290 H. J. Ebeling, Zur Frage nach der Kompetenz des Synhedrion Dinge haben hier keinen Rückhalt; es handelt sich um Theologie im eigentlichen Sinne des Wortes, 2. das Wort »Zwischenzustand«, das formal unschön und sachlich bedenklich ist, fallen zu lassen und dafür den geeigneten biblischen Ausdruck zu wählen. Es handelt sich um das eschatologische Geheimnis des »Todesschlafes<<. [Abgeschlossen am 24. 10. 1936.] Zur Frage nach der Kompetenz des Synhedrion. Von cand. theol. H. J. Ebeling in Rostock. (Rostock i. M. Am Hopfenmarkt 20.) Im Ringen um die Lösung dieses Problems hat der Streit sich vor allem um den Josephustext Ant. 20, 197—203 konzentriert. Er scheint gerade in dieser Zeitschrift oft genug interpretiert zu sein (1931, S. 202ff.; 1932, S. 78ff.; 1934, S. 84ff.), allein eine neue Nachprüfung des Textes hat mich zu von den bisherigen Ergebnissen recht abweichenden Resultaten geführt, die m. E. jedoch so evident sind, daß ich sie dem öffentlichen Urteil vorlegen möchte. Es wird gut sein, an die letzten Ausführungen Büchsels (hier 1934, S. 84ff.) anzuknüpfen. Die Frage ist die, ob die Hinrichtung, die Einsetzung eines neuen Gerichtshofes oder beides zusammen das Vergehen, dessen Chananja angeklagt ist, ausmacht. Büchsel erklärt auf Grund seiner Interpretation des § 201, es handle sich um die dritte der aufgeführten Möglichkeiten: der Hohepriester werde angeklagt wegen eigenmächtiger Einsetzung neuer Ratsmitglieder (so interpretiert Büchsel mit Recht das a. a. O. S. 85), sowie wegen Justizmordes. Ist diese Interpretation richtig? Josephus .wenigstens weiß § 201 nichts davon, daß beides die Beschwerde hervorgerufen habe, vielmehr, wie Lietzmann (a. a. O. 1932, S. 79) schon ausgezeichnet erkannt hat, erweckt doch gerade die Grausamkeit und Ungerechtigkeit die Bewegung gegen Chananja. Fassen wir weiter ins Auge„ daß es speziell ein Schritt der Gesetzesgelehrten und Frommen (das besagt m. E. der griechische Ausdruck) ist, die den König bitten, den ihm unterstellten Hohenpriester wegen dieses seines ersten Urteils, das sogleich einen Gesetzesbruch darstellt, zu verwarnen, daß ja nicht gegen die EinSetzung neuer Rätsmitglieder — auch dafür wäre der König ja die nächstliegende Instanz gewesen — protestiert wird und eine Auflösung gefordert wird, vielmehr lediglich unter Hinweis auf diese erste begangene Ungerechtigkeit fortan ein Handeln nach der durch das Gesetz gegebenen Norm verlangt wird, bedenken wir ferner die ausgesprochene Milde (gegenüber § 202), so ist der Schluß ganz unvermeidlich, daß das § 201 allein auf die Hinrichtung als eindeutigen Gesetzesbruch sich bezieht Unauthenticated Download Date | 3/29/16 11:39 AM H. J. Ebeling, Zur Frage nach der Kompetenz des Synhedrion 291 (gegen B chsel a. a. O. S. 86). Zu diesem Ergebnis kommt zudem auch die grammatische Konstruktion: το -πρώτον kann nur, wie dasyap anzeigt, einen analogen Fall wie das τοιαύτα πράσσειν im voraufgehenden Satz meinen (beachte zudem das μηκέη). Dieses aber weist zur ck auf επί τούτφ zwei Zeilen vorher. Wor ber sind die Leute nun aufgebracht? Auch dies sagt Josephus unzweideutig: Chananja erhebt Anklage gegen die zu Unrecht Verurteilten, »als ob sie wider das Gesetz gefrevelt h tten« <bs τταρανομησάντων κατηγορίαν ττοιησάμενο* (§ 200). Das ώ$ zeigt eindeutig, da Josephus ebenfalls den Gesetzesbruch und somit das Recht zur Beschwerde im folgenden schon hier herausstellen will, m. a. W. hierin den Unwillen der Schriftgelehrten begr ndet sieht! Es geht also einzig und allein um die Geltung der Thora und ihren Schutz vor Mi brauch, wie diese Hinrichtung ihn vor aller Augen dokumentiert. Aber wozu dann die § 201 mit der Einsetzung des neuen Rates koordinierte Erw hnung des Justizmordes ? Zur L sung dieser Frage weist die von B chsel schon gut herausgef hlte Motivverschiedenheit von § 201 und § 202 (a. a. O. S. 85) den richtigen Weg. Sie gilt es im Grunde nur ganz klar herauszustellen. Denn § 202 zeigt pl tzlich ein ganz anderes Gesicht. Vor Albinus steht n mlich nur und allein die Frage zur Diskussion: darf der Hohepriester von sich aus ein Gerichtskollegium einsetzen oder nicht ? Gerade hier zeigt sich ganz evident, da die Voraussetzungen- f r das energische Vorgehen des r mischen Statthalters nicht die Hinrichtung, sondern das eigenm chtige Eingreifen in r mische Machtiunktionen bildete — »er hatte getan, was ihm von r mischem Rechtsstandpunkt nicht zustand« (B chsel a. a. O. S. 86). Auch B chsel erkennt dies Faktum an, wenn es auch nur »formell« so gekennzeichnet sei (a. a. O. S. 86). Er meint freilich, »f r die R mer machte die T tung von ein paar beliebigen Provinzialen nicht viel aus« (a. a. O. S. 86). Doch B chsel sucht damit ber die wirkliche Situation wegzukommen; es geht um mehr als blo en Takt eines Diplomaten und um zielbewu te Nuancierung. Ist die Hinrichtung das treibende Motiv (so ja auch B chsel stets) bei den Ankl gern, also ein Justizmord, fiele dieser berhaupt in den Bereich des r mischen Imperiumtr gers, so w re das Vorbringen dieses Grundes ganz fraglos ein Trumpf von ganz unerh rter Wucht und Wirkungskraft. Denn hier unterstreicht er doch die Nichtsw rdigkeit und Grausamkeit des Frevlers in einem f r Rom positiven Sinn. Bei solch allgemeinen S tzen kommt alles auf die Pointe an. B chsel hat bersehen, da der Justizmord in diesem Falle Rom ein ausgezeichnetes Mittel in die Hand gab, gegen einen Feind vorzugehen. Zudem stehen vor Albinus Gegner des Hohenpriesters, die doch bestrebt sind, jeden noch so geringf gigen Makel an dem Manne schonungslos blo zustellen — aber kein Wort f llt ber diesen Punkt. Erinnern wir uns jetzt daran, da die Hinrichtung nach Josephus' ausdr cklicher Versicherung diese Beschwerdeaktionen ausgel st hat, da die Petition an den j dischen K nig allein diesen Punkt zum Inhalt hat, die Anklage vor Albinus aber allein die Einsetzungsfrage ber hrt, dann ist der Schlu unausweichlich, da alles, was 19* Unauthenticated Download Date | 3/29/16 11:39 AM 292 H. J. Ebeling, Zur Frage nach der Kompetenz des Synhedrion das Synhedrion — vorausgesetzt, es ist rechtmäßig berufen — an Urteilen fällt, innerjüdische Angelegenheit, weil Gesetzessache ist! Das Urteilsergebnis des Synhedrion bildet daher wohl einen Streitpunkt der jüdischen Gesetzesgelehrten, nie und nimmer aber gibt es dem römischen Beamten einen Rechtsgrund in die Hand, einen mißliebigen Hohenpriester zu entfernen. Der Text erlaubt also nicht, mit Lietzmann bei Wahrscheinlichkeitsentscheidungen zu bleiben, sondern erfordert einen runden Widerspruch gegen die traditionelle, in dieser Zeitschrift von Büchsel vertretene Auffassung. Dafür spricht ja auch der von Büchsel nicht recht verwertete analoge Beleg aus der Kyrenaika: »Dort begegnen Volksrichter in provinzialen Strafsachen, sogar kapitalen« (a. a. O. S. 208). Auf diesem Hintergrunde begreifen wir erst die volle Bedeutungsschwere des vom Hohenpriester begangenen Übergriffs und die Erbitterung des Albinus: es kam bei solcher Lage der Dinge für Rom natürlich alles darauf an, den Gerichtshof mit passenden Mitgliedern zu besetzen. Das ist gerade der hinter § 200 stehende Sinn auch: schon die grammatische Konstruktion des Satzes, ganz abgesehen von der rhetorischen Tendenz des Satzaufbaues, zeigt eindeutig, daß das Partizip $ und die von ihm abhängigen Infinitivkonstruktionen ihr Ziel in der Einsetzung eines — neuen — Gerichtskollegium finden, diese also begründen sollen, wie das koordinierte Strafurteil ganz analog allein auf den beiden voraufgehenden, in Partizipialkonstruktionen ebenfalls zum Ausdruck gebrachten Gründen fußt. Die Berufung des Synhedrion ist ermöglicht durch die Abwesenheit des Statthalters, die Verurteilung zur Steinigung durch eine Anklage wegen Gesetzesübertretung. Die Trennung der Akte, sowie die jedesmalige Begründung, die einmal ihre Spitze gegen Rom, das andere Mal in dem Justizurteil (65!) findet, zeigt deutlich, daß Josephus bewußt die innerjüdische von der politischen Angelegenheit scheiden will. Nicht die Koordk dinierung der beiden Verben (so Büchsel a. a. O. S. 84), sondern die doppelte Begründung jedes Aktes ist das Wesentliche und macht deutlich, daß jedes für sich genommen werden will, wie nach unserer Auslegung es Josephus ja auch tut. Auch die Vermittlungs vorschlage von öpke und Fiebig (Theol. St. u. Kr. 1933, S. 392f. u. 1932, S. 213ff.) führen also irre. Aber auch die zweite Josephusstelle, auf die Büchsel sich für seine These beruft, beweist nicht das, was sie soll (bell. 6, 300—309). Josephus berichtet im Zusammenhang von Prodigien, an denen jeder verständige Mensch schon lange vorher das kommende Unheil hätte ablesen können. Ein Mensch beginnt eines Tages plötzlich fortwährend durch die Gassen Jerusalems zu irren und dabei ununterbrochen einen Weheruf über die Stadt und ihre Bewohner auszustoßen. Synhedristen nehmen ihn fest und bringen ihn zu Albinus; der läßt ihn auspeitschen und dann laufen. Büchsel folgert daraus: »hätten sie (sc. die Synhedristen) das Recht gehabt, ihn zum Tode zu verurteilen und hinzurichten, so wäre die Übergabe an den Statthalter seltsam und noch seltsamer, daß Albinus sich auf diese rein innerjüdische Angelegenheit einließ« (a. a. O. S. 204, 1931). Hier ist ein zwiefaches falsch: L es handelt sich gar nicht um ein Kapitalverbrechen; Unauthenticated Download Date | 3/29/16 11:39 AM H. J. Ebeling, Zur Frage nach der Kompetenz, des Synhedrion 293 wo steht davon etwas? 2. aber auch das lehrt die ganze Darstellung des Josephus, daß nicht einmal ein Religionsvergehen vorliegt. Dazu wußte Israel zu viel von seinen Propheten; was hatte ein Jesaja denn getan, was ein Jeremia, ein Ezechiel ? Doch den Bürgern ging der Schreihals — sit venia dicto -r- auf die Nerven, deswegen war er ja schon einmal verprügelt worden, das ist alles, was Josephus erzählt (§ 302). Auch das dämonische Gebaren dieses Menschen ist noch kein Beweis dafür, daß der Fall in den Kompetenzbereich-des Synhedrion fiel, ein religiöser also wäre, sondern meint doch nur, daß die Archonten sich nichts unter diesem Gebaren vorstellen konnten, sie ihn für wahnsinnig hielten. So lieferten sie ihn der Polizei aus. Sie tun nichts anderes, als was der Statthalter hernach auch tut: er hält ihn für unzurechnungsfähig ( meint den gleichen Tatbestand wie das € ) und läßt ihn laufen. Alles dies, sowie sein ungehemmtes weiteres Treiben (5 Jahre!) zeigt eindeutig, daß hier ein Polizeifall, eine Angelegenheit der öffentlichen Ordnung zur Debatte steht. Dieser aber gehört, wie allgemein bekannt (vgl. Lietzmann [a. a. 0. 1932, S. 81] und vor allem Fiebig [Theol. Stu. u. Kr. 1932, S. 213ff]), nicht zur Kompetenz des Synhedrions, dem die Rechtsprechung, soweit sie in das Gebiet des Gesetzes fiel, zukam. Für die öffentliche Ordnung aber sorgt der römische Statthalter. Die Stelle fällt also überhaupt fort für unseren Problemkreis, da weder ein Kapital- noch ein Religionsverbrechen vorliegt, und jegliche.Gerichtsbarkeit will auch Büchsel ja dem Synhedrion nicht absprechen. Es ist vielmehr »wahrscheinlich, daß sie (sc. die jüdische Behörde), wie sonst, im Interesse der politischen Ruhe mit den Römern Hand in Hand arbeitete« (Bultmann, Jesus. Berlin 1929, S. 27; vgl. auch die auf Grund anderen Materials zu dem gleichen Ergebnis gelangenden Ausführungen Goguels in dieser Zeitschrift 1932, S. 289ff.). Dann wäre auch dieser Bericht ein indirekter Beleg für Lietzmanns und unsere These. Ganz eindeutig spricht für Lietzmann fernerhin die Stelle bell. 6,124 (Büchsel, a. a. 0.1931, S. 206). Es gilt lediglich den Satz in den Kontextzusammenhang zu stellen. Hier wird auf die bekannte Tempelinschrift hingewiesen, offensichtlich, um sie als alten jüdischen Brauch und heilige Sitte zum Erweis der Ruchlosigkeit ihrer eigenen Taten zu benutzen (gegen Lietzmanns Auslegung a. a. 0.1932, S. 81). Soll der folgende Satz nun nicht dasselbe besagen, d. h. sinnlos sein, ergibt es sich, daß, stilistisch gesehen, hier eine Klimax vorliegt, so bleibt folgerichtig als einziger Schluß nur übrig: das besondere Privileg besteht darin, daß der Kaiser die Anwendung dieser altjüdischen Sitte auch auf die cives Romani in einem besonderen Erlasse gestattete. Die ungehemmte Ausübung alten Brauchtums ist also stets unbestritten gewesen. Der Schluß auf die Kapitalgerichtsbarkeit legt auch hier folglich die Lietzmannsche These nahe. Äußerst lehrreich ist auch in diesem Fall die von Juster herangezogene, von Büchsel aber — von seinen Voraussetzungen mit Unrecht — abgelehnte Stelle Ant. 13, 294 (Büchsel a. a. 0.1931, S. 203, Anm. 3). Daß hier überhaupt nicht an eine Beteiligung des Statthalters gedacht ist, zeigt nicht bloß sein völliges Totgeschwiegenwerden, sondern vor allem doch das Unauthenticated Download Date | 3/29/16 11:39 AM 294 H. J, E b e l i n g , Zur Frage nach der Kompetenz des Synhedrion ganz analog aufzufassende Vorgehen Hyrkans gegen alle Pharisäeranhänger: er straft sie aus eigener Initiative und Machtvollkommenheit (§296). Aber man lese doch einmal den ganzen Vorgang unvoreingenommen: Was soll eine Urteilsabgabe, wenn doch eine andere Macht entscheidet! Daß aber Büchsel sich tatsächlich irrt bei seiner Interpretation, beweist eindeutig die Tatsache, daß die ganze Geschichte sich abspielte zu einer Zeit, als die Römer noch gar nicht im Lande waren. Es ist Hyrkan L, der als unabhängiger (auch von Syrien: vgl. Schürer, Gesch. des jüd. Volkes I, S. 256; 260f. und Ed. Meyer, Ursprünge und Anfänge des Christentums II, S. 273ff.) Herrscher politische und priesterliche Funktionen in seiner Hand vereinte (§ 291, darum geht der Streit ja gerade). So muß unsere Stelle zwar für das umstrittene Problem fortfallen, doch in ihrer Haltung und Tendenz bildet sie als Sachparallele zu Ant. 20, 201 eine nicht zu unterschätzende Stütze für unsere Auslegung. Ein ebenso evidenter Beweis schließlich liegt auch bei Philon, legatio § 307 vor (Büchsel ibd. 205). Setzen wir einmal die Voraussetzungen Büchsels ein: dem Synhedrion wäre jede Kapitaljustiz untersagt. Und da schreibt ein König von Roms Gnaden, dessen Politik nur eine Verbeugung vor dem Kaiser war, der selbst im letzten und entscheidenden Existenzkampf seines Volkes unentwegter Römling blieb — dieser unterfängt sich (woher hat er plötzlich soviel Mut?), dem Kaiser die entschlossene Resistenz des Synhedrion wider Roms Willen unverhüllt schriftlich ad oculos zu demonstrieren ? Und bloß um hier die einzigartige Frömmigkeit des jüdischen Volkes in den Himmel zu erheben? Vor dem Statthalter Albinus stehen gewiegte Diplomaten — und an den Kaiser in Rom schreibt der jüdische Staatsmann par excellence so, als ob er von allen guten Geistern verlassen wäre ? Agrippa konnte nur so schreiben, wenn das Synhedrion vollste Bewegungsfreiheit besaß. In diese Beweiskette stellt sich weiter unbestritten das Origeneszitat (s. Büchsel ibd. 204, Anm. 2), die Bemerkung über die Essener (ibd. 205), die Disziplinargewalt der Synagogenverbände, auf die öpke hingewiesen hat (a. a. 0. S. 390ff.) und vor allen Dingen das unbeschränkte Auspeitschungsrecht, wobei man »ausdrücklich damit rechnet, daß der Gezüchtigte unter den Schlägen tot zusammenbricht« (öpke ibd. 394)! Ich meine der von Büchsel zitierte Rechtsgrundsatz: »die Peregrinen regiert das Imperium der römischen Beamten« (a. a. 0. 1931, S. 209f.) ist mit diesen Einschränkungen zu verstehen. Es soll nicht verschwiegen werden, daß freilich die Talmudzeugnisse, die vor allem Fiebig gut zusammengestellt hat (a. a. O. S. 217ff.), nicht so eindeutige Interpretationen gestatten (vgl. dazu Büchsel a. a. O. 1931, S. 206: »die Nachricht trifft selbstverständlich so nicht zu«; 1934, S. 87 beruft sich freilich Büchsel auf sie; Lietzmann a. a. 0.1932, S. 811). Fiebig meint zwar diese talmudische Nachrichten vereinigen zu können mit den hellenistischen Schriftstellern in unserem Sinne, doch muß man nüchtern anerkennen, daß seine Schlüsse längst nicht einwandfrei genug sind, um auch nur den dem Ergebnis positiv gegenüberstehenden Leser überzeugen Unauthenticated Download Date | 3/29/16 11:39 AM A. Kurfess, Plinius und der urchristliche Gottesdienst 295 zu können. Doch auf diesem Gebiete muß ein Sachverständiger die eingehende Interpretation vornehmen. Ich verzichte daher hierauf, zumal bei der Geschlossenheit der übrigen Tradition die These Lietzmanns sowieso schon zu überführender Evidenz erhoben ist. [Abgeschlossen am 18. Dezember 1935.] Plinius und der urchristliche Gottesdienst* Von Studiendirektor Dr. A. Kurfess in Linz a. Rh. (Linz a. Rh., Kaiserbergstr. 4.) Casper J. Kraemer, Jr. hat in der »Classical Philology« XXIX (1934), 293—300 unter dem Titel Pliny and the early charch service: fresh light from an old source den Brief an Trajan über die Christen behandelt; er meint, es zeigten sich da noch mehrere geringfügige, aber wissenswerte Einzelheiten, die wohl von keinem Gelehrten in des Verfassers Sinne behandelt worden seien. Es handelt sich um Plin. ep. X 96, 9: Adfirmabant autem hanc fuisse summam vel culpae suae vel erroris, quod essent soliti stato die ante ktcem convenire carmenq^ie Christo quasi deo dicere secum invicem, seque sacramento non in scelus aliquod obstringere, sed ne furta, ne latrocinia, ne adulteria committerent, ne fidem f allerent, ne depositum appellati abnegarent: quibus peractis morem sibi discedendi fuisse, rursusque coeundi ad capiendum cibum, promiscuum tarnen et innoxium. Ausgehend von dem Wort sacramento, teilt der Verf. uns die Meinung von Merrill1 und Nock 2 mit; dann interpretiert er die Stelle seque sacramento . . . obstringere . . . abnegarent und hält es für ganz natürlich, daß diese Worte sich direkt auf die »zehn Gebote« beziehen; das sei so einleuchtend, daß man sich nur wundern müsse, daß diese Erklärung noch nicht ihren Weg in eine kommentierte Pliniusausgabe genommen habe und sich nirgends in der theologischen Literatur finde. Die Worte ne fidem fallerent, ne depositum appellati abnegarent seien eine praktische römische Umschreibung der Worte der Gebote: »Du sollst nicht falsch Zeugnis reden. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus«; auch sprächen verschiedene Gründe dafür,, daß der Dekalog ein Teil des christlichen Gottes2 *) Selected Letters of the Younger Pliny (Macmillan 1919) p. 440. ) The Christian 'Sacramentum' in Pliny and a Pagan Counterpart. Class. Rev. MayJune, 1924, pp. 1—2 [Odo Casel, Jb. f. Liturgiewiss. VIIJ, 1928, 225—232]. Unauthenticated Download Date | 3/29/16 11:39 AM
© Copyright 2024 ExpyDoc