Die historische Bedeutung der Athena Lemnia des Pheidias 189 Durch die von Perikles angeregte Aufstellung dieser Athena-Statue auf der Akropolis, durch ihre Bezeichnung als Lemnia nach ihren Stiftern, Athenern — d. h. attischen Kleruchen — auf Lemnos 1 ), und durch die Plinius-Datierung wird die 446 oder 447/46 anzusetzende neue Kleruchie auf Lemnos gesichert, die mit der früheren verschmolz 2 ). Sie f ü g t sich vortrefflich in den Zusammenhang der übrigen nach dem Kalliasfrieden entstandenen Kleruchien ein, und ihre Gründung wird von N e s s e l h a u f (127f. Anm. 3) mit Unrecht geleugnet. Innsbruck. Zwei neue Schriften über M. Agrippa Von Arthur Stein M. Agrippa, sicher der bedeutendste unter den Paladinen des Augustus, vor allem der erfolgreichste Gehilfe beim Aufstieg des jungen Cäsar vom Erben des Diktators zum Prinzeps und zugleich der ihm am treuesten ergebene und doch bescheiden vor ihm in den Hintergrund tretende Schützer seines Thrones, ist vor fast einem J a h r h u n d e r t Gegenstand dreier Untersuchungen gewesen, die in kurzen zeitlichen Zwischenräumen aufeinander gefolgt sind: nach der trefflichen Arbeit von P. S. F r a n d s e n (Altona 1836) waren die beiden Leydener Dissertationen von D. van Lankeren M a t t h e s (1841) und von H. J . van E c k (1842) erschienen. Und nun will es ein seltsames Zusammentreffen, daß nach so langer Zeit im vorvergangenen J a h r auch wieder gleich zwei Schriften gleichzeitig herausgekommen sind, das aus einer Dissertation hervorgegangene Buch des Amerikaners R e i n h o l d 3 ) und die Breslauer Dissertation von D a n i e l 4 ) , beide, um es gleich vorwegzunehmen, achtungswerte wissenschaftliche Leistungen. Die umfassende und gründlichere Arbeit ist die amerikanische. Im Aufbau ist allerdings die andere übersichtlicher. Während R e i n h o l d das Leben Agrippas in zeitlicher Folge schildert und nur zum Schluß die Schriften und die Persönlichkeit seines Helden würdigt, wobei Wiederholungen nicht leicht vermeidbar sind und tatsächlich nicht vermieden werden, gibt *) P a u s . I 28, 2 : και των έργων τον Φειδίου ϋέας μάλιστα αγαλμα από των àva&èvτων καλούμενης Λημνίας. 2 άξιον Ά&ηνας ) Busolt I I I 1, 415 Anm. ) Meyer R e i n h o l d , Marcus Agrippa. A Biography. New York 1933. I X + 203 S. 8°. 4 ) Rudolf D a n i e l , M. Vipsanius Agrippa. Bine Monographie. Diss. Breslau 1933. V I I I + 122 S. 8°. Gleichzeitig ist die ikonographische Abhandlung von L. C u r t i u s , Rom. Mitt. 48 (1933), 192—243, Eine Gemme mit dem Bild des Agrippa, erschienen. Curtius kommt in einem Punkt zu demselben Ergebnis wie R e i n h o l d , daß nämlich Agrippa den jungen Oktavius im Jahre 45 v. Chr. wahrscheinlich nach Spanien begleitete. [Jetzt ist noch hinzuzufügen Frederic W. S h i p l e y Agrippa's Building Activities in Rome (Washington Univ. Studies). St. Louis 1933. Korr. - Zusatz.] 3 3 Unauthenticated Download Date | 3/29/16 11:39 AM 190 Arthur Stein D a n i e l die aufeinanderfolgenden Ereignisse nur in einer kurzen Rahmenerzählung und betrachtet dann Agrippa von verschiedenen Seiten, als Offizier, als Ingenieur, als Literaten, als Politiker, als Freund des Augustus und nach seinem Privatleben und Charakter. Daß R e i n h o l d s Darstellung wissenschaftlich tiefer verankert ist und auf breiterer Grundlage ruht, zeigt schon das erstaunlich reichhaltige bibliographische Verzeichnis und die häufige Benutzung auch der entlegeneren Spezialliteratur bis an die neueste Zeit heran, so ziemlich alles Einschlägige, was noch bis zu Ende 1932 erschienen ist. Fast leidet die Arbeit an einem Zuviel, an einer erdrückenden Fülle von Einzelheiten mit Belegen, Erklärungen und Ausführungen, die nicht überall in engem Zusammenhang mit der geschilderten Persönlichkeit stehen. Die ausführlichen Anmerkungen überwuchern förmlich den Text, einige derselben wachsen sich zu ganzen Abhandlungen aus. Die überreichen Literaturangaben bringen es auch mit sich, daß der Vf. sich überall, wo es nur einigermaßen angeht, mit der modernen Forschung auseinandersetzt. Er scheint geradezu in der Vorstellung befangen zu sein, als bestünde für ihn die Verpflichtung, auf schlechthin alle wirklichen oder vermeintlichen Irrtümer hinzuweisen, die über diesen Gegenstand jemals durch die Druckerschwärze verbreitet worden sind. Und fast noch grotesker tritt dieses Bestreben bei D a n i e l zutage, der es sogar notwendig findet, belanglose Versehen in einem populären Reisewerk aus dem Jahre 1818 zu tadeln oder gegen eine Abhandlung aus dem Jahre 1717 zu polemisieren. Im einzelnen ist zu bemerken, daß R e i n h o l d die gewiß wünschenswerte Akribie vielleicht doch hie und da etwas zu weit treibt, so etwa in der Frage nach dem Geburtsjahr des Agrippa, das nicht sicher als 63 v. Chr. zu bestimmen, sondern möglicherweise schon 64 sei. Im folgenden erzählt er die Ereignisse nur soweit, als sie mit Agrippa verknüpft sind. Seine Tätigkeit im perusinischen Krieg können wir bei unserer dürftigen Überlieferung nicht genauer feststellen, erst im Jahre 38, besonders aber im Seekrieg 37—36 entfaltet er sich in seiner ganzen Größe. Ob die detaillierten Schilderungen der Hafenbauten sowie der Enterhaken und anderen technischen Vorrichtungen, die auf Agrippa zurückgehen, in diesem Umfang alle notwendig in den Rahmen einer Biographie einzufügen waren, bleibe dahingestellt. Gut dargestellt sind der Anteil Agrippas an dem illyrischen Krieg in den Jahren 35 und 34, die Beweggründe, die ihn zur Übernahme der Ädilität nach dem Konsulat veranlaßten, und seine Tätigkeit als Ädil im Jahre 33. Insbesondere die große Zahl von öffentlichen Bauten, die ihre Entstehung Agrippa verdankten, ist mit größter Genauigkeit und einläßlicher Erörterung der Quellen behandelt 1 ). Es folgen die Kriegstaten des Jahres 31 und die ausführliche Schilderung des Herganges der Schlacht bei Actium. Zu der Rede, die Cassius Dio dem Agrippa in den Mund legt, vertritt R e i n h o l d die Auffassung, daß sie !) Vgl. jetzt Shipley (s. o. Anm. 2). 4 Unauthenticated Download Date | 3/29/16 11:39 AM Zwei neue Schriften über M. Agrippa 191 nicht einmal der Tendenz nach als historisch zu gelten habe. Die zensorische Tätigkeit, gemeinsam mit dem Herrscher, zeigt Agrippa auf dem Höhepunkt seines Wirkens für das Gemeinwohl. Seine Betrauung mit dem prokonsularischen Imperium im Osten, die Vermählung mit Julia, der Tochter des Augustus, und selbst die zweimalige Verleihung der tribunizischen Gewalt sind nur äußerlich ein weiterer Aufstieg. Dazwischen liegen die erfolgreichen Kämpfe in Germanien, der Bau eines Straßennetzes in Gallien sowie die Niederwerfung des zweiten kantabrischen Aufstandes. Agrippas Rückkehr in den Orient war von erheblich größerer Bedeutung als die erste Reise dorthin, die fast einer freiwilligen Zurückgezogenheit glich. Ein eigenes Kapitel im Anhang widmet R e i n h o l d der Frage nach der Rechtsstellung Agrippas. Sicher richtig, aber auch selbstverständlich ist, daß er nicht bloß kaiserlicher Legat von Syrien war, sondern ein außerordentliches proconsulare imperium innehatte. Aber R e i n h o l d unterscheidet auch dieses proconsulare imperium in den Jahren 23—21, das sich nur über die kaiserlichen, nicht auch über die Senatsprovinzen erstreckte, von der späteren Stellung des Agrippa in den Jahren 17/6 bis 13, in denen sein maius imperium alle Provinzen des Ostens umfaßte, während seit 13, als er nach der erneuten Übertragung der tribunizischen Gewalt eine Art Mitregentschaft führte, sein Imperium überhaupt keiner örtlichen Begrenzung mehr unterlag. In diesen Aufstellungen kann allerdings nur von Wahrscheinlichkeitsschlüssen die Rede sein. Bemerkenswert genug ist es ja, daß der Mann ohne Ahnen zu dieser beherrschenden Stellung gelangte, aber andererseits führte dies dazu, daß Augustus ihn in der Verfolgung seiner dynastischen Pläne nicht berücksichtigte, ohne daß dies eine Trübung des Verhältnisses zwischen den beiden Jugendfreunden zur Folge gehabt hätte. Immer aber hatte Agrippa, der Mann aus dem Volke, im Gegensatz zu dem die Beschaulichkeit liebenden Maecenas, dem Abkömmling etruskischer Könige, den Ehrgeiz, seine Tatkraft restlos in den Dienst von Kaiser und Reich zu stellen. Ohne auf Äußerlichkeiten Gewicht zu legen, möchte ich doch auf die gar zu umständliche Zitierung namentlich der Papyrustexte hinweisen (z. B. S. 61, 54) oder auf die Ungenauigkeit, mit der in den Artikeln des III. Bandes der Prosopogr. Imp. Rom. „ D e s s a u und R o h d e n " als Verfasser angegeben werden, obwohl der Anteil eines jeden doch genau geschieden ist; „Pauly-Wissowa-Kroll" kann man nicht schon für den I. Band der R E zitieren. Noch weniger einverstanden kann man sich in dieser Hinsicht mit D a n i e l erklären, der auch die antiken Quellenzeugnisse geradezu unbeholfen anführt, von der modernen Literatur ganz zu geschweigen; ein Beispiel für viele: (S. 45, 44) Spartian, Scriptores Historiae Augustae ed. Hohl, Vita Hadriani 19, 10, und für Heibig II s 65f. werden gleich zwei Druckzeilen benötigt (S. 30f., 227). Der comm. Cruq. sollte ebensowenig als Quelle herangezogen werden ( R e i n h o l d S. 23. 24) wie Solin etwa als ein von Plinius verschiedenes Zeugnis ( D a n i e l 1, 6—7). 5 Unauthenticated Download Date | 3/29/16 11:39 AM 192 Ernst Kornemann Aber sonst verdient die Gründlichkeit und Zuverlässigkeit von R e i n h o l d s Untersuchung alles Lob; das Quellenmaterial ist so vollständig wie nur irgend möglich zusammengetragen und m i t umsichtigem Urteil zu einer abgerundeten Darstellung verarbeitet. Auf dieses Buch wird man künftighin bei allen Fragen, die irgendwie mit Agrippa zusammenhängen, immer wieder zurückgreifen müssen. — Nebenbei, eindrucksvoller als die Abbildung einer Münze i m Brit. Museum auf der beigegebenen Tafel wäre etwa der schöne K o p f , der jüngst zu Butrintum in Epirus gefunden wurde (Bull, del museo dell'impero Rom. III, 1932, 137), oder eine der anderen bekannten Skulpturen gewesen. In D a n i e l s Abhandlung ist die stilistische Formung nicht immer einwandfrei, sie wirkt stellenweise sogar etwas naiv, bei selbstverständlichen Dingen verweilt der Vf. mit überflüssiger Breite. Aber auch seine ebenso wie R e i n h o l d s Untersuchung verbindet Sorgfalt mit wissenschaftlicher Gründlichkeit, und ein Vorzug dieses Büchleins ist es, daß als eine Art Urkundensammlung Text und Beschreibung aller auf Agrippa bezüglichen Inschriften und Münzen geboten wird, sicher eine f ü r viele willkommene Beigabe. Zum Jubiläum des deutschen Limeswerks 1 ) Von Ernst Kornemann Die große Publikation der deutschen Reichslimeskommission „ D e r O b e r g e r m a n i s c h - r a e t i s c h e L i m e s d e s R ö m e r r e i c h e s " h a t im J a h r e 1933 die 50. L i e f e r u n g herausgebracht: enthaltend aus Abteilung A Bd. V I I die Strecke 15 des raetischen Limes von Kipfenberg im Altmühltal bis zur Donau, also das Endstück auf heute bayrischem Boden (von J . F i n k , F. W i n k e l m a n n und E. F a b r i c i u s ) . Das Riesenunternehmen, das im J a h r e 1894 auf Anregung T h . M o m m s e n s hin begonnen wurde und in sieben Bänden, jeder Band in Abteilung A und Β zerfallend (A enthält die militärgeographische Schilderung des Terrains, die Darstellung des Limeslaufs und der Lage der H a u p t kastelle sowie die Beschreibung der Zwischenkastelle, Erdschanzen, Türme und der wichtigsten für den Limes in Betracht kommenden 1 ) Es trifft sich erfreulich, daß den Lesern der Klio der Stand der Forschung über einen großen Teil der gesamten römischen Grenzanlagen nahegebracht werden kann, wobei an E. K o r n e m a n n s Abhandlungen, Die neueste Limesforschung 1900—1906 im Lichte der römischen kaiserlichen Grenzpolitik (Klio VII [1907] 73—121) und Die unsichtbaren Grenzen des römischen Kaiserreichs (Erbe der Alten I I 24 [1934] 96—116) zu erinnern ist. An den obigen willkommenen Rückblick und Ausblick auf den germanischen Limes schließen sich Besprechungen über Neuerscheinungen zu den beiden Grenzwällen in Großbritannien (unt. S. 194) und in einem der nächsten Hefte über P o i d e b a r d s bedeutsamen Beitrag zum arabischen Limes (s. Klio X X V I I 358 Nr. 75). Red. 6 Unauthenticated Download Date | 3/29/16 11:39 AM
© Copyright 2024 ExpyDoc