolgsunrecht fehlt. Die aktive Personalität konstituiert in solchen
Fällen zwar Handlungsunrecht, das Fehlen des Erfolgsunwerts legt aber die
analoge Anwendung von § 23 Abs. 2 StGB nahe. Man wird hingegen kaum
vertreten können, dass eine Strafbarkeit der Auslandsteilnahme eines Deutschen an der Auslandstat eines Ausländers ganz ausscheidet, weil es insoweit
an einer § 9 Abs. 2 Satz 2 StGB entsprechenden Norm mangelt 95. § 9 Abs. 2
Satz 2 StGB stellt insoweit nur eine Sonderregel für die inländische Teilnahme dar, in der eine Abweichung von § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB zu sehen ist,
indem bei inländischer Teilnahme auf die Tatortstrafbarkeit der Haupttat
verzichtet wird 96.
2. Distanzdelikte mit ausländischem Erfolgsort
Übertragen lässt sich diese im Bereich der Fälle des § 9 Abs. 2 Satz 2 StGB
(Distanzteilnahme) entwickelte Behandlung der Problematik zwanglos auf
93
94
95
96
ZStW
gebend für die inländische Beihilfe zum Schwangerschaftsabbruch an einer Deutschen
im Ausland ansieht.
Beim Schutzprinzip unterfällt dagegen die Haupttat immer deutschem Strafrecht, folglich ebenso die Teilnahme (Oehler [Anm. 9], Rdn. 593, 675 f.). Gleiches gilt für
das Weltrechtsprinzip und den Grundsatz stellvertretender Strafrechtspflege (Oehler
a. a. O., Rdn. 842 f., 907). Wenn die Strafgewaltserstreckung aufgrund Schutzprinzips
oder stellvertretender Strafrechtspflege von einer identischen Tatortnorm abhängig
gemacht wird (§ 7 Abs. 1 StGB), dann gilt dieses Erfordernis natürlich auch für den
Auslandsteilnehmer (dazu Oehler a. a. O., Rdn. 675 f., 679, 842 f.).
Oehler (Anm. 9), Rdn. 769; Ambos (Anm. 5), § 5 Rdn. 6, § 7 Rdn. 32; Gribbohm
(Anm. 5), § 7 Rdn. 77. S. dazu auch schon oben II. mit Anm. 18.
Dass Ambos (Anm. 5), § 5 Rdn. 28, bei § 5 Nr. 9 StGB eine Teilnahmestrafbarkeit des
Inländers im Ausland ablehnt, ist darauf zurückzuführen, dass § 5 Nr. 9 StGB wegen
völkerrechtlicher Bedenklichkeit restriktiv auszulegen ist.
Insoweit zutr. Gribbohm, JR 1998, 177, 178.
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Fälle täterschaftsbegründender inländischer Tatbeiträge 97, deren Erfolg im
Ausland eintritt (Distanzdelikte) und – anders als am inländischen Handlungsort – am Ort des Eintritts des Erfolgs nicht unter Strafe steht. In derartigen Konstellationen, deren Entstehung auf dem Prinzip der (objektiven)
Ubiquität beruht 98, steht deutschem Strafrecht nur der Zugriff auf den auf
deutschem Territorium gesetzten Handlungsunwert offen 99. Diesem Umstand trägt die analoge Anwendung des § 23 Abs. 2 StGB hier ebenso wie im
Rahmen der Fälle des § 9 Abs. 2 Satz 2 StGB angemessen – jedoch auch ausreichend – Rechnung 100.
IV. Auslandsbeteiligung an Inlandstat
In den verbleibenden Bereich der „Auslandsbeteiligung an Inlandstat“ fallen
zum einen die Fälle der vom Ausland geleisteten Anstiftung oder Beihilfe zu
inländischer Haupttat und zum anderen Konstellationen, bei denen eine (täterschaftliche) Tathandlung im Ausland erbracht wird und der Taterfolg im
Inland eintritt oder – und dies stellt die komplexere und problembehaftetere
Variante dar – nach Maßgabe der Regeln der mittelbaren Täterschaft oder
der Mittäterschaft für einen Täter, der seinen Beitrag bei naturalistischer Betrachtung im Ausland erbracht hat, ein inländischer Handlungsort gleich97
98
99
100
Fälle, bei denen ein bestimmter Tatbeitrag – etwa die Einwirkung auf einen Tatmittler
– zwar im Ausland erbracht wird, die Tathandlung – z. B. die unvorsätzliche Tatbestandsverwirklichung durch das Werkzeug – dann im Inland erfolgt, ließen sich im
Hinblick darauf, dass dem vom Ausland agierenden Hintermann die Handlung des
Tatmittlers wie eine eigene zugerechnet wird, begrifflich selbst, wenn der Erfolg im
Ausland eintritt, durchaus als inländisches Handeln bezeichnen, doch würde dadurch
die ihnen innewohnende Problematik, dass wegen der Zurechnungsnorm des § 25
Abs. 1 Alt. 2 StGB eine bei naturalistischer Betrachtung jenseits der Grenze vorgenommene Handlung einen Handlungsort in Deutschland begründet, zugedeckt. Vgl. zu
diesem Problemfeld sogleich unter IV.
Vgl. hierzu Jescheck/Weigend (Anm. 1), § 18 IV 2; Lemke (Anm. 10), § 9 Rdn. 5; Bergmann (Anm. 10), S. 26; Krapp (Anm. 9), S. 8.
Treffend Jescheck, IRuD 1956, 75, 94 „Die Begründung [für die Strafbarkeit der inländischen Teilnahme an nach Maßgabe des Rechts des Ortes der Haupttat strafloser Auslandstat] ergibt sich aus dem Handlungsunwert des als Teilnahme zu qualifizierenden
Tatbeitrags.“ Krit. Schroeder, NJW 1976, 490.
Bei einer in der Heranziehung der fakultativen Strafmilderung des § 23 Abs. 2 StGB
sich ausdrückenden Beschränkung auf die Erfassung des Handlungsunrechts ist es
nicht erforderlich, wie teilweise vorgeschlagen, nur in den Fällen zu strafen, in denen
das Distanzdelikt auch am ausländischen Erfolgsort unter Strafe steht (lex loci); hierfür
aber Krapp (Anm. 9), S. 142.
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wohl in Frage kommt. Denkbar ist in dieser Konstellation dann sogar, dass
der Taterfolg wiederum im Ausland eintritt 101. So werden bei einem Zusammenwirken mehrerer, welches nach seinen Umständen gemäß § 25 Abs. 2
StGB mittäterschaftlichen Charakter trägt, selbst wenn der Erfolg der Tat im
Ausland eintritt, inländische Tatbeiträge gegebenenfalls dem im Ausland seinen Tatbeitrag leistenden Täter wie eine eigene Handlung zugerechnet, welche im Geltungsbereich deutschen Strafrechts stattfindet. Zentrale Frage
dieser Konstellation ist, in welchem Maße genau § 25 Abs. 2 StGB eine tragfähige beteiligungsdogmatische Grundlage für die Entstehung eines inländischen Handlungsorts gem. § 9 Abs. 1 Alt. 1 StGB bereitstellt.
1. Ort des Tatbeitrags als Tatort?
In dem Fall, dass die Franzosen A und B gemeinsam einen Überfall auf eine
französische Bank planen, wobei es Aufgabe von B ist, einen Fluchtwagen
zu besorgen und zu fahren, und dieser – absprachegemäß – den Fluchtwagen
auf einem Gebrauchtwagenmarkt in Deutschland ersteht, ist nur eine Vorbereitungshandlung im Inland begangen worden. Reine Vorbereitungshandlungen begründen grundsätzlich keinen Handlungsort i. S.v. § 9 Abs. 1 Alt. 1
StGB (sofern nicht durch die Vorbereitungshandlungen selbständige Tatbestände erfüllt werden) 102. BGHSt 39, 88, 90f. – und mit ihm die nahezu einhellige Auffassung in der Kommentarliteratur zu § 9 StGB – will davon eine
Ausnahme machen, wenn es sich um mittäterschaftliche Tatanteile handelt,
die anderen zugerechnet werden können 103. Das Bild relativiert sich jedoch
sogleich, wenn man die Widerstände in der Literatur gegen die Konstruktion
einer Mittäterschaft auf der Grundlage gegebenenfalls randständigster Beiträge im Vorbereitungsstadium, die an sich eher dem Beihilfetypus entsprechen, mit in den Blick nimmt 104. Stellt man sich demgemäß auf den Standpunkt, dass z. B. das notorische „Hinfahren zum Tatort“ als typische Beihilfehandlung als die Stellung eines Mittäters vermittelnder Tatbeitrag nicht
101
102
103
104
ZStW
Die „Tat“ i.S.d. Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestands bestehend aus Handlung
und Erfolg mag in einem solchen Fall im Ausland nicht einmal strafbar sein.
Ambos/Ruegenberg (Anm. 19), § 9 Rdn. 9.
RGSt. 57, 144, 145; RG Nachschlagewerk § 3 Nr. 1; BGHSt. 39, 88, 90f. = JR 1993, 291
mit zust. Anm. Küpper; BGH NStZ 1996, 502. Jescheck/Weigend (Anm. 1), § 18 IV 2a,
4; Gribbohm (Anm. 5), § 9 Rdn. 8, 45; Lemke (Anm. 10), § 9 Rdn. 8; Ambos/Ruegenberg (Anm. 19), § 9 Rdn. 9; Tröndle/Fischer (Anm. 2), § 9 Rdn. 3; Eser (Anm. 15), § 9
Rdn. 4.
Vgl. etwa Kühl, Strafrecht Allgemeiner Teil, 4. Aufl. 2002, § 20 Rdn. 113.
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in Frage kommt 105, kann – ohne logischen Bruch – der Umstand, dass ein
Teil der Fahrtstrecke über deutsches Territorium verläuft, auch keinen (mit-)
täterschaftlichen Handlungsort i. S.v. § 9 Abs. 1 StGB begründen. Werden
Tatbeiträge im Vorbereitungsstadium für die Begründung der Mittäterschaft
nicht als ausreichend erachtet 106, können sie für sich auch keinen Handlungsort markieren. Eine differenzierende Position nimmt Bergmann ein,
der – bei Anerkennung der Möglichkeit mittäterschaftsvermittelnder Beiträge im Vorbereitungsstadium – nur dann eine strafanwendungsrechtliche
Anknüpfung an einen Mittäterschaft vermittelnden Tatbeitrag im Vorbereitungsstadium zulassen will, wenn sich der Beitrag des betreffenden Mittäters
hierin erschöpft 107. Hoyer schließlich gibt zu bedenken, dass, dürfte man
lediglich zuzurechnende Tatbeiträge tatsächlich unbeschränkt wie eigenhändig erbrachte behandeln, konsequenterweise auch Mittäterschaft und mittelbare Täterschaft an eigenhändigen Delikten denkbar sein müsste.
Hoyers Überlegung, die deutlich macht, dass es bei der Anwendung der
Zurechnungsnorm des § 25 Abs. 2 StGB um einen normativen Akt geht,
weist zu Recht darauf hin, dass sich die strafanwendungsrechtliche Behandlung der fraglichen Konstellationen mit der Beteiligungsdogmatik in Einklang bringen lassen muss. Was genau wechselseitig zugerechnet werden
kann, wie groß bildhaft gesprochen die „Transportkapazität“ des § 25 Abs. 2
StGB ist, lässt sich nur mit Blick auf die Funktion des Transfers ermessen,
die in ihrem normativen Kern darin besteht, nicht-eigenhändig vorgenommenes tatbestandlich relevantes Tun, solche Handlungen also, welche mindestens ein Merkmal eines gesetzlichen Tatbestands verwirklichen, einem
anderen wie eigenhändig unternommen zuzuschreiben. Zwar kommt namentlich im Rahmen der Strafzumessung der Möglichkeit, das Verhalten
von Mittätern, welches diese in der Vorbereitungsphase erbracht haben,
wechselseitig in Anrechnung zu bringen, weil es unter den Voraussetzungen
der Mittäterschaft, also dem gemeinschaftlichen Tatplan gemäß erfolgt ist,
eine erhebliche Bedeutung zu, doch muss im Auge behalten werden, dass es
vorrangiges Kernanliegen des § 25 Abs. 2 StGB ist, tatbestandlich unmittelbar relevantes Verhalten solchen Personen zuzurechnen, die es nicht eigenhändig vorgenommen haben, um auf diese Weise Formen der Täterschaft
jenseits der Handlungsherrschaft und der Willensherrschaft überhaupt tatbestandlich erfassen zu können. Demjenigen, der allein durch tatplangemäße
105
106
107
Kühl (Anm. 104), § 20 Rdn. 113.
So etwa Roxin (Anm. 58), § 25 Rdn. 198.
Bergmann (Anm. 10), S. 37.
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komplexe Vorbereitungshandlungen die Stellung eines Mittäters erlangt,
werden die Beiträge der anderen Mittäter, die die Tat eigenhändig ausführen
und die deshalb tatbestandlich handeln wie eigene zugerechnet. Ansonsten
könnte man schon nicht davon sprechen, dass auch der nur im Vorbereitungsstadium sich beteiligende Mittäter das fragliche Strafgesetz verletzt hat.
Gerade nicht erforderlich ist hierfür, dass der Beitrag eines Mittäters, der nur
in der Vorbereitungsphase der gemeinschaftlichen Tat gehandelt hat, den anderen Mittätern, die durch eigenhändiges Tun den gesetzlichen Tatbestand
verwirklichen, zugerechnet wird. Diese haben zwar unter den Voraussetzungen der Mittäterschaft gehandelt, jedoch erfüllen sie für sich den fraglichen gesetzlichen Tatbestand und ihnen lässt sich auch kein Handlungselement zurechnen, das für sich tatbestandliche Relevanz hätte. Denn der
Beitrag des sich im Hintergrund haltenden Komplizen kann für sich unter
kein Strafgesetz subsumiert werden 108!
Mit Blick hierauf spricht mehr für die Sichtweise, dass reine Vorbereitungshandlungen bei normativer Betrachtung keine Tathandlungen sind, die
einen Handlungsort begründen könnten. Handelte es sich beispielsweise
nicht um Mittäter, sondern um einen Einzeltäter, läge es völlig fern, einen inländischen Handlungsort zu bejahen. Reist ein französischer Auftragsmörder zu einem Mord in Warschau über deutsches Territorium an, entsteht
kein inländischer Handlungsort, auch wenn er in Berlin noch rasch ein Putztuch kauft, mit dem er in Warschau die Optik seines Präzisionsgewehrs reinigt. Es ist nicht plausibel, warum sich etwas anderes ergeben soll, wenn er
nicht allein arbeitet, sondern das Opfer in Polen mit einem Kollegen ins
Kreuzfeuer nimmt und vorher beide Mittäter die Visiere ihrer Waffen mit
dem fraglichen Lappen gesäubert haben. Bei der Mittäterschaft kann sich
daran schwerlich etwas ändern, zumal ihre normative Kernfunktion lediglich darin besteht, allen Mittätern die Handlungen der anderen Mittäter als
eigene zuzurechnen, nicht aber solche Tatbeiträge, die sich als reine Vorbereitung darstellen, für sich zu Tathandlungen aufzuwerten. Im Beispiels-Fall
108
ZStW
Dieser hat zwar zum einen das plangemäße Gelingen der gemeinschaftlichen Tat mitverursacht und dem ausländischen Komplizen die Stellung eines Mittäters erst vermittelt, doch ist er kein Verhalten, das sich für sich einem Tatbestand subsumieren lässt.
Man mag eventuell auf der Folie der normativen Kernfunktion des § 25 Abs. 2 StGB
Verursachungsbeiträge, welche die Zurechnung fremder Handlungen erst ermöglichen
und eben diese Tathandlungen, welche ein Merkmal des fraglichen gesetzlichen Tatbestands für sich verwirklichen, begrifflich gegeneinander abschichten, anstelle von dem
– seinem Klang nach beides umfassenden und damit entsprechend weniger scharfen –
Begriffs des „Tatbeitrags“ Gebrauch zu machen.
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ergibt sich also auch nach gegenseitiger Handlungszurechnung – bei Zugrundelegung eines normativen Verständnisses von der Wirkungsweise des
§ 25 Abs. 2 StGB – kein Handlungsort im Inland. Die h. M. krankt dagegen
an der im gegebenen Zusammenhang sachunangemessenen Gleichsetzung
von – gegebenenfalls für sich genommen gänzlich tatbestandsirrelevantem –
Tatbeitrag und tatbestandlicher Handlung.
Anders liegt es natürlich, wenn besagte A und B gemeinsam einen Betrug
aushecken, dessen Erfolg in Frankreich eintreten soll, und B die Täuschungshandlung in Deutschland begeht. In diesem Fall liegt ein Handlungsort auch für den Mittäter A, der nicht eigenhändig auf deutschem Territorium getäuscht hat, gem. § 9 Abs. 1 Alt. 1 StGB im Inland, denn das
(eigenhändig) tatbestandliche Verhalten seines Komplizen wird ihm – so die
einschlägigen Voraussetzungen gegeben sind – gemäß § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet 109.
Zu differenzieren ist also zwischen dem Tatbeitrag und der Tathandlung;
letztere findet – bei den hier interessierenden Konstellationen – im räumlichen Geltungsbereich des deutschen Strafrechts seitens des unmittelbar
Handelnden statt. Die Legitimität der Ausdehnung des Geltungsbereichs
deutschen Strafrechts muss daher bei den Umständen ansetzen, welche die
Zurechnung ebendieses inländischen eigenhändigen Tuns tragen. § 25 Abs. 2
StGB ist eine Zurechnungsnorm, die es in ihrer normativen Kernfunktion
ermöglicht, ein bestimmtes mit eigenen Händen (i. S. v. § 25 Abs. 1 Alt. 1
StGB) vorgenommenes Tun den Mittätern wie eine eigene Handlung zuzurechnen 110. An diese vorgehende und rein beteiligungsdogmatisch charakterisierte Wertung knüpft auf einer gedanklich abzuschichtenden Ebene die
strafanwendungsrechtliche Folge an, dass auf den Mittäter, der seinen Tatbeitrag zwar jenseits deutscher Grenzen geleistet hat, dem jedoch eine im
109
110
In der (zugespitzten) Konstellation, dass der Erfolg der Tat im Ausland eintritt, wo die
Tat aber nicht unter Strafe steht, hält Oehler (Anm. 9), Rdn. 361, die Erstreckung der
deutschen Strafgewalt auf den im Ausland seinen Tatbeitrag leistenden Täter für nicht
legitim. Damit verkennt er jedoch die beteiligungsdogmatische Ebene dieser in ihrer
Problematik mehrschichtigen Konstellation: Durch die Zurechnungsform der Mittäterschaft wird der im Ausland Tätige so behandelt, als hätte er selbst im Inland gehandelt, seine Tätigkeit erweist sich als handlungsunwertig. Auf einer anderen Ebene
liegt das Fehlen der Strafbarkeit am Erfolgsort. Insofern handelt es sich um die oben
S. 406 behandelte Konstellation des Distanzdelikts, die – mangels Erfolgsunwerts – als
Versuchsstruktur zu behandeln ist, d.h. zu einer Strafmilderung analog § 23 Abs. 2
StGB führt.
Vgl. nur Kühl (Anm. 104), § 20 Rdn. 100 m. w. N.
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räumlichen Geltungsbereich deutschen Strafrechts vorgenommene straftatbestandliche Handlung eines anderen Mittäters wie eine eigene zuzurechnen
ist, ebenfalls deutsches Strafrecht anwendbar ist, hat er doch nach der an
Hand § 25 Abs. 2 StGB getroffenen Wertung in Deutschland gehandelt
(§§ 3, 9 Abs. 1 Alt. 1 StGB). Anknüpfungspunkt für die genannten strafanwendungsrechtlichen Normen ist dabei allein die Funktionsweise des § 25
Abs. 2 StGB 111. Doch liegt damit – unter strafanwendungsrechtlicher Perspektive – grundsätzlich durchaus ein hinreichender Anknüpfungspunkt für
die Unterwerfung der ausländischen Tatbeiträge unter deutsches Strafrecht
vor 112. Das Vertrauen in die Bestandskraft der deutschen Rechtsordnung
wäre nämlich enorm gefährdet, wenn im Falle eines arbeitsteiligen Zusammenwirkens mehrerer Täter sich einzelne dadurch dem Zugriff des deutschen Strafrechts entziehen können, dass sie ihren Beitrag zum Gelingen des
Gesamtplans im Ausland leisten und die – nach Lage der Dinge gegebenenfalls zwingend erforderliche – inländische Handlung durch einen anderen
vornehmen lassen, der als der unmittelbar dem Zugriff der Behörden ausgesetzte (im Falle organisierter Kriminalität oder terroristischer Umtriebe)
häufig nur Subalterner sein wird.
Dieselben sachleitenden Gesichtspunkte tragen grundsätzlich – in Konstellationen, die sich nach Maßgabe von § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB als mittelbare Täterschaft darstellen – auch in den Fällen eines durch einen ausländischen Hintermann beherrschten inländischen Tatmittlers: Es müsste das
Vertrauen in die Rechtsordnung zutiefst untergraben, wenn im Ausland
agierende Personen sich der Strafe nach Maßgabe deutschen Rechts effektiv
dadurch entziehen könnten, dass sie Kraft überlegenen Wissens oder Willens
beherrschte inländische Werkzeuge zur Erreichung deliktischer Ziele benutzen. Die dem Hintermann zuzurechnende Tathandlung des ausführenden
111
112
ZStW
Anders freilich Hoyer (Anm. 26), § 9 Rdn. 5, der allein die eigenhändig erbrachten Tatbeiträge heranziehen will. Dies greift aber zu kurz, weil § 25 Abs. 2 StGB (ebenso wie
§ 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB) gerade die Zurechnung fremder Handlungen als eigene ermöglicht – allerdings müssen diese tatbestandlich sein.
Das verkennt Oehler (Anm. 9), Rdn. 361, der differenzieren will zwischen Mittäterschaft und mittelbarer Täterschaft, da nur bei letzterer der ausländische Täter durch
eine in Deutschland tätig werdende Person handele. Dies verzeichnet jedoch die Funktionsweise mittäterschaftlicher Zurechnung. Bei der Mittäterschaft kommt es durchaus
zu einer wechselseitigen Zurechnung der einzelnen Tatbeiträge, ganz so als habe jeder
Mittäter die Handlungen der anderen eigenhändig vorgenommen (vgl. nur Kühl
[Anm. 104], § 20 Rdn. 100 m. w. N.; eingehend Kindhäuser, Festschrift für Hollerbach,
2001, S. 627, 652 und passim; gegen Oehler in diesem Zusammenhang auch Jescheck/
Weigend [Anm. 1], § 18 IV 4 Fn. 88).
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Tatmittlers im Inland begründet demnach einen inländischen Tatort. Überwiegend wird in der Literatur ein zusätzlicher Tatort dort für gegeben gehalten, wo der Hintermann tätig geworden ist 113. Dies überzeugt jedoch ebenso
wenig, wie im Fall des seinen tatplangemäßen Beitrag im Ausland erbringenden Mittäters. Wiederum geht es darum, dass eine nicht eigenhändig vorgenommene tatbestandliche Handlung zugerechnet wird. Mittelbare Täterschaft charakterisiert § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB dahingehend, dass der Hintermann die „Straftat (…) durch einen anderen begeht“. Zutreffender Ansicht
zufolge leitet sich hieraus ab, dass der Versuch bei der mittelbaren Täterschaft erst mit dem unmittelbaren Ansetzen des Tatmittlers beginnt 114. Gelangt die Tat durch die Einwirkung des Hintermanns auf den Tatmittler für
sich also noch gar nicht in den Bereich des Strafbaren, spricht dies gegen die
Annahme, dass gewissermaßen rückwirkend mit der Tathandlung ein Handlungsort auch noch dort entsteht, wo der Hintermann auf sein Werkzeug
eingewirkt hat.
2. „Tatortirrtum“ als Verbotsirrtum?
Sowohl in den Fällen ausländischer Teilnahme an inländischer Haupttat, als
auch bei – nach Maßgabe deutschen Rechts – täterschaftsbegründendem Tun
im Ausland, welches zur Entstehung eines inländischen Tatorts führt 115,
kann es gegebenenfalls einmal dazu kommen, dass der Betreffende von der
Anwendbarkeit deutschen Strafrechts überrascht wird, weil er nicht damit
rechnete, dass die Haupttat in Deutschland begangen werde, dass der Erfolg
auf deutschem Boden eintrete oder dass sein Mittäter oder Werkzeug in
Deutschland handeln werde 116. Ist das fragliche Delikt im Ausland nicht
unter Strafe gestellt, wird der Betreffende sogar unter Umständen von der
Strafverfolgung überhaupt überrascht. Die h. M. will in diesen Fällen aus-
113
114
115
116
BGH wistra 1991, 135; OLG Schleswig wistra 1998, 30, 31; Gribbohm (Anm. 5), § 9
Rdn. 10; Eser (Anm. 15), § 9 Rdn. 4; Jescheck/Weigend (Anm. 1), § 18 IV 4; Oehler
(Anm. 9), Rdn. 361.
Eingehend Krack, ZStW 110 (1998), S. 611, 628 ff.; vgl. für einen Überblick über andere
Ansichten nur Wessels/Beulke (Anm. 47), Rdn. 613 ff. m. w. N.
Sei es, weil der Erfolg in Deutschland eintritt, sei es, dass dem ausländischen Beiträger
eine inländische Handlung seines Mittäters oder Tatmittlers wie eine mit eigener Hand
auf deutschem Boden erbrachte zugerechnet wird.
In den Fällen der Mittäterschaft und der mittelbaren Täterschaft wird dann vielfach
eine vorsatzrelevante Abweichung vom Tatplan bzw. von der Vorstellung des Hintermanns von der Tat vorliegen, doch gilt dies nicht zwingend für alle derartigen Fälle.
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nahmslos § 17 StGB anwenden 117. Dies führt zu plausiblen Ergebnissen;
eine weitergehende Besserstellung des Betreffenden ist nicht geboten. Namentlich verbietet sich die Anwendung des § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB auf den
„Tatortirrtum“, weil sie dazu führen würde, dass selbst im Fall grob fahrlässiger Verkennung des Entstehens eines deutschen Tatorts eine vorsatzrelevante Fehlvorstellung anzunehmen wäre, obgleich der Schwerpunkt einer
derartigen Fehlvorstellung im Irrtum über das Verbotensein eines Verhaltens
liegt. Zwischen vorsätzlichen und fahrlässigen Distanzdelikten würde eine
unangemessene Verwerfung entstehen, wenn bei jenen selbst die gröblichste
Tatsachenverkennung den Vorsatz ausschließen würde, was im Fall fehlender beiderseitiger Strafbarkeit gegebenenfalls Straflosigkeit der Tat bedeutet,
bei den fahrlässigen Distanztaten aber nicht ins Gewicht fiele. Die h. M. vermeidet in überzeugender Weise dieses unbillige Ergebnis, indem sie die Anwendungsvoraussetzungen deutschen Strafrechts zwar zum Garantietatbestand i. S. v. Art. 103 Abs. 2 GG 118, nicht aber zu den vorsatzbedürftigen
Merkmalen des gesetzlichen Tatbestands 119 zählt. Die Geltungsvoraussetzungen des deutschen Strafrechts sind für sie danach nur objektive Bedingungen der Strafbarkeit 120, so dass die direkte Anwendung von § 16 Abs. 1
Satz 1 StGB im Fall eines strafanwendungsrechtlich relevanten „Tatortirrtums“ also zwangsläufig ausscheiden muss 121 und in solchen Fällen stattdes117
118
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121
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Ambos (Anm. 5), Vor §§ 3–7 Rdn. 3; Jescheck/Weigend (Anm. 1), § 18 V; Eser
(Anm. 15), Vorbem. §§ 3–7 Rdn. 61; Tröndle/Fischer (Anm. 2), Vor §§ 3–7 Rdn. 30;
Henrich, Das passive Personalitätsprinzip im deutschen Strafrecht, 1994, S. 156f.; grds.
zust. auch Jakobs, Strafrecht Allgemeiner Teil, 2. Aufl. 1991, 5/13, der jedoch zutr. darauf hinweist, dass in einzelnen Tatbeständen des Besonderen Teils der Begehungsort
sehr wohl (vorsatzbedürftiges) Tatbestandsmerkmal ist (z. B. §§ 109g Abs. 2, 326 Abs. 2
StGB). Bei letzterem führt fahrlässiges Verkennen der territorialen Betroffenheit zur
Haftung aus § 326 Abs. 5 Nr. 1 StGB.
Zieher (Anm. 9), S. 46; dazu auch Scholten, Das Erfordernis der Tatortstrafbarkeit in
§ 7 StGB, 1995, S. 95 ff.
Vgl. zur erforderlichen Differenzierung zwischen Garantie-, System- und Irrtumstatbestand nur Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. I, 3. Aufl. 1997, § 10 Rdn. 1ff.
So zutr. die absolut h. M.; vgl. BGHSt. 27, 30, 34; Jescheck/Weigend (Anm. 1), § 18 V;
Tröndle/Fischer (Anm. 2), Vor §§ 3 bis 7 Rdn. 30; Eser (Anm. 15), Vorbem §§ 3–7
Rdn. 61, § 9 Rdn. 15; Ambos (Anm. 5), Vor §§ 3–7 Rdn. 3, § 9 Rdn. 43; Gribbohm
(Anm. 5), Vor § 3 Rdn. 415, § 9 Rdn. 49; Scholten (Anm. 118), S. 100; Lackner/Kühl
(Anm. 19), § 9 Rdn. 1.
Das verkennen Gribbohm (Anm. 5), Vor § 3 Rdn. 415, der – trotz der Anerkennung
des Charakters des Strafanwendungsrechts als objektive Bedingung der Strafbarkeit –
einen Tatbestandsirrtum bei einem „Irrtum über den tatsächlichen Ablauf des Tatgeschehens“ für möglich hält, sowie Lemke (Anm. 10), § 9 Rdn. 9; Tröndle/Fischer
(Anm. 2), § 9 Rdn. 3, die in Fällen der mittelbaren Täterschaft zumindest bedingten
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sen nur ein Verbotsirrtum gemäß § 17 StGB in Frage kommt. Auf einer zumindest der Sache nach ähnlichen Linie befindet sich die Lehre vom sog. Erkennbarkeitsprinzip 122, die zwar formal nicht § 17 StGB anwendet, sondern
auf der strafrechtlichen Irrtumsdogmatik übergeordnete (verfassungsrechtliche) Kriterien verweist 123; deren Konsequenz sei, dass eine strafrechtliche
Folge nur eintreten dürfe, wenn sie vom Täter erwartet werden konnte. Materiell ist darin jedoch nichts anderes als ein (auch innerhalb des § 17 StGB
verwendbarer) Vermeidbarkeitsmaßstab zu sehen. Es ist nicht nötig, übergeordnete Prinzipien heranzuziehen, denn der Verbotsirrtum gem. § 17 StGB
regelt genau diese angesprochene Problematik der Erkennbarkeit von
Rechtsnormen und Rechtsfolgen.
Allerdings genügt den Vertretern des sog. Erkennbarkeitsprinzips die Erkennbarkeit der Verhaltensnorm nicht, sie verlangen Erkennbarkeit der
Strafbarkeit des Verstoßes gegen die Norm 124. Diese Differenzierung führt
aber auf unnötige Irrwege: Ist das Verbotensein eines bestimmten Verhaltens
erkennbar, besteht nämlich stets Anlass, über seine Strafbarkeit zu reflektieren 125. War es dem ausländischen Distanztäter also nach den Umständen
möglich, zu erkennen, dass sein Verhalten einen Tatort in Deutschland begründen könnte, wo – gleichfalls für ihn erkennbar – die Tat nicht erlaubt ist,
war ihm damit die Strafbarkeit gleichfalls erkennbar. Konnte der im Ausland handelnde Teilnehmer (oder der dort seinen Tatbeitrag erbringende Täter) erkennen, dass sein Verhalten einen Tatort auf deutschem Boden begründen könnte, war er Adressat der fraglichen (deutschen) Verbotsnorm.
Sein Verstoß gegen diese Norm war als pflichtwidrig handlungsunwertig
und der Eintritt des Erfolgs markiert den vollen Unrechtsgehalt der Tat.
122
123
124
125
Vorsatz hinsichtlich der handlungsortbestimmenden Umstände verlangen. Noch weitergehend lediglich Germann, SchwZStr 69 (1954), S. 237, 243f., der bei Distanzdelikten generell verlangt, dass der Ort des Erfolgs in den Deliktsvorsatz aufgenommen
wurde, um dort Strafgewalt zu begründen.
Scholten (Anm. 118), S. 65 ff., Oehler (Anm. 71), S. 116; Germann, SchwZStr 69 (1954),
S. 237ff.; Grünwald, ZStW 76 (1964), S. 13 ff.; Doehring, Der Staat 1965, S. 259, 269 f.
Germann, SchwZStr 69 (1954), S. 237, 240, zieht den nulla poena sine lege-Grundsatz
heran, Doehring (Anm. 122), S. 265, 269, den Wortlaut des Art. 103 Abs. 2 GG; Oehler
(Anm. 71), S. 116, das Rechtsstaatsprinzip; Scholten (Anm. 118), S. 65 f., das Schuldprinzip und die rechtsstaatliche Bestimmtheit der Rechtsfolgen gem. Art. 103 Abs. 2
GG.
Scholten (Anm. 118), S. 65 ff., Oehler (Anm. 71), S. 116; Doehring (Anm. 122), S. 259,
269.
Vgl. zu der Parallelproblematik im Rahmen des § 17 StGB nur Schroeder, in: LK StGB,
§ 17 Rdn. 8.
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Dennis Miller/Peter Rackow
Konnte der ausländische (Distanz-) Täter bzw. Teilnehmer jedoch – insbesondere wegen mangelnder Strafbarkeit am Ort seines Tatbeitrags 126 – die
Verhaltensnorm nicht erkennen, die entsprechendes Handeln untersagt, so
dürfte ein unvermeidbarer Verbotsirrtum vorliegen, nicht jedoch, wenn er
an einem Ort sozialisiert wurde, an dem eine ebensolche Verhaltensnorm
besteht oder wenn ihm konkrete Anhaltspunkte für eine Strafbarkeit vorlagen 127. Ein unvermeidbarer Verbotsirrtum liegt schließlich auch dann vor,
wenn für den Betreffenden bereits nicht erkennbar war, dass ein inländischer
Tatort begründet werden könnte 128.
Wenn also nach alledem z. B. – im „umgekehrten“ Bigamisten-Fall 129 –
der in Saudi-Arabien beheimatete A seinem Bruder B rät, doch endlich eine
zweite Frau zu ehelichen und B daraufhin dieser Bitte – was A vollkommen
überrascht – ausgerechnet in Deutschland entspricht, so dürfte ein unvermeidbarer Verbotsirrtum vorliegen, so dass es mangels schuldhafter Teilnahme bereits am Substrat deutscher Strafrechtsanwendung fehlt 130. B würde
sich hingegen sehr wohl gem. §§ 172, 26 StGB strafbar machen, wenn er
über die in westlichen Staaten praktizierte Sitte, das Heiraten mehrerer
Frauen zu bestrafen, Bescheid weiß und außerdem ahnt, dass sein Bruder
seiner Bitte auf einer seiner häufigen Geschäftsreisen entsprechen wird.
126
127
128
129
130
ZStW
Scholten (Anm. 118), S. 68 f.
Scholten (Anm. 118), S. 69 f.
War der Verbotsirrtum dagegen vermeidbar, ist aber der Erfolg im Ausland eingetreten,
wo die Tat nicht unter Strafe steht, so kann immerhin § 23 Abs. 2 StGB analog Anwendung finden, weil es am Erfolgsunwert der Tat fehlt. Ein Beispiel für diese exotische
aber denkbare Konstellation wäre das inländische Handeln eines Tatmittlers, welches
von einem ausländischen Tatmittler veranlasst worden ist und dessen Erfolg wiederum
im Ausland eintritt.
Vgl. oben Anm. 75.
Zu einer solchen „Überraschung“ kann es bei den Teilnahmemöglichkeiten (1) bis (4)
(s. o.) kommen, weil diese ausschließlich auf den Ort der Haupttat rekurrieren, nicht
jedoch bei den Möglichkeiten (5) bis (10), bei denen es entscheidend auf die Vorstellung
des Teilnehmers ankommt; eine eventuelle Strafgewaltserstreckung kann für den Teilnehmer in solchen Fällen nicht unerwartet sein, allerhöchstens das Vorliegen der Verhaltensnorm an sich. In solchen Fällen mögen die Anforderungen an die Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums allerdings höher sein, denn dem Betreffenden war ja bekannt
bzw. erkennbar, dass sein Tätigwerden Auswirkungen im Geltungsbereich fremder
Rechtsordnungen zeitigen würde.
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Transnationale Täterschaft und Teilnahme
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V. Fazit
Es hat sich gezeigt, dass die Kombination des Territorialprinzips mit der
Regelung des § 9 StGB, welche eine Vielzahl von Tatorten begründet, für
„grenzüberschreitende Sachverhalte“ mit mehreren Beteiligten sehr häufig
zur Geltung deutschen Strafrechts führt. Dieser Befund lässt sich prinzipiell
mit den beteiligungsdogmatischen Grundsätzen durchaus in Einklang bringen. Dies gilt dabei auch für die janusköpfige Norm des § 9 Abs. 2 Satz 2
StGB, welche in ihrer teilnahmedogmatischen Funktion das Akzessorietätserfordernis bis auf die Notwendigkeit einer (Auslands-) Tat, die sich einem
deutschen Strafgesetz begrifflich-formal subsumieren lässt, ohne dass deutsches Strafrecht sich dabei die Bewertung dieser Tat anmaßen würde oder
könnte, zurücknimmt und in ihrer strafanwendungsrechtlichen (Bewertungs-) Funktion die inländische Teilnahmehandlung im Wege der Unterwerfung unter die deutsche Strafgewalt als (Handlungs-) Unrecht einstuft.
§ 9 Abs. 2 Satz 2 StGB erzeugt dadurch eine Versuchsstruktur, wenn es an
der Tatortstrafbarkeit fehlt. Dies legitimiert die analoge Anwendung von
§ 23 Abs. 2 StGB auf diese Fälle der Distanzteilnahme und des Distanzdelikts. Aus der grundlegenden Einsicht, dass zwischen Handlungs- und Erfolgsunrecht differenziert werden muss, folgt aber, dass auch in allen anderen Beteiligungs-Fällen, in denen ein inländischer Handlungsort gegeben ist,
der tatbestandliche Erfolg jedoch im Ausland eintritt und das Delikt dort
nicht unter Strafe steht, § 23 Abs. 2 StGB analog angewendet werden sollte.
Des Weiteren hat sich gezeigt, dass § 17 StGB in der Lage ist, alle Irrtümer
über Betroffenheit oder Reichweite des Geltungsbereichs des deutschen
Strafrechts zufriedenstellend zu lösen.
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